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Document 52007AE0419

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden KOM(2006) 373 endg. — 2006/0132 (COD)

ABl. C 161 vom 13.7.2007, p. 48–52 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
ABl. C 161 vom 13.7.2007, p. 15–15 (MT)

13.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 161/48


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden“

KOM(2006) 373 endg. — 2006/0132 (COD)

(2007/C 161/15)

Der Rat beschloss am 15. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 19. Februar 2007 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 434. Plenartagung am 14.-15. März 2007 (Sitzung vom 14. März) mit 147 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass Pestizide nachhaltiger eingesetzt werden müssen, um ihre positiven Wirkungen zu optimieren und ihre Schadwirkung auf die Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucher, Betreiber und auf die gesamte Gesellschaft zu verringern.

1.2

Grundsätzlich begrüßt der Ausschuss den Kommissionsvorschlag, da darin eine Problematik behandelt wird, die für das Wohl der europäischen Bürger, für die Erhaltung der Lebensqualität und des Ökosystems, für die Entwicklung des ländlichen Raums und darüber hinaus für eine positive Produktentwicklung sehr wichtig ist, damit diese auf dem Binnenmarkt und auf dem internationalen Weltmarkt — auch dank einer kontinuierlichen Qualitätssteigerung — wettbewerbsfähig bleiben.

1.3

Der Ausschuss hält es für zweckmäßig, dass Aktionspläne auf einzelstaatlicher Ebene erarbeitet werden, um die Ziele der Risikominderung festzulegen und eine wirkliche Harmonisierungspolitik auf europäischer Ebene einzuleiten.

1.3.1

Die Pläne müssen in geeignete einzelstaatliche, regionale und lokale Maßnahmen münden, die vor allem die drei Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen: wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkung.

1.4

Nach Ansicht des Ausschusses sind Fortbildung und Information unerlässlich, um die Schutzsysteme der landwirtschaftlichen Erzeugung rational und nachhaltig zu nutzen und mögliche negative Umweltfolgen zu vermeiden.

1.4.1

Die Fortbildung muss auf alle Beteiligten — einschließlich der öffentlichen Hand sowie der nichtgewerblichen Nutzer — ausgedehnt werden, wobei selbstverständlich die bereits von etablierten Einrichtungen betriebenen einzelstaatlichen Bildungssysteme aufrechtzuerhalten sind.

1.5

Der Ausschuss hält es für notwendig, dass die Sensibilisierungskampagnen objektiv und neutral sind, die Vorteile für die Erzeugung sowie die Risiken verdeutlichen und sich insbesondere an nichtgewerbliche Nutzer und vor allem an die lokale öffentliche Hand richten.

1.6

Bei der Einführung von Vorsichtsmaßnahmen für besonders heikle Bereiche, z.B. Vorschriften für das Sprühen aus der Luft, sollte nach Ansicht des Ausschusses ein gewisses Maß an Subsidiarität Vorrang haben.

1.7

Der Ausschuss hält es für wichtig, dass der Forschung im Bereich Landwirtschaft und Pflanzenschutz genügend Raum gegeben wird, um das Risiko, das beim Einsatz von chemischen Stoffe und von Mischungen chemischer Stoffe stets vorhanden ist, auf ein Minimum zu reduzieren.

1.8

Ferner ist der Ausschuss der Auffassung, dass der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie FAO, OECD und WHO sowie mit den Nachbarregionen die nötige Aufmerksamkeit gebührt.

1.9

Die Globalisierung der Agrar- und Lebensmittelmärkte erfordert nach Ansicht des Ausschusses einen gemeinschaftlichen Einsatz für die weltweite Durchsetzung der europäischen Produktqualitäts- und Gesundheitsschutzstandards, v.a. durch deren Aufnahme in den Codex Alimentarius.

2.   Begründung

2.1

Unter dem Begriff „Pestizide“ versteht man Wirkstoffe, die grundlegende Prozesse in lebenden Organismen beeinflussen und daher Schadorganismen abtöten bzw. unter Kontrolle bringen können (1). In dem Kommissionsvorschlag wird jedoch auf die spezifischere Definition von „Pflanzenschutzmitteln“ Bezug genommen (2).

