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Dokumentum 32022D0795

Beschluss (EU) 2022/795 der Kommission vom 10. September 2021 über die von Italien durchgeführte staatliche Beihilfe SA.48171 (2018/C) (ex 2018/NN, ex 2017/FC) zugunsten von Alitalia (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2021) 6659) (Nur der italienische Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

C/2021/6659

ABl. L 141 vom 20.5.2022., 53—110. o. (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

A dokumentum hatályossági állapota Hatályos

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2022/795/oj

20.5.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 141/53


BESCHLUSS (EU) 2022/795 DER KOMMISSION

vom 10. September 2021

über die von Italien durchgeführte staatliche Beihilfe SA.48171 (2018/C) (ex 2018/NN, ex 2017/FC) zugunsten von Alitalia

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2021) 6659)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme nach diesen Artikeln (1) und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

(1)

Am 5., 12. und 15. Mai 2017 reichten die Fluggesellschaften Ryanair Ltd (im Folgenden „Ryanair“), Adria Airways d.o.o. (im Folgenden „Adria“) und IAG International Airlines Group S. A. (im Folgenden „IAG“) (im Folgenden zusammen „Beschwerdeführer“) drei förmliche Beschwerden bei der Kommission ein, wonach Italien rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen zugunsten von Alitalia — Società Aerea Italiana S.p.A. in amministrazione straordinaria (im Folgenden „Alitalia“) gewährt habe. Die Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass die italienischen Behörden Alitalia am 2. Mai 2017 eine Liquiditätshilfe in Form eines Darlehens in Höhe von 600 Mio. EUR (im Folgenden „ursprüngliches Darlehen“) gewährt hätten. Sie behaupteten, das ursprüngliche Darlehen stelle eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe dar.

(2)

Am 14. Juni 2017 übermittelte die Kommission die Beschwerden an die italienischen Behörden und ersuchte sie um Klarstellung der darin vorgebrachten Punkte. Dieses Ersuchen wurde von den italienischen Behörden am 18. Juli 2017 beantwortet; am 30. November 2017 leitete die Kommission die Antwort an die Beschwerdeführer weiter.

(3)

Am 20. Juni, 12. September und 16. Oktober 2017 legte IAG weitere Informationen und aktuelle Angaben betreffend die Ausweitung des Streckennetzes von Alitalia nach Gewährung des ursprünglichen Darlehens vor.

(4)

Am 30. Oktober 2017 legte Adria Informationen vor, wonach das Gesetzesdekret Nr. 148 vom 16. Oktober 2017 über „Sofortmaßnahmen im Finanzwesen und für unaufschiebbare Bedürfnisse“ (2) (im Folgenden „Gesetzesdekret Nr. 148/2017“) die Gewährung eines zusätzlichen Darlehens an Alitalia in Höhe von 300 Mio. EUR (im Folgenden „zusätzliches Darlehen von 300 Mio. EUR“) vorsah, sodass der Gesamtdarlehensbetrag auf 900 Mio. EUR aufgestockt wurde (das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR werden im Folgenden zusammen als die „beiden staatlichen Darlehen“ bezeichnet).

(5)

Am 21. Dezember 2017 richtete die Kommission ein Auskunftsersuchen an die italienischen Behörden, das von diesen am 24. Januar 2018 beantwortet wurde.

(6)

Am 23. Januar 2018 meldete Italien die beiden staatlichen Darlehen als Rettungsbeihilfe im Sinne der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (3) (im Folgenden „Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen“) bei der Kommission zur Genehmigung an.

(7)

Mit Schreiben vom 23. April 2018 setzte die Kommission Italien von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen der beiden staatlichen Darlehen das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV einzuleiten.

(8)

Der Beschluss der Kommission, das Verfahren einzuleiten (im Folgenden „Einleitungsbeschluss“), wurde am 20. Juli 2018 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Kommission forderte die Beteiligten darin auf, zum Einleitungsbeschluss Stellung zu nehmen.

(9)

Bei der Kommission gingen mit Schreiben vom 25. Mai 2018 Stellungnahmen von Italien und mit Schreiben vom 25. September 2018 Stellungnahmen von drei Beteiligten ein: i) von Aegean Airlines S.A. (im Folgenden „Aegean“), ii) von einem Beteiligten, der um Nichtbekanntgabe seiner Identität nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates (4) ersucht hat (im Folgenden „anonymer Beteiligter“), und iii) von Ryanair. Am 15. November 2018 und am 17. Januar 2019 schickte die Kommission die Stellungnahmen der drei Beteiligten an die italienischen Behörden und forderte sie auf, dazu Stellung zu nehmen; die italienischen Behörden taten dies mit Schreiben vom 20. März 2019.

(10)

Am 17. September 2018, 23. November 2018, 6. und 11. Dezember 2018, 26. Februar 2019, 10. Mai 2019 und 2. Juli 2019 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um weitere Erläuterungen. Am 19. September 2019 und am 28. Oktober 2019 versandte die Kommission Erinnerungsschreiben betreffend fehlende Antworten auf das Auskunftsersuchen vom 2. Juli 2019.

(11)

Am 1. Oktober 2018, 9. und 27. November 2018, 17. Dezember 2018, 25. Januar 2019, 11. Februar 2019, 1. und 18. April 2019, 15. Mai 2019, 3. und 12. Juni 2019, 9. Juli 2019, 6. August 2019, 2. Oktober 2019, 17. Oktober 2019 und 19. November 2019 übermittelten die italienischen Behörden der Kommission weitere Stellungnahmen und Informationen.

(12)

Die Dienststellen der Kommission trafen sich mehrfach mit den italienischen Behörden, unter anderem am 15. Juni 2017, 26. Juli 2017, 9. Februar 2018, 13. April 2018, 27. September 2018, 14. November 2018, 14. Dezember 2018, 16. Januar 2019, 20. Februar 2019, 21. Februar 2019, 9. April 2019, 20. Juni 2019, 26. Juli 2019 und 27. September 2019.

(13)

Die Kommission traf sich auch mit Alitalia (am 21. Februar 2019 und 9. April 2019), Aegean (am 10. Januar 2019) und dem anonymen Beteiligten (am 21. März 2019).

(14)

Am 7. März 2019 übermittelte Adria (5) eine neue Beschwerde, in der geltend gemacht wurde, dass die Verschiebung der Fälligkeitstermine der beiden staatlichen Darlehen eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstelle. Am 22. März 2019 leitete die Kommission diese Beschwerde an die italienischen Behörden weiter und ersuchte sie um Klarstellung der darin vorgebrachten Punkte. Italien beantwortete das Ersuchen am 6. August 2019.

2.   BESCHREIBUNG DER BEIDEN STAATLICHEN DARLEHEN UND DER SACHDIENLICHEN FAKTEN

2.1.   Die beiden vom italienischen Staat gewährten staatlichen Darlehen

(15)

Am 23. April 2018 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren wegen der beiden staatlichen Darlehen (im Folgenden „Maßnahme“) ein.

(16)

Das ursprüngliche Darlehen ist im Gesetzesdekret Nr. 55 vom 2. Mai 2017 über „Dringliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Betriebskontinuität von Alitalia S.p.A.“ (6) vorgesehen (im Folgenden „Gesetzesdekret Nr. 55/2017“). Am 2. Mai 2017 wurde Alitalia S.p.A. unter Sonderverwaltung gestellt (siehe Erwägungsgrund 41).

(17)

Artikel 1 des Gesetzesdekrets Nr. 55/2017 besagte Folgendes: „Um eine Unterbrechung des von Alitalia — Società Aerea Italiana — S.p.A. unter Sonderverwaltung erbrachten Dienstes für inländische und internationale Flugverbindungen, einschließlich solcher, die unter gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne der geltenden europäischen Rechtsvorschriften fallen, zu vermeiden, wird unter Berücksichtigung der mit einer solchen Unterbrechung verbundenen sozialen Härten und erheblichen Unannehmlichkeiten für die Nutzer eine Finanzierung in Höhe von sechshundert Millionen Euro für einen Zeitraum von sechs Monaten entgeltlich zugunsten von Alitalia — Società Aerea Italiana — S.p.A. in Sonderverwaltung für dringende Betriebsführungserfordernisse der besagten Gesellschaft und anderer unter Sonderverwaltung gestellter Gesellschaften der Gruppe vorgesehen.“ Auch wenn in der Rechtsvorschrift, mit der die Finanzmittel gewährt wurden, von einer „Finanzierung“ die Rede ist und zwischen Italien und Alitalia keine Darlehensvereinbarung geschlossen wurde, bezeichnet die Kommission die Maßnahme als „Darlehen“, weil die Finanzierung verzinst zurückzuzahlen war.

(18)

Das ursprüngliche Darlehen wurde vom Staat zu einem Zinssatz in Höhe des 6-Monats-Euribor zuzüglich 1 000 Basispunkten gewährt und war innerhalb von sechs Monaten ab der ersten Darlehensauszahlung, d. h. spätestens am 5. November 2017, zurückzuzahlen. Die Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens hatte Vorrang vor der Rückzahlung anderer Verbindlichkeiten von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung.

(19)

Der Fälligkeitstermin des ursprünglichen Darlehens wurde von Italien durch das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 zunächst um sechs Monate auf den 5. Mai 2018 und anschließend durch das Gesetz Nr. 172 vom 4. Dezember 2017 (7) (im Folgenden „Gesetz 172/2017“) auf den 30. September 2018 verschoben. Mit dem Gesetzesdekret Nr. 38/2018 vom 27. April 2018 erfolgte eine erneute Verschiebung des Fälligkeitstermins des ursprünglichen Darlehens, nämlich auf den 15. Dezember 2018. Dieser Fälligkeitstermin wurde später mehrfach geändert (siehe Abschnitt 2.2.1).

(20)

Das zusätzliche Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR wurde von Italien durch das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 gewährt, sodass die staatliche Finanzierung auf insgesamt 900 Mio. EUR aufgestockt wurde. In Artikel 12 Absatz 2 des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 heißt es: „Um die Erfüllung der von der Sonderverwaltung bis zum Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung übernommenen Beförderungsverpflichtungen ohne Unterbrechung der Kontinuität des Luftverkehrsdienstes zu gewährleisten und um die regelmäßige Bereitstellung inländischer und internationaler Flugverbindungen durch die in Absatz 1 genannten Unternehmen bis zum Abschluss des noch festzulegenden und durchzuführenden Veräußerungsverfahrens sicherzustellen, wird der Finanzierungsbetrag um 300 Mio. EUR erhöht, die im Jahr 2018 zu gewähren sind.“ Da das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR als Aufstockung des ursprünglichen Darlehensbetrags gewährt wurde, galten mit Ausnahme der Darlehenslaufzeit dieselben Bedingungen, einschließlich des Zinssatzes, wie für das ursprüngliche Darlehen. Die Laufzeiten der beiden Darlehen wurden später synchronisiert (siehe Abschnitt 2.2.1).

(21)

Nach den Bestimmungen des Gesetzesdekrets Nr. 148/2017 war das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR im Jahr 2018 vom Staat an Alitalia auszuzahlen und spätestens am 31. Dezember 2018 zurückzuzahlen. Durch dieses Gesetzesdekret wurde außerdem die Frist für den Abschluss des Ausschreibungsverfahrens (siehe Abschnitt 2.6) bis zum 30. April 2018 verlängert, um die Veräußerung des Gesamtkomplexes von Alitalia zu ermöglichen.

2.2.   Zeitplan für die Auszahlung der beiden staatlichen Darlehen

(22)

Das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR wurden durch Rechtsakte gewährt und waren nach Erlass eines Dekrets des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung zusammen mit dem Minister für Wirtschaft und Finanzen auszuzahlen. Nach den Bestimmungen dieser Rechtsakte wurden beide staatliche Darlehen aus dem Haushalt des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung finanziert.

(23)

Nach dem Gesetzesdekret Nr. 55/2017 wurde das ursprüngliche Darlehen gewährt, um eine Unterbrechung sowohl der internationalen als auch der inländischen Flugverbindungen von Alitalia unter Sonderverwaltung, einschließlich der unter die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen von Alitalia fallenden Flugverbindungen, zu vermeiden und damit den mit einer solchen Unterbrechung verbundenen sozialen Härten und erheblichen Unannehmlichkeiten für die Nutzer zu begegnen.

(24)

Das ursprüngliche Darlehen war auf der Grundlage eines vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung zusammen mit dem Minister für Wirtschaft und Finanzen erlassenen Dekrets binnen fünf Tagen, nachdem Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde, auszuzahlen und musste für dringende betriebliche Erfordernisse des Unternehmens selbst und anderer dem Sonderverwaltungsverfahren unterstellter Unternehmen des Konzerns verwendet werden. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse betrafen auch die internationalen Systeme zur Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Fluggesellschaften.

(25)

Am 4. Mai 2017 beantragten die Sonderverwalter von Alitalia einen sofortigen Vorschuss in Höhe von 240 Mio. EUR aus dem Darlehen von 600 Mio. EUR. Den italienischen Behörden zufolge sollte dies insbesondere dazu dienen, i) zu vermeiden, dass die für die Ausübung der Geschäftstätigkeit von Alitalia erforderliche Liquidität in den Tagen unmittelbar nach dem Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens erschöpft ist, und ii) Alitalia die Hinterlegung der vom Internationalen Luftverkehrsverband (International Air Transport Association — im Folgenden „IATA“) geforderten Sicherheit zu ermöglichen. Ohne diese Sicherheitsleistung bestand die Gefahr, dass Alitalia aus den von der IATA verwalteten Systemen (8) ausgeschlossen wird, die für die Betriebskontinuität unerlässlich sind. Die Sicherheit wurde im Mai 2017 geleistet.

(26)

Im Oktober 2017 wurde eine zweite Tranche des Darlehens in Höhe von 360 Mio. EUR an Alitalia ausgezahlt. Nach Angaben der italienischen Behörden wurde der Betrag auf Antrag der Sonderverwalter bereitgestellt, damit Alitalia über ausreichende Finanzmittel verfügte, um den regelmäßigen Flugbetrieb bis zum Vollzug der Veräußerung der einschlägigen Geschäftstätigkeiten aufrechterhalten zu können.

(27)

Gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 148/2017 zur Gewährung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR sollte durch das Darlehen sichergestellt werden, dass Alitalia und die anderen Konzerngesellschaften ihrer Pflicht zur Erbringung des Flugdienstes bis zur Veräußerung der Geschäftstätigkeiten von Alitalia ohne Unterbrechung nachkommen konnten.

(28)

Das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 wurde mit dem Gesetz Nr. 172/2017 in ein Gesetz umgewandelt. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes war die Verlängerung des Darlehens notwendig, damit Alitalia seine Beförderungsverpflichtungen erfüllen konnte.

(29)

Das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR wurde am 15. Januar 2018 an Alitalia ausgezahlt.

2.2.1.   Synchronisierung der Laufzeiten der beiden staatlichen Darlehen

(30)

Mit dem Gesetzesdekret Nr. 38/2018 vom 27. April 2018 wurde die Laufzeit des ursprünglichen Darlehens ein weiteres Mal bis zum 15. Dezember 2018 verlängert. Zudem wurde mit diesem Gesetzesdekret das gleiche Datum auch als neue Frist für die Rückzahlung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR bestimmt, sodass die Laufzeit des ursprünglichen Darlehens mit der des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR synchronisiert wurde.

(31)

Mit dem Gesetzesdekret Nr. 135/2018 vom 14. Dezember 2018 wurde die Frist für die Rückzahlung der beiden staatlichen Darlehen auf 30 Tage nach dem Wirksamwerden der Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia, in jedem Fall jedoch spätestens auf den 30. Juni 2019 festgelegt.

2.2.2.   Bestimmungen des Wachstumsdekrets

(32)

Am 30. April 2019 erließ Italien das Gesetzesdekret Nr. 34 über „Dringliche Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Bewältigung bestimmter Krisensituationen“ (9) (im Folgenden „Wachstumsdekret“), das Folgendes vorsah:

a)

Aufhebung des Vorrangs der beiden staatlichen Darlehen gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung;

b)

Verlängerung der Frist für die Rückzahlung der beiden staatlichen Darlehen bis nach erfolgter Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia durch die Sonderverwalter;

c)

Zahlung der Zinsen, die dem Staat ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der beiden staatlichen Darlehen an Alitalia zustehen, bis spätestens zum 31. Mai 2019;

d)

Ermächtigung des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen, die auf die beiden staatlichen Darlehen aufgelaufenen Zinsen für die Zeichnung von Anteilen an der neu gegründeten Gesellschaft zu verwenden, auf die die Vermögenswerte von Alitalia übertragen werden sollen.

(33)

Aufgrund des Wachstumsdekrets liefen ab dem 31. Mai 2019 keine Zinsen mehr für die beiden staatlichen Darlehen auf.

(34)

Am 2. Dezember 2019 wurde das Wachstumsdekret durch das Gesetzesdekret Nr. 137 über „Dringliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Betriebskontinuität von Alitalia — Società Aerea Italiana S.p.A. und Alitalia CityLiner S.p.A., beide in Sonderverwaltung“ (10) geändert, mit dem die Fälligkeit der Zinsen mit der Fälligkeit des Kapitals synchronisiert wurde, da es die Verschiebung der Zahlung der Kapital- und Zinsbeträge bis nach erfolgter Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia durch die Sonderverwalter vorsah.

(35)

Die Frage der Einstufung der beiden staatlichen Darlehen als einzige Maßnahme wird in Abschnitt 5.1.4.1.1 behandelt.

2.3.   Begünstigter

(36)

Begünstigter der Maßnahme ist Alitalia — Società Aerea Italiana — S.p.A. in amministrazione straordinaria („Alitalia“) zusammen mit den unmittelbar und mittelbar im Besitz von Alitalia befindlichen Tochtergesellschaften.

(37)

Sowohl das Gesetzesdekret Nr. 55/2017, das die Rechtsgrundlage für das ursprüngliche Darlehen bildet, als auch das Gesetzesdekret Nr. 148/2017, das die Rechtsgrundlage für das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR bildet, sehen vor, dass die beiden staatlichen Darlehen zugunsten von Alitalia gewährt werden. Mit dem Gesetzesdekret Nr. 55/2017 wird „eine Finanzierung in Höhe von 600 Mio. EUR entgeltlich zugunsten von Alitalia — Società Aerea Italiana — S.p.A.“ gewährt (siehe Erwägungsgrund 17). Das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 sieht, unter Verweis auf die durch das Gesetzesdekret Nr. 55/2017 gewährte Finanzierung, ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR zugunsten von Alitalia vor.

(38)

Alitalia ist ein Unternehmen mit Sitz in Fiumicino (Rom) und im Luftverkehrssektor tätig. Am 31. Dezember 2017 waren insgesamt 11 377 Personen bei Alitalia beschäftigt. (11) Die Beteiligungsstruktur von Alitalia und die Struktur der Alitalia-Gruppe sind in Schaubild 1 (12) wiedergegeben; die Anteilseigner der Compagnia Aerea Italiana S.p.A. (im Folgenden „CAI“) (13) mit Stand Mai 2019 sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Schaubild 1

Beteiligungsstruktur von Alitalia und Struktur der Alitalia-Gruppe am 23. Januar 2018

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Tabelle 1

Anteilseigner von CAI im Mai 2019. (Nach dem Kenntnisstand der Kommission hat sich die Beteiligungsstruktur nicht verändert.)

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(39)

Zum Zeitpunkt der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens hielt Alitalia sämtliche Anteile an Alitalia CityLiner S.p.A. (im Folgenden „CityLiner“) und an Challey Ltd. CityLiner, einer zu 100 % im Besitz von Alitalia befindlichen regionalen Fluggesellschaft (14), die Transportkapazitäten für Alitalia bereitstellt (15) und einen Teil des Kurzstreckennetzes abdeckt. Challey Ltd ist eine Unterbeteiligungsgesellschaft mit Sitz in Irland, die ihrerseits andere, ebenfalls in Irland ansässige Unternehmen (im Folgenden „irische Tochtergesellschaften“) kontrolliert, die alle von Alitalia und CityLiner betriebenen und in Irland registrierten Flugzeuge sowie Minderheitenanteile an anderen Teilgesellschaften besitzen. Challey Ltd und die irischen Tochtergesellschaften wurden nicht unter Sonderverwaltung gestellt. Somit bilden Alitalia und ihre Tochtergesellschaften zusammen die Alitalia-Gruppe (16) (im Folgenden „Alitalia-Gruppe“). Da Alitalia den Großteil der Tätigkeiten der Alitalia-Gruppe ausmacht und 97 % des Personals der Alitalia-Gruppe beschäftigt (17), gilt jede auf die Gruppe bezogene Bewertung entsprechend für Alitalia.

(40)

Alitalia gehört zu 49 % der Etihad Investment Holding Company LLC und zu 51 % der MIDCO S.p.A., die wiederum zu 100 % im Besitz der CAI S.p.A. ist. Seit der Übernahme durch CAI S.p.A. im Jahr 2008 verzeichnete Alitalia durchgehend Verluste. Alitalia versuchte Anfang 2017, die Lage des Unternehmens durch einen vor allem vom Anteilseigner Etihad vorangetriebenen ehrgeizigen Sparplan (im Folgenden „Sanierungsplan“, siehe Abschnitt 4.2.1.1) zu verbessern, der Kostensenkungen von mehr als 1 Mrd. EUR vorsah, um die Basis für weitere Finanzierungen (2 Mrd. EUR einschließlich neuer Mittel in Höhe von 900 Mio. EUR) zu schaffen. Der Sanierungsplan sollte im Rahmen eines Vorinsolvenzverfahrens umgesetzt werden. (18) Das Verfahren (19) erforderte die Zustimmung der Belegschaft (20), da sie von einschneidenden Sparmaßnahmen betroffen gewesen wäre. Am 24. April 2017 wurde die Vereinbarung jedoch in einer Urabstimmung der Arbeitnehmer wegen der geplanten Senkung der Arbeitskosten abgelehnt, die unter anderem Lohnkürzungen von durchschnittlich 33 % umfasste. Da der Sanierungsplan nicht umgesetzt werden konnte und die Anteilseigner keine zusätzlichen Mittel bereitstellten, wurde Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt.

2.4.   Das Sonderverwaltungsverfahren

(41)

Auf Antrag des Verwaltungsrats von Alitalia wurde Alitalia durch das Dekret des italienischen Ministers für wirtschaftliche Entwicklung vom 2. Mai 2017 unter Sonderverwaltung (21) gestellt. Mit diesem Dekret wurden außerdem drei Sonderverwalter für die Leitung von Alitalia bestellt. Anschließend wurde Alitalia durch ein Urteil des Gerichts von Civitavecchia vom 11. Mai 2017 für zahlungsunfähig erklärt. Am 12. Mai 2017 wurde per Dekret des italienischen Ministers für wirtschaftliche Entwicklung auch CityLiner (22) unter Sonderverwaltung gestellt. Anschließend wurde CityLiner durch ein Urteil des Gerichts von Civitavecchia vom 26. Mai 2017 für zahlungsunfähig erklärt.

(42)

In ihrem Vorbringen vom 20. März 2019 erklärten die italienischen Behörden, dass den privaten Anteilseignern von Alitalia mit der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens alle Befugnisse zur Leitung und Kontrolle des Unternehmens entzogen worden seien. Den Rechtsvorschriften über die Sonderverwaltung entsprechend seien an ihrer statt die Sonderverwalter mit der Leitung des Unternehmens betraut worden, bis der Minister für wirtschaftliche Entwicklung ein Sonderverwaltungsprogramm genehmigte. Nach der Annahme des Sonderverwaltungsprogramms seien sie ermächtigt, die Vermögenswerte von Alitalia unter der Aufsicht des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung zu veräußern.

(43)

Am 26. Januar 2018 legten die Sonderverwalter von Alitalia dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung ein Programm vor, das den Verkauf des Betriebsvermögens (23) von Alitalia innerhalb eines Jahres vorsah; das Programm wurde durch den Ministerialerlass vom 23. März 2018 bewilligt. Am 7. Mai 2019 wurde die ursprünglich auf den 23. März 2020 datierte Frist für den Abschluss des Veräußerungsprogramms verschoben.

(44)

Das im genehmigten Sonderverwaltungsprogramm festgelegte Veräußerungsverfahren betraf die mit der Geschäftstätigkeit der unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmen Alitalia und CityLiner verbundenen Vermögenswerte.

2.4.1.   Sonderverwaltung (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 270/1999, Prodi-bis-Gesetz)

(45)

Bei der Sonderverwaltung handelt es sich um ein im gesetzesvertretenden Gesetz Nr. 270 vom 8. Juli 1999 (24) (im Folgenden „Prodi-bis-Gesetz“) festgelegtes Insolvenzverfahren zur Regelung der Insolvenz von Großunternehmen; Ziel des Verfahrens ist die Rettung der betroffenen Unternehmen, indem ihr Wert durch die Fortführung ihrer Tätigkeit bis zu einer Umstrukturierung oder Veräußerung der Vermögenswerte bewahrt wird. Ein Unternehmen kommt nur dann für eine Sonderverwaltung infrage, wenn die Möglichkeit besteht, dass es aus der wirtschaftlichen Schieflage wieder herauskommt.

(46)

Im Rahmen einer Sonderverwaltung werden den bisherigen Anteilseignern ihre Entscheidungsbefugnisse entzogen, während das Unternehmen seine Tätigkeit fortführt. Die Sonderverwalter übernehmen die Geschäftsführung und die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens. Sie werden vom Gericht bestellt, das das Unternehmen für insolvent erklärt. Die Sonderverwalter handeln in Übereinstimmung mit dem vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung genehmigten Sonderverwaltungsprogramm (Umstrukturierung oder Veräußerung der Vermögenswerte).

(47)

Mit dem Inkrafttreten des Sonderverwaltungsverfahrens werden die vor dem Verfahren entstandenen Verbindlichkeiten eingefroren und gegenüber den im Rahmen der Sonderverwaltung aufgrund der Unternehmensfortführung entstandenen Verbindlichkeiten als nachrangig eingestuft. Die Erstrangigkeit der Verbindlichkeiten, die während der Sonderverwaltung entstehen, ist in einer Rechtsvorschrift ausdrücklich geregelt.

2.4.2.   Sonderverwaltung für Großunternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und Verbindlichkeiten in Höhe von 300 Mio. EUR (Gesetzesdekret Nr. 347/2003, Marzano-Gesetz)

(48)

Für Großunternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 300 Mio. EUR gelten gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 347 vom 23. Dezember 2003 (25) (im Folgenden „Marzano-Gesetz“) zusätzliche Sondervorschriften. Alitalia fällt unter das Marzano-Gesetz, da das Unternehmen, wie es im Urteil zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit von Alitalia heißt, „seit mindestens einem Jahr mehr als fünfhundert Arbeitnehmer beschäftigt und Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als dreihundert Millionen Euro hat“. (26)

(49)

Nach dem Marzano-Gesetz können Unternehmen auch vor der gerichtlichen Feststellung der Zahlungsunfähigkeit direkt beim Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung einen Antrag auf Sonderverwaltung gemäß diesem Gesetz stellen. Die Sonderverwalter werden vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung und nicht vom Gericht bestellt und stehen unter der Aufsicht des Ministers. Die Sonderverwaltung ist zunächst 12 Monate ab der Genehmigung des Sonderverwaltungsprogramms durch das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung befristet, kann jedoch durch Dekret des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung um bis zu weitere 36 Monate verlängert werden. Bei einer Unternehmensgruppe kann das Verfahren (wie im Falle von CityLiner) zusätzlich zur Muttergesellschaft auf die anderen Konzerngesellschaften ausgeweitet werden.

(50)

Darüber hinaus sieht das Marzano-Gesetz für Unternehmen, die grundlegende öffentliche Dienstleistungen erbringen, Folgendes vor:

Die Sonderverwalter sind befugt, die Vermögenswerte des Unternehmens im Verhandlungsverfahren zu veräußern (sofern der zwischen Sonderverwaltern und Käufer vereinbarte Verkaufspreis nicht unter dem durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten bestimmten Marktwert liegt).

2.5.   Öffentliche Äußerungen von Mitgliedern der italienischen Regierung

(51)

Am 25. April 2017 gab der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, in dessen Ressort das Alitalia-Dossier fiel, nach der Ablehnung des Sanierungsplans durch die Belegschaft in der italienischen Zeitung Corriere della Sera ein Interview. Der Minister schloss eine Verstaatlichung von Alitalia aus, ebenso die Übernahme der Verbindlichkeiten des Unternehmens durch den Staat. Auf die Frage nach einem möglichen Überbrückungsdarlehen für Alitalia antwortete der Minister jedoch, die Regierung werde „nur das für den Abschluss des Verfahrens [der Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia durch die Sonderverwalter] Notwendigste bereitstellen.“ Weiter erklärte er: „Die Flugzeuge am Boden zu lassen ist keine Option, weil die Verbindungen beeinträchtigt und die Fluggäste geschädigt würden, was erhebliche direkte und indirekte Auswirkungen hätte.“ (27)

(52)

Am 30. April 2017 wurde der Minister für wirtschaftliche Entwicklung in einem Interview gefragt, weshalb Alitalia nicht in Konkurs gehen dürfe. Der Minister antwortete, dass eine Insolvenz von Alitalia „ein größerer Schock für das Bruttoinlandsprodukt wäre als das Szenario, in dem die Regierung dem Unternehmen für sechs Monate ein Darlehen gewährt, bis ein Käufer gefunden wird […] Wir können [Alitalia] nicht von einem Tag auf den anderen in Konkurs gehen lassen, weil wir dann keine Flugverbindungen mehr zwischen den einzelnen Landesteilen hätten. Es wären keine anderen Unternehmen bereit, die Verbindungen zu übernehmen, sodass die Verbindungen eine Zeit lang nicht mehr bedient werden könnten.“ (28)

(53)

Am 2. Mai 2017 berichtete eine italienische Finanzzeitschrift, dass der damalige Premierminister erklärt habe, das Eingreifen der Regierung erfolge „nicht nur auf ausdrücklichen Wunsch der Aktionärsversammlung, sondern [sei] auch eine verantwortungsbewusste Handlung derjenigen, die bestimmte grundlegende Dienste sicherstellen müssten“. (29) Im selben Artikel erklärte der Minister für territorialen Zusammenhalt und den Mezzogiorno: „Durch die Beschlüsse [des Ministerrats] über Alitalia, die Sonderverwaltung und das sechsmonatige Überbrückungsdarlehen haben wir alle Strecken gesichert. Damit sind die Flugverbindungen in die südlichen Landesteile gewährleistet.“

(54)

In der italienischen Presse war am 3. Mai 2017 zu lesen, dass nach Aussagen des damaligen Ministers für wirtschaftliche Entwicklung „die Regierung immer die Strategie verfolgt hat, die Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte möglichst gering zu halten“ und dass die Regierung die Bereitstellung des Überbrückungsdarlehens von 600 Mio. EUR „zu vermeiden versuchte“, es jedoch „ein notwendiges und unvermeidliches Übel“ sei, denn „es würde die italienischen Steuerzahler wesentlich mehr kosten, die Flugzeuge von morgens bis abends am Boden zu lassen“. Dem Artikel zufolge wies der Minister anschließend darauf hin, dass es „4,9 Mio. im Voraus bezahlte Alitalia-Ticketreservierungen“ gebe; eine Einstellung des Flugbetriebs würde „dem BIP [und Italien] schaden, und dann würden die Flugverbindungen im Land für mehrere Tage oder Wochen ausfallen, und das darf nicht sein“. Das ursprüngliche Darlehen, so der Minister, „dient also dazu, eine aus wirtschaftlicher Sicht schlimmere Situation zu verhindern“. (30)

(55)

In einem am 15. Oktober 2017 veröffentlichten Interview erklärte der damalige Minister für Infrastruktur und Verkehr, dass das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR den Sonderverwaltern „Sicherheit gibt“; weiter erklärte er: „Wir wollen Alitalia nicht verscherbeln, sondern verkaufen. Wir haben gesehen, was nach dem Verkauf an Lufthansa mit Air Berlin passiert ist: Sie haben die Zahl der Flugzeuge und der Beschäftigten halbiert. Die Zerschlagung des Kerngeschäfts ist immer eine Niederlage für alle. Deshalb möchten wir für Alitalia eher eine Lösung nach dem Meridiana-Modell: Wir suchen einen geeigneten Partner, der das Unternehmen verbessern kann.“ Auf die Frage, ob sich die nächste Regierung mit dem Fall Alitalia werde befassen müssen, antwortete der Minister: „Nicht unbedingt. Das Unternehmen besteht und wird auch künftig bestehen. Morgen endet die Angebotsfrist, schauen wir, was uns die Verwalter berichten werden. Bis Weihnachten werden wir Klarheit über die Zukunft von Alitalia haben. Doch diese Regierung will keine übereilten Entscheidungen treffen.“ (31)

(56)

In diesem Sinne erklärte der damalige Minister für Infrastruktur und Verkehr nach der Ablehnung des Angebots von Lufthansa (siehe die Fußnote zu Erwägungsgrund 61) in einem am 24. November 2017 veröffentlichten Interview, das Angebot von Lufthansa sei „eines Landes von der Größe Italiens und eines Unternehmens wie Alitalia mit Tausenden Beschäftigten und einigen der wichtigsten Flugverbindungen des Landes nicht würdig“. Weiter erklärte er: „Wir werden warten, bis uns ein Geschäftsentwicklungsplan vorgelegt wird, der diesen Namen verdient, und nicht nur den Beschäftigten Opfer abverlangt. Wir haben Zeit bis zum Ende der Amtszeit der Regierung; wir versuchen, die bestmöglichen Bedingungen zu bekommen. Ich erinnere daran, dass die Krise von Alitalia auf Managementfehler zurückzuführen ist und nicht auf den Markt, der ein starkes Wachstum verzeichnet.“ (32)

2.6.   Das Verfahren zur Veräußerung von Alitalia und dessen Verlängerungen

(57)

Nach Artikel 1 des Gesetzesdekrets Nr. 55/2017 zur Gewährung des ursprünglichen Darlehens mussten die Sonderverwalter zwecks Ausarbeitung des Sonderverwaltungsprogramms bis zum 17. Mai 2017 eine Aufforderung zur Interessensbekundung für den Kauf oder die Umstrukturierung des Unternehmens Alitalia veröffentlichen. In dem auf diese Aufforderung zur Interessensbekundung folgenden Verfahren, das binnen sechs Monaten nach Gewährung der ersten Finanzierung durchzuführen war, sollte die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sichergestellt werden.

(58)

Am 17. Mai 2017 veröffentlichten die Sonderverwalter gemäß Artikel 1 des Gesetzesdekrets Nr. 55/2017 eine Aufforderung zur Interessensbekundung, um zu entscheiden, ob eine Umstrukturierung von Alitalia möglich wäre oder ob die Vermögenswerte des Unternehmens — entweder als operative Einheiten oder als betriebliche Güter und Verträge — veräußert werden mussten.

(59)

Am 21. Juli 2017 lief die Frist für die Einreichung von Interessensbekundungen ab. Am 1. August 2017 leiteten die vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung ermächtigten Sonderverwalter ein Ausschreibungsverfahren ein, um die Vermögenswerte der unter Sonderverwaltung gestellten Gesellschaften (Alitalia und CityLiner) als operative Einheiten zu veräußern, und bestimmten als Frist für die Angebotsabgabe den 16. Oktober 2017 und als Frist für den Abschluss des Veräußerungsverfahrens den 5. November 2017.

(60)

Für die Zwecke der Ausschreibung wurden der größte Teil der Vermögenswerte der unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmen (Alitalia und CityLiner) in getrennte operative Einheiten aufgeteilt, und zwar in a) die Geschäftstätigkeiten in ihrer Gesamtheit („Gesamtlos“ oder „Einzellos“); oder alternativ in b) die Luftfahrtsparte („Aviation-Los“); und c) die Bodenabfertigungsdienste („Handling-Los“). Das Aviation-Los umfasste die mit den Luftverkehrstätigkeiten der unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmen verbundenen Vermögenswerte und Rechtsverhältnisse, einschließlich der Flotte, der Zeitnischen, der Marke, der Flugzeuge der irischen Tochtergesellschaften sowie der Leasing- und Wartungsverträge. Das Handling-Los bestand aus den Vermögenswerten und Rechtsverhältnissen der unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmen, die mit den an Flughäfen zugunsten Dritter erbrachten Bodenabfertigungsdiensten verbunden waren. Das Gesamtlos umfasste die Vermögenswerte und Rechtsverhältnisse sowohl des Aviation- als auch des Handling-Loses. Der Bieter konnte den Umfang des Kaufangebots frei bestimmen.

(61)

Durch das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 zur Gewährung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR wurde die ursprüngliche Frist für den Abschluss des Veräußerungsverfahrens vom 5. November 2017 auf den 30. April 2018 verlängert. Anschließend leiteten die Sonderverwalter am 22. Dezember 2017 nach der erfolglosen Ausschreibung (33) ein neues Verhandlungsverfahren (34) zur Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia ein.

(62)

Als Frist für den Abschluss des Verhandlungsverfahrens war ursprünglich der 10. April 2018 vorgesehen; sie wurde später bis zum 31. Oktober 2018 verlängert. Am Ende des Verhandlungsverfahrens am 31. Oktober 2018 lagen vier Vorschläge (35) vor. Die Sonderverwalter werteten nur das Angebot der italienischen Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (im Folgenden „FS“), das durch eine Bietungsbürgschaft in Höhe von 17,5 Mio. EUR abgesichert war, als zulässig. Da das Angebot von FS an Bedingungen geknüpft war, wurde FS eine neue Frist zur Vorlage seines verbindlichen Angebots eingeräumt. Die Frist zur Abgabe des verbindlichen Angebots wurde mehrfach verschoben, letztmalig auf den 21. November 2019.

(63)

Von FS ging bis zu diesem Termin kein endgültiges verbindliches Angebot ein. Aufgrund dieses fehlenden Angebots geht die Kommission davon aus, dass das Veräußerungsverfahren als gescheitert galt. (36)

2.7.   Einleitungsbeschluss

(64)

Im Einleitungsbeschluss zog die Kommission den vorläufigen Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellte.

(65)

Die Kommission war insbesondere der Auffassung, dass die beiden staatlichen Darlehen Alitalia einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV verschafften. Die Behauptung, dass sich Italien bei der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen an Alitalia wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhalten habe, wird nicht belegt.

(66)

In Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt vertrat die Kommission die Auffassung, dass Alitalia ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen war, und gelangte zu dem vorläufigen Ergebnis, dass ernsthafte Zweifel daran bestanden, dass die beiden staatlichen Darlehen auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar waren.

(67)

Italien machte insbesondere geltend, dass die beiden staatlichen Darlehen erforderlich waren, um zu verhindern, dass ein für den gesamten Luftverkehrssektor Italiens systemrelevantes Unternehmen mit den damit verbundenen negativen Folgen unvermittelt aus dem Markt ausscheidet. Nach Auffassung der Kommission lagen keine hinreichenden Informationen vor, die den Schluss zuließen, dass ein Beitrag zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse geleistet wurde.

(68)

Die Kommission hatte außerdem Zweifel, ob das Kriterium der Geeignetheit der beiden staatlichen Darlehen erfüllt war, da die beiden staatlichen Darlehen nicht innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Auszahlung an Alitalia zurückgezahlt wurden. Darüber hinaus war nicht klar, wann die Abwicklung erfolgen würde und ob sie, wie in den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen verlangt, innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen würde. Daher schien die Beihilfe eine Fortführung der Geschäftstätigkeiten von Alitalia von Mai 2017 bis mindestens Oktober 2019 zu erlauben, sodass ein andernfalls auf dem Markt nicht lebensfähiges Unternehmen während eines die Höchstdauer von sechs Monaten deutlich überschreitenden Zeitraums am Leben erhalten wird.

(69)

Darüber hinaus hatte die Kommission Zweifel, ob das Kriterium der Angemessenheit der beiden staatlichen Darlehen erfüllt war. Der von Italien vorgelegte Liquiditätsplan umfasste einen umfangreichen Liquiditätspuffer (796 Mio. EUR zum Ende des ersten Quartals 2018, der bis Ende 2018 schrittweise auf 546 Mio. EUR zurückgehen sollte). Italien erklärte jedoch nicht, weshalb dieser Liquiditätsüberschuss unbedingt notwendig war, um Alitalia über einen Zeitraum von sechs Monaten am Markt zu halten. Daher hatte die Kommission Zweifel, ob die Beihilfe auf das erforderliche Minimum beschränkt war.

(70)

Schließlich kam die Kommission auf der Grundlage der von Italien vorgelegten Informationen vorläufig zu dem Schluss, dass Alitalia in den zehn Jahren vor Gewährung der beiden staatlichen Darlehen keine Rettungsbeihilfen, Umstrukturierungsbeihilfen oder vorübergehende Umstrukturierungshilfen erhalten hatte und dass der Grundsatz der einmaligen Beihilfe gemäß den Randnummern 70 und 71 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen eingehalten worden war. Die Kommission war zuvor zu dem Schluss gekommen, dass keine wirtschaftliche Kontinuität zwischen CAI und Alitalia Linee Aeree S.p.A bestand, deren Vermögenswerte teilweise von CAI erworben und zur Gründung der heutigen Alitalia (37) verwendet worden waren. Alitalia Linee Aeree S.p.A. hatte zuvor ein Darlehen von 300 Mio. EUR erhalten, bei dem es sich nach Auffassung der Kommission um eine Beihilfe (38) gemäß der vorherigen Fassung der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen (39) handelte. Hätte eine Kontinuität bestanden, dann wäre Alitalia nicht für eine Beihilfe gemäß den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen infrage gekommen.

3.   STELLUNGNAHMEN DER BETEILIGTEN

(71)

Bei der Kommission gingen von drei Beteiligten (Ryanair, dem anonymen Beteiligten und Aegean) Stellungnahmen gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV ein.

3.1.   Ryanair

(72)

Zum Vorliegen einer Beihilfe bringt Ryanair vor, dass der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht anwendbar sei, und zwar weder auf i) das ursprüngliche Darlehen, da es von Italien als Träger öffentlicher Gewalt gewährt worden sei, der Ziele von allgemeinem Interesse in Bezug auf die Nutzer der Verkehrsdienste von Alitalia und die Beschäftigten des Unternehmens sowie auf die territoriale Kontinuität der Italienischen Republik verfolge, noch auf ii) die zusätzliche Finanzierung in Höhe von 300 Mio. EUR, die nicht durch das vorherige Engagement des Staates gegenüber Alitalia gerechtfertigt werden könne.

(73)

In Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt argumentiert Ryanair, dass die Bedingungen für die Vereinbarkeit nicht erfüllt seien. Was das Kriterium des allgemeinen Interesses anbelange, so hätten konkurrierende Fluggesellschaften etwaige Verbindungsausfälle, einschließlich der unter die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen von Alitalia fallenden Flugverbindungen, ersetzen können, wie die Wiederbelebung des Flugverkehrs an den Flughäfen von Budapest und Barcelona nach der Insolvenz von Malév bzw. Spanair gezeigt habe. Anstatt die Effizienz des italienischen Luftverkehrsmarktes zu fördern, wirke sich die Beihilfe nachteilig darauf aus und laufe dem allgemeinen Interesse zuwider. Die Beihilfe bewirke einen unlauteren Wettbewerb auf rentablen Strecken, auch was von Alitalia neu eingeführte Dienstleistungen und Initiativen (wie die neue „Casa Italia“-Lounge am Flughafen in Rom (40)) betreffe. In Bezug auf die Bedingung der Rückkehr zu langfristiger Rentabilität merkt Ryanair an, ohne Vorliegen eines Geschäftsplans würden die beiden staatlichen Darlehen eine ungerechtfertigte Liquiditätsreserve für Alitalia schaffen. Außerdem sei Alitalia, abgesehen davon, dass die Vermögenswerte des Unternehmens für die Rückzahlung des Darlehens nicht ausreichten, weiterhin defizitär und verzeichne täglich Verluste in Höhe von 1,75 Mio. EUR sowie einen täglichen negativen EBITDA von 0,7 Mio. EUR.

3.2.   Der anonyme Beteiligte

(74)

In Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe bringt der anonyme Beteiligte vor, dass die Beihilfe entgegen der Vorgabe, dass die Rettungsbeihilfe dringlichen und vorübergehenden Charakter haben muss, da sie als Unterstützung in einer akuten Liquiditätskrise gedacht ist, Alitalia in ungebührender Weise gegenüber anderen Fluggesellschaften begünstige. Grund sei, dass die Beihilfe die finanzielle Lage von Alitalia künstlich verbessere, da die Probleme von Alitalia nicht neu seien, sondern sich in den letzten Jahren dramatisch und kontinuierlich verschärft hätten.

(75)

Der anonyme Beteiligte argumentiert weiter, dass Alitalia zu anderen, weniger marktverzerrenden Mitteln hätte greifen können, um die Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit während der Sonderverwaltung zu gewährleisten.

3.3.   Aegean

(76)

Aegean merkt an, dass die Bedingungen des ursprünglichen Darlehens und des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR nach seiner Marktkenntnis nicht den Finanzierungsbedingungen entsprächen, die einer in Schwierigkeiten befindlichen Fluggesellschaft wie Alitalia auf dem Markt wahrscheinlich zur Verfügung stünden. Aegean weist außerdem darauf hin, dass das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR erklärtermaßen zur Sicherung der Unternehmensfortführung gewährt worden seien. In Anbetracht dessen sei klar, dass sich Italien bei der Verfolgung dieses Ziels nicht von wirtschaftlichen Grundsätzen habe leiten lassen, sondern vielmehr von politischen Erwägungen wie der Erhaltung von Arbeitsplätzen und der Vermeidung sozialer Spannungen.

(77)

Unter Bezugnahme auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt argumentiert Aegean insbesondere, dass

a)

die Beihilfe nicht auf das erforderliche Minimum beschränkt gewesen sei, da sie sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Bedingungen offensichtlich unverhältnismäßig gewesen sei; die Beihilfe habe es Alitalia nicht nur ermöglicht, weiterhin am Markt tätig zu sein, sondern auch, sein Geschäft durch die Eröffnung neuer konkurrierender Strecken bei einer sehr geringen Auslastung der Flugzeuge auszubauen;

b)

die Beihilfe marktverzerrende Auswirkungen habe, die mit jedem Tag, an dem sie Alitalia weiter zur Verfügung stand, fortbestanden; dies habe den zusätzlichen negativen Effekt, dass Alitalia den durch die beiden staatlichen Darlehen erhaltenen Vorteil für die aggressive Vermarktung seiner Dienstleistungen und den Wettbewerb mit anderen Fluggesellschaften nutzen könne;

c)

entgegen Randnummer 55 Buchstabe e der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen Alitalia strukturelle Maßnahmen ergriffen habe, so unter anderem die Eröffnung neuer Flugstrecken, was im Luftverkehrswesen einem Ausbau von Marktanteilen gleichkomme und eine ungerechtfertigte Geschäftserweiterung darstelle;

d)

sich die marktverzerrende Wirkung der Beihilfe an der Eröffnung neuer Flugstrecken, der gestiegenen Anzahl bestimmter Flüge und der geringen Auslastung einiger dieser Flüge zeige; aufgrund des übermäßig langen Zeitraums, in dem die Beihilfe Alitalia zur Verfügung stand, bestehe die Gefahr, dass diese marktverzerrende Wirkung zu einem Dauerzustand werde.

4.   VON ITALIEN VORGELEGTE INFORMATIONEN

4.1.   Stellungnahmen Italiens

4.1.1.   Erwägungen zur Frage des Handelns als Träger öffentlicher Gewalt

(78)

Nach Angaben Italiens diente das ursprüngliche Darlehen der Finanzierung dringender Betriebsführungserfordernisse von Alitalia und anderer unter Sonderverwaltung gestellter Gesellschaften der Gruppe, d. h. von CityLiner (siehe Erwägungsgrund 41). Zu diesen Erfordernissen gehöre es, zu gewährleisten, dass Alitalia bis zur Entscheidung über die Umstrukturierung von Alitalia oder den Verkauf seiner Vermögenswerte weiterhin an internationalen Systemen zur Regulierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Fluggesellschaften, wie der IATA, teilnehmen könne (siehe Erwägungsgrund 17).

(79)

Die italienischen Behörden fügten hinzu, das ursprüngliche Darlehen sei gewährt worden, um eine Unterbrechung der Dienste des Unternehmens zu vermeiden, da dies soziale Härten und erhebliche Unannehmlichkeiten für die Nutzer mit sich gebracht hätte, was unter anderem einen Verstoß gegen das von der italienischen Verfassung garantierte Recht auf territoriale Kontinuität innerhalb der Republik bedeutet hätte.

(80)

Italien begründete sein Vorbringen damit, dass der Marktaustritt von Alitalia zu erheblichen Beeinträchtigungen des Fluggastverkehrs und Nachteilen für die Gesellschaft führen würde, und legte dazu folgende Daten vor: Am 1. Mai 2017 belief sich der Wert der zwischen Mai 2017 und März 2018 erfolgten Flugbuchungen auf einen Betrag von 4 935 210 EUR (wobei die Flugtickets entweder bereits ausgestellt waren oder noch ausgestellt werden mussten), wovon rund 1,3 Mio. EUR im Mai und über eine halbe Million in den ersten 15 Tagen des Monats gebucht wurden. Der Gesamtwert der für den Zeitraum Mai 2017 bis März 2018 ausgestellten Flugtickets betrug 429 Mio. EUR (wovon 125 Mio. EUR allein auf den Monat Mai entfielen), während die Erstattungen, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (41) für die in den ersten 15 Tagen des Monats Mai 2017 gebuchten Flüge zu zahlen waren, rund 268,5 Mio. EUR betragen hätten.

(81)

Die italienischen Behörden erklärten, dass die Finanzierung nach dem Übergang von Alitalia in die Sonderverwaltung in Erwartung der Ausarbeitung und Umsetzung eines Sonderverwaltungsprogramms gewährt wurde.

(82)

Die italienischen Behörden brachten vor, dass es ohne die beiden staatlichen Darlehen schwierig gewesen wäre, das Ausschreibungsverfahren für die Veräußerung von Alitalia im Einklang mit den höchstmöglichen Standards für Offenheit, Bedingungslosigkeit und Wettbewerbsfähigkeit durchzuführen. Dies sei die Voraussetzung dafür gewesen, den bestmöglichen Wert aus den zu veräußernden Vermögenswerten zu erhalten, das heißt, die Geschäftsbereiche von Alitalia zu den besten Marktbedingungen zu veräußern, die in einem Wettbewerbsverfahren erzielt werden können. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 25. September 2018 betonte Italien, dass die wirtschaftliche Begründung für die beiden staatlichen Darlehen darin bestanden habe, die langfristige Rentabilität von Alitalia wiederherzustellen, indem der erfolgreiche Abschluss des Ausschreibungsverfahrens für den Verkauf der Vermögenswerte von Alitalia innerhalb eines vorher festgelegten Zeitraums erleichtert wurde. Ziel sei es letztlich gewesen, den höchstmöglichen Wert dieser Vermögenswerte bis zum Abschluss des Veräußerungsverfahrens zu bewahren.

4.1.2.   Zur Bewertung der beiden staatlichen Darlehen vor der Gewährung

(83)

Italien hat nicht nachgewiesen, dass es vor Gewährung der beiden staatlichen Darlehen eine Ex-ante-Bewertung ihrer Rentabilität durchgeführt hatte. Auf die Aufforderung der Kommission hin, einen solchen Nachweis zu erbringen, erklärte Italien lediglich, dass die Kombination aus dem für die beiden staatlichen Darlehen geltenden Zinssatz und den strengen verbindlichen Rückzahlungsbedingungen ein positives Ergebnis für den Kapitalgeber gewährleiste. Daher fiele nach Auffassung Italiens die Bilanz der finanziellen Intervention für den Kapitalgeber mit Sicherheit positiv aus, zumal das von ihm übernommene Risiko begrenzt sei und in jedem Fall zu Marktbedingungen vergütet werde.

4.1.2.1.   Zur Vereinbarkeit des ursprünglichen Darlehens mit marktwirtschaftlichem Verhalten

(84)

Die italienischen Behörden behaupteten, das ursprüngliche Darlehen entspreche marktüblichen Bedingungen und falle somit nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 107 Absatz 1 AEUV, weil es keine Beihilfe darstelle.

(85)

Sie sind der Auffassung, dass das ursprüngliche Darlehen aufgrund seiner spezifischen Bedingungen im Einklang mit marktüblichem Verhalten stehe, nämlich aufgrund i) des Zinssatzes in Höhe des 6-Monats-EURIBOR zuzüglich 1 000 Basispunkten gemäß der Mitteilung über Referenzzinssätze (42), ii) der Verpflichtung zur Rückzahlung innerhalb von sechs Monaten nach der Auszahlung und iii) des Vorrangs der Rückzahlung vor allen anderen Verbindlichkeiten von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung. Die verlangten Zinskosten seien auf der Grundlage von Marktbedingungen und -parametern berechnet worden, wobei den besonderen Umständen von Alitalia umfassend Rechnung getragen worden sei. Da Marktbedingungen zugrunde gelegt worden seien, habe das Darlehen Alitalia keinen staatlich finanzierten Vorteil verschafft und könne daher keine Beihilfemaßnahme darstellen.

(86)

Die italienischen Behörden brachten vor, das vom Staat als Kapitalgeber übernommene — zu Marktbedingungen vergütete — Risiko sei angesichts der Verpflichtung zur vorrangigen Rückzahlung gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung praktisch nicht gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Vermögenswerte von Alitalia unabhängig vom Ausgang des Sonderverwaltungsverfahrens in jedem Fall zur Deckung der aus dem ursprünglichen Darlehen entstandenen Verbindlichkeiten ausreichen würden.

(87)

Nach Auffassung der italienischen Behörden bedeute die Kombination des verlangten Zinssatzes mit den strengen Rückzahlungsbedingungen, dass das Ergebnis für den Darlehensgeber, d. h. der Endsaldo der finanziellen Intervention, mit Sicherheit positiv ausfallen werde. Daher erfülle das Darlehen uneingeschränkt das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers und es habe verfahrensrechtlich keine Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung bei der Kommission gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV bestanden.

(88)

Die italienischen Behörden brachten zudem vor, dass private Anteilseigner, darunter insbesondere Etihad, ebenfalls bereit gewesen seien, Alitalia im Rahmen des Sanierungsplans finanziell zu unterstützen. Am 22. Dezember 2016 habe sich i) Alitalia mit seinen Gläubigern auf einen Zahlungsaufschub geeinigt, hätten ii) die Anteilseigner von Alitalia über die Ausgabe von partizipierenden Eigenkapitalinstrumenten im Wert von 231 Mio. USD beraten, habe iii) [einer der Anteilseigner von Alitalia Vereinbarungen über wirtschaftliche Verpflichtungen im Verhältnis zwischen den Anteilseignern von Alitalia getroffen]. Außerdem habe Etihad Alitalia am 27. Dezember 2016 ein nachgeordnetes Aktionärsdarlehen von 100 Mio. EUR gewährt. In einem Vermerk vom 25. März 2019 brachten die italienischen Behörden zudem vor, dass die beiden staatlichen Darlehen dem Betrag der im Sanierungsplan von Alitalia vorgesehenen neuen Finanzierung entsprächen.

4.1.2.2.   Zum zusätzlichen Darlehen von 300 Mio. EUR

(89)

Die italienischen Behörden erklären, ihre zum ursprünglichen Darlehen vorgebrachten Argumente würden auch für die zusätzliche Finanzierung von 300 Mio. EUR gelten, die zu den gleichen Bedingungen wie das ursprüngliche Darlehen und unter voller Berücksichtigung der besonderen Situation von Alitalia gewährt worden sei.

(90)

Die italienischen Behörden argumentieren des Weiteren, dass das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR und die Verlängerungen der Frist für die Rückzahlung der Finanzierung von 600 Mio. EUR im Oktober 2017 notwendig gewesen seien, um die Ausschreibung durchzuführen und die Veräußerung von Alitalia zu bestmöglichen Marktbedingungen zu gewährleisten. Das Scheitern der Ausschreibung hätte sich nachteilig auf die Geschäftsaussichten des Unternehmens ausgewirkt und allen betroffenen Akteuren schweren Schaden zugefügt. Somit seien die beiden staatlichen Darlehen eng mit dem Ziel der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens verbunden.

4.1.3.   Zum Einleitungsbeschluss

(91)

In Bezug auf den Einleitungsbeschluss erklärt Italien, dass die von der Kommission vorgenommene Einschätzung des Wertes der Vermögenswerte von Alitalia (43) erfolgt sei, bevor Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde, und sie daher zum Zeitpunkt der italienischen Antwort (25. Mai 2018) nicht aktuell gewesen sei. Italien argumentiert diesbezüglich, dass im Zuge der Änderungen, die die neue Alitalia-Unternehmensleitung eingeführt habe, Maßnahmen zur Einnahmensicherung, Kostendämpfung und Effizienzsteigerung umgesetzt worden seien. In diesem Zusammenhang macht Italien zunächst geltend, dass die Sonderverwalter die finanziellen und verwaltungstechnischen Probleme von Alitalia durch Straffung der Betriebsabläufe und die Neuverhandlung von Verträgen angegangen seien und z. B. eine deutliche Senkung der Leasingkosten erreicht hätten (geschätzte Leasingkosten von [210–250] Mio. EUR im Jahr 2018 gegenüber [260–340] Mio. EUR im Jahr 2017). Italien betont, die Vermögenswerte von Alitalia seien in Anbetracht dieser Einsparungen und des noch nicht abgeschlossenen Veräußerungsverfahrens unterbewertet worden.

(92)

Darüber hinaus waren die Sonderverwalter im Rahmen der ihnen gesetzlich übertragenen Sonderbefugnisse beispielsweise befugt, Maßnahmen zur Beitreibung von Alitalia geschuldeten Geldern zu ergreifen und mit anderen Parteien über die Begleichung von Forderungen zu verhandeln. Der Wert der Vermögenswerte von Alitalia müsse daher im Lichte der von den Sonderverwaltern erzielten Einnahmen und der von ihnen vorgenommenen Kostensenkungen überprüft werden. Italien macht ferner geltend, dass die Bewertung in der von Lufthansa vorgelegten unverbindlichen Mitteilung möglicherweise nicht den Wert der Vermögenswerte von Alitalia widergespiegelt habe, da sich das Angebot nur auf einen Teil der zu Verkauf stehenden Vermögenswerte bezogen habe und mit bestimmten subjektiven Interessen des Bieters zusammenhängen könnte. Daher könne die auf einen Teil der Vermögenswerte bezogene Bewertung nicht als Indikator für den Wert der gesamten Vermögenswerte herangezogen werden.

(93)

Italien widerspricht dem Vorbringen der Kommission, dass es kaum Beweise dafür gibt, dass Italien im kontrafaktischen Szenario, in dem die beiden staatlichen Darlehen nicht gewährt worden wären, größere Verluste erlitten hätte. Nach Auffassung Italiens handeln die Sonderverwalter im öffentlichen Auftrag, da sich Alitalia in einem Insolvenzverfahren befinde, mit dessen Leitung sie von der Regierung betraut worden seien. Italien argumentiert, dass, auch wenn Alitalia nicht in staatlichem Besitz sei, die Sonderverwalter im öffentlichen Auftrag handelten und Italien daher bei der Entscheidung über eine Intervention als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber die Verluste, die dem Staat im Falle einer Einstellung des Betriebs und der Auflösung von Alitalia entstanden wären, berücksichtigen könne.

(94)

Italien widerspricht außerdem der Feststellung der Kommission in Erwägungsgrund 64 des Einleitungsbeschlusses, dass der Staat als indirekter Minderheitsaktionär nicht in gleichem Maße wie die Mehrheitsaktionäre von einem günstigeren Veräußerungspreis hätte profitieren können. Da der Erlös aus dem Verkauf der Vermögenswerte für die Gläubiger bestimmt sei, müssten bei der Beurteilung der Frage, ob die beiden staatlichen Darlehen zu Marktbedingungen gewährt wurden, auch die Interessen von weiteren betroffenen Akteuren wie Gläubigern, Kunden, Arbeitnehmern und Zulieferern berücksichtigt werden.

4.1.4.   Zum kontrafaktischen Szenario, in dem die Beihilfe nicht gewährt worden wäre

(95)

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. September 2018 ging Italien näher darauf ein, welche Konsequenzen das kontrafaktische Szenario einer Auflösung von Alitalia zum 31. Dezember 2017 gehabt hätte, und macht Folgendes geltend:

a)

Der Staat habe sich wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhalten, da er im Falle des Verkaufs/der Schließung des Unternehmens zum 31. Dezember 2017 erhebliche Verluste zu tragen gehabt hätte, die bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens absehbar gewesen seien; diese Verluste hätten sich auf [über 1 Mrd.] EUR belaufen, und zwar aufgrund von i) Kosten, die der Staat im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit zu tragen hätte, ii) Steuerausfällen, iii) Kosten für Entschädigungszahlungen an Fluggäste, iv) negativen Ausstrahlungseffekten auf Zulieferer;

b)

die beiden staatlichen Darlehen seien zur Finanzierung dringender Betriebsführungserfordernisse von Alitalia und zur Vermeidung einer Unterbrechung des Flugdienstes, der zu schwerwiegenden gesellschaftlichen Problemen und Störungen geführt hätte, gewährt worden;

c)

die beiden staatlichen Darlehen entsprächen dem in der Mitteilung über Referenzzinssätze vorgesehenen Zinssatz für Unternehmen mit einem negativen Rating und einer geringen Besicherung; außerdem habe das Darlehen Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten; und

d)

die ursprüngliche Frist für den Abschluss des Veräußerungsverfahrens habe die Aussicht auf einen positiven Ausgang dieses Verfahrens gefährdet und sei daher verlängert worden; dementsprechend sei auch die ursprüngliche Laufzeit des ursprünglichen Darlehens verlängert und der Darlehensbetrag durch das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR aufgestockt worden.

(96)

Italien brachte vor, seine Argumentation stehe voll und ganz im Einklang mit Randnummer 107 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe (44), wo es heißt: „[Im] Falle einer Beteiligungs- oder Kreditmaßnahme zugunsten eines öffentlichen Unternehmens in Schwierigkeiten [sollte] die erwartete Rendite dieser Investition mit der erwarteten Rendite bei der kontrafaktischen Fallkonstellation, d. h. der Abwicklung des Unternehmens, verglichen werden. Falls die Abwicklung einen höheren Gewinn oder niedrigere Verluste verspricht, würde sich ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter für diese Option entscheiden.“

(97)

Italien war der Auffassung, dass die Beschäftigten von Alitalia im Falle der Schließung des Unternehmens zum 31. Dezember 2017 Anspruch auf Zahlungen aus der allgemeinen Arbeitslosenversicherung („NASpI“) und dem speziellen Solidaritätsfonds für Beschäftigte im Luftverkehr („FSTA“) gehabt hätten. Italien macht geltend, dass sich die geschätzten Kosten für die Arbeitslosenunterstützung, die der Staat im Falle einer Schließung/Abwicklung für die Beschäftigten des Unternehmens hätte zahlen müssen, bis zum 31. Dezember 2018 auf [350–800] Mio. EUR (einschließlich des FSTA) und im Falle einer Verlängerung des FSTA bis zum 31. Dezember 2019 auf [500–900] Mio. EUR belaufen hätten. Italien brachte vor, dass die Arbeitslosenkosten ähnlich gewesen wären, wenn Alitalia am 1. Mai 2017, dem Vortag der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens, geschlossen worden wäre.

(98)

Italien erwähnte auch, dass die Zulieferer von Alitalia durch die Abwicklung des Unternehmens geschädigt worden wären. Sie erbringen Dienstleistungen unter anderem in den Bereichen Abfertigung, Kundendienst/Call Center, Beherbergung, Logistik und Catering im Wert von durchschnittlich [100–300] Mio. EUR im Jahr.

(99)

Darüber hinaus bringt Italien vor, dass die Sonderverwalter im öffentlichen Interesse handelten, da Alitalia unter Sonderverwaltung stehe und somit von einer staatlichen Stelle geleitet werde, die den Auftrag habe, die Vermögenswerte des Unternehmens wiederherzustellen, zu veräußern oder zu liquidieren und die Erträge an die Gläubiger zu verteilen; sie seien im Rahmen ihres Mandats nur befugt, die Rechte der Gläubiger zu schützen, nicht hingegen die der Anteilseigner.

(100)

Darüber hinaus erkennt Italien die Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Land Burgenland an. In Randnummer 52 des Urteils stellte der Gerichtshof fest, dass „bei der Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Verkäufer, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt anknüpfen“. (45)

(101)

Italien ist jedoch der Auffassung, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen nicht in dem Sinne angewandt werden können, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen dürfen, die kostengünstiger sind als mögliche Alternativen, nur weil die betreffenden Maßnahmen untrennbar mit der Ausübung der öffentlichen Gewalt durch den Staat verbunden sein könnten. Ein solcher Ansatz wäre letztlich wirtschaftlich unvernünftig.

4.1.5.   Zur Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt

(102)

Vor dem Einleitungsbeschluss vertraten die italienischen Behörden die Auffassung, dass die beiden staatlichen Darlehen, sollten sie als staatliche Beihilfen angesehen werden, alle Voraussetzungen einer mit dem Binnenmarkt vereinbaren Rettungsbeihilfe erfüllen würden. In Anbetracht des laufenden Sonderverwaltungsverfahrens (das dem Gesamtinsolvenzverfahren gemäß den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen entspreche) handele es sich bei Alitalia um ein Unternehmen in Schwierigkeiten. Die Kommission hat im Einleitungsbeschluss darauf hingewiesen, dass das ursprüngliche Darlehen nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbare Rettungsbeihilfe eingestuft werden kann, weil es nicht binnen sechs Monaten nach der Bewilligung zurückgezahlt wurde, sondern dass es nur als Umstrukturierungsbeihilfe betrachtet werden könnte. Italien hat jedoch keine Argumente dafür vorgebracht, dass die beiden staatlichen Darlehen eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Umstrukturierungsbeihilfe darstellten.

(103)

Nach dem Einleitungsbeschluss brachte Italien vor, dass die beiden staatlichen Darlehen alle Voraussetzungen einer Rettungsbeihilfe erfüllten. Erstens argumentierte Italien in Bezug auf das Kriterium der Geeignetheit (Randnummer 55 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen), der Umstand, dass das ursprüngliche Darlehen nicht innerhalb von sechs Monaten zurückgezahlt worden sei, stelle keinen Verstoß gegen das Kriterium der Geeignetheit dar, weil in den Leitlinien festgelegt sei, dass die Pflicht zur Rückzahlung der Beihilfe in diesem Zeitraum ausgesetzt werden kann, wenn ein Abwicklungs- oder Umstrukturierungsplan vorliegt. Des Weiteren argumentierte Italien, dass das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR als eine einzige Intervention behandelt werden müssten, was bedeute, dass der Sechsmonatszeitraum erst mit der Auszahlung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR beginne.

(104)

Zweitens argumentierte Italien in Bezug auf das Kriterium der Angemessenheit (Randnummer 60 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen), dass die beiden staatlichen Darlehen angemessen seien, weil sie den Finanzbedarf von Alitalia bis zum Abschluss des Veräußerungsverfahrens decken sollten, und dass der benötigte Betrag auf die Vorsicht der Sonderverwalter zurückgehe, die damit sicherstellen wollten, dass die Vermögenswerte von Alitalia übertragen werden konnten und die Bedingungen für die Rückzahlung der beiden staatlichen Darlehen nicht untergraben wurden. Italien legte auch einen aktualisierten Liquiditätsplan im Sinne von Randnummer 60 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vor, der nach Auffassung Italiens den Liquiditätsbedarf von Alitalia widerspiegelte, wobei mehrere Faktoren berücksichtigt worden seien, unter anderem der Cashflow von Alitalia aus dem laufenden Geschäft, seine gesamten Nettoinvestitionen, seine Unternehmensmerkmale und die mit den für Alitalia typischen Marktschwankungen verbundenen Risiken.

(105)

Schließlich brachte Italien in Bezug auf das Kriterium der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten (gemäß Abschnitt 3.6 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen) vor, dass Alitalia seit Anordnung der Sonderverwaltung einen Rückgang der Fluggastzahlen und Flüge verzeichnet, bestimmte verlustbringende Langstreckenverbindungen eingestellt, die Auslastung der Flotte erhöht und erhebliche Einsparungen bei den Arbeitskosten erzielt habe. Italien verweist auch darauf, dass angesichts der tragenden Rolle von Alitalia für den italienischen Luftverkehrssektor eine plötzliche Einstellung der Betriebstätigkeit von Alitalia negative Konsequenzen gehabt hätte. Die beiden staatlichen Darlehen seien auf das zur Gewährleistung der Betriebskontinuität erforderliche Minimum beschränkt und ermöglichten Alitalia keine Expansion über das nach den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen zulässige Maß hinaus.

4.2.   Von Italien in Bezug auf Alitalia vorgelegte Berichte und Studien

(106)

Italien legte zwar keine vor der jeweiligen Gewährung angefertigte wirtschaftliche Ex-ante-Bewertung der beiden staatlichen Darlehen vor, übermittelte jedoch mehrere von Sachverständigen und anderen Stellen erstellte Dokumente zur wirtschaftlichen Lage und Geschäftstätigkeit von Alitalia. In diesem Abschnitt werden die wichtigsten von Italien betreffend Alitalia vorgelegten Dokumente beschrieben. Einige der Dokumente wurden erarbeitet, bevor Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde, d. h. vor Gewährung der beiden staatlichen Darlehen (ex-ante), andere Dokumente hingegen wurden danach (ex-post) angefertigt.

4.2.1.   Ex-ante-Studien bzw. -Dokumente

4.2.1.1.   Der Sanierungsplan

(107)

Der Sanierungsplan wurde im Dezember 2016 gemäß den Anforderungen von Abschnitt 67 des italienischen Insolvenzgesetzes ausgearbeitet, nachdem Etihad erkannt hatte, dass Alitalia am Rande einer Insolvenz stand. Der Sanierungsplan umfasste einen Finanz- und einen Geschäftsplan und erstreckte sich, wie vom italienischen Insolvenzgesetz verlangt, auf die Jahre 2017 bis 2021. Ziel des Sanierungsplans war die Wiederherstellung der Rentabilität von Alitalia bis 2021 durch folgende Maßnahmen: i) Umgestaltung des Streckennetzes und Steigerung der Einnahmen um ca. 900 Mio. EUR pro Jahr (46) (insbesondere durch eine höhere Auslastung, den Ausbau des Langstreckenverkehrs und Nebeneinnahmen); ii) Senkung der Kosten von Alitalia um ca. 400 Mio. EUR pro Jahr (durch Sparmaßnahmen, den Abbau des Personalbestands (47) von Alitalia um [XXXX] Beschäftigte und Lohnkürzungen um bis zu [20–40] %). Neben den Kostensenkungsmaßnahmen wurde im Sanierungsplan ein Eigenkapitalbedarf von rund 1,4 Mrd. EUR veranschlagt, der zum Teil aus zahlungsunwirksamen Positionen, wie die Umwandlung von Verbindlichkeiten, zum Teil aber auch aus einer neuen Kapitalaufstockung herrühren sollte, um Alitalia umzustrukturieren und einen neuen Geschäftsplan umzusetzen. Nach dem Sanierungsplan sollte Alitalia ab 2019 die Kreditwürdigkeit erreicht haben, sofern die geplanten Maßnahmen realisiert werden.

(108)

Dem Plan lag die Annahme zugrunde, dass das Nettoergebnis von Alitalia von -458 Mio. EUR im Jahr 2016 (Daten vor dem Abschluss) auf +168 Mio. EUR im Jahr 2021 steigen würde, während das EBITDA von Alitalia von –176 Mio. EUR im Jahr 2016 auf +441 Mio. EUR im Jahr 2021 steigen würde.

(109)

Da die Kosteneinsparungen die Belegschaft betrafen, mussten die Gewerkschaften dem Plan vorab zustimmen. Der Sanierungsplan wurde jedoch in einem von den Gewerkschaften im April 2017 durchgeführten Referendum abgelehnt, sodass wesentliche Kürzungen bei den Arbeitskosten verhindert wurden. Die Ablehnung dieses Plans hatte zur Folge, dass Alitalia im Mai 2017 unter Sonderverwaltung gestellt wurde.

4.2.1.2.   Überprüfung des Sanierungsplans durch Roland Berger und KPMG

(110)

Anfang 2017, d. h. vor dem Referendum, wurde der Sanierungsplan von den zwei unabhängigen Wirtschaftssachverständigen Roland Berger (7. Februar 2017) und KPMG (15. März 2017) auf der Grundlage der historischen Geschäftszahlen und der für 2016 prognostizierten Zahlen überprüft. Diese Sachverständigen wurden von Alitalia im Rahmen eines vereinbarten Mandats beauftragt, um die Entscheidungsfindung der Anteilseigner und der Unternehmensleitung von Alitalia zu unterstützen. Roland Berger war mit der Überprüfung des im Sanierungsplan enthaltenen Geschäftsplans und KPMG mit der Überprüfung des Finanzplans betraut.

(111)

Beide bezeichneten den Sanierungsplan als „ehrgeizig […] angesichts der jüngsten Geschichte von Alitalia“ und betonten, die Umsetzung des Plans hänge entscheidend davon ab, dass er von allen betroffenen Akteuren, insbesondere von den Gewerkschaften, unterstützt werde.

(112)

KPMG unterstreicht in seiner Überprüfung, dass für eine mehrjährige Aufrechterhaltung des Plans erhebliche Finanzmittel erforderlich sind, dass man sich voll darauf verlassen muss, dass die geplanten Kosteneinsparungen und Einnahmesteigerung tatsächlich realisiert werden, und dass der Plan von allen Betroffenen (einschließlich der Belegschaft) getragen werden muss. KPMG betonte außerdem die Sensibilität des Plans in Bezug auf die mit der Entwicklung der Einnahmen/des Cashflow durch den Verkauf von vorausbezahlten Flugscheinen verbundene finanzielle Annahme.

4.2.1.3.   Bericht zur Bestätigung des Sanierungsplans durch Dr. Riccardo Ranalli

(113)

Nach dem italienischen Insolvenzgesetz mussten die Richtigkeit der von Alitalia vorgelegten Zahlen (Zuverlässigkeit) und die Durchführbarkeit des Sanierungsplans von einem unabhängigen Sachverständigen geprüft und bestätigt werden. Mit dieser Überprüfung soll sichergestellt werden, dass die Umsetzung des Plans und die darin vorgeschlagenen finanziellen Maßnahmen zu einer Verringerung der Verschuldung von Alitalia und zu einer Sanierung der Finanzlage des Unternehmens führen. Diese Bestätigung wurde von dem Wirtschaftsprüfer Dr. Riccardo Ranalli ausgestellt. (48)

(114)

In dem von Dr. Ranalli angefertigten Bestätigungsbericht (im Folgenden „Bestätigungsbericht“) werden die im Sanierungsplan genannten Ursachen der Krise von Alitalia (49) aufgeführt:

a)

die Unabhängigkeit des Unternehmens [Alitalia] in einem Umfeld von Netzwerkfluggesellschaften, die durch eine Reihe von Fusionen eine kritische Masse erreicht haben, um eine angemessene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern;

b)

die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern starke Durchdringung des heimischen Marktes durch Billigfluglinien (externe Ursache);

c)

ein trotz unbefriedigter Nachfrage geringer Anteil am Langstreckenmarkt;

d)

die ineffiziente Kostenstruktur, die sich in durchschnittlichen Kosten pro ASK (50) in Höhe von [X,XX] EUR (die sich aus Kosten pro AKS für Kurz- und Mittelstrecken von [XX,XX] EUR und Kosten pro ASK für Langstrecken von [X,XX] EUR ergeben) niederschlägt, gegenüber Durchschnittswerten von 5,31 EUR bei Langstreckenfluggesellschaften und 8,20 EUR bei Netzwerkfluggesellschaften (interne Ursache); und

e)

die Einschränkung der Entwicklung des Langstreckengeschäfts infolge der Joint-Venture-Vereinbarungen für die nordamerikanischen Strecken (interne Ursache).

(115)

Der Sanierungsplan erhielt mit dem Bestätigungsbericht (vom 28. April 2017) und einem Verwaltungsschreiben (vom 15. März 2017) eine positive Bestätigung.

4.2.1.4.   Die Stillhaltevereinbarung

(116)

Im Januar 2017 verständigten sich Alitalia, Etihad Investment Holding Company LLC, der größte Anteilseigner von Alitalia, und die Gläubiger von Alitalia auf eine bedingte Stillhaltevereinbarung. In dieser Vereinbarung heißt es: „Bis zur Fertigstellung des aktualisierten Geschäftsplans und der einschlägigen Bestätigung durch einen unabhängigen Sachverständigen gemäß Artikel 76 Absatz 3 Buchstabe d des italienischen Insolvenzgesetzes […] benötigt das Unternehmen [Alitalia] Zeit, um u. a. die detaillierten Maßnahmen festzulegen, die im Rahmen des Geschäftsplans zur Verbesserung seiner Eigenkapital-, Finanz- und Geschäftslage durchgeführt werden sollen, und um die wichtigsten Bestimmungen des Finanzplans umzusetzen.“ Die Stillhaltevereinbarung sah unter anderem die Gewährung eines nachrangigen Aktionärsdarlehens in Höhe von 100 Mio. EUR durch Etihad vor, das am 27. Dezember 2016 ausgezahlt wurde.

(117)

Im Zuge der Fertigstellung des Sanierungsplans bat Alitalia seine Gläubiger um einen Zahlungsaufschub, um seinen finanziellen Verpflichtungen gemäß den Bedingungen der Stillhaltevereinbarung nachkommen zu können. Die Stillhaltevereinbarung galt bis zum 31. März 2017 und umfasste einen wöchentlichen Liquiditätsplan für die gesamte Laufzeit der Vereinbarung, aus dem hervorgeht, dass die Liquidität von Alitalia aufgrund der Stillhaltevereinbarung und der darin vorgesehenen Maßnahmen bis zum 31. März 2017 gesichert war.

4.2.2.   Ex-post-Studien bzw. -Dokumente

4.2.2.1.   Die Leonardo-Studie

(118)

Die Sonderverwalter beauftragten einen unabhängigen Berater, Leonardo & Co, der den voraussichtlichen Verkaufswert der in Erwägungsgrund 60 dargelegten operativen Einheiten von Alitalia ermitteln sollte. Die Schätzung wurde eingeholt, weil die Sonderverwalter gesetzlich verpflichtet sind, Alitalia nicht unter einem marktüblichen Referenzwert zu verkaufen. Die Studie wurde am 14. September 2017 in Auftrag gegeben. Am 16. Oktober 2017 legten Leonardo & Co den drei Sonderverwaltern die Ergebnisse ihrer Studie (im Folgenden „Leonardo-Studie“) vor.

(119)

Ziel der Leonardo-Studie vom 16. Oktober 2017 war es, den geschätzten Verkaufswert der operativen Einheiten von Alitalia zum 1. Mai 2017, d. h. zum Beginn der Sonderverwaltung, zu ermitteln. In der Studie wurde der Wert von drei denkbaren Losen untersucht: i) Veräußerung der Luftfahrtsparte („Aviation-Los“); ii) Veräußerung der Handlingsparte („Handling-Los“) und iii) Veräußerung beider Lose zusammen („Gesamtlos“ bzw. „Einzellos“). Der in der Leonardo-Studie geschätzte Verkaufswert umfasst nicht die mit den zu veräußernden Vermögenswerten verbundenen Verbindlichkeiten und schließt die vor der Sonderverwaltung entstandenen Verbindlichkeiten aus. Leonardo & Co ermittelten den Wert von Alitalia anhand einer gemischten Methode mit einer Kombination aus einem vermögenswertbasierten Ansatz und einem gewinnbasierten Ansatz. Diese Methode eignete sich nach Auffassung von Leonardo & Co am besten, um den Wert eines Unternehmens zu schätzen, das sich — wie Alitalia — in wirtschaftlicher Notlage befindet.

(120)

Als Ausgangspunkt wird in der Leonardo-Studie ein Buchwert der Vermögenswerte von rund 2,5 Mrd. EUR zugrunde gelegt, was dem Buchwert der im Rahmen des Gesamtloses zu übertragenden Vermögenswerte entspricht, d. h. 2 552 Mio. EUR gemäß dem Bericht von PriceWaterhouseCoopers (im Folgenden „PwC“). Der Wert dieser Vermögenswerte wird dann zur Berücksichtigung der mit den Vermögenswerten und dem Betrieb von Alitalia zusammenhängenden Verbindlichkeiten (hauptsächlich Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern) und einer Gewinnkorrektur angepasst. Diese Anpassung entspricht der Differenz zwischen der erwarteten Rentabilität des Unternehmens in den ersten beiden Jahren des Geschäftsplans einerseits und der durchschnittlichen Rentabilität vergleichbarer Fluggesellschaften andererseits. Da erwartet wurde, dass Alitalia in den ersten beiden Betriebsjahren Verluste machen würde, fällt die Gewinnkorrektur negativ aus, was den geschätzten Verkaufswert weiter verringert.

(121)

Aufgrund der mit der Umsetzung des Geschäftsplans verbundenen Unsicherheiten werden in der Leonardo-Studie zwei Szenarien betrachtet, um den möglichen Verkaufswert der operativen Einheiten von Alitalia zu schätzen. Dem „Trägheitsszenario“ liegt ein vom Verharren im Status quo geprägtes Vorgehen zugrunde, das der wirtschaftlichen und finanziellen Situation von Alitalia im Jahr 2017 entspricht und dementsprechend keine Wachstumsziele und branchenübliche Strategien vorsieht. Das „Renaissance-Szenario“ beruht auf einem Geschäftsplan, der unter dem Gesichtspunkt der Diskontinuität gegenüber der Situation von Alitalia im Jahr 2017 erstellt wurde und kurz- bis mittelfristig die Rückgewinnung von Marktanteilen sowie die Wiederherstellung der Rentabilität vorsieht mit dem Ziel, dass das Unternehmen eine zentrale Rolle auf dem Referenzmarkt zurückgewinnt.

(122)

In der Leonardo-Studie wird der Verkaufspreis des Gesamtloses im Trägheitsszenario auf 280 Mio. EUR bis 411 Mio. EUR geschätzt; im Renaissance-Szenario werden dafür 495 Mio. EUR bis 626 Mio. EUR veranschlagt. Der Durchschnitt der höchsten und niedrigsten Bewertung beträgt 453 Mio. EUR.

4.2.2.2.   Von PwC aufbereitete Finanzdaten der drei zum Verkauf angebotenen operativen Lose

(123)

Die Sonderverwalter beauftragten PwC damit, die konsolidierten Finanzdaten der Alitalia-Gruppe und die Ausgliederungsbilanzen des Aviation-Loses, des Handling-Loses und des Gesamtloses zum 1. Mai 2017 zu überprüfen. In diesen Ausgliederungsbilanzen wurde der Umfang der bei einem Verkauf von Vermögenswerten von Alitalia zu übertragenden Vermögenswerte festgelegt und bestimmt, welche Bilanzposten nach der Veräußerung bei Alitalia verbleiben würden.

(124)

Diese geprüften und im Entwurf des PwC-Prüfberichts vom 21. September 2017 genannten Finanzdaten wurden dann von Leonardo & Co für die Schätzung des Veräußerungspreises der Lose herangezogen. (51)

(125)

PwC hat den Prüfbericht am 31. Oktober 2017 abgeschlossen und datiert.

4.2.2.3.   Die Preisangebote von Lufthansa, EasyJet und Airport Handling

(126)

Am 16. Oktober 2017 legten mehrere Unternehmen, unter anderem Airport Handling, EasyJet und Lufthansa, im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens (siehe Erwägungsgrund 59) Angebote für einzelne Sparten von Alitalia vor. In diesem Unterabschnitt werden die wesentlichen Merkmale dieser Angebote zusammengefasst.

(127)

Airport Handling gab ein verbindliches Angebot für die Bodenabfertigungsdienste von Alitalia in Höhe von [XX,X] Mio. EUR ab, mit der Möglichkeit einer Erhöhung auf bis zu 6,5 Mio. EUR, sofern bestimmte Ziele erreicht werden.

(128)

EasyJet gab ein verbindliches Angebot für Teile der Luftfahrtsparte von Alitalia mit Ausnahme der Wartungs- und Reparaturdienstleistungen ab. Das Kurzstreckengeschäft wurde in dem Angebot mit nur [XXX–XXX] Mio. EUR bewertet. EasyJet legte in seinem Angebot dar, dass es das Langstreckengeschäft von Alitalia, dessen Übernahme von einem nicht näher bezeichneten Konsortialpartner abhänge, vorläufig auf [XXX] Mio. EUR veranschlagt habe. EasyJet veranschlagte somit einen maximalen Gesamtwert von [XXX] Mio. EUR.

(129)

Das unverbindliche Angebot von Lufthansa betraf nur einen Teil der Luftfahrtsparte (d. h. [XX] von insgesamt [XXX] Flugzeugen und nur […] Beschäftigte) und belief sich auf [XXX] Mio. EUR (abzüglich aktivierter Leasingverhältnisse).

4.2.3.   Finanzberichte von Alitalia

(130)

Der letzte veröffentlichte Jahresabschluss der Alitalia-Gruppe datiert vom 31. Dezember 2015. Für 2016 wurde kein Jahresabschluss erstellt, da Alitalia vor der Genehmigung und Veröffentlichung des Abschlusses 2016 unter Sonderverwaltung gestellt wurde. Es lagen jedoch die vor dem Abschluss erstellten Finanzdaten und Pro-forma-Finanzdaten für das Jahr 2016 sowie die Berichte der wichtigsten Sachverständigen vor, die Ex-ante- oder Ex-post-Berichte über Alitalia erstellten (KPMG, Roland Berger, Dr. Ranalli und PwC). Diese Sachverständigen stützten sich bei ihrer Analyse alle auf die Zahlen des Jahres 2016. Darüber hinaus erstellte Alitalia gemäß dem italienischen Insolvenzrecht einen Jahresabschluss zum 28. Februar 2017.

(131)

Während des Sonderverwaltungsverfahrens wurden keine Jahresabschlüsse veröffentlicht. Allerdings wurden auf der Website der Sonderverwaltung von Alitalia in unregelmäßigen Abständen begrenzte Finanzdaten veröffentlicht, die sich hauptsächlich auf das EBITDA und den Cashflow (ohne Bilanz) bezogen. (52)

(132)

Obwohl mit Ausnahme des Jahres 2015 offenbar keiner dieser Finanzberichte geprüft wurde, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlen die Finanzlage von Alitalia wesentlich falsch darstellen. So wurden insbesondere die Zahlen des Jahres 2016 im Rahmen des Sanierungsplans von Dr. Ranalli bestätigt.

5.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

5.1.   Vorliegen einer Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV

(133)

Artikel 107 Absatz 1 AEUV besagt Folgendes: „Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

(134)

Damit eine Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV angesehen werden kann, müssen daher die folgenden vier Kriterien erfüllt sein: i) Sie muss vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden, ii) sie muss einem Unternehmen einen Vorteil verschaffen, iii) sie muss selektiv sein, d. h. bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen und iv) sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

5.1.1.   Der Begriff des Unternehmens

(135)

Bei Alitalia handelt es sich um ein im Luftverkehrssektor tätiges privates Unternehmen mit Sitz in Italien. Alitalia übt wirtschaftliche Tätigkeiten aus, indem es auf einem Markt Dienstleistungen anbietet, und stellt somit ein Unternehmen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV dar. (53)

5.1.2.   Staatliche Mittel und Zurechenbarkeit zum Staat

(136)

Wie der Gerichtshof (54) festgestellt hat, können Maßnahmen dann als Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV eingestuft werden, wenn sie a) aus staatlichen Mitteln stammen, die entweder unmittelbar vom Staat oder mittelbar von zwischengeschalteten Stellen gewährt werden, die im Auftrag des Staates handeln, und b) dem Staat zurechenbar sind (55).

(137)

Da die beiden staatlichen Darlehen auf Handlungen der italienischen Regierung und des italienischen Parlaments gründen, sind sie eindeutig dem italienischen Staat zuzurechnen. Außerdem wurden die beiden staatlichen Darlehen aus dem Staatshaushalt finanziert und wurden somit eindeutig aus staatlichen Mitteln gewährt.

5.1.3.   Selektivität

(138)

Eine Maßnahme kann nur dann als staatliche Beihilfe betrachtet werden, wenn sie selektiv in dem Sinne ist, dass sie nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt.

(139)

Die beiden staatlichen Darlehen wurden einem einzigen Unternehmen, nämlich Alitalia, gewährt. Daher wurden sie auf Ad-hoc-Basis einem einzigen Unternehmen gewährt und standen keinen anderen im italienischen Luftverkehrssektor oder in anderen Wirtschaftszweigen tätigen Unternehmen zur Verfügung, die sich in einer vergleichbaren Rechts- und Sachlage befanden. Da kein vergleichbares Unternehmen für eine Maßnahme ähnlich den Alitalia gewährten Maßnahmen in Betracht kam, erhielt kein Unternehmen eine vergleichbare Finanzierung. Daher sind die beiden staatlichen Darlehen selektiver Natur.

5.1.4.   Vorteil

(140)

Ein Vorteil im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV ist ein wirtschaftlicher Nutzen jeglicher Art, den ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen — also ohne Eingreifen des Staates — nicht erhalten hätte. (56)

(141)

Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte verschaffen wirtschaftliche Transaktionen öffentlicher Einrichtungen der Gegenseite keinen Vorteil und stellen daher keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV dar, wenn sie unter normalen Marktbedingungen durchgeführt werden. (57) Um zu bestimmen, ob eine Transaktion unter diesen Bedingungen durchgeführt wurde, zieht die Kommission das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten heran. Dieses Kriterium wurde in Bezug auf verschiedene wirtschaftliche Transaktionen entwickelt. Die Kommission prüft zunächst, ob das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten anwendbar ist; ist das der Fall, wird sie das Kriterium auf die beiden staatlichen Darlehen anwenden.

5.1.4.1.   Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten

(142)

Im vorliegenden Fall muss die Kommission prüfen, ob das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten anwendbar ist. Stellt die Kommission fest, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auf die beiden staatlichen Darlehen nicht anwendbar ist, erübrigt sich die Anwendung des Kriteriums. In diesem Fall kann die Kommission einfach feststellen, dass Alitalia ein wirtschaftlicher Nutzen entstanden ist, den das Unternehmen unter Marktbedingungen nicht erhalten hätte, sodass ihm ein Vorteil im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV verschafft wurde.

(143)

Da es jedoch um zwei staatliche Darlehen geht (das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR), muss die Kommission vor Prüfung der Anwendbarkeit untersuchen, ob sich diese beiden Darlehen für die Zwecke der Beurteilung der Anwendbarkeit trennen lassen oder ob sie eine einzige Maßnahme darstellen. Falls sich die beiden staatlichen Darlehen trennen lassen, müsste jedes insbesondere im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten gesondert beurteilt werden. Werden sie hingegen als ein und dieselbe Maßnahme gewertet, muss die Kommission diesbezüglich nur eine einzige Bewertung der beiden staatlichen Darlehen vornehmen.

5.1.4.1.1.   Die beiden staatlichen Darlehen als eine einzige Maßnahme

(144)

Gemäß der Entscheidungspraxis der Kommission kann eine Abfolge staatlicher Maßnahmen, die in einem relativ kurzen Zeitraum in Bezug auf dasselbe Unternehmen durchgeführt werden, miteinander verbunden sind oder alle zum Zeitpunkt der ersten Maßnahme geplant oder vorhersehbar waren, als eine einzige Maßnahme geprüft werden. Wenn dagegen die spätere Maßnahme das Ergebnis von zum Zeitpunkt der früheren Maßnahme unvorhergesehenen Ereignissen war, sollten die beiden Maßnahmen in der Regel getrennt geprüft werden. (58)

(145)

Bei der Prüfung der Frage, ob die beiden staatlichen Darlehen eine einzige Maßnahme darstellen, berücksichtigt die Kommission i) die zeitliche Abfolge der beiden in Rede stehenden staatlichen Darlehen, ii) ihren Zweck und iii) die Finanz- und Risikolage des Unternehmens zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung, die beiden staatlichen Darlehen zu gewähren. (59)

(146)

Nach Auffassung der Kommission sollten das ursprüngliche Darlehen und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR bei der Prüfung der Anwendbarkeit als eine einzige Maßnahme betrachtet werden.

(147)

Erstens wurden hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der in Rede stehenden Darlehen die beiden Darlehen kurz nacheinander gewährt: Das ursprüngliche Darlehen wurde am 2. Mai 2017 und das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR weniger als sechs Monate später am 16. Oktober 2017 gewährt. Außerdem änderte Italien die Fälligkeitstermine der Darlehen durch eine Reihe kurzer Verlängerungen (siehe Erwägungsgründe 19 und 30), bevor es sie schließlich synchronisierte und de facto zu einer einzigen Maßnahme zusammenfasste (siehe Erwägungsgründe 31 und 32).

(148)

Zweitens wurden die beiden staatlichen Darlehen, wie aus den Erwägungsgründen 17 und 19 eindeutig hervorgeht, zu einem speziellen Zweck gewährt, nämlich zur Gewährleistung der Kontinuität der Luftverkehrsdienste von Alitalia, bis die Sonderverwalter die ihnen vom Minister für wirtschaftliche Entwicklung übertragene Aufgabe, nämlich Alitalia umzustrukturieren oder die Vermögenswerte des Unternehmens zu veräußern, abschließen konnten. Sie wurden vom italienischen Staat gewährt und es wurden keine Versuche unternommen, Mittel aus anderen Quellen zu beziehen.

(149)

Das Gesetzesdekret Nr. 148/2017 besagt ausdrücklich, dass die Gewährung des Zusatzdarlehens von 300 Mio. EUR als Aufstockung des ursprünglichen Darlehens vorgesehen war (siehe Erwägungsgrund 19). Darüber hinaus bezeichneten die italienischen Behörden die Finanzierung im Rahmen der Anmeldung bei der Kommission als eine einzige Maßnahme und erläuterten zudem, dass die Beihilfe in drei Tranchen ausgezahlt wurde. (60) Diese Darstellung wird auch in den späteren Vorbringen der italienischen Behörden bestätigt. (61)

(150)

Die Bedingungen der beiden staatlichen Darlehen sind abgesehen von ihrer Höhe und ursprünglich vorgesehenen Laufzeit identisch; zudem wird bei der Gewährung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR auf das Dekret zur Gewährung des ursprünglichen Darlehens verwiesen und erklärt, die Finanzierung werde „aufgestockt“. Die beiden staatlichen Darlehen wurden aufgrund der Synchronisierung ihrer Fälligkeitstermine faktisch zu einer einzigen Maßnahme zusammengefasst (siehe Erwägungsgründe 30, 31 und 32).

(151)

Drittens waren die Finanzlage und das Risikoprofil von Alitalia zu der Zeit, als die Entscheidungen zur Gewährung der beiden staatlichen Darlehen getroffen wurden, im Wesentlichen gleich. In Abschnitt 5.1.4.2 wird ein detaillierter Vergleich der Finanzlage und des Risikoprofils vorgenommen. Der Vollständigkeit halber hält die Kommission jedoch fest, dass sich die Finanzlage und das Risikoprofil von Alitalia bei Gewährung der beiden staatlichen Darlehen wie folgt darstellten:

a)

Alitalia war insolvent und stand unter Sonderverwaltung; die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen das Unternehmen tätig war, blieben folglich unverändert;

b)

die Bedingungen der beiden staatlichen Darlehen waren abgesehen von der Darlehenshöhe und den Fälligkeitsterminen gleich; daran wird deutlich, dass das Risikoprofil aus Sicht Italiens im Wesentlichen unverändert blieb;

c)

Alitalia verfügte zum Zeitpunkt der Gewährung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR zwar über Barmittel in Höhe von 545 Mio. EUR, doch stammten diese Barmittel hauptsächlich aus dem ursprünglichen Darlehen und waren nicht in nennenswertem Umfang auf Kosteneinsparungen oder gestiegene Einnahmen zurückzuführen. Alitalia gelang es nicht, einen positiven Cashflow zu erwirtschaften, um seine Tätigkeiten zu finanzieren, und war auf externe Finanzierungen angewiesen, um seine verlustbringenden Geschäfte zu finanzieren (siehe Erwägungsgrund 228).

(152)

Darüber hinaus war bei der Gewährung des ursprünglichen Darlehens in Anbetracht des zu Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens zu erwartenden Liquiditätsbedarfs von Alitalia absehbar, dass eine weitere Finanzierung erforderlich sein würde, wenn die Veräußerung bzw. die Umstrukturierung nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgen würde (siehe Erwägungsgründe 246 bis 248).

(153)

Nach Auffassung der Kommission war es das einzige Ziel Italiens, für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, um die Betriebstätigkeit von Alitalia bis zur Veräußerung seiner Vermögenswerte des Unternehmens aufrechterhalten zu können. Diese Auffassung stützt sich auf:

a)

die Aussagen mehrerer Minister der italienischen Regierung (siehe Erwägungsgründe 51 ff.);

b)

die Argumente Italiens, wonach Alitalia für den gesamten Luftverkehrssektor Italiens systemrelevant war, sodass die Regierung das Unternehmen als zu groß für eine Insolvenz einstufte;

c)

die quasi automatische Deckung des Barmittelbedarfs von Alitalia und die automatische Verlängerung der Fälligkeitstermine der beiden staatlichen Darlehen sowie die Verlängerung des Veräußerungsverfahrens;

d)

den Umstand, dass Italien seit Gewährung des ursprünglichen Darlehens nie ausdrücklich auf eine Rückforderung der getätigten Investitionen hingewirkt oder diese Möglichkeit auch nur in Betracht gezogen hat;

e)

den Umstand, dass Italien keine vorzeitige Rückzahlung der beiden staatlichen Darlehen gefordert hat; zudem hat Italien weder die Abwicklung eingeleitet noch sich zumindest bemüht, die Laufzeit der beiden staatlichen Darlehen nicht zu verlängern, zumal keine Studie vorlag, in der geprüft wurde, inwieweit sich die Wahrscheinlichkeit einer Rückzahlung der beiden staatlichen Darlehen am Ende ihrer vorgesehenen Laufzeit geändert hatte;

f)

den Umstand, dass die auf die beiden staatlichen Darlehen zum Fälligkeitstermin anfallenden Zinsen aufgrund der systematischen Verschiebung der Fälligkeiten der beiden staatlichen Darlehen nicht gezahlt wurden und ab dem 31. Mai 2019 auch nicht mehr aufliefen.

(154)

Folglich ist die Kommission der Auffassung, dass die beiden staatlichen Darlehen für die Zwecke dieses Beschlusses eine einzige Maßnahme darstellen.

(155)

Die Kommission wird die Anwendbarkeit unter zwei Gesichtspunkten prüfen und untersuchen, i) ob Italien hinreichende Ex-ante-Nachweise dafür vorgelegt hat, dass es sich als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhalten hat, und ii) ob der Staat bei der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen als Träger öffentlicher Gewalt und nicht als Wirtschaftsbeteiligter handelte.

(156)

Ungeachtet der obigen Schlussfolgerung, dass sich die beiden staatlichen Darlehen nicht trennen lassen, würde die nachstehend dargelegte Anwendbarkeitsanalyse der Kommission auch dann entsprechend gelten, wenn die beiden staatlichen Darlehen als zwei getrennte Maßnahmen behandelt würden.

5.1.4.1.2.   Italien handelte als Träger öffentlicher Gewalt und nicht als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter

(157)

Nach Auffassung der Kommission ist das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Aus den vorliegenden Nachweisen geht hervor, dass Italien konsequent als Träger öffentlicher Gewalt gehandelt hat, um Alitalia vor der Insolvenz zu bewahren und das Unternehmen zu erhalten.

(158)

Vorab erinnert die Kommission daran, dass der Gerichtshof die Auffassung vertrat, dass die Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten letztendlich davon abhängt, ob der Staat in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt einem in seinem Eigentum befindlichen Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hat. (62) Staatliche Interventionen, die hoheitliche Pflichten des Staates erfüllen sollen, können nicht mit den Interventionen eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers verglichen werden. (63)

(159)

Um festzustellen, ob die beiden vom Staat gewährten staatlichen Darlehen eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen oder die Folge von Pflichten sind, die der Staat als Anteilseigner zu übernehmen hat, wird die Kommission die Darlehen nicht nur anhand ihrer Form prüfen, sondern auch anhand i) ihrer Art und ihres Zwecks, ii) des Kontextes, in dem sie gewährt wurden, iii) des mit den Darlehen verfolgten Ziels und iv) der Vorschriften, denen die beiden staatlichen Darlehen unterliegen.

(160)

Wenn die staatliche Intervention angesichts ihrer Natur und ihres Gegenstands und unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels keine Investition darstellt, die von einem privaten Kapitalgeber vorgenommen werden könnte, würde es sich um eine Intervention des Staates als Träger öffentlicher Gewalt handeln, sodass die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten ausgeschlossen wäre. (64)

Natur und Gegenstand der Maßnahme

(161)

Wie in Abschnitt 2.1 dargelegt, bestand die in Rede stehende Maßnahme aus zwei staatlichen Darlehen, die Alitalia am 2. Mai 2017 bzw. am 16. Oktober 2017 gewährt wurden.

Kontext der Maßnahme

(162)

Von Beginn an handelte der Staat konsequent und eindeutig in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt, um Alitalia vor der Abwicklung zu bewahren — was auch durch die Aussagen verschiedener Minister der italienischen Regierung bestätigt wird (siehe Abschnitt 2.5) —, und nicht als Anteilseigner, der in ein Unternehmen investiert, oder als Gläubiger.

(163)

Alitalia verzeichnete seit der Übernahme durch CAI im Jahr 2008 konstant erhebliche Verluste. Die Versuche der Anteilseigner von Alitalia, das Unternehmen durch den Sanierungsplan wieder in die Gewinnzone zu führen, sind aufgrund der Ablehnung des Plans durch die Beschäftigten am 26. April 2017 gescheitert, was zur Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens führte (siehe Erwägungsgründe 41 ff.). Alitalia blieb auch unter der Sonderverwaltung defizitär.

(164)

Es gibt keine Beweise dafür, dass in der Zeit zwischen der Ablehnung des Sanierungsplans und der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens ein Investor bereit gewesen wäre, einzuschreiten und Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung zu übernehmen, selbst nicht für einen symbolischen Preis. Es liegen auch keine Nachweise dafür vor, dass Finanzinstitute bereit gewesen wären, nennenswerte Kreditlinien zur Verfügung zu stellen, um eine zur Fortführung des Unternehmens ausreichende Liquidität zu sichern.

(165)

Als die beiden staatlichen Darlehen gewährt wurden, war Alitalia ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen, und es bestanden kaum Aussichten, dass das Unternehmen kurz- oder mittelfristig rentabel werden würde (siehe Erwägungsgründe 41, 66 und 218–229).

Ziel der Maßnahmen

(166)

Alitalia wurde ausdrücklich zu dem Zweck unter Sonderverwaltung gestellt, die Kontinuität der von Alitalia erbrachten Verkehrsdienstleistungen zu gewährleisten und den Wert der Vermögenswerte zu erhalten.

(167)

Als insolventes Unternehmen war Alitalia im Wesentlichen von den Kreditmärkten ausgeschlossen und aufgrund seiner unmittelbaren und längerfristigen Liquiditätsprobleme auf den italienischen Staat angewiesen, der die beiden Darlehen gewährte.

(168)

Wie in Abschnitt 2 ausführlich dargelegt, wurde das ursprüngliche Darlehen hauptsächlich gewährt, um eine Unterbrechung des von Alitalia erbrachten Dienstes abzuwenden und dem Unternehmen die Aufrechterhaltung seiner inländischen und internationalen Flugverbindungen zu ermöglichen, wodurch sowohl soziale Härten als auch erhebliche Unannehmlichkeiten für die Nutzer vermieden wurden. Italien brachte außerdem vor, dass eine solche Unterbrechung unter anderem zu einer Verletzung des von der italienischen Verfassung garantierten Rechts auf territoriale Kontinuität innerhalb des Landes führen würde. Das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR wurde aus demselben Grund gewährt und sollte zudem die Veräußerung der Vermögenswerte von Alitalia erleichteRn. Das Ziel, zu dem Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde, scheint sich nicht wesentlich von dem Ziel der beiden staatlichen Darlehen zu unterscheiden.

(169)

Diese Einschätzung wird durch die öffentlichen Erklärungen gestützt, die Minister der italienischen Regierung vor der Gewährung sowohl des ursprünglichen Darlehens als auch des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR abgaben (siehe Abschnitt 2.5), nämlich dass die Regierung in erster Linie darum bemüht war, eine plötzliche Unterbrechung von Luftverkehrsdiensten und die direkt und indirekt damit verbundenen Auswirkungen zu vermeiden. Dazu gehören die Auswirkungen auf die italienische Wirtschaft und das vorgebliche Ziel, dem Steuerzahler weitere Verluste zu ersparen. Diesen Aussagen zufolge ging es darum, den Sonderverwaltern den nötigen Spielraum für die Suche nach einem Käufer zu verschaffen. Dieses Ziel schlägt sich zum einen in den einschlägigen Rechtsvorschriften, mit denen die beiden staatlichen Darlehen gewährt wurden, und zum anderen in den eigenen Vorbringen Italiens (siehe Erwägungsgründe 78 ff.) nieder, wonach die Darlehen für die Betriebsführungserfordernisse von Alitalia sowie zur Vermeidung einer Dienstunterbrechung und der damit verbundenen sozialen Härten und Unannehmlichkeiten benötigt wurden.

(170)

Die zeitgleichen Erklärungen von Mitgliedern der italienischen Regierung zum maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Abschnitt 2.5) stützen die Auffassung, dass die Gründe, aus denen Italien die beiden staatlichen Darlehen gewährte, nicht die eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten waren. Stattdessen wurde die Entscheidung, die beiden staatlichen Darlehen zu gewähren, wie folgt begründet: „Die Flugzeuge am Boden zu behalten ist keine Option, weil die Verbindungen beeinträchtigt und die Fluggäste geschädigt würden.“ (65)„Wir können [Alitalia] nicht von einem Tag auf den anderen in Konkurs gehen lassen, weil wir dann keine Flugverbindungen mehr zwischen den einzelnen Landesteilen hätten.“ (66)„[Es] würde die italienischen Steuerzahler wesentlich mehr kosten, die Flugzeuge von morgens bis abends am Boden zu lassen.“ (67)

(171)

Wie in Abschnitt 4.1 dargelegt, erläuterte Italien ausführlich, welche Verwerfungen ein Marktaustritt von Alitalia nach sich ziehen würde, und verwies in diesem Zusammenhang auf die Zahl der Flugbuchungen und der ausgestellten Flugtickets.

(172)

Nach Prüfung der oben genannten Sachverhalte ist die Kommission der Auffassung, dass der Hauptzweck der beiden staatlichen Darlehen darin bestand, die Aufrechterhaltung der betrieblichen Tätigkeit von Alitalia aus Gründen der öffentlichen Ordnung und nicht aus Gründen finanzieller Interessen des Staates als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter sicherzustellen. Insofern spielte die Möglichkeit, dass der Staat im Zusammenhang mit den beiden staatlichen Darlehen — selbst langfristig — Gewinne erzielen könnte, sofern dies nachweisbar wäre, für die Entscheidung über die Gewährung der beiden staatlichen Darlehen nur eine untergeordnete Rolle.

(173)

Des Weiteren ist nach Auffassung des Gerichtshofs die Erwägung, die Kontinuität der von einem Unternehmen erbrachten Verkehrsdienste zu gewährleisten, einem privaten Investor fremd. (68)

(174)

Darüber hinaus wurden die Fälligkeitstermine der beiden staatlichen Darlehen regelmäßig verschoben, während der Staat zugleich auch die Zinspflicht von Alitalia auf diese neuen Fälligkeitstermine verschob. Infolge des Wachstumsdekrets liefen die Zinsen für die beiden staatlichen Darlehen ab dem 31. Mai 2019 nicht mehr auf. Dies zeigt auch, dass der Zinssatz in Höhe des 6-Monats-Euribor zuzüglich 10 %, der Italien zufolge beweise, dass es sich als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhalten hatte (siehe Erwägungsgrund 95), nur zum Schein bestand, da der Staat — als Kapitalgeber — weder für seine Liquiditätskosten noch für das mit Alitalia verbundene Kreditrisiko eine Vergütung erhielt, die ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber hingegen erwartet hätte. In Verbindung mit dem Umstand, dass Italien keine Ex-ante-Studie vorgelegt hat, aus der hervorgeht, dass die Gewährung dieser Verlängerungen und Zinserleichterungen für den Staat finanziell sinnvoller war als das kontrafaktische Szenario, zeigt dies, dass der Staat in Bezug auf Alitalia im Rahmen seiner Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt handelte. Ein solches Verhalten, d. h. die Gewährung der genannten Verlängerungen ohne Vorliegen einer entsprechenden Ex-ante-Studie, der Verzicht auf Zinszahlungen und schließlich die Beendigung des Auflaufens der Zinsen zum 31. Mai 2019, entspricht nicht dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten, sondern ist Ausdruck des Interesses, das ein Träger öffentlicher Gewalt am Erhalt der Kontinuität der von Alitalia erbrachten Verkehrsdienstleistungen hat.

Die für die Maßnahme geltenden Vorschriften

(175)

Bei den beiden in Rede stehenden staatlichen Darlehen handelt es sich um eigenständige Ad-hoc-Maßnahmen. Es wurden spezielle Gesetzesdekrete erlassen, um die Darlehen zu gewähren, sie später zu verlängern und faktisch zu einer einzigen Maßnahme zusammenzufassen. Die beiden staatlichen Darlehen wurden aus dem Haushalt des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung finanziert. Darüber hinaus wurde die Auszahlung der Darlehen in spezifischeren Ministerialerlassen geregelt.

(176)

Die Mittel für die in Rede stehenden Darlehen stammten also aus dem Staatshaushalt.

Schlussfolgerung

(177)

Abschließend ist festzustellen, dass die Maßnahme in Anbetracht ihrer Natur und ihres Gegenstands, ihres Kontextes, ihres Ziels und der für die Maßnahme geltenden Vorschriften die Merkmale einer Handlung aufweist, die den hoheitlichen Befugnissen Italiens zuzurechnen ist Folglich kann das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht auf die Maßnahme angewandt werden.

5.1.4.1.3.   Nichtanwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten durch Italien

(178)

Nach Auffassung des Gerichtshofs hängt „die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers letztlich davon ab, ob der betroffene Mitgliedstaat einem ihm gehörenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt“. (69)

(179)

Beruft sich ein Mitgliedstaat schon im Verwaltungsverfahren auf das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten, muss er „eindeutig und anhand objektiver, nachprüfbarer und aus der betreffenden Zeit stammender Nachweise belegen, dass [er] die durchgeführte Maßnahme in [seiner] Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat und diese Maßnahme auf den erforderlichen vorherigen wirtschaftlichen Bewertungen beruht“. (70) Aus diesen Nachweisen muss eindeutig hervorgehen, dass der betroffene Mitgliedstaat die Entscheidung zur Durchführung einer Investition vor oder gleichzeitig mit der Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils auf der Grundlage einer begründeten Einschätzung getroffen hat, die zeigt, dass mit der tatsächlich durchgeführten Maßnahme eine marktübliche Rendite erzielt wird.

(180)

Des Weiteren stellte der Gerichtshof fest, „dass zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Kapitalgeber, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen“. (71) Daher sind die Rollen des Staates als Anteilseigner eines Unternehmens auf der einen Seite und als Träger öffentlicher Gewalt auf der anderen Seite zu unterscheiden.

(181)

Insoweit können insbesondere Nachweise erforderlich sein, die zeigen, dass diese Entscheidung auf wirtschaftlichen Bewertungen beruht, die mit jenen vergleichbar sind, die ein rational handelnder privater Kapitalgeber in einer möglichst ähnlichen Lage wie dieser Mitgliedstaat vor dieser Kapitalanlage hätte erstellen lassen, um die künftige Rentabilität einer solchen Kapitalanlage zu bestimmen.

(182)

Wie das Gericht festgestellt hat (72), ist es „Aufgabe [der Kommission], das Kriterium des privaten Kapitalgebers anzuwenden und den betreffenden Mitgliedstaat zu ersuchen, ihr zu diesem Zweck alle relevanten Informationen zu übermitteln, während es diesem Mitgliedstaat oder […] dem betreffenden öffentlichen Unternehmen obliegt, die Angaben zu machen, aus denen ersichtlich ist, dass es eine vorherige wirtschaftliche Bewertung der Rentabilität der fraglichen Maßnahme vorgenommen hat, die mit derjenigen vergleichbar ist, die ein privater Kapitalgeber in einer ähnlichen Situation hätte erstellen lassen“.

(183)

Zudem befand der Gerichtshof: „Wirtschaftliche Bewertungen, die nach Gewährung dieses Vorteils erstellt werden, die rückblickende Feststellung der tatsächlichen Rentabilität der vom betroffenen Mitgliedstaat getätigten Kapitalanlage oder spätere Rechtfertigungen der tatsächlich gewählten Vorgehensweise reichen […] nicht für den Nachweis aus, dass dieser Mitgliedstaat vor oder gleichzeitig mit dieser Gewährung eine solche Entscheidung in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat.“ (73)

(184)

Im vorliegenden Fall hat Italien die Mindestanforderungen für den Nachweis der Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht erfüllt.

(185)

Wie in Erwägungsgrund 83 festgehalten, hat Italien trotz der wiederholten Aufforderungen der Kommission keine beweiskräftigen Unterlagen dazu vorgelegt, dass es vor der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen eine Bewertung der möglichen Kapitalrendite dieser Darlehen durchgeführt hat. Außerdem hat Italien keine Bewertung dazu vorgelegt, inwieweit mit der Rückzahlung des Darlehens mit entsprechenden Zinsen aus Eigenmitteln von Alitalia oder aus dem Erlös der Veräußerung von Alitalia selbst zu rechnen war, oder dazu, wie das Risiko einer Nichtrückzahlung einzuschätzen war. Dies gilt sowohl für das ursprüngliche Darlehen als auch für das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR.

(186)

Obwohl Italien, wie in Abschnitt 4.2 dargelegt, mehrere Berichte und Informationen über Alitalia vorgelegt hat, die vor der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen zur Verfügung standen und zu anderen Zwecken als der wirtschaftlichen Bewertung der beiden staatlichen Darlehen vor der Gewährung erstellt wurden, belegen diese Unterlagen und Informationen nicht einmal die bloße Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung des Darlehens; auch erfüllen sie nicht den von den Unionsgerichten festgelegten Standard an annehmbaren Nachweisen für eine Ex-ante-Bewertung der Rentabilität der beiden staatlichen Darlehen.

(187)

Außerdem konnten die italienischen Behörden nicht nachweisen, dass vor oder zeitgleich mit der Entscheidung über die Gewährung der beiden Darlehen ein Dokument erstellt wurde, das einem Geschäftsplan, einer Rentabilitätsbewertung oder insbesondere einer wirtschaftlichen Bewertung der Rückzahlungswahrscheinlichkeit und der Angemessenheit der Preisgestaltung für die beiden staatlichen Darlehen gleichkäme. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die italienische Verwaltung, die italienische Regierung oder Mitglieder des italienischen Parlaments einen Geschäftsplan oder die Rentabilität der beiden staatlichen Darlehen vor Annahme der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Gewährung der beiden staatlichen Darlehen geprüft oder erörtert haben.

(188)

Italien hat daher den Beweisstandard nicht erfüllt, wonach ein Mitgliedstaat eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise, die vor oder gleichzeitig mit der Entscheidung über die Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils erstellt wurden, belegen muss, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter getroffen hat, und dass er damit der ihm obliegenden Beweislast für die Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auf die beiden staatlichen Darlehen nachgekommen ist.

5.1.4.1.4.   Beurteilung der Anwendbarkeit in Bezug auf das Darlehen von 300 Mio. EUR

(189)

Wie in Erwägungsgrund 154 erklärt, betrachtet die Kommission die beiden staatlichen Darlehen für die Zwecke der Beurteilung der Anwendbarkeit als eine einzige Maßnahme. Nichtsdestotrotz wäre nach Ansicht der Kommission das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auch im Falle einer gesonderten Prüfung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR nicht anwendbar.

(190)

Das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR wurde im Wesentlichen zum selben Zweck gewährt wie das ursprüngliche Darlehen; der Unterschied bestand darin, dass sich die italienischen Behörden inzwischen dafür entschieden hatten, die Vermögenswerte von Alitalia zu veräußern, anstatt das Unternehmen umzustrukturieren (siehe Erwägungsgrund 59).

(191)

Nach Angaben Italiens wurde das Darlehen unter anderem bereitgestellt, um den erfolgreichen Abschluss des Veräußerungsverfahrens zu ermöglichen. Wie in Erwägungsgrund 20 dargelegt, ist daran zu erinnern, dass das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR gewährt wurde, um bis zur Veräußerung von Vermögenswerten die Erfüllung von Beförderungsverpflichtungen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang zeigen auch die zeitgleichen Erklärungen von Ministern, dass die primären Interessen Italiens nicht die eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten waren; so erklärte der damalige Minister für Infrastruktur und Verkehr: „Wir wollen Alitalia nicht verscherbeln, sondern verkaufen. Wir haben gesehen, was nach dem Verkauf an Lufthansa mit Air Berlin passiert ist: Sie haben die Zahl der Flugzeuge und der Beschäftigten halbiert. Die Zerschlagung des Kerngeschäfts ist immer eine Niederlage für alle.“ (74) Wie dieser Aussage zu entnehmen ist, hatte der zu Marktbedingungen durchgeführte Verkauf, d. h. die Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa, negative soziale Auswirkungen im Hinblick auf die Beschäftigung, die kein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer berücksichtigen würde. Folglich wurde, obwohl der Zweck des Darlehens von 300 Mio. EUR erklärtermaßen darin bestand, den Abschluss des Veräußerungsverfahrens zu ermöglichen, die Entscheidung der Regierung von Erwägungen beeinflusst, die denen eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten fremd sind.

5.1.4.1.5.   Argumente Italiens zur Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten und Feststellungen der Kommission

(192)

Den vorstehenden Ausführungen ist zu entnehmen, dass die beiden staatlichen Darlehen in erster Linie gewährt wurden, um die Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit von Alitalia aus Gründen der öffentlichen Ordnung sicherzustellen, und nicht aus Gründen finanzieller Interessen des Staates als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter. Insofern spielte die Möglichkeit, dass der Staat — selbst langfristig — Gewinne erzielen könnte, sofern dies nachweisbar wäre, für die Entscheidung über die Gewährung der beiden staatlichen Darlehen nur eine untergeordnete Rolle.

(193)

Italien machte geltend, das ursprüngliche Darlehen sei zur Finanzierung dringender Betriebsführungserfordernisse von Alitalia und zur Vermeidung einer Unterbrechung des Flugdienstes gewährt worden, was zu schwerwiegenden gesellschaftlichen Problemen geführt hätte. Nach Auffassung der Kommission handelt es sich auch hier um Sachverhalte, die kein marktwirtschaftlicher handelnder Kapitalgeber berücksichtigt hätte.

(194)

Italien argumentiert diesbezüglich, dass die Anteilseigner von Alitalia mit der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens und der Übertragung der Unternehmensleitung an die drei Sonderverwalter, die als Beamte die Kontrolle über Alitalia in Sonderverwaltung übernommen hatten, enteignet worden seien. Italien vertritt daher die Auffassung, dass sein Interesse am Ergebnis von Alitalia dem eines Anteilseigners gleichkomme.

(195)

Die Kommission kann dieses Vorbringen nicht akzeptieren. Mit dem Beschluss, Alitalia unter Sonderverwaltung zu stellen, handelte Italien in Ausübung seiner staatlichen Regulierungsbefugnisse, um den Wert der Vermögenswerte eines insolvenzbedrohten Unternehmens zu erhalten, und verhielt sich nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter. Dadurch hat Italien mittels einer eigenständigen Maßnahme (siehe Erwägungsgrund 18) die Priorität der Gläubiger von Alitalia einseitig neu festgelegt; diese Handlung ist nicht mit den Handlungsoptionen einer Privatperson vergleichbar. Die Änderung der Priorität bedeutete, dass die Rückzahlung des Darlehens Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung erhielt. Nur der Staat hat die Befugnis, alle vorhandenen Forderungen (einschließlich vorrangiger Verbindlichkeiten) neueren Forderungen nachzuordnen; weder private Gläubiger noch Privatpersonen im Allgemeinen verfügen über eine solche Befugnis. Insofern sind die Handlungen Italiens als Träger öffentlicher Gewalt untrennbar mit seinen Handlungen als Darlehensgeber verbunden. Italien übte seine öffentlichen Befugnisse aus, um unmittelbar nach der Ausübung dieser Befugnisse eine günstige Investitionssituation zu schaffen; eine solche Befugnis stünde keinem marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten zu. (75)

(196)

Darüber hinaus bestätigt Italien selbst, dass die Sonderverwalter nach dem Gesetz den Interessen unterschiedlichster Betroffener Rechnung tragen müssen, wie Gläubigern, Kunden, Beschäftigten und Zulieferern, und nicht nur denen der Anteilseigner.

(197)

Italien bringt vor, es habe sich bei der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen als marktwirtschaftlich handelnder Investor verhalten, da der Staat, wenn er nicht eingegriffen hätte, für einen Betrag von 1,3 Mrd. EUR haftbar gewesen wäre, und zwar aufgrund von i) Kosten im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit, ii) im Zusammenhang mit der Abwicklung von Alitalia entstehenden Kosten, einschließlich der Kosten, die mit dem Erhalt der öffentlichen Ordnung im Rahmen des Krisenmanagements an Flughäfen und mit Entschädigungszahlungen an Fluggäste verbunden gewesen wären, und iv) negativen Ausstrahlungseffekten auf Zulieferer. Darüber hinaus hätte der Staat aufgrund von Steuerausfällen Verluste gemacht.

(198)

Diese Erwägungen beweisen jedoch genau das Gegenteil von dem, was Alitalia vorbringt, nämlich dass das Ziel Italiens ungeachtet der Kosten die Fortführung von Alitalia war, und dass dabei in erster Linie Sachverhalte einbezogen wurden, die ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter nicht berücksichtigt hätte.

(199)

Wie der Gerichtshof feststellte, sind zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit der Eigenschaft des Staates als privater Wirtschaftsteilnehmer zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen. (76)

(200)

Was die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Kosten betrifft, so sollten im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs die Kosten des Staates aus der Entlassung der Arbeitnehmer, aus der Zahlung von Arbeitslosenunterstützung und aus Beihilfen für die Wiederherstellung der industriellen Struktur (77) als für einen marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht relevant betrachtet werden.

(201)

Das gleiche Prinzip gilt für Steuerausfälle: Mit der Erhebung von Steuern nimmt der Staat hoheitliche Befugnisse wahr. Insoweit ist für die Beurteilung der Frage, ob die vom Staat ergriffenen Maßnahmen eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen oder die Folge von Pflichten sind, die er als Anteilseigner zu übernehmen hat, nicht die Form dieser Maßnahmen, sondern ihre Natur, ihr Gegenstand und die für sie geltenden Regeln zu prüfen und dabei das mit den Maßnahmen verfolgte Ziel zu berücksichtigen. (78) Im vorliegenden Fall wären Steuerausfälle Verluste, die Italien unter normalen Umständen in seiner Eigenschaft als Staat und nicht in seiner Eigenschaft als Anteilseigner von Alitalia entstünden. Die Vermeidung von Steuerausfällen war somit keine Erwägung, die der Staat als Gläubiger oder Anteilseigner von Alitalia hätte anstellen können.

(202)

Bei den mit der Abwicklung von Alitalia verbundenen Kosten, einschließlich der Kosten aus dem Erhalt der öffentlichen Ordnung im Rahmen des Krisenmanagements an Flughäfen und aus Entschädigungszahlungen an Fluggäste, die nach Angaben Italiens vom Staat zu tragen wären, handelt es sich um Kosten, die Italien als Träger öffentlicher Gewalt übernehmen würde und die gemäß der oben genannten Rechtsprechung bei der Prüfung der Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht berücksichtigt werden können.

(203)

Schließlich würde kein privater Investor oder Gläubiger etwaige negative Ausstrahlungseffekte auf die Zulieferer eines Unternehmens bei der Entscheidung über die Bereitstellung von Finanzmitteln an das betreffende Unternehmen berücksichtigen.

Schlussfolgerung zur Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten

(204)

Aus diesen Gründen ist die Kommission der Auffassung, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auf die beiden staatlichen Darlehen nicht anwendbar ist, da i) Italien durch die Gewährung der beiden staatlichen Darlehen an Alitalia eindeutig als Träger öffentlicher Gewalt handelte und ii) Italien in jedem Fall seiner Beweislast nicht nachgekommen ist, da es weder eine Ex-ante-Bewertung der zu erwartenden Rentabilität der beiden staatlichen Darlehen durchgeführt noch eine Prüfung hinsichtlich der Marktkonformität einer zu erwartenden Rentabilität vorgenommen hat.

5.1.4.2.   Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten

(205)

Unbeschadet der Bewertung in Abschnitt 5.1.4.1, in der die Kommission zu dem Schluss kommt, dass der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht anwendbar ist, vertritt die Kommission im Rahmen einer ergänzenden Begründung die Auffassung, dass die beiden staatlichen Darlehen Alitalia auch dann einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft haben, wenn das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten anwendbar wäre.

5.1.4.2.1.   Informationsquellen

(206)

Wie in Erwägungsgrund 106 vermerkt, hatte Italien zwar keine Ex-ante-Bewertung in Bezug auf die Maßnahmen vorgenommen, doch lagen Italien eine Reihe von Dokumenten und Berichten vor, die zur Prüfung der beiden zugunsten von Alitalia gewährten staatlichen Darlehen im Hinblick auf das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten hätten herangezogen werden können.

(207)

In Abschnitt 4.2.1 sind die wichtigsten der von Italien beigebrachten Ex-ante-Informationsquellen aufgeführt, die Italien für eine Prüfung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten für relevant hielt und die vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens vorlagen. Wie in Abschnitt 5.1.4.1 erläutert, wurde keines dieser Dokumente erstellt, um die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit (Rentabilität und mit der Rückzahlung verbundenes Risiko) des ursprünglichen Darlehens oder des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR zu prüfen. Daher umfasst keines dieser Dokumente die verlangte Ex-ante-Bewertung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten, die ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter vor der Gewährung der Darlehen vorgenommen hätte (d. h. eine Bewertung der Frage, ob die beiden staatlichen Darlehen und ihre Bedingungen insoweit marktkonform waren, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter die Darlehen gewährt hätte). Gleichwohl hätte Italien die Informationen in diesen Dokumenten im Zuge der Gewährung des ursprünglichen Darlehens und des zusätzlichen Darlehens für eine Ex-ante-Bewertung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nutzen können. Die Kommission wird anhand dieser Dokumente eine eigene Prüfung der beiden staatlichen Darlehen im Hinblick auf das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten vornehmen.

(208)

Um ihrem Untersuchungsauftrag in vollem Umfang nachzukommen, wird die Kommission zudem weitere Informationen berücksichtigen und bewerten, anhand deren überprüft werden kann, ob die beiden staatlichen Darlehen Alitalia einen Vorteil verschafften. Als weitere Informationsquellen wird sie zu diesem Zweck die Berichte heranziehen, die Italien nach der Gewährung des ursprünglichen Darlehens zur Verfügung gestellt wurden (die in Abschnitt 4.2.2 beschriebenen „Ex-post-Studien“), ferner die Informationen, die von den verschiedenen am förmlichen Prüfverfahren Beteiligten vorgelegt wurden, sowie die von der Kommission aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragenen Informationen.

5.1.4.2.2.   Logik des auf die beiden staatlichen Darlehen angewandten Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten

(209)

Zur Beurteilung der Frage, ob die beiden staatlichen Darlehen Alitalia einen wirtschaftlichen Vorteil verschafften, muss die Kommission prüfen, ob ein hypothetischer marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter (in diesem Fall ein „privater Kapitalgeber“) die beiden staatlichen Darlehen in derselben Situation zu denselben Bedingungen gewährt hätte. (79) Diese Bewertung umfasst die folgenden Schritte: Erstens muss die Zahlungsfähigkeit von Alitalia bewertet werden, das heißt, es gilt zu prüfen, ob Alitalia in der Lage war, die entsprechenden Verbindlichkeiten zu begleichen. Wird die Zahlungsfähigkeit von Alitalia als gegeben erachtet, muss zweitens geprüft werden, ob die Bedingungen, zu denen die beiden staatlichen Darlehen gewährt wurden, mit den Bedingungen vergleichbarer Transaktionen auf dem Markt in Einklang stehen. Bei diesem Bewertungsschritt werden die Bedingungen der beiden staatlichen Darlehen (Zinssätze, Sicherheiten, Rang, Laufzeit und Tilgungsplan) mit den Bedingungen verglichen, die ein privater Kapitalgeber für vergleichbare Darlehen eingeräumt hätte.

(210)

Des Weiteren können die wirtschaftlichen Erwägungen in Bezug auf das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers variieren, je nachdem, ob er gegenüber dem kreditnehmenden Unternehmen bereits engagiert ist. Die Kommission wird bewerten, ob und inwieweit zuvor ein Engagement des italienischen Staates bei Alitalia bestand. Wie sich zeigen wird (siehe Erwägungsgrund 239), war dieses vorherige Engagement für die Prüfung der beiden staatlichen Darlehen unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht von Belang. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter, das heißt ein Kapitalgeber, an der Stelle des italienischen Staates eine eigenständige Bewertung der beiden Darlehen vorgenommen hätte.

(211)

Im Anschluss an eine Darstellung der Finanzlage von Alitalia zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens wird in den folgenden Abschnitten das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten in drei verschiedenen Szenarien dargelegt und angewandt, nämlich zum einen in einem Umstrukturierungsszenario mit fortgeführtem Betrieb von Alitalia, zum anderen in einem Veräußerungsszenario, bei dem Alitalia bzw. sein Betriebsvermögen an Dritte veräußert wird, und schließlich, soweit möglich, in einem Abwicklungsszenario, bei dem die Vermögenswerte des Unternehmens im Rahmen einer Abwicklung veräußert werden.

(212)

Bei ihrer Bewertung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten prüft die Kommission zudem zwei Optionen: die beiden staatlichen Darlehen als gesonderte Maßnahmen und die beiden staatlichen Darlehen als eine einzige Maßnahme. Dies gilt unbeschadet der Schlussfolgerung der Kommission in Abschnitt 5.1.4.1.1., dass es sich bei den beiden staatlichen Darlehen um eine einzige Maßnahme handelt.

5.1.4.2.3.   Bewertung des ursprünglichen Darlehens

Vorbemerkungen

(213)

Ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber hätte bei der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen zwei Beträge verglichen, nämlich:

1.

die Rückzahlung der Verbindlichkeiten in Höhe von 630 Mio. EUR bei sechsmonatiger Laufzeit, also der Summe aus dem Kapitalbetrag (600 Mio. EUR) und dem Betrag, der 10 % Zinsen für einen Zeitraum von sechs Monaten entspricht, und

2.

die erwarteten Barmittel, die Alitalia bei sechsmonatiger Laufzeit des Darlehens zur Verfügung stehen.

(214)

Eine notwendige Voraussetzung für die Marktkonformität des ursprünglichen Darlehens ist, dass der zweite Betrag (unter Punkt 2 oben) größer ist als der erste (unter Punkt 1 oben). Anders formuliert, es gilt zu prüfen, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber davon ausgegangen wäre, dass Alitalia genügend Einnahmen erzielt, um den Darlehensbetrag zuzüglich Zinsen nach der sechsmonatigen Laufzeit zurückzahlen zu können. (80)

(215)

Ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber hätte auch die Risikobehaftung des ursprünglichen Darlehens bewertet, die von Merkmalen wie Rang, Laufzeit und Besicherung sowie von der Finanzlage von Alitalia bestimmt wird. Auf der Grundlage einer solchen Bewertung hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber über die Höhe des Zinssatzes entschieden, der die Risikobehaftung des Darlehens widerspiegelt. Als weitere notwendige Voraussetzung für die Marktkonformität des Darlehens muss also der Zinssatz von 10 % die Risikobehaftung des Darlehens widerspiegeln.

(216)

Darüber hinaus hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber bei Gewährung des ursprünglichen Darlehens am 2. Mai 2017 berücksichtigt, dass die Sonderverwalter die Option hatten, 1. Alitalia umzustrukturieren oder 2. Alitalia entweder unter der Annahme der Unternehmensfortführung oder als Verkauf von Vermögenswerten zu veräußeRn. Zudem hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber die folgenden Sachverhalte hinsichtlich der Finanzlage von Alitalia geprüft: die bisherige finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens, seine Vermögenswerte und Verbindlichkeiten sowie den in Zukunft zu erwartenden Cashflow.

(217)

In den folgenden Unterabschnitten rekonstruiert die Kommission die Bewertung, die ein marktwirtschaftlich handelnder Kreditgeber vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens vorgenommen hätte. Die Kommission beschreibt zunächst die Finanzlage von Alitalia bei Gewährung des ursprünglichen Darlehens und untersucht dann für jedes der drei in Erwägungsgrund 211 genannten Szenarien, ob das ursprüngliche Darlehen marktkonform war, indem sie prüft, ob die in den Erwägungsgründen 214 bis 216 dargelegten zwingenden Voraussetzungen erfüllt waren.

5.1.4.2.3.1.   Die Finanzlage von Alitalia bei Gewährung des ursprünglichen Darlehens

(218)

Die historische finanzielle Entwicklung von Alitalia sowie die Situation des Unternehmens zu Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens und bei der Gewährung des ursprünglichen Darlehens werden von den Anteilseignern des Unternehmens selbst im Sanierungsplan (siehe Abschnitt 4.2.1.1) und im Finanzbericht vom 28. Februar 2017 ordnungsgemäß dargelegt. Der Sanierungsplan wurde von den Anteilseignern von Alitalia im Dezember 2016 erstellt, um ihren Vorschlag für eine interne Umstrukturierung zu untermauern (siehe Erwägungsgründe 107 bis 109), und enthält (neben dem Plan, Alitalia zwischen Dezember 2016 und Dezember 2021 wieder in die Gewinnzone zu führen) eine eingehende Analyse der finanziellen Lage von Alitalia zwischen 2009 und 2015.

(219)

Aus dem Sanierungsplan geht hervor, dass Alitalia im Zeitraum 2009–2012 unter der Beteiligung von CAI (das Konsortium, das die Vermögenswerte von Alitalia Linee Aeree Italiane 2008 nach dessen Insolvenz erworben hatte) kumulierte Verluste in Höhe von 800 Mio. EUR verzeichnete. Diese Verluste waren Anlass für die Verabschiedung eines neuen dreijährigen „strategischen Plans“ (2013–2016), der auf die Wiederherstellung der Rentabilität abzielte. Der Plan blieb jedoch erfolglos, und Alitalia verzeichnete 2013 einen Verlust in Höhe von 569 Mio. EUR und 2014 in Höhe von 578 Mio. EUR. (81)

(220)

Im Sanierungsplan ist angegeben, dass Alitalia im Zeitraum 2009–2014 Verluste von fast [mehr als 1 Mrd.] EUR verzeichnete, einschließlich eines kumulierten Netto-Cashflow aus der betrieblichen Tätigkeit von fast [weniger als 1 Mrd.] EUR. Insgesamt benötigte Alitalia in diesem Zeitraum eine Kapitalzufuhr von 1,5 Mrd. EUR und musste zusätzliche Verbindlichkeiten in Höhe von 1,2 Mrd. EUR aufnehmen. Bemerkenswerterweise wird im Sanierungsplan auch darauf hingewiesen, dass der Luftverkehrssektor insgesamt im Zeitraum 2010–2013 gewachsen ist und Gewinne erzielt hat. (82) Daher ist die Kommission der Auffassung, dass diese negativen Ergebnisse von Alitalia offenbar dem Unternehmen zuzurechnen und nicht auf negative makroökonomische Entwicklungen zurückzuführen sind.

(221)

Dem Sanierungsplan zufolge war es diese unhaltbare Situation, die zur Suche nach einem neuen Geschäfts- und Finanzpartner führte, um Alitalia zu langfristiger Rentabilität zurückzuführen. Dieser Partner war Etihad, der im Januar 2015 49 % der Anteile von Alitalia übernahm. Im Januar 2015 nahm das neue Unternehmen Alitalia-SAI seine Tätigkeit auf.

(222)

Der Versuch, Alitalia mithilfe von Etihad zu stabilisieren, schlug jedoch fehl. Im Dezember 2016 stellten die Anteilseigner von Alitalia-SAI fest, dass das Unternehmen seit dem Einstieg von Etihad zwischen Januar 2015 und Dezember 2016 einen kumulativen Nettoverlust von [500–800] Mio. EUR für diese beiden Jahre vermeldete. (83) Dieser Gesamtverlust entspricht einem jährlichen Defizit von [250–500] Mio. EUR, das in derselben Größenordnung liegt wie die für den Zeitraum 2009–2014 ausgewiesenen Verluste. Werden jedoch die nicht wiederkehrenden Faktoren (hauptsächlich einmalige Einnahmen) außer Acht gelassen, beläuft sich der Verlust auf [über 1 Mrd.] EUR. (84) Insgesamt zeigen diese beträchtlichen Verluste auch, dass das Vorhaben von Alitalia-SAI für die Jahre 2015 und 2016 gescheitert war.

Tabelle 2

Ausgewählte Zahlen der Alitalia-Gruppe

(…)

(223)

Das wiederholte Scheitern der früheren Versuche, Alitalia umzustrukturieren, ist auch in Abbildung 3.1.3.B des Sanierungsplans veranschaulicht, die im nachstehenden Diagramm 1 wiedergegeben ist.

(224)

In Diagramm 1 geben die grünen Linien mit den runden Punkten die verschiedenen strategischen Pläne wieder, die im Zeitraum 2009–2016 zur Umstrukturierung von Alitalia verkündet wurden. In allen Plänen wird ein starkes Umsatzwachstum prognostiziert. Die rote Linie mit den rechteckigen Markierungen hingegen gibt die tatsächlichen Einnahmen wieder und verdeutlicht, wie stark die Prognosen der strategischen Pläne von den tatsächlichen Zahlen abwichen. Außerdem zeigen die tatsächlichen Zahlen, dass sich die Einnahmensituation von Alitalia im Zeitraum 2012–2016 stetig verschlechterte und keine Erholung erkennbar war.

Diagramm 1

Vergleich der Nettogewinne von Alitalia nach den strategischen Plänen (grün) mit den tatsächlichen Werten (rot)

[…]

(225)

Insgesamt zeigen die Zahlen in Diagramm 1 eine Fluggesellschaft, die sich (zumindest seit 2009) in einer ernsten und lang anhaltenden Notlage befindet und der es selbst in Zeiten des Gesamtwachstums im Luftverkehrssektor nicht gelingt, eine positive Rendite zu erzielen. Diese anhaltende finanzielle Notlage wird durch die wiederholt fehlgeschlagenen Versuche zur Umstrukturierung von Alitalia noch verschärft.

(226)

Der im April 2017 von den Gewerkschaften abgelehnte Sanierungsplan war der letzte Umstrukturierungsversuch der Anteilseigner; anschließend wurde Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt und für insolvent erklärt.

(227)

Da der Sanierungsplan nicht umgesetzt werden konnte, war durchaus zu erwarten, dass sich die Leistungsfähigkeit und Rentabilität von Alitalia nicht grundlegend verändern würden, sondern bestenfalls dem historischen Verlauf in den Jahren 2015 und 2016 entsprechen würde. Selbst wenn der Sanierungsplan umgesetzt worden wäre, war in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten — der Laufzeit des ursprünglichen Darlehens — und auch für die nächsten zwölf Monate nicht mit spürbaren Veränderungen hinsichtlich der Rentabilität und der Fähigkeit von Alitalia, einen Netto-Cashflow zu generieren, zu rechnen.

(228)

Tabelle 2 zeigt, dass der freie Cashflow von Alitalia in den Jahren 2015 und 2016 mit [240–350] Mio. EUR bzw. [240–350] Mio. EUR negativ war. Die Kommission stellt fest, dass es Alitalia nicht gelang, einen positiven Cashflow zur Finanzierung seiner Geschäftstätigkeit zu generieren, geschweige denn die eigenen Verbindlichkeiten zu tilgen, und dass Alitalia stattdessen auf externe Mittel (Bank- und Anleihefinanzierung, Erhöhung des Anteils an vorausbezahlten Flugscheinen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Dritten) angewiesen war, um seine defizitäre Geschäftstätigkeit zu finanzieren. Darüber hinaus vermeldete Alitalia im Januar und Februar 2017, also in nur zwei Monaten, einen EBIT-Verlust von [100–300] Mio. EUR und einen negativen freien Cashflow von [XXX] Mio. EUR.

(229)

Schließlich wies Alitalia im Mai 2017, als das Unternehmen Insolvenz anmeldete, ein negatives Eigenkapital in Höhe von -[XXX] Mio. EUR und Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von [X,X] Mrd. EUR auf (85) (siehe Tabelle 2).

5.1.4.2.3.2.   Vorheriges Engagement

Als Anteilseigner

(230)

Die Kommission hat festgestellt, dass der italienische Staat zuvor bereits als indirekter Anteilseigner bei Alitalia engagiert war. Hintergrund dieses Engagements ist die Kontrolle des italienischen Staates über Poste Italiane (86), die ihrerseits eine 2 %-Beteiligung an der CAI hielten, die wiederum mit 51 % an Alitalia beteiligt war. Folglich war der italienische Staat ein indirekter Anteilseigner von Alitalia und besaß als solcher etwa 1 % des Unternehmens. Im Mai 2017 war der italienische Staat auch Anteilseigner der Bank Monte dei Paschi di Siena S.p.A., die rund 10 % der CAI-Anteile hielt (und dementsprechend mit rund 5 % an Alitalia beteiligt war, weil CAI 51 % der Alitalia-Anteile besaß). Insgesamt belief sich das Engagement des italienischen Staates als Anteilseigner an Alitalia auf rund 6 %.

(231)

Die Kommission stellt fest, dass das indirekte und relativ geringe Engagement des Staates bei Alitalia keine Rechtfertigung dafür sein konnte, dass Italien im Rahmen seiner Entscheidung über die Gewährung der beiden Darlehen zum Kreditgeber von Alitalia wurde.

(232)

Zunächst bestanden im Zusammenhang mit der Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens (siehe Erwägungsgründe 151 und 214) sehr hohe Risiken. Diese hohen Risiken würden das bestehende Engagement des Staates bei Alitalia durch weitere risikobehaftete Verbindlichkeiten noch vergrößeRn. Darüber hinaus hatten die Anteilseigner von Alitalia in Anbetracht der Tatsache, dass sich die vor der Insolvenz aufgelaufenen Finanzverbindlichkeiten auf mehr als [X] Mrd. EUR beliefen (siehe Tabelle 2), kaum Aussichten darauf, ihre Forderungen überhaupt einzutreiben.

(233)

Des Weiteren stellt die Kommission fest, dass die italienischen Behörden auch bestätigt haben, dass die Anteilseigner von Alitalia mit der Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens enteignet wurden (siehe Erwägungsgrund 194). Somit ist klar, dass ein etwaiges vorheriges Engagement im konkreten Fall nicht maßgeblich wäre, da jede vorherige Verpflichtung in Form einer Beteiligung hinfällig wurde, sobald Alitalia Insolvenz anmeldete.

(234)

Diese Feststellung wird auch dadurch gestützt, dass kein anderer der damaligen Anteilseigner von Alitalia (z. B. die Banken Intesa und Unicredit) und kein anderer Akteur in der Branche (z. B. Atlantia, Etihad oder Air France-KLM) Alitalia ein Darlehen gewährte, nachdem das Unternehmen unter Sonderverwaltung gestellt wurde. Diese Unternehmen haben Alitalia während des Sonderverwaltungsverfahrens nicht finanziert, auch diejenigen nicht, die stärker bei Alitalia engagiert waren. Wäre die Gewährung eines Darlehens aus wirtschaftlicher Sicht die beste Lösung zur Sicherung des vorherigen Engagements gewesen, dann hätte die Kommission erwartet, dass Alitalia auch von privater Seite unterstützt wird. Doch allein der Staat trat nach Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens als Kapitalgeber von Alitalia auf.

Als Gläubiger

(235)

Die Kommission stellt jedoch auch fest, dass der italienische Staat aufgrund der Stillhaltevereinbarung von 2016 über sein indirektes Engagement als Anteilseigner der Banca Monte dei Paschi di Siena S.p.A. hinaus als vorinsolvenzlicher Gläubiger auch indirekt bei Alitalia engagiert war. Hintergrund ist, dass der Staat Anteilseigner der besagten Bank war und sein Anteil von 4,0 % im Dezember 2016 auf 52 % im August 2017 stieg.

(236)

Gemäß dem Anhang der Stillhaltevereinbarung von 2016 belief sich das Engagement der Banca Monte dei Paschi di Siena S.p.A. auf [10–20] Mio. EUR in Form von kurzfristigen Verbindlichkeiten und [15–25] Mio. EUR in Form von Kreditlinien.

(237)

Die Kommission ist der Auffassung, dass dieses Engagement aufgrund seines vergleichsweise geringen Umfangs im Verhältnis zu den Gesamtverbindlichkeiten der Fluggesellschaft im Rahmen der Stillhaltevereinbarung nur von eingeschränkter Bedeutung ist. Alitalia hatte kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von [120–160] Mio. EUR, Kreditlinien in Höhe von [120–160] Mio. EUR, Anleihen in Höhe von [450–650] Mio. EUR, Operating-Leasingverhältnisse in Höhe von [X,X] Mrd. EUR und Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von [mehr als 2,5] Mrd. EUR. Außerdem war das Engagement des italienischen Staates durch die Banca Monte dei Paschi auch im Vergleich zu der vom italienischen Staat mit dem ursprünglichen Darlehen gewährten zusätzlichen Finanzierung vergleichsweise gering. (87)

(238)

Nach Auffassung der Kommission hätte eine so geringe Risikoposition nichts an der Einschätzung eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten geändert, der in Betracht zog, Alitalia mit einem Betrag von 600 Mio. EUR (das ursprüngliche Darlehen), gefolgt von dem zusätzlichen Darlehen von 300 Mio. EUR, zu finanzieren.

(239)

Abschließend ist festzuhalten, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer an der Stelle des italienischen Staates bei seiner Entscheidung über die Gewährung eines Darlehens an Alitalia weder sein indirektes Engagement als vorinsolvenzlicher Gläubiger von Alitalia noch sein indirektes Engagement als indirekter Minderheitsaktionär von Alitalia berücksichtigt hätte.

5.1.4.2.3.3.   Bewertung des ursprünglichen staatlichen Darlehens unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten in einem Umstrukturierungsszenario

(240)

Das ursprüngliche Darlehen wurde am 2. Mai 2017 gewährt, d. h. an dem Tag, an dem Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde (siehe Erwägungsgrund 16). Zu dem Zeitpunkt war das Sonderverwaltungsprogramm noch nicht beschlossen, und es bestand noch die Möglichkeit einer Umstrukturierung von Alitalia (siehe Erwägungsgründe 58 und 59).

(241)

In diesem Szenario hätte der marktwirtschaftlich handelnde Wirtschaftsbeteiligte das Ertragspotenzial von Alitalia geprüft und bewertet, ob zu erwarten war, ob Alitalia das Darlehen und die damit verbundenen Zinsen bei Fälligkeit würde zurückzahlen können.

(242)

Da die Laufzeit des ursprünglichen Darlehens sechs Monate betrug, hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter anhand der vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens im Mai 2017 verfügbaren Informationen geprüft, welche Liquiditätslage bei Alitalia Ende Oktober 2017 zu erwarten gewesen wäre.

(243)

Die italienischen Behörden haben keine vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens durchgeführte Studie oder Bewertung vorgelegt, obwohl ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter eine solche Bewertung angefertigt hätte. Dennoch lässt sich — wenn auch ex post — das Ergebnis der Bewertung simulieren, die Italien vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens hätte vornehmen müssen, wenn es als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter eine solche Bewertung anhand der ex ante verfügbaren Informationen vorgenommen hätte.

(244)

Obwohl die Bewertung unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auf der Grundlage zukunftsgerichteter Informationen erfolgt, hätte Italien die historischen Finanzdaten von Alitalia untersuchen und den Rückgang des freien Cashflows von Alitalia im Zeitraum 2015–2016 erkennen können. Wie in Erwägungsgrund 228 dargelegt, verzeichnete Alitalia sowohl 2015 als auch 2016 einen negativen freien Cashflow; im Januar und Februar 2017 lag der Zahlungsmittelabfluss proportional noch höher. Da Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt worden war, war ferner zu erwarten, dass sich der Cashflow des Unternehmens aufgrund der in Erwägungsgrund 247 genannten Risiken und Unwägbarkeiten noch schlechter entwickeln würde. Diese Faktoren hätten den italienischen Behörden signalisiert, dass Alitalia das ursprüngliche Darlehen auch ohne die Umstrukturierungskosten zwischen Mai und Oktober 2017 wahrscheinlich zur Finanzierung seiner Betriebskosten verwendet hätte und nicht in der Lage gewesen wäre, das Kapital und die Zinsen des ursprünglichen Darlehens im Oktober 2017 zurückzuzahlen.

(245)

Die andere Methode zur Bewertung des erwarteten Cashflows von Alitalia Ende Oktober 2017 wäre gewesen, die Cashflow-Prognosen von Alitalia einzuholen. Am 4. Mai 2017 beantragten die Sonderverwalter das ursprüngliche Darlehen (im Folgenden „Antrag auf das ursprüngliche Darlehen“). Dieser Antrag enthielt eine Liquiditätsprognose bis Ende Oktober 2019, was ungefähr der Laufzeit des ursprünglichen Darlehens entsprach.

(246)

Auf der Grundlage des Liquiditätsplans wurde für die ersten sechs Monate der Sonderverwaltung, d. h. von Mai bis Oktober 2017, ein Liquiditätsbedarf von 671 Mio. EUR veranschlagt. Dem Plan lag die Annahme eines Anfangsbarvermögens zum 2. Mai 2017 in Höhe von 74 Mio. EUR und ohne staatliche Unterstützung ein Endbarvermögen zu Ende Oktober 2017 von -597 Mio. EUR zugrunde. Die detaillierte Prognose mit der monatlichen Cashflow-Prognose ist Tabelle 3 zu entnehmen.

Tabelle 3

Liquiditätsprognosen bis zum 31. Oktober 2017

Image 3

Image 4

Quelle: Anlage zum Antrag vom 4. Mai 2017 auf das ursprüngliche Darlehen

(247)

Dem Antrag auf das ursprüngliche Darlehen zufolge wurde die Liquiditätsprognose in einer sehr instabilen Lage erstellt: Es waren weitere Streiks bei Alitalia zu erwarten; zudem bestand die Gefahr, dass Kreditkartenunternehmen im Voraus für Flugscheine bezahlte Beträge einseitig einziehen könnten und dass Zulieferer die Erbringung von Dienstleistungen verweigern könnten. Darüber hinaus war nicht bekannt, inwieweit die Kraftstoffpreise schwanken würden. In dem Plan waren auch keine mit dem Personalabbau verbundenen Umstrukturierungskosten vorgesehen und wurde nur von einer teilweisen Umsetzung des Geschäftsplans ausgegangen.

(248)

Dennoch geht aus dem Antrag auf das ursprüngliche Darlehen klar hervor, dass nicht damit gerechnet wurde, dass Alitalia das ursprüngliche Darlehen aus eigenen Mitteln würde zurückzahlen können. Die Prognosen legen nahe, dass die Sonderverwalter davon ausgingen, den vollen Betrag des ursprünglichen Darlehens zu verwenden (da der Kassenbestand Ende Oktober 2017 ein Minus von 597 Mio. EUR aufwies). Somit war nicht zu erwarten, dass Alitalia das Kapital oder die Zinsen des ursprünglichen Darlehens aus dem eigenen Cashflow zurückzahlen würde.

(249)

Abschließend ist festzuhalten, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter an der Stelle des italienischen Staates im Umstrukturierungsszenario die im Mai 2017 verfügbaren Daten zu den vergangenen und erwarteten Cashflow-Positionen von Alitalia in seine Bewertung einbezogen hätte. Auf der Grundlage dieser Informationen hätte er den Schluss gezogen, dass die zwischen Mai und Oktober 2017 zu erwartenden Einnahmen von Alitalia nicht ausreichen konnten, um das Kapital des ursprünglichen Darlehens und etwaige Zinsen zurückzuzahlen. Daher hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter Alitalia ein solches Darlehen nicht gewährt. Da ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter Alitalia ein solches Darlehen nicht gewährt hätte, erübrigt sich eine Beurteilung des von Italien für das ursprüngliche Darlehen festgelegten Zinssatzes.

(250)

Im folgenden Abschnitt bewertet die Kommission, ob das ursprüngliche Darlehen im Veräußerungsszenario als marktkonform hätte gelten können, und zeigt in Erwägungsgrund 332, inwiefern diese Bewertung die Schlussfolgerung zum Umstrukturierungsszenario untermauert.

5.1.4.2.3.4.   Bewertung unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten in einem Veräußerungsszenario

(251)

In einem Veräußerungsszenario wäre ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber davon ausgegangen, dass die Höhe der bei Fälligkeit des ursprünglichen Darlehens verfügbaren Kassenmittel von den folgenden Faktoren abhängt:

1.

von den Barmitteln, die Alitalia vom Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens bis zum Zeitpunkt seiner Veräußerung erwirtschaftet bzw. verliert (Veränderung des Kassenbestands),

2.

vom Zeitplan für den Abschluss des Veräußerungsverfahrens und

3.

von den Veräußerungserlösen.

(252)

Vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber diese drei Faktoren bewertet und zu jedem eine Erwartung formuliert. Auf der Grundlage dieser Erwartungen hätte der marktwirtschaftlich handelnde Kapitalgeber über die Gewährung des Darlehens entschieden. In Ermangelung jeglicher Nachweise, dass der italienische Staat einen solchen Entscheidungsprozess durchlaufen hätte, hat die Kommission, gestützt auf die vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens verfügbaren Informationen, diesen Prozess nachgebildet und die einschlägigen Faktoren bewertet.

5.1.4.2.3.4.1.   Veränderung des Kassenbestands

(253)

Wie in Erwägungsgrund 246 angemerkt, gingen die Sonderverwalter davon aus, dass Alitalia vom 5. Mai bis zum 30. Oktober 2017 Barmittel in Höhe von 671 Mio. EUR in Anspruch nehmen würde. Ohne das ursprüngliche Darlehen hätte sich der Kassenbestand von Alitalia auf -597 Mio. EUR belaufen.

(254)

Folglich sollten zum Fälligkeitstermin (5. November 2017) nicht mehr als 3 Mio. EUR des ursprünglichen Darlehensbetrags übrig bleiben.

(255)

Aus den historischen Cashflows und den im Antrag auf das ursprüngliche Darlehen genannten finanziellen Prognosen hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber gefolgert, dass die Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens bei Fälligkeit davon abhing, dass Alitalia vor dem 5. November 2017 zu einem ausreichend hohen Preis veräußert wird. Genauer gesagt hätte der Verkaufspreis mindestens 627 Mio. EUR betragen müssen, entsprechend der Rückzahlung der Verbindlichkeiten von 630 Mio. EUR abzüglich des bei Fälligkeit erwarteten Kassenbestands von 3 Mio. EUR.

5.1.4.2.3.4.2.   Fälligkeit des Darlehens und Zeitplan der Veräußerung

(256)

Angesichts der Schlussfolgerung in Erwägungsgrund 255 wird die Kommission untersuchen, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung verfügbaren Informationen erwartet hätte, dass das Veräußerungsverfahren innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen wird.

(257)

Die Kommission ist der Ansicht, dass es unrealistisch gewesen wäre, zu erwarten, dass die Veräußerung von Alitalia im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens innerhalb der vorgesehenen Ursprungslaufzeit des gewährten Darlehens (d. h. innerhalb von sechs Monaten) durchgeführt und abgeschlossen worden wäre. Die Kommission ist insbesondere der Auffassung, dass die Veräußerung eines unter Sonderverwaltung gestellten Unternehmens aufgrund der Komplexität des Sachverhalts sowie der großen Zahl der betroffenen Akteure und zu berücksichtigenden Interessen im Durchschnitt einen längeren Zeitraum erfordert. Diese Auffassung steht im Einklang mit einer aktuellen Studie des Internationalen Währungsfonds, in der eine Schätzung des durchschnittlichen Zeitbedarfs für die Durchführung des Veräußerungsprogramms im Rahmen der italienischen Sonderverwaltungsregelung vorgenommen wird. (88) In dieser Studie wird geschätzt, dass das Veräußerungsprogramm normalerweise innerhalb von zwei bzw. drei Jahren abgeschlossen wird, je nachdem, ob es im Rahmen der Sonderverwaltung nach dem Prodi-bis-Gesetz oder nach dem Marzano-Gesetz (Letzteres gilt für Alitalia) erfolgt.

(258)

Die Kommission nimmt das Vorbringen der italienischen Behörden zur Kenntnis, dass das Veräußerungsprogramm von Alitalia — Linee Aeree Italiane im Jahr 2008 unter der damaligen Sonderverwaltung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen wurde. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass dieser Präzedenzfall für den vorliegenden Fall nicht relevant ist. Erstens gehörten die Ereignisse, die zum Verkauf der Vermögenswerte von Alitalia — Linee Aeree Italiane im Jahr 2008 an die CAI-Gruppe führten, zu umfassenderen Bemühungen des italienischen Staates um die Veräußerung seiner 49,9%igen Beteiligung an Alitalia — Linee Aeree Italiane. Diese Bemühungen gehen bis mindestens Oktober 2006 zurück, wie in Erwägungsgrund 15 der Entscheidung C(2008) 6745 der Kommission vom 12. November 2008 beschrieben. Folglich lässt sich der Zeitrahmen des 2008 abgeschlossenen Veräußerungsverfahrens nicht eindeutig bestimmen, er dürfte jedoch viel länger sein als die von den italienischen Behörden angesetzten sechs Monate. Zweitens vertritt die Kommission die Auffassung, dass der frühere Versuch, Alitalia — Linee Aeree Italiane in den Jahren 2006 bis 2008 zu veräußern, wie in Abschnitt 3.1 der genannten Entscheidung beschrieben, insbesondere gezeigt hat, wie komplex die Veräußerung eines so großen und bereits seit vielen Jahren in Notlage befindlichen Unternehmens ist.

(259)

Drittens ist die Kommission auch der Auffassung, dass die Entwicklungen zwischen 2008 und 2017 unter der Eigentümerschaft von CAI und später im Rahmen der Partnerschaft zwischen CAI und Etihad die Attraktivität einer Investition in Alitalia nur verringerten, was die Veräußerung noch komplexer gemacht und den erforderlichen Zeitrahmen weiter verlängert hätte. Grund hierfür sind die wiederholt gescheiterten Versuche (siehe Erwägungsgründe 218 bis 229), die finanzielle Rentabilität von Alitalia zu verbessern.

(260)

Viertens ist die Kommission der Auffassung, dass die geringe Attraktivität einer Investition in Alitalia als laufendes Unternehmen und der Umstand, dass wahrscheinlich eine vollständige und komplexe Umstrukturierung der Fluggesellschaft notwendig war, den Zeitrahmen einer Veräußerung zwangsläufig verlängert hätten. Die Kommission stellt insbesondere fest, dass im Sonderverwaltungsprogramm auch mit der Größe des Unternehmens verbundene Aspekte berücksichtigt werden, etwa in Bezug auf die Erhaltung des Beschäftigungsniveaus. Aus diesem Grund wäre zu erwarten, dass das Veräußerungsverfahren länger dauern könnte als die vorgesehenen sechs Monate. Vor diesem Hintergrund ist die Kommission der Auffassung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber nicht damit gerechnet hätte, dass der Verkauf von Alitalia im Jahr 2017 innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen gewesen wäre.

5.1.4.2.3.4.3.   Erlöse aus der Veräußerung von Alitalia

(261)

Bevor die Kommission eine Schätzung des potenziellen Erlöses aus dem Verkauf von Alitalia vornimmt, wird sie die Situation der Vermögenswerte von Alitalia und der potenziellen damit verbundenen Verbindlichkeiten am 1. Mai 2017 noch einmal zusammenfassen.

(262)

Am 1. Mai 2017 waren bei der Alitalia-Gruppe insgesamt 123 Flugzeuge in Betrieb (25 Langstrecken-, 78 Mittelstrecken- und 20 Regionalflugzeuge). Davon besaß Alitalia selbst 41 Flugzeuge (7 Langstrecken- und 34 Mittelstreckenflugzeuge); 77 Flugzeuge waren geleast und sind zugunsten der Leasinggeber verpfändet. Alitalia besitzt keine Immobilien, sondern mietet Flächen an den Flughäfen, an denen das Unternehmen tätig ist. Alitalia verfügt auch über beträchtliche immaterielle Vermögenswerte im Zusammenhang mit der Marke Alitalia sowie den Lizenzen und dem Geschäftswert des Unternehmens. Hohe Beträge, die in der Bilanz als Teil des Anlage- und Umlaufvermögens ausgewiesen sind, beziehen sich auf die geleasten Flugzeuge (z. B. aktivierte Wartungskosten).

(263)

Am 1. Mai 2017 beliefen sich der Gesamtbuchwert des Anlagevermögens von Alitalia, wie in Tabelle 2 dargestellt, auf [mehr als 2] Mrd. EUR und das Umlaufvermögen auf [weniger als 1] Mrd. EUR (89); daraus ergibt sich ein Buchwert des Gesamtvermögens von [mehr als 3] Mrd. EUR. Dieser Buchwert des Gesamtvermögens sollte zusammen mit den in der Bilanz ausgewiesenen beträchtlichen Verbindlichkeiten von Alitalia ([mehr als 3] Mrd. EUR) und den mit dem Leasing der Flugzeuge verbundenen Eventualverbindlichkeiten (künftige Ratenzahlungen, [X,X] Mrd. EUR) betrachtet werden. Wie in Erwägungsgrund 264 Buchstabe b dargelegt, lassen sich die Höhe der mit dem Betriebsvermögen zusammenhängenden Verbindlichkeiten und die Höhe des Nettobuchwerts der zum Verkauf stehenden betrieblichen Vermögenswerte aus der Bilanz nicht erkennen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Flugzeuge die wertvollsten Vermögenswerte darstellen und 77 Flugzeuge geleast sind.

(264)

Zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens waren die Erlöse aus der Veräußerung von Alitalia aus folgenden Gründen ungewiss und schwer vorhersehbar:

a)

Der Umfang des zu veräußernden Unternehmens war noch nicht festgelegt, da die Sonderverwalter das Mandat zum Verkauf von Alitalia erst am 1. August 2017 erhielten (siehe Erwägungsgründe 58 und 59). Daher konnte ein potenzieller Käufer zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens nicht wissen, welche Teile von Alitalia zum Verkauf stehen würden (siehe Erwägungsgründe 262 und 263). Folglich hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter keine Gewissheit über den Umfang des Angebots gehabt, das ein Käufer vorgelegt hätte.

b)

Es war noch nicht bekannt, in welchem Umfang Verbindlichkeiten bei Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung verbleiben würden. Bei diesen Verbindlichkeiten handelt es sich um Verpflichtungen, die zwar vor Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens entstanden sind, aber von Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung bedient werden müssen, weil sie für die Betriebstätigkeit von Alitalia notwendig sind (z. B. Finanzierungsleasingverträge). Die Kommission stellt fest, dass es angesichts der hohen Verbindlichkeiten von Alitalia (3,7 Mrd. EUR, siehe Tabelle 2) für einen potenziellen Käufer entscheidend war, den Umfang der im Rahmen Sonderverwaltung bei Alitalia verbleibenden Verbindlichkeiten zu kennen, um sein Angebot zu formulieren.

c)

Der Veräußerungserlös hängt vom Umfang der Vermögenswerte des Unternehmens ab, für die der Käufer bietet, und davon, welchen Wert der Käufer daraus ziehen kann. Beide Faktoren hängen vom Käufer ab und sind daher vom Verkäufer vorab nur sehr schwer einzuschätzen.

(265)

In Anbetracht dieser Ungewissheiten und Schwierigkeiten wird die Kommission anhand der von Italien vorgelegten Nachweise (Abschnitt 4.2) und anderer öffentlich zugänglicher Informationen, die zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens vorlagen, eine Schätzung der potenziellen Größenordnung des Verkaufspreises vornehmen.

(266)

Darüber hinaus wird die Kommission auch Ex-post-Informationen untersuchen, nämlich die Bewertungsstudie von Leonardo & Co vom 16. Oktober 2017, die sich zumindest teilweise auf Informationen stützt, die zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens vorlagen (Abschnitt 4.2.2.1); und die nach Veröffentlichung der Ausschreibung bei den Sonderverwaltern für die Vermögenswerte von Alitalia eingegangenen Angebote (Abschnitt 2.6). Auch wenn sich ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber bei seiner Bewertung nicht auf Ex-post-Nachweise stützen konnte, stellen diese Angebote einen Ex-post-Referenzwert für die Ex-ante-Nachweise dar.

5.1.4.2.3.4.3.1   Ex-ante-Nachweise

5.1.4.2.3.4.3.1.1   Der Bestätigungsbericht von Dr. Ranalli (im Folgenden „Bestätigungsbericht“)

(267)

Italien behauptet (90), die Entscheidung über die Gewährung des ursprünglichen Darlehens auf der Grundlage des Sanierungsplans getroffen zu haben. Dieser Geschäftsplan war ursprünglich von der vor Beginn der Sonderverwaltung zuständigen Unternehmensleitung erarbeitet worden und wurde später von KPMG, Roland Berger und Dr. Ranalli überarbeitet (Abschnitt 4.2.1.2).

(268)

Der Bestätigungsbericht umfasst eine Schätzung des Werts von Alitalia, die sich aus der Anwendung eines Discounted-Cashflow-Modells auf den überarbeiteten Sanierungsplan ergab. Ziel des Berichts war es unter anderem, nachzuweisen, dass der Unternehmenswert von Alitalia zum 31. Dezember 2016 höher war als das investierte Kapital. Sowohl der Unternehmenswert als auch das investierte Kapital von Alitalia entsprechen der Summe aus dem Wert der Verbindlichkeiten von Alitalia und seines Eigenkapitals. Während jedoch der Unternehmenswert anhand des Marktwerts der Verbindlichkeiten und des Eigenkapitals berechnet wird, basiert die Berechnung des investierten Kapitals auf Buchwerten. Durch den Nachweis, dass der Unternehmenswert das investierte Kapital von Alitalia übersteigt, wird im Bestätigungsbericht der Schluss gezogen, dass die Buchwerte der Verbindlichkeiten und des Eigenkapitals von Alitalia nicht zu hoch angesetzt sind.

(269)

Aus dem Bestätigungsbericht geht hervor, dass der Buchwert der Nettoverbindlichkeiten von Alitalia in Höhe von [XXXX] Mio. EUR (91) und der Buchwert des Eigenkapitals in Höhe von [XXX,X] Mio. EUR im Dezember 2016 die jeweiligen Marktwerte angemessen abbilden. Daher betrug der Unternehmenswert von Alitalia zum 31. Dezember 2016 mindestens [XXXX,X] Mio. EUR, was dem Buchwert des investierten Kapitals entspricht. (92)

(270)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass im Bestätigungsbericht geschätzt wird, dass sich der Unternehmenswert von Alitalia infolge der im Sanierungsplan vorgesehenen Umstrukturierung bis zum 31. Dezember 2019 auf [XXXX] Mio. EUR belaufen könnte.

(271)

Die Kommission stellt fest, dass sich die Schätzungen im Bestätigungsbericht auf den Unternehmenswert beziehen, der aus mehreren Gründen nicht dem Wert entspricht, den ein potenzieller Käufer oder Kapitalgeber für Alitalia zu zahlen bereit gewesen wäre. Erstens schließt der Unternehmenswert die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern ein. Zweitens basierte der Unternehmenswert auf der Annahme einer lückenlosen Fortführung des Unternehmens, was nicht der Fall war, als Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde. Um zu berechnen, welchen Wert ein Käufer zu zahlen bereit gewesen wäre, müssen die mit den zu veräußernden Vermögenswerten verbundenen Verbindlichkeiten vom Unternehmenswert abgezogen werden.

(272)

Die Kommission stellt ferner fest, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber aus dem Bestätigungsbericht hätte ableiten können, dass der Buchwert des Eigenkapitals von [100–150] Mio. EUR den Marktwert des Eigenkapitals von Alitalia angemessen abbildete. Daher hätte ein solcher Kapitalgeber den Buchwert des Eigenkapitals als Näherungswert für den Veräußerungspreis von Alitalia zum 31. Dezember 2016 zugrunde legen können. Nach Ansicht der Kommission wäre dieser zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens kein zuverlässiger Indikator gewesen, da die im Bestätigungsbericht ausgewiesenen Verbindlichkeiten von Alitalia weitgehend eingefroren und somit für die Veräußerung von Alitalia im Rahmen des Sonderverwaltungsverfahrens nicht mehr relevant waren. Daher könnte der Eigenkapitalwert von Alitalia unter Sonderverwaltung höher gewesen sein als der entsprechende Wert des Unternehmens, bevor es unter Sonderverwaltung gestellt wurde.

(273)

Allerdings hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber die Höhe der mit dem zu veräußernden Unternehmen verbundenen Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens nicht gekannt, da diese noch nicht festgelegt waren. Dies ist ein entscheidender Unsicherheitsfaktor, da der Veräußerungspreis von [100–150] Mio. EUR, der auf der Grundlage des Eigenkapitalwerts von Alitalia vor der Sonderverwaltung berechnet wurde, deutlich unter den zur Rückzahlung des Darlehens erforderlichen 627 Mio. EUR liegt (siehe Erwägungsgrund 255).

(274)

Nach Ansicht der Kommission hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter auch deshalb Zweifel an der Bewertung im Bestätigungsbericht gehabt, weil die Studie und ihre Annahmen nicht replizierbar waren. Was die Replizierbarkeit angeht, so enthält der Bestätigungsbericht keine genaue Schätzung des Unternehmens- und Eigenkapitalwerts von Alitalia im Jahr 2016. Dieser Wert lässt sich anhand der im Bericht verfügbaren Daten nicht berechnen, da einige der dazu erforderlichen Parameter, insbesondere der Abzinsungssatz (d. h. die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten — weighted average cost of capital, im Folgenden „WACC“) nicht ausgewiesen ist.

(275)

Die Kommission bat die italienischen Behörden um Klarstellungen zur Berechnung des Unternehmenswerts, insbesondere für Ende 2016, aber Italien konnte keine Erklärungen liefeRn. Italien sagte auch zu, Dr. Ranalli selbst um eine Klarstellung der Schätzungen zu bitten (93), doch die Kommission erhielt diesbezüglich keine Antwort.

(276)

In Bezug auf die Annahmen stützt sich die Bewertung im Betätigungsbericht auf den überarbeiteten Sanierungsplan, der ursprünglich von der Alitalia-Unternehmensleitung vor Beginn des Sonderverwaltungsverfahrens erstellt worden war. Es sprechen mehrere Gründe dagegen, diesen Geschäftsplan als Grundlage für die Bewertung von Alitalia unter Sonderverwaltung heranzuziehen.

(277)

Erstens sah der Sanierungsplan ehrgeizige Spar- und ertragssteigernde Maßnahmen vor, die nach den Berechnungen der Kommission die Kapitalrendite (return on invested capital — ROIC) von Alitalia im Jahr 2021, dem letzten Jahr des Sanierungsplans, auf 23,71 % erhöhen würden. (94) Diese Kapitalrendite liegt deutlich über dem auf Seite 121 des Sanierungsplans genannten Branchendurchschnitt von 6 %. Ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter würde annehmen, dass ein potenzieller Käufer oder Kapitalgeber dieses Rentabilitätsziel skeptisch sieht, da Alitalia in der Vergangenheit die Ziele früherer Pläne wiederholt verfehlt hat (siehe Erwägungsgründe 221 bis 225). Darüber hinaus hing die Verwirklichung eines so ehrgeizigen Gewinnziels von einer erfolgreichen Umstrukturierung von Alitalia ab, was jedoch aus Sicht eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht selbstverständlich gewesen wäre, zumal sich das Unternehmen zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung in einer Notlage befand und es bereits mehrfach nicht gelungen war, das Unternehmen in tragfähiger Weise umzustrukturieren.

(278)

Zweitens hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter die Bewertung von Alitalia auch unter alternativen, weniger optimistischen Rentabilitätsszenarien beurteilt. Die Kommission führte eine Sensitivitätsanalyse durch, wobei sie davon ausging, dass Alitalia im Jahr 2021 eine Kapitalrendite von 6 % erreichen würde, was der im Sanierungsplan angegebenen durchschnittlichen Rentabilität im Luftverkehrssektor entspricht (siehe Erwägungsgrund 277). Auf Basis dieser Rentabilitätsannahme berechnete die Kommission anschließend unter Anwendung der anderen im Bestätigungsbericht genannten Parameter und Annahmen die erwarteten Cashflows des Unternehmens.

(279)

Neben der Rentabilität im Jahr 2021 betreffen die wichtigsten Annahmen des im Bestätigungsbericht dargelegten Geschäftsplans die Rentabilität von Alitalia zu Beginn des Planungszeitraums, den Endwert am Ende des Planungszeitraums (d. h. 2021) und den WACC-Satz, d. h. den Abzinsungssatz. Was die Rentabilitätsannahme betrifft, so wird im ersten Jahr des Plans die gleiche Rentabilität (EBIT in Höhe von -336,7 Mio. EUR) angenommen, die Alitalia vor Beginn der Sonderverwaltung im Jahr 2016 verzeichnete. Die Annahme zum Endwert wurde im Bestätigungsbericht anhand des Dividendenwachstumsmodells (Gordon Growth Model) ermittelt. Bei diesem Ansatz wird eine konstante und dauerhafte Wachstumsrate der Cashflows des Unternehmens angenommen, die im letzten Jahr des Plans berücksichtigt wurden. Im Bestätigungsbericht wird von einer Wachstumsrate von 1 % ausgegangen. Darüber hinaus werden die folgenden Anpassungen des Cashflows im letzten Jahr des Plans vorgenommen: Die Veränderung des Nettoumlaufvermögens ist gleich Null und die Investitionsausgaben entsprechen den Abschreibungen.

(280)

Hinsichtlich der Annahme zum Abzinsungssatz stellt die Kommission fest, dass im Bestätigungsbericht der WACC-Wert — d. h. der Satz, zu dem die künftigen Cashflows zwecks Schätzung des Unternehmenswerts von Alitalia abgezinst werden — nicht genannt wird. Daher musste die Kommission den WACC-Satz neu berechnen. Dazu stützte sich die Kommission auf die im Bericht verfügbaren Bewertungsannahmen und -parameter (95) sowie auf die konservative Annahme eines gleichbleibenden Investitionsniveaus (96). Ausgehend von diesen Annahmen und dem geschätzten Unternehmenswert von [XXXX] Mio. EUR zum 31. Dezember 2019 (siehe Erwägungsgrund 270) können die WACC als einziger noch unbekannter Parameter ermittelt werden. Diese Vorgehensweise ergab einen WACC-Satz von 9,61 %. Dieser Wert erscheint plausibel, da er knapp unter den 10,8 % liegt, die in der Leonardo-Studie (siehe Erwägungsgründe 284 ff.) und in der von der Kommission selbst vorgenommenen Bewertung (siehe Erwägungsgründe 303 ff.) angenommen wurden.

(281)

Die Kommission legte diesen WACC-Satz von 9,61 % zur Abzinsung der geänderten Cashflows von Alitalia zugrunde, was einen Unternehmenswert von [XXX] Mio. EUR zum 31. Dezember 2016 ergab. Die Kommission nahm auch eine Bewertung der Sensitivität dieser Schätzung gegenüber den folgenden zwei alternativen Annahmen vor. Erstens ergibt sich unter Annahme einer dauerhaften Wachstumsrate von 1,7 % (97) anstelle von 1 % ein Unternehmenswert von [XXX,X] Mio. EUR. Zweitens ergibt sich bei Abzinsung der Cashflows anhand eines WACC-Satzes von 10,8 % anstelle von 9,61 % ein geschätzter Unternehmenswert von [XXX,X] Mio. EUR. Auch wenn es sich bei diesem Wert nicht um eine genaue Schätzung des Unternehmenswerts von Alitalia handelt, da er im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse und nicht eines umfassenden Geschäftsplans ermittelt wurde, so liegt er doch deutlich unter dem im Bestätigungsbericht veranschlagten Unternehmenswert von mindestens [XXXX,X] Mio. EUR (siehe Erwägungsgrund 269).

(282)

Aus all diesen Gründen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein gewisser Teil der Verbindlichkeiten auf das Unternehmen unter Sonderverwaltung übertragen werden würde (mit der Folge eines niedrigeren Eigenkapitalwerts), ist die Kommission der Auffassung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber den Wert von Alitalia deutlich unter dem Betrag von 627 Mio. EUR angesetzt hätte, der zur Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens erforderlich war (siehe Erwägungsgrund 255).

(283)

Schließlich stellt die Kommission auch fest, dass der Sanierungsplan, der beträchtliche Einsparungen bei den Lohn- und Gehaltskosten vorsah (siehe Erwägungsgrund 40), im April 2017 per Referendum von der Alitalia-Belegschaft abgelehnt wurde. Aus diesem Grund wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, dass Alitalia auf der Grundlage eines Plans bewertet wird, der gerade abgelehnt worden war mit der Folge, dass Alitalia unter Sonderverwaltung gestellt wurde.

5.1.4.2.3.4.3.2   Ex-post-Nachweise

5.1.4.2.3.4.3.2.1   Die Studie von Leonardo & Co

(284)

Die Leonardo-Studie vom 16. Oktober 2017 wurde nach der Gewährung des ursprünglichen Darlehens vorgelegt. Obwohl sie nach der Gewährung des ursprünglichen Darlehens angefertigt wurde, ist die Kommission der Ansicht, dass die Leonardo-Studie aus mehreren Gründen als zusätzliches Argument in die Bewertung der Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten einbezogen werden sollte.

(285)

Erstens zielt die Leonardo-Studie darauf ab, den voraussichtlichen Veräußerungswert von Alitalia, d. h. den Wert, der für die Anwendung des in Erwägungsgrund 251 beschriebenen Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten benötigt wird, genau zu beziffeRn. Diese Studie wurde im Rahmen der Sonderverwaltung in Auftrag gegeben, weil die Sonderverwalter nach italienischem Recht verpflichtet sind, das von ihnen verwaltete Unternehmen nicht unter Marktwert zu verkaufen.

(286)

Zweitens wurde die Leonardo-Studie vermutlich zwischen dem 1. August 2017 und dem 16. Oktober 2017 erstellt, da die Sonderverwalter am 1. August 2017 das Mandat zur Veräußerung des Unternehmens erhielten. Zwischen der Gewährung des ursprünglichen Darlehens und dem Vorliegen der Bewertungsergebnisse in der Leonardo-Studie lagen daher nur drei bis sechs Monate. Die Kommission hält diesen Zeitabstand für annehmbar, da sich der Wert von Alitalia innerhalb dieses Zeitraums nicht wesentlich ändern konnte.

(287)

Drittens bezieht sich die von Leonardo & Co vorgenommene Bewertung auf den bzw. die wichtigsten zur Veräußerung stehenden Teil(e) von Alitalia. Dabei wird der Buchwert der Verbindlichkeiten ermittelt, den ein Käufer vom Unternehmenswert abziehen würde, um einen potenziellen Veräußerungspreis zu ermitteln. Wie die Kommission in Erwägungsgrund 264 feststellte, waren diese Informationen auf der Grundlage der Ex-ante-Nachweise nicht verfügbar, sodass nicht genau bestimmt werden konnte, wie viel ein potenzieller Käufer oder Kapitalgeber für Alitalia zu zahlen bereit gewesen wäre. Diese Angabe hätte jedoch von einem Kapitalgeber rechnerisch ermittelt werden können.

(288)

Viertens, während der Wert und der Umfang der Veräußerung ex post geschätzt bzw. festgelegt werden, ergeben sich die zu bewertenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten aus den Geschäftsbüchern von Alitalia am 1. Mai 2017, stammen also aus der Zeit vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens.

(289)

Schließlich kommt der in der Leonardo-Studie bewertete Umfang, bestimmt nach dem investierten Nettokapital des Gesamtloses von Alitalia ([XXXX] Mio. EUR), dem im Bestätigungsbericht von Dr. Ranalli definierten Umfang ([XXXX,X] Mio. EUR am 31. Dezember 2016) nahe. Daher beziehen sich die im Bestätigungsbericht und in der Leonardo-Studie vorgenommenen Bewertungen auf einen ähnlich großen Umfang und zwei nahe aneinander liegende Zeitpunkte, sodass sie vergleichbar sind.

(290)

Die Bewertung von Leonardo & Co stützt sich auf zwei Geschäftspläne für die Jahre 2017–2022: Einer basiert auf dem Trägheitsszenario und der andere auf dem Renaissance-Szenario. Das Trägheitsszenario beruht auf einem pessimistischen Ansatz, wonach die erwartete Leistung von Alitalia dem vorherigen Trend entspricht. Im Renaissance-Szenario hingegen wird von einer verbesserten Rentabilität des Unternehmens und einem Zugewinn an Marktanteilen ausgegangen. Während die Unternehmensleitung von Alitalia unter Sonderverwaltung diese beiden Geschäftspläne nach der Gewährung des ursprünglichen Darlehens in Auftrag gab, hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter ähnliche Prognosen auch im Vorhinein erstellen können. Außerdem wird in beiden Geschäftsplänen die Finanzlage von Alitalia am 1. Mai 2017 als Ausgangspunkt zugrunde gelegt. Nach Ansicht der Kommission ist daher die Leonardo-Studie als eine Ex-post-Rekonstruktion des Wertes von Alitalia auf der Grundlage von ex ante vorliegenden Informationen zu betrachten.

(291)

In der Leonardo-Studie wird der Wert von Alitalia mithilfe einer gemischten Methode ermittelt, die eine Vermögens- und eine Gewinnkomponente umfasst.

(292)

Diese Methode wurde in der Leonardo-Studie auch deshalb gewählt, weil sie bereits bei früheren Sondermaßnahmen zur Bewertung von Alitalia angewandt wurde und es sich um eine im Rahmen des italienischen Sonderverwaltungsrechts gängige Methode handelt. (98) Daher ist die Kommission der Auffassung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter im Mai 2017 zur Ermittlung des voraussichtlichen Veräußerungswerts von Alitalia eine ähnliche Methode hätte anwenden können.

(293)

Nach Methode der Leonardo-Studie wird zur Berechnung des Unternehmenswerts von der Vermögenskomponente, d. h. dem investierten Nettokapital, ausgegangen und dann die Gewinnkomponente, d. h. der positive bzw. negative Geschäfts- oder Firmenwert, hinzugerechnet. Die Bezifferung der Geschäftswertkomponente ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Nettobetriebsergebnis von Alitalia und dem von mit Alitalia vergleichbaren Unternehmen auf der Grundlage der ersten beiden Jahre eines der beiden Geschäftspläne.

(294)

Die in der Leonardo-Studie angewandte Bewertungsmethode wird häufig zur Bewertung von in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen wie Alitalia verwendet. (99) Anzumerken ist, dass diese Methode zu einer negativen Gewinnkorrektur führt, da zu erwarten war, dass Alitalia in den ersten beiden Jahren des Geschäftsplans schlechter abschneiden würde als vergleichbare Unternehmen. Ein Käufer von Alitalia hätte diese Verluste von seinem Angebot abgezogen, da solche Verluste bei einer Investition in ein anderes vergleichbares Unternehmen nicht zu erwarten gewesen wären. Ein solches Szenario ist bei einem in Schwierigkeiten geratenen Unternehmen nicht unwahrscheinlich, sodass die Kommission die Methode der Leonardo-Studie für plausibel hält.

(295)

Ferner stellt die Kommission fest, dass in der Leonardo-Studie nur die ersten beiden defizitären Jahre in Abzug gebracht wurden, während sowohl im Trägheits- als auch im Renaissance-Szenario davon ausgegangen wird, dass die defizitäre Situation länger anhalten würde. Hätte man dies berücksichtigt, dann wäre ein noch niedrigerer Unternehmenswert veranschlagt worden.

(296)

Der in der Leonardo-Studie geschätzte Veräußerungspreis für das Gesamtlos von Alitalia, d. h. der Unternehmenswert abzüglich der Verbindlichkeiten, liegt im Trägheitsszenario zwischen [XXX] und [XXX] Mio. EUR und im Renaissance-Szenario zwischen [XXX] und [XXX] Mio. EUR. Der Durchschnitt der höchsten und der niedrigsten Bewertung entspricht [XXX] Mio. EUR. Aus Sicht der Kommission sind die Bewertungen, die den Unternehmenswert über dem Durchschnittswert von [XXX] Mio. EUR ansetzen, unrealistisch, da sie auf einem Geschäftsplan beruhen, der optimistischer ist als der überarbeitete Sanierungsplan, den die Kommission für unrealistisch hielt (siehe Erwägungsgründe 276–278). (100)

(297)

Wenngleich die Leonardo-Studie vom 16. Oktober 2017 datiert, hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter eine ähnliche Bewertung auf der Grundlage derselben Geschäftspläne und der vor der Gewährung des ursprünglichen Darlehens verfügbaren Informationen vornehmen können. Daher hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter erkannt, dass der erzielbare Veräußerungspreis von Alitalia unter dem für die Rückzahlung des Darlehens erforderlichen Mindestveräußerungspreis von 627 Mio. EUR lag (siehe Erwägungsgrund 255).

5.1.4.2.3.4.3.2.2   Die Angebote von EasyJet und Lufthansa

(298)

Die Kommission hat die von Lufthansa und EasyJet am 16. Oktober 2017 vorgelegten Angebote für die Übernahme von Teilen von Alitalia (siehe Abschnitt 4.2.2.3 zu den Angeboten) analysiert. Die Angebote gehören zwar zu den Ex-post-Nachweisen, doch könnten sie möglicherweise als Referenzwert für die Ex-ante-Bewertungen von Alitalia dienen.

(299)

Das Angebot von Lufthansa war nicht verbindlich und betraf nur bestimmte Teile der Luftfahrtsparte ([XX] von insgesamt [XXX] Flugzeugen und […] Beschäftigte). Lufthansa bewertete die 25 von der irischen Tochtergesellschaft Challey Ltd im Rahmen einer Leasingvereinbarung erworbenen Flugzeuge mit 167 Mio. EUR und den Rest des Unternehmens (einschließlich der Zeitnischen und der übrigen 46 Flugzeuge, von denen 38 geleast waren) mit 1 EUR.

(300)

In seinem unverbindlichen Angebot bewertete EasyJet das Kurzstreckengeschäft (ab Rom und Mailand) mit [XXX]–[XXX] Mio. EUR und das Langstreckengeschäft mit bis zu [XXX] Mio. EUR. Beide Angebote galten unter der Bedingung, dass ein Partnerunternehmen zur Bildung eines Konsortiums mit mindestens zwei Partnern gefunden wurde. Insofern war das Angebot von EasyJet nicht nur unverbindlich, sondern auch nicht abschließend, weil die endgültige Bewertung von einem noch nicht bekannten Partner abhing. Die Kommission weist auch darauf hin, dass im Angebot von EasyJet von einer Übernahme ohne Berücksichtigung der liquiden Mittel und der Verbindlichkeiten („cash free, debt free“) ausgegangen wurde, sodass das Barangebot bei Berücksichtigung der mit den Vermögenswerten verbundenen Verbindlichkeiten wesentlich niedriger ausgefallen wäre.

(301)

Es wurde auch ein verbindliches Angebot eingereicht, und zwar von Airport Handling für die Bodenabfertigungsdienste. In diesem Angebot wurde die Sparte der Bodenabfertigungsdienste mit einem Barangebot von [XX,X] Mio. EUR bewertet, das um weitere [X,X] Mio. EUR aufgestockt werden konnte, wenn drei Jahre nach dem Abschluss bestimmte positive Ergebnisse erzielt wurden.

(302)

Insgesamt lagen die Angebote für die Übernahme der Luftfahrtsparte und der Bodenabfertigungsdienste von Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung zwischen [XXX,X] Mio. EUR, d. h. dem Wert, der erzielt wird, wenn EasyJet nur das Kurzstreckengeschäft für [XXX] Mio. EUR übernimmt und Airport Handling die Handlingsparte für den in Erwägungsgrund 301 genannten Mindestpreis erwirbt, und [XXX,X] Mio. EUR, was dem Best-Case-Szenario entspricht, in dem EasyJet und Airport Handling jeweils [XXX] Mio. EUR bzw. [XX,X] Mio. EUR für die gesamte Luftfahrtsparte von Alitalia (Kurzstrecken- und Langstreckengeschäft) und die Bodenabfertigungsdienste zahlen. Auch wenn sich eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht auf Ex-post-Nachweise stützen muss und es sich um vorläufige und (außer bei der Sparte der Bodenabfertigungsdienste) unverbindliche Angebote handelte, stellt die Kommission fest, dass die Bewertung des Unternehmenswerts mit [XXX XXX] Mio. EUR in einer ähnlichen Größenordnung liegt wie die in der Leonardo-Studie und von der Kommission selbst in den Erwägungsgründen 303 bis 321 vorgenommenen Bewertungen.

5.1.4.2.3.4.3.3   Die unabhängige Schätzung der Kommission

(303)

Neben ihrer Würdigung der von Italien vorgelegten Dokumentation hat die Kommission auch eine unabhängige Schätzung des Wertes von Alitalia vorgenommen, um den potenziellen Erlös aus der Veräußerung von Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung zu beziffeRn. (101) Die Kommission ist bei ihrer Bewertung von einer Ex-ante-Perspektive ausgegangen und hat die Informationen bzw. Annahmen zugrunde gelegt, auf die die italienischen Behörden im Mai 2017, d. h. zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens, hätten zurückgreifen können.

(304)

Bei der Bewertung durch die Kommission handelt es sich um eine Anwendung des sogenannten „Multiplikatorverfahrens“ („Multiple-Bewertung“). Grundannahme des Verfahrens ist, dass vergleichbare Unternehmen eine vergleichbare Bewertung erhalten sollten. Lässt sich demnach der Wert von Unternehmen, die mit dem zu untersuchenden Unternehmen vergleichbar sind, ermitteln, kann daraus eine Bewertung für Letzteres abgeleitet werden. Vergleichbare Unternehmen sind in der Regel börsennotierte Unternehmen, deren Unternehmenswert (Enterprise Value — EV) geschätzt werden kann. Bei Fluggesellschaften entspricht dieser Unternehmenswert der Summe aus dem Wert ihres Eigenkapitals (Marktwert des Eigenkapitals errechnet aus der Börsenkapitalisierung) und dem Wert der Verbindlichkeiten (einschließlich bilanzieller und außerbilanzieller Posten wie Flugzeugleasing). Der so bestimmte Unternehmenswert („adjusted Enterprise Value“) wird dann mit einer Ertragskennzahl verrechnet, um einen Multiplikator abzuleiten. Der Multiplikator wird dann auf die Ertragsdaten des zu bewertenden Unternehmens angewandt, um den geschätzten Unternehmenswert zu ermitteln, der anschließend durch Abzug der bilanziellen und außerbilanziellen Verbindlichkeiten bereinigt werden muss, um eine Schätzung des Eigenkapitalwerts zu erhalten. (102)

(305)

In der Luftfahrtbranche wird als Ertragskennzahl üblicherweise das EBITDAR (Earnings Before Interests, Tax, Depreciation, Amortization and Rents — Gewinn vor Abzug von Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Leasinggebühren) verwendet. Da Fluggesellschaften mitunter einen erheblichen Teil ihrer Flugzeugflotte leasen, gilt das EBITDAR als die geeignetere Kennzahl zur Bewertung des Ertragspotenzials von Fluggesellschaften und ist zudem in Bezug auf die Wahl der Kapitalstruktur neutral. (103)

(306)

Bei der Anwendung des Multiplikatorverfahrens betrachtete die Kommission die in der Leonardo-Studie (104) für sieben traditionelle Fluggesellschaften im Zeitraum 2017–2019 berechneten EBITDAR-Multiplikatoren. In der Leonardo-Studie wird ein mittleres EV/EBITDAR veranschlagt, das dem Faktor 4 im Jahr 2017, dem Faktor 4,2 im Jahr 2018 und dem Faktor 3,6 im Jahr 2019 entspricht. Im vorliegenden Fall legte die Kommission den Durchschnitt dieser drei Werte (Faktor 3,93) als EV/EBITDAR-Multiplikator zugrunde. (105)

(307)

In Bezug auf das EBITDAR von Alitalia zog die Kommission vier mögliche Szenarien in Betracht. Im ersten Szenario wird das durchschnittliche historische EBITDAR von Alitalia im Zeitraum 2013–2016 berücksichtigt. Dieser Wert beläuft sich auf [XXX] Mio. EUR. Das zweite Szenario beruht auf den Prognosen zu dem in der Leonardo-Studie beschriebenen Trägheitsszenario und ergibt für das Jahr 2022 ein EBITDAR von [XXX] Mio. EUR. In einem dritten Szenario beläuft sich, ausgehend von der Prognose zum Renaissance-Szenario aus der Leonardo-Studie, das im Jahr 2022 erzielte EBITDAR auf [XXX] Mio. EUR. In einem vierten Szenario schließlich stützt sich die Annahme für das EBITDAR auf die im Rahmen des Sanierungsplans von Ende 2016 erstellte Prognose (für das Jahr 2021) und beläuft sich auf [XXX] Mio. EUR.

(308)

Anhand des EV/EBITDAR-Multiplikators mit dem Faktor 3,93 und der in Erwägungsgrund 307 dargelegten EBITDAR-Annahmen kann eine Schätzung des Unternehmenswerts von Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung vorgenommen werden. Dieser Wert beläuft sich auf [XXX] Mio. EUR bis [XXXX] Mio. EUR (siehe Tabelle 4).

(309)

Der geschätzte Unternehmenswert umfasst die mit den Leasinggebühren verbundenen bilanziellen und außerbilanziellen Verbindlichkeiten. Zur Schätzung des Eigenkapitalwerts, d. h. des Werts, der für die Schätzung der aus der Veräußerung von Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung gegebenenfalls zu erwartenden Barmittel relevant ist, muss daher der Unternehmenswert durch Abzug sowohl der außerbilanziellen als auch der bilanziellen Verbindlichkeiten bereinigt werden. (106)

(310)

Bei der ersten Anpassung wird die Komponente der mit den Leasinggebühren für die Flugzeuge verbundenen außerbilanziellen Verbindlichkeiten herausgerechnet. Diese Anpassung wird üblicherweise in Wirtschaftszweigen angewandt, in denen beträchtliche Leasinggebühren branchenüblich und die geleasten Vermögenswerte für die Bestimmung des Ertragspotenzials eines Unternehmens maßgebend sind (dazu gehören insbesondere die Hotel-, Luftverkehrs-, Fracht- und Schifffahrtssektoren). Die Berechnung des geschätzten Kapitalwerts der Leasinggebühren für Flugzeuge erfolgt bei Alitalia durch Multiplikation der jährlichen Leasinggebühren mit dem Faktor 7. (107) Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt des kapitalisierten Betrags der künftigen Leasingraten, die das Unternehmen zahlen muss, um die Flugzeugflotte betreiben zu können, die dem herangezogenen EBITDAR-Wert zugrunde liegt.

(311)

Angesichts der Höhe der Leasinggebühren, die zeigen, wie sehr bei Alitalia die Umsetzung des Geschäftsplans von geleasten Flugzeugen abhängt, führt diese Berichtigung zu einer Abwärtskorrektur, die sich entsprechend den jeweiligen im Geschäftsplan getroffenen Annahmen zur geleasten Flotte (108) zwischen [XXXX] Mio. EUR und [XXXX] Mio. EUR bewegt.

(312)

Die zweite Anpassung betrifft die in der Bilanz ausgewiesenen finanziellen Verbindlichkeiten. In der besonderen Situation von Alitalia unter Sonderverwaltung beschränken sich diese Verbindlichkeiten ausschließlich auf die in der Bilanz zum Mai 2017 ausgewiesenen Finanzierungsleasinggeschäfte, die im PwC-Bericht (109) mit [XXX] Mio. EUR veranschlagt werden.

(313)

Auf der Grundlage dieser beiden Berichtigungen stellt die Kommission fest, dass der Eigenkapitalwert von Alitalia in den beiden konservativeren Szenarien — d. h. den Szenarien, die von einem EBITDAR in Höhe der historischen Werte für 2013–2016 oder einem EBITDAR im Jahr 2022 gemäß dem Trägheitsszenario der Leonardo-Studie (Spalten 3 und 4 von Table 4) ausgehen — deutlich im negativen Bereich läge. Es war zu erwarten, dass der geschätzte Eigenkapitalwert in diesen Szenarien negativ ausfallen würde, da Alitalia in beiden Fällen relativ hohe jährliche Gebühren für das Flugzeugleasing zahlen muss, die über dem erwarteten jährlichen EBITDAR liegen. Daher reichen die Betriebseinnahmen (EBITDAR) in diesen Szenarien nicht einmal aus, um die Leasingkosten für die Flotte zu decken, sodass sich letztendlich ein negativer Wert für das Gesamtgeschäft ergibt.

Tabelle 4

Bewertung nach dem EBITDAR-Multiplikatorverfahren

 

 

Historische Daten (2013–2016)

Trägheitsszenario (2022)

Renaissance-Szenario (2022)

Sanierungsplan (2021)

A

EBITDAR

[XXX,XX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

 

 

 

 

 

 

B

EBITDAR-Multiplikatoren

[X,XX]x

[X,XX]x

[X,XX]x

[X,XX]x

 

 

 

 

 

 

C (A*B)

EV

[XXX]

[XXX]

[X XXX]

[X XXX]

 

 

 

 

 

 

D

Multiplikator für Verbindlichkeiten aus Operating-Leasingverhältnissen

[X]

[X]

[X]

[X]

 

 

 

 

 

 

E

Operating-Leasingverhältnisse (zum Bewertungszeitpunkt)

[XXX,XX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

 

 

 

 

 

 

F (D*E)

Berichtigung um kapitalisierte Operating-Leasingverhältnisse

[XXXX,XX]

[XXXX]

[XXXX]

[XXXX]

 

 

 

 

 

 

G

Finanzierungsleasing

[XXX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

 

 

 

 

 

 

H(C-F-G)

Eigenkapitalwert

([X XXX])

([X XXX])

[XXX]

[XXX]

 

 

 

 

 

 

Quellen:

Historischer EBITDAR und Operating-Leasingverhältnisse 2013–2016, Leonardo-Studie, S. 24

EBITDAR und Operating-Leasingverhältnisse — Trägheitsszenario, Leonardo-Studie, S. 63

EBITDAR und Operating-Leasingverhältnisse — Renaissance-Szenario, Leonardo-Studie, S. 66

EBITDAR und Operating-Leasingverhältnisse — Sanierungsplan, S. 9 Allegato 5 bis, Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 17. September 2018

Multiplikator für Verbindlichkeiten aus Operating-Leasingverhältnissen, Leonardo-Studie, S. 107

EBITDAR-Multiplikatoren, Leonardo-Studie, S. 108, Durchschnitt der Mittelwerte 2017–2019 für traditionelle Fluggesellschaften

Finanzierungsleasing, PwC-Bericht über die Finanzlage von Alitalia im Mai 2017

(314)

Im Gegensatz dazu ergibt sich unter Annahme des im Renaissance-Szenario ermittelten EBITDAR ([XXX] Mio. EUR) und unter Annahme des im Sanierungsplan genannten EBITDAR ([XXX] Mio. EUR) ein positiver Eigenkapitalwert.

(315)

Die beiden letztgenannten geschätzten Eigenkapitalwerte könnten als Obergrenze für den Barpreis angesehen werden, den ein Kapitalgeber für den Kauf von Alitalia hätte bieten können. (110) Hätten die italienischen Behörden die in den Erwägungsgründen 304 bis 315 beschriebene Analyse durchgeführt, so wäre absehbar gewesen, dass die Sonderverwalter für die Übernahme von Alitalia als fortgeführtes Unternehmen ein Barangebot von maximal [XXX] bis [XXX] Mio. EUR hätten erzielen können.

(316)

Auf dieser Grundlage hätten die italienischen Behörden feststellen können, dass selbst das höchste erwartbare Barangebot von [XXX] bis [XXX] Mio. EUR zur Rückzahlung von Kapital und Zinsen des ursprünglichen Darlehens nicht ausgereicht hätte. Wie in den Erwägungsgründen 255 und 323 beschrieben, hätte der Verkauf von Alitalia mindestens [XXX] Mio. EUR einbringen müssen, um das Kapital und die Zinsen des ursprünglichen Darlehens zurückzahlen zu können.

(317)

Die Kommission stellt fest, dass die veranschlagten [XXX] Mio. EUR nur die Obergrenze eines möglichen Barangebots sein können. Darüber hinaus werden diese positiven Eigenkapitalbewertungen erst im Jahr 2021 (nach dem Sanierungsplan) bzw. 2022 (im Renaissance-Szenario) erreicht. Folglich hätte ein potenzieller Käufer von Alitalia bei der Bewertung des Barpreises, den er 2017 zu zahlen bereit war, diesen künftigen Wert notwendigerweise auf 2017 abgezinst (d. h. den Gegenwartswert zugrunde gelegt) und auch die zwischen 2017 und 2022 erwarteten Zwischenverluste (da Gewinne nicht zu erwarten waren) berücksichtigt. Die Ausgangslage von Alitalia im Jahr 2017 war bestimmt durch ein nicht tragfähiges Geschäftsmodell mit einem EBITDAR, das nicht einmal zur Deckung der Leasingkosten für die Flugzeuge ausreichte. Jede unter Zugrundelegung der tatsächlichen Werte von Alitalia im Jahr 2017 vorgenommene Bewertung hätte unweigerlich eine negative Bewertung ergeben. Ein potenzieller Käufer von Alitalia hätte dann den Erwerb Unternehmens unter Berücksichtigung der nach der Umstrukturierungsphase erzielten potenziellen Einnahmen bewertet. In die Bewertung müsste daher das am Ende des Umstrukturierungszeitraums in den verschiedenen Szenarien erzielte Ergebnis (EBITDAR) einfließen, wobei dieser Wert jedoch zur Berücksichtigung der vor Abschluss der Umstrukturierung zu erwartenden Zwischenverluste angepasst werden müsste. Außerdem müsste auch der für die Umstrukturierung erforderliche Zeitraum berücksichtigt werden.

(318)

In einer konservativen Betrachtung könnte als Näherungswert für die erwarteten Gewinne oder Verluste das erwartete EBIT herangezogen werden. (111) Folglich würde bei der Bewertung des erwarteten Barangebots für die Übernahme von Alitalia im Mai 2017 das erwartete künftige EBIT für 2018 bis 2022 (im Renaissance-Szenario) und für 2017 bis 2021 (nach dem Sanierungsplan) berücksichtigt werden. (112) Unter Annahme eines Abzinsungsfaktors entsprechend 11,80 % (113) können dann diese EBIT-Ströme und der positive Eigenkapitalwert, der je nach Szenario im Jahr 2021 bzw. 2022 erreicht werden könnte, abgezinst werden.

(319)

Table 5 vermittelt einen Überblick über diese Berechnungen:

a)

Im Falle des Renaissance-Szenarios geht aus den Berechnungen hervor, dass der Nettogegenwartswert (Net Present Value — NPV) des ermittelten Eigenkapitalwerts von [XXX] Mio. EUR auf [XXX] Mio. EUR sinkt, sobald ein potenzieller Kapitalgeber die zum Erreichen einer stabilen Rentabilität erforderliche Zeitspanne (Fünfjahreszeitraum von 2018 bis 2022) berücksichtigt;

b)

im Falle des Sanierungsplans führt diese Anpassung zu einem Rückgang des Eigenkapitalwerts von [XXX] Mio. EUR auf [XXX] Mio. EUR.

Tabelle 5

Wiederherstellung der Rentabilität im Renaissance-Szenario und nach dem Sanierungsplan

Renaissance-Szenario

2017

2018

2019

2020

2021

2022

EBITDAR (in Mio. EUR)

[XXX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

EBIT (in Mio. EUR)

 

([XXX])

([XXX])

[XX]

[XXX]

[XXX]

Eigenkapitalwert (in Mio. EUR)

 

 

 

 

[XXX]

EBIT + Eigenkapitalwert (in Mio. EUR)

([XXX])

([XXX])

[XX]

[XXX]

[XXX]

Nettogegenwartswert (in Mio. EUR)

[XXX]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sanierungsplan

2017

2018

2019

2020

2021

 

EBITDAR (in Mio. EUR)

[XXX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

[XXX]

 

EBIT (in Mio. EUR)

([XXX])

([XX])

[XX]

[XXX]

[XXX]

 

Eigenkapitalwert (in Mio. EUR)

 

 

 

[XXX]

 

EBIT + Eigenkapitalwert (in Mio. EUR)

([XXX])

([XX])

[XX]

[XXX]

[XXX]

 

Nettogegenwartswert (in Mio. EUR)

[XXX]

 

 

 

 

 

Eigenkapitalkosten

[XX,XX] %

 

 

 

 

 

Quelle:

Eigenkapitalkosten, Leonardo-Studie, S. 99

EBITDAR und EBIT — Sanierungsplan, S. 9 Allegato 5 bis, Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 17. September 2018

EBITDAR und EBIT, Leasingverhältnisse — Renaissance-Szenario, Leonardo-Studie, S. 66

(320)

In beiden Fällen ist die Verringerung des Eigenkapitalwerts auf den Zeitabstand zurückzuführen, der notwendig ist, um die stabile Rentabilität einzustellen, die dem positiven Eigenkapitalwert des letzten Jahres 2022 zugrunde liegt, sowie auf die Phasen mit negativem EBIT, die zur Finanzierung der ersten Tätigkeitsjahre vorausgesetzt werden.

(321)

Diese Anpassungen zeigen, dass es auf der Grundlage der möglichen Szenarien für Alitalia und unter Berücksichtigung des für die Wiederherstellung der Rentabilität von Alitalia erforderlichen Umstrukturierungszeitraums plausibel gewesen wäre, ein Barangebot für Alitalia von höchstens [XXX] bis [XXX] Mio. EUR zu erwarten. Diese Spanne liegt deutlich unter dem für die Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens und der Zinsen erforderlichen Schwellenwert von [XXX] Mio. EUR (siehe Erwägungsgrund 255). Ausgehend von dieser Schätzung des möglichen Barangebots für die Übernahme von Alitalia hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter das ursprüngliche Darlehen nicht gewährt, da keine Aussichten auf eine nennenswerte Rückzahlung des ursprünglichen Darlehens bestanden.

5.1.4.2.3.4.3.4   Schlussfolgerungen zu der Frage, ob das ursprüngliche Darlehen in einem Veräußerungsszenario marktkonform gewesen wäre

(322)

Voraussetzung für die Marktkonformität des ursprünglichen Darlehens in einem Veräußerungsszenario ist, dass die Alitalia bei sechsmonatiger Laufzeit zur Verfügung stehenden Barmittel höher sind als der Rückzahlungsbetrag der Verbindlichkeiten von 630 Mio. EUR, entsprechend der Summe aus dem Darlehen von 600 Mio. EUR und den nach sechsmonatiger Laufzeit bei einem Satz von 10 % fälligen Zinsen (Erwägungsgrund 18).

(323)

Aufgrund der im Antrag auf das ursprüngliche Darlehen enthaltenen Nachweise gingen die Sonderverwalter davon aus, dass Alitalia den größten Teil des ursprünglichen Darlehens verbrauchen würde und am Ende der sechsmonatigen Laufzeit Barmittel in Höhe von 3 Mio. EUR übrig hätte (siehe Erwägungsgründe 246 bis 248). Voraussetzung für die Marktkonformität des ursprünglichen Darlehens ist somit, dass der erwartete Veräußerungspreis von Alitalia mehr als 627 Mio. EUR beträgt, entsprechend den rückzahlbaren Verbindlichkeiten von 630 Mio. EUR abzüglich der am Ende der sechsmonatigen Laufzeit erwarteten noch verfügbaren Barmittel.

(324)

Die Kommission hat die potenziellen Erlöse aus der Veräußