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Document 32022D1500

Beschluss (EU) 2022/1500 des Rates vom 9. September 2022 über die vollständige Aussetzung der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation

ST/12039/2022/INIT

ABl. L 234I vom 9.9.2022, p. 1–3 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2022/1500/oj

9.9.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

LI 234/1


BESCHLUSS (EU) 2022/1500 DES RATES

vom 9. September 2022

über die vollständige Aussetzung der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 9,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation (1) (im Folgenden „Abkommen“) ist gleichzeitig mit dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (2) am 1. Juni 2007 in Kraft getreten.

(2)

Zweck des Abkommens ist die Erleichterung der Erteilung von Visa für einen geplanten Aufenthalt von höchstens 90 Tagen pro Zeitraum von 180 Tagen für Bürger der Europäischen Union und Staatsangehörige der Russischen Föderation auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Das Bestreben, die zwischenmenschlichen Kontakte als wichtige Voraussetzung für einen steten Ausbau der wirtschaftlichen, humanitären, kulturellen, wissenschaftlichen und sonstigen Beziehungen zu fördern, wird in der Präambel des Abkommens hervorgehoben.

(3)

Nach Artikel 15 Absatz 5 des Abkommens ist es jeder Vertragspartei möglich, das Abkommen aus Erwägungen der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung ganz oder teilweise auszusetzen. Die Entscheidung über die Aussetzung muss der anderen Vertragspartei spätestens 48 Stunden vor ihrem Inkrafttreten mitgeteilt werden.

(4)

Als Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation im Jahr 2014 und auf Russlands anhaltenden destabilisierenden Handlungen in der Ostukraine hat die Europäische Union als Antwort auf die Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, Wirtschaftssanktionen, die mit der unvollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen im Zusammenhang stehen, eingeführt sowie Sanktionen im Hinblick auf Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, und Sanktionen als Reaktion auf die rechtswidrige Annexion der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch die Russische Föderation.

(5)

Als Unterzeichner der Minsker Vereinbarungen hatte die Russische Föderation die klare und direkte Verantwortung, auf eine friedliche Beilegung des Konflikts im Einklang mit diesen Grundsätzen hinzuarbeiten. Mit der Entscheidung, die nicht von der Regierung kontrollierten Regionen der Ostukraine als unabhängig anzuerkennen, hat die Russische Föderation eindeutig gegen die Minsker Vereinbarungen, in denen die vollständige Rückkehr dieser Gebiete unter die Kontrolle der ukrainischen Regierung vorgesehen ist, verstoßen.

(6)

Die Entscheidung der Russischen Föderation, die nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk als unabhängig anzuerkennen, und die darauf folgende Entscheidung, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden, haben die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine weiter untergraben und stellen schwere Verstöße gegen das Völkerrecht und internationale Übereinkünfte dar, darunter die Charta der Vereinten Nationen, die Schlussakte von Helsinki, die Charta von Paris und das Budapester Memorandum.

(7)

Seit dem Beginn des unprovozierten und ungerechtfertigten Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Lage verschlechtert, und Russland hat seine vollständige oder teilweise Besetzung in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine ausgeweitet. Ferner nutzt Russland das größte Kernkraftwerk der Ukraine in Saporischschja als Militäranlage, was Risiken für einen schweren nuklearen Zwischenfall mit Auswirkungen auf Nachbarländer, einschließlich Mitgliedstaaten, birgt.

(8)

Am 24. Februar 2022 verurteilte der Europäische Rat zusammen mit seinen internationalen Partnern den unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste und brachte — wie seine internationalen Partner — die uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung zum Ausdruck. Der Europäische Rat brachte ferner vor, dass Russland durch seine rechtswidrigen militärischen Handlungen massiv gegen das Völkerrecht verstoße und die Sicherheit und Stabilität Europas und der Welt gefährde. Als Reaktion auf den unprovozierten und ungerechtfertigten militärischen Angriff Russlands erließ der Rat am 25. Februar unter anderem restriktive Maßnahmen und setzte die Anwendung des Abkommens teilweise aus. (3)

(9)

Ein militärischer Angriff in einem an die Europäische Union angrenzenden Land wie der in der Ukraine, der zu mehreren restriktiven Maßnahmen geführt hat, rechtfertigt Maßnahmen zum Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen der Union und ihrer Mitgliedstaaten.

(10)

Zudem verstößt die Russische Föderation gegen die Minsker Vereinbarungen, indem sie die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt. Dies steht im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Russischen Föderation.

(11)

Die militärischen Handlungen der Russischen Föderation in der Ukraine haben die Bedrohungen für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit und die öffentliche Gesundheit der Mitgliedstaaten verstärkt.

(12)

Angesichts der sich verschlechternden Lage infolge des militärischen Angriffs Russlands auf die Ukraine ist der Rat daher der Auffassung, dass die Anwendung der Bestimmungen des Abkommens, die Erleichterungen der Erteilung von Visa für Staatsangehörige der Russischen Föderation vorsehen, die ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt beantragen, vollständig ausgesetzt werden sollte.

(13)

Dieser Beschluss stellt eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich Irland gemäß dem Beschluss 2002/192/EG des Rates nicht beteiligt; Irland beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.

(14)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation (im Folgenden „Abkommen“) wird in Bezug auf Staatsangehörige der Russischen Föderation ab dem 12. September 2022 vollständig ausgesetzt.

Artikel 2

Der Beschluss (EU) 2022/333 des Rates wird aufgehoben.

Artikel 3

Der Präsident des Rates nimmt die in Artikel 15 Absatz 5 des Abkommens vorgesehene Notifikation im Namen der Union vor.

Artikel 4

Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Annahme in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 9. September 2022.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J. SÍKELA


(1)  ABl. L 129 vom 17.5.2007, S. 27.

(2)  ABl. L 129 vom 17.5.2007, S. 40.

(3)  Beschluss (EU) 2022/333 des Rates vom 25. Februar 2022 über die teilweise Aussetzung der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation (ABl. L 54 vom 25.2.2022, S. 1).


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