2.2

Pestizide gelten als wichtig, um Kulturpflanzen vor Insekten, Nagetieren und natürlichen Krankheitserregern zu schützen, können sich jedoch in der Umwelt kumulativ ablagern und ernste Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier verursachen, vor allem wenn sie das Trinkwasser verseuchen. Zu den möglichen Gefahren für den Menschen zählen Krebs, genetische Störungen sowie chronische Schädigungen des Immunsystems.

2.3

Die Risiken für die menschliche Gesundheit können aus der direkten oder indirekten Pestizidexposition, aus ihrer unsachgemäßen Nutzung oder aus Unfällen herrühren, vor allem während und nach ihrem Einsatz für die Landwirtschaft, die Landschaftspflege oder für andere Zwecke.

2.4

Die Risiken einzelner Wirkstoffe in Pestiziden werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgeschätzt, die Auswirkungen der Exposition gegenüber einer Mischung chemischer Stoffe auf der Ebene der Mitgliedstaaten jedoch nicht angemessen evaluiert. Daher wäre es heute sehr schwierig abzuschätzen, wie sich alle momentan verwendeten Mittel insgesamt auf die menschliche Gesundheit auswirken (3).

2.5

Die Auswirkung der indirekten Exposition derjenigen Personen, die sich in dem Einsatzgebiet von Pestiziden (Ausbreitung von Sprühmitteln in der Luft) aufhalten bzw. dort wohnen, oder der Konsumenten (Rückstände auf landwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. im Wasser) kann für besonders anfällige Gruppen noch gravierender sein. So haben aktuelle Studien (4) die besondere Empfindlichkeit derjenigen Föten nachgewiesen, deren neurologische Entwicklung durch die Pestizidexposition ihrer Mutter gestört wurde.

2.6

Zu berücksichtigen sind die Umweltgefahren, die auf die exzessive und unbeabsichtigte Freisetzung chemischer Stoffe in Wasser, Luft und Boden zurückzuführen sind und den Pflanzen, der wilden Flora und Fauna, der Qualität der einzelnen Umweltmedien und allgemein der biologischen Vielfalt schaden.

2.6.1

Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die moderne Gesellschaft auf eine breite Vielfalt an Düngemitteln, Bioziden, Lebensmittelzusätzen, Insektiziden, Pestiziden und Herbiziden vertraut, die eine höhere Lebensmittelqualität und -sicherheit ermöglichen.

2.7

Bei einem verantwortungsvollen Einsatz gewährleisten diese Mittel ein Marktangebot an hochwertigen Grundstoffen, Lebensmitteln sowie Obst und Gemüse, die kostengünstig und daher für jeden Verbraucher erschwinglich sind. Der Einsatz von Ernteschutzmitteln gewährleistet hohe Erträge, verringert die durch Pilze und Bakterien verursachten natürlichen Toxine, reduziert Ernteverluste und trägt zu einem ausreichenden und dauerhaften Nahrungsmittelangebot auf dem Binnenmarkt und dem Weltmarkt bei.

2.7.1

Im Übrigen durchlaufen sämtliche Fungizide, Insektizide und Herbizide bereits ein striktes Zulassungsverfahren, ehe ihr Inverkehrbringen und ihre Nutzung genehmigt werden.

2.8

Der Ausschuss teilt die Ansicht, dass Pestizide nachhaltiger eingesetzt werden müssen, um ihre positiven Wirkungen zu optimieren und ihre Schadwirkungen auf Umwelt, Verbraucher und Betreiber zu verringern; dadurch würde auch der Ruf der Betreiber und derjenigen landwirtschaftlichen Betriebe verbessert, die Pflanzenschutzmittel umsichtig einsetzen.

2.9

Nach Auffassung des Ausschusses muss stärker betont werden, dass ein rationalerer und rationellerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln positive Auswirkungen für die Landwirte haben kann. Im Übrigen engagieren sich die Landwirte selbst seit Jahren für die Entwicklung rationellerer Techniken wie der integrierte Pflanzenbau und die integrierte Schädlingsbekämpfung, da sie konkreter auf die integrierte Landwirtschaft setzen wollen — dieser Trend sollte unterstützt werden.

2.10

Die echte Herausforderung der Zukunft ist nicht nur, sichere und hochwertige konventionelle wie auch Bio-Erzeugnisse für „bewusstere“ Verbraucher zu liefern, sondern auch die Erwartungen derjenigen zu erfüllen, die Produkte zu moderaten Preisen und mit vergleichbaren Qualitätsgarantien kaufen wollen.

2.11

Die Probleme hinsichtlich der Berücksichtigung von Umweltaspekten beim Einsatz von Pestiziden werden durch die Prioritäten des Sechsten Umweltaktionsprogramms der Europäischen Union (2002-2012) abgedeckt, das die Erarbeitung und Lancierung von sieben thematischen Strategien vorsieht.

2.12

Es gibt eine deutliche Interaktion zwischen den Vorschlägen der bereits angenommenen thematischen Strategien — vor allem diejenigen über den Schutz des Grundwassers und der natürlichen Flora und Fauna, über den Schutz der Böden, über die Abfallentsorgung sowie über Rückstände und Verpackungen — und dem nun vorliegenden Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie.

2.12.1

In der thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden sind vier neue Umwelt- und Gesundheitsschutzmaßnahmen vorgesehen, unter anderem der Vorschlag für eine Richtlinie über einen Rahmen für den nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist.

2.12.2

Des Weiteren hat die Kommission eine Folgenabschätzung für die einzelnen möglichen Szenarien erstellt, die sich aus der Anwendung der Maßnahmen für einen nachhaltigen Einsatz von Pestiziden sowie ihrer Kosten ergeben. Darin heißt es: „Die Verluste (für die PSM-Industrie und für Landwirte, die für Schulung und Zertifizierung und für die Wartung von Ausbringungsgeräten zahlen müssen) entsprechen den Nutzen (für Landwirte, die weniger PSM verbrauchen, und für Schulungs- und Wartungseinrichtungen oder Zertifizierungsstellen)“  (5).

2.13

Somit ist die Nettogesamtauswirkung, die der Verringerung der externen Kosten entspricht, eindeutig positiv: „Die Extrapolation aus einer umfassenden Studie in Deutschland legt den Schluss nahe, dass der optimierte Einsatz von Pestiziden aufgrund der Kosteneinsparung von über 200 Mio. EUR pro Jahr infolge der Verringerung externer Effekte (wie Schadwirkungen auf Gesundheit und Umwelt) der EU insgesamt nutzen dürfte“  (6).

2.14

Bereits 2003 (7) hatte der EWSA Gelegenheit, sich zu einer Kommissionsinitiative bezüglich der Erarbeitung einer thematischen Strategie für den Einsatz von Pestiziden zu äußern. Der Ausschuss hält es für sinnvoll, hier auch ausdrücklich den Aspekt Pflanzenschutz zu erwähnen, der durch den Einsatz von Pestiziden sowie durch andere Techniken wie Biopestizide, Pflanzenextrakte, Präventionsmethoden, organische Methoden und Pflanzenresistenz gegenüber bestimmten Schädlingen erreicht werden kann und dessen Vorteile und Risiken auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage zu evaluieren sind.

3.   Der Kommissionsvorschlag

3.1

Der Kommissionsvorschlag hat zum Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt vor dem gefährlichen unsachgemäßen bzw. exzessiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und im Ökosystem zu schützen, indem die damit verbundenen Risiken und Schadwirkungen in einer Weise verringert werden, „die mit dem erforderlichen Pflanzenschutz vereinbar ist“.

3.2

Der Kommissionsvorschlag sieht insbesondere vor:

Obligatorische Erarbeitung nationaler Aktionspläne (NAP), um Kulturen, Tätigkeiten oder Gebiete zu identifizieren, bei denen bedenkliche Risiken bestehen, die vorrangig angegangen werden müssen, sowie Beteiligung von Interessengruppen an der Erarbeitung, Umsetzung und Anpassung der NAP,

Schaffung eines Systems von Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Vertreiber und gewerbliche Anwender von Pestiziden und Aufklärung der allgemeinen Öffentlichkeit durch Sensibilisierungs- und Informationskampagnen,

obligatorische, regelmäßige Kontrolle von Ausbringungsgeräten, um negative Auswirkungen von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt während der Ausbringung zu verringern,

Verbot des Sprühens aus der Luft (mit möglichen Ausnahmeregelungen), um die Risiken von Schadwirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu begrenzen,

einige spezifische Maßnahmen zum Schutz des Wassermilieus vor Pestizidverseuchung,

Ausweisung von Gebieten ohne oder mit nur geringem Pestizideinsatz (ZPU, Zero Pesticide Use) in Einklang mit im Rahmen anderer Vorschriften ergriffenen Maßnahmen,

Behandlung und Lagerung von Pestiziden, Pestizidverpackungen und Pestizidrückständen (pesticides life-cycle),

Entwicklung gemeinschaftsweiter — ab 2014 obligatorischer — spezifischer Normen für die integrierte Schädlingsbekämpfung (Integrated Pest Management, IPM) und Schaffung der Voraussetzungen zur Durchführung des IPM,

ein System harmonisierter Indikatoren für die obligatorische Erfassung und Mitteilung statistischer Informationen über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pestiziden zur Bewertung der bei der Verringerung der Gesamtrisiken erzielten Fortschritte.

4.   Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag insofern, als darin eine Problematik behandelt wird, die für das Wohl der europäischen Bürger und Verbraucher, für die Erhaltung der Lebensqualität, für die Landwirtschaft und für das Ökosystem von großer Bedeutung ist.

4.2

Schätzungen zufolge werden weltweit jährlich Pestizide im Wert von ca. 25 Mrd. EUR verkauft und weiterhin sehr viele Pestizide in Entwicklungsländern eingesetzt, auch wenn diese Märkte stagnieren oder zurückgehen (8). Zugleich erfordert die zunehmende Globalisierung der Agrar- und Lebensmittelmärkte, dass alle Beteiligten die entsprechenden Produktivitäts- und Gesundheitsstandards des Codex Alimentarius genau einhalten, damit sich das Gresham-Gesetz nicht auch auf diese Märkte auswirkt (9).

4.3

Ferner werden in verschiedenen Teilen der Welt enorme Mengen an Pestiziden verschwendet oder unnötig eingesetzt, und viele Menschen leiden an Vergiftungen, weil die Landwirte, Betreiber und die lokalen Behörden nicht über neue technische Anwendungen informiert sind oder ihr einschlägiges Wissen nicht aktualisiert haben und weil die für den Pestizideinsatz genutzten Maschinen oftmals veraltet bzw. nicht richtig gewartet sind. Des Weiteren werden in der EU bereits verbotene gefährliche Mittel immer noch in den Entwicklungsländern eingesetzt (10).

4.4

Der Ausschuss hält die Erarbeitung nationaler Aktionspläne mit quantitativen Zielen und Zeitplänen für besonders sinnvoll, um geeignete Maßnahmen zur notwendigen Risikoverringerung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu ergreifen und dabei die drei Aspekte der Nachhaltigkeit — wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkung — zu berücksichtigen.

4.5

Die gesellschaftlich verantwortungsvolle Nutzung von Schutzmitteln für die landwirtschaftliche Erzeugung ist grundlegend für die Erreichung immer ehrgeizigerer sozialer Ziele, wobei einerseits dafür zu sorgen ist, dass die Landwirte ihren Verpflichtungen in der Lebensmittelkette nachkommen und hochwertige Lebensmittel für die Verbraucher erzeugen, und andererseits ein angemessenes Wettbewerbsniveau der Landwirtschaft — im Rahmen der Lissabon-Strategie — auf dem Binnenmarkt wie auf dem Weltmarkt zu gewährleisten ist.

4.6

Der wirtschaftliche Aspekt der Nachhaltigkeit besagt, dass die Mittel nur in dem notwendigen Maße eingesetzt werden, um die verschiedenen Krankheiten unter der Gefahrenschwelle zu halten und so den Ertrag der Kulturpflanzen, die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die Wirtschaftlichkeit der Landbewirtschaftung zu steigern.

4.7

In ökologischer Hinsicht sollten die Gefahren einer überhöhten und unerwünschten Konzentration chemischer Stoffe im Wasser, im Boden, in der Luft und in verarbeiteten Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen vermieden werden. Diese Stoffe schaden den Menschen, der Flora und Fauna, der Umweltqualität und allgemein der biologischen Vielfalt. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass gegen die Ausbreitung und Vermehrung von Pflanzenkrankheiten unbedingt vorzubeugen ist.

4.8

Hinsichtlich der Einführung nationaler Aktionspläne ist es wichtig, dass die künftigen Maßnahmen auf EU-weiten Vorschriften und Kriterien beruhen, damit keine Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt entstehen.

4.9

Allgemeine und berufliche Bildung sowie Information sind wichtig in Zusammenhang mit einer rationalen und nachhaltigen Nutzung der Schutzsysteme der landwirtschaftlichen Erzeugung und eine Voraussetzung, um die besten landwirtschaftlichen Verfahren zu gewährleisten und mögliche negative Umweltfolgen zu vermeiden, insbesondere was die umfassende Schulung aller Beteiligten, einschließlich der öffentlichen Hand und der nichtgewerblichen Nutzer, angeht.

4.10

Die Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Ausbildungssysteme geschaffen, die auf einzelstaatlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften beruhen und von etablierten Einrichtungen betrieben werden. Nach Ansicht des Ausschusses bedarf es folglich eines flexiblen gemeinschaftlichen Bezugsrahmens, um die Ansprüche der unterschiedlichen Nutzergruppen zu erfüllen — auch auf der Grundlage didaktischer Methoden und Inhalte, die von den Betroffenen auf europäischer Ebene vereinbart (11) und im Rahmen eines sektorspezifischen Dialogs und einer Partnerschaft zwischen den Sozialpartnern vor Ort erörtert werden.

4.11

Dasselbe gilt für die Informations- und Sensibilisierungskampagnen über die Vorteile der möglichen Pflanzenschutzverfahren und die Risiken von Schadwirkungen, die objektiv und neutral sein müssen. Diese Kampagnen könnten in den einzelnen Mitgliedstaaten — auch über eine Abgabe auf Enteschutzmittel — finanziert werden. Mit diesen Geldern könnten die Nutzer, insbesondere die nichtgewerblichen Nutzer, in unterschiedlicher Form, vor allem mit einfachen, über das Internet aktualisierten technischen Leitfäden, sensibilisiert werden.

4.12

Der Ausschuss hält es für essentiell, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften für die regelmäßige technische Kontrolle und Wartung von in Gebrauch befindlichen Geräten für den Einsatz von Pestiziden erlassen, die auf gemeinsamen, harmonisierten Bestimmungen entsprechend den wesentlichen Anforderungen basieren.

4.13

Werden Vorsichtsmaßnahmen in besonders heiklen Bereichen wie dem Wasserschutz (12) — die mit der einschlägigen Rahmenrichtlinie übereinstimmen müssen — und in Natura-2000-Gebieten ergriffen, dann ist den örtlichen Gegebenheiten und den unterschiedlichen Kulturpflanzen wie dem Reisanbau Rechnung zu tragen.

4.13.1

Nach Ansicht des EWSA sind bewährte Verfahren zur Risikominderung anzuwenden, indem gemeinsame Bestimmungen und Mindestkriterien ausgewogen und rational festgelegt werden, wobei die Auswahl der Maßnahmen und ihre strenge Kontrolle jedoch Sache der Mitgliedstaaten bleiben müssten und kein generelles Verbot eingeführt werden sollte, das der Ausschuss für übertrieben hält.

4.14

Hinsichtlich scharfer Beschränkungen für das Sprühen aus der Luft sollte nach Ansicht des EWSA genau bedacht werden, dass es geografische Gebiete und Situationen gibt, in denen dieses Verfahren nicht durch andere Techniken ersetzt werden kann, und dass daher für diese Maßnahmenart eventuell äußerst begrenzte Ausnahmebestimmungen zugelassen werden sollten, um die maximale Sicherheit und Professionalität der Betreiber zu gewährleisten und so Schadwirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten und die auf den unterschiedlichen Ebenen zuständigen Behörden sollten die Sicherheits- und Professionalitätsniveaus nach einheitlichen Risikobewertungsverfahren systematisch kontrollieren.

4.15

In der Gemeinsamen Agrarpolitik (13) wächst die Zustimmung zur Entwicklung von Techniken des integrierten Pflanzenbaus (Integrated Crop Management — ICM) (14), in die — in gegenseitiger Abstimmung — schrittweise neue Methoden der integrierten Schädlingsbekämpfung (Integrated Pest Management — IPM) aufgenommen werden sollten. Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die ICM-Techniken, die einen Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltigen Agrarsystemen darstellen.

4.16

Im Übrigen ist es sehr schwierig, die unterschiedlichen Auswirkungen des Pflanzenschutzes von den Effekten einer Reihe anderer landwirtschaftlicher Methoden (Rotation usw.) zu trennen: Wenn die Mitgliedstaaten bis 2014 verpflichtet sind, allgemeine IPM-Zielvorschriften zu erarbeiten, dann muss nach Ansicht des Ausschusses die uneingeschränkte Einbeziehung der Nutzer und die vollständige Berücksichtigung der allgemeinen ICM-Techniken sowie der Fortschritte in puncto Technik und technologische Forschung in diesem Sektor gefördert werden, wobei diese Forschung auch in den Arbeitsprogrammen des Siebten Rahmenprogramms für F&E unterstützt und ausgebaut werden muss.

4.17

Der Ausschuss hält es für wichtig, dass der Forschung über das Schädlichkeitsniveau neuer Technologien im Bereich Landwirtschaft und Pflanzenschutz sowie über Risikominderung beim Einsatz von chemischen Stoffen und von Mischungen chemischer Stoffe im Rahmen der Arbeitsprogramme und der Ausschreibungen des Siebten Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration 2007-2013 genügend Raum gegeben wird.

4.18

In seiner Stellungnahme zur Zukunft der GAP  (15) hat der EWSA verschiedene Möglichkeiten für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltaspekten in der Agrarpolitik aufgezeigt. Darin betont er, dass der so genannte zweite Pfeiler der Agrarpolitik vorsieht, dass die Mitgliedstaaten in der neuen Programmplanung 2007-2013 der Strukturfonds und in den nationalen und regionalen ländlichen Entwicklungsplänen Anreize für Ausgleichsmechanismen für die Landwirte schaffen, denen eine Verringerung der beim Einsatz chemischer Pestizide auftretenden Risiken gelingt (16).

4.19

Die IPC-Techniken sind entsprechend den neuen Bestimmungen über die Vermarktung von Pflanzenschutzmitteln festzulegen, und die Standards für die IPM-Techniken müssen die unterschiedlichen natürlichen und klimatischen Bedingungen in der EU berücksichtigen.

4.20

Schutzmittel für die landwirtschaftliche Erzeugung sind so zu handhaben und zu lagern, dass jedes mögliche Gesundheits- und Umweltrisiko vermieden wird. Nach Ansicht des Ausschusses sollte — über die vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus — auf Gemeinschaftsebene ein Rahmen mit Mindeststandards für die Lagerung bei Großhändlern, Einzelhändlern und Landwirten festgelegt werden (17).

4.21

Hinsichtlich des Systems harmonisierter Indikatoren für die obligatorische Erfassung und Mitteilung statistischer Informationen über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pestiziden teilt der Ausschuss uneingeschränkt die Ansicht, dass statistische Angaben notwendig sind und dass sie auf der Grundlage EU-weit harmonisierter Risiko- und Verwendungsindikatoren regelmäßig erfasst werden müssen.

4.22

Der Ausschuss unterstreicht, wie wichtig es ist, bei allen Beteiligten homogene Daten anzufordern und dabei auch Überschneidungen und übermäßige Belastungen durch einen hohen Verwaltungsaufwand und hohe Fachlichkeit zu vermeiden.

4.23

Die Indikatoren sollten auf dem Risikoniveau statt auf den Mengen der verwendeten Mittel bzw. der vorhandenen Rückstände sowie auf den Gesundheitsauswirkungen — auch mittels WHO-Analysen — basieren und sich auch auf den Verbreitungsgrad der Krankheiten und Krankheitserreger beziehen, welche die Erzeugung befallen.

4.24

Der Ausschuss hält es für sinnvoll, Aspekten der internationalen Zusammenarbeit mit Organisationen wie der FAO (18) und der OECD (19) sowie mit den Nachbarregionen, insbesondere mit den Ländern des Mittelmeerraums, mit den Balkan- und mit den Nachbarländern, genügend Bedeutung beizumessen.

Brüssel, den 14. März 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Internationaler Verhaltenskodex für den Vertrieb und die Anwendung von Pestiziden (FAO, November 2002) und Artikel 2 der Entschließung 1/123 der 123. Sitzung des Rates der FAO, 2002.

(2)  Vgl. KOM(2006) 388 endg., Artikel 2, Absatz 1.

(3)  Es sei darauf hingewiesen, dass weltweit bereits Methoden existieren, die vor allem in den Vereinigten Staaten verbreitet sind. Siehe

http://www.epa.gov/ord/htm/innovations.htm.

(4)  Developmental neurotoxicity of industrial chemicals, Lancet 2006; 368:2167-78.

(5)  Vgl. SEK(2006) 914, Ziffer 5, Absatz 2.

(6)  Vgl. SEK(2006) 914.

(7)  ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 112-118.

(8)  Entschließung 1/123 des Rates der FAO 11/2002 (www.fao.org).

(9)  http://de.wikipedia.org/wiki/Greshamsches_Gesetz.

(10)  z.B. wurde Lindan in der EU verboten, ist jedoch in den Entwicklungsländern weiterhin in Gebrauch.

(11)  Vgl. ECPA „Training resource for trainers on ICM“ und die „Guidelines on the Sustainable use of Crop protection products“.

(12)  Vgl. die gemäß Richtlinie 91/414/EWG eingeführten vorbildlichen Verfahren.

(13)  Vgl. CEAS „Report on CM Systems in the EU carried out for DG Environment“ und den „Kodex für den integrierten Landbau“ Initiative für nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft (ENEL). Dieser Kodex wurde in dem o.g. CEAS-Bericht anerkannt.

(14)  „Report on CM Systems in the EU“, Europäische Kommission, Mai 2003. Bemerkungen von PAN Europe und der EEB, 9/2002.

(15)  ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 87-99.

(16)  Vgl. Fußnote 3.

(17)  Vgl. Guidelines for Packaging and Storage of Pesticides (Leitlinien für die Verpackung und Lagerung von Pestiziden) (FAO 1985). Momentan sehen die EU-Rechtsvorschriften über die Aufbewahrung chemischer Stoffe Standards lediglich für große Mengen vor, während es — entgegen den Erfordernissen — für begrenzte Pestizidmengen einzelner Betreiber keinerlei Vorschriften gibt.

(18)  Insbesondere für die Begleitung, Anwendung und Aktualisierung des International code of conduct on the distribution and use of pesticides. November 2002.

(19)  Insbesondere für die Entwicklung von Indikatoren.


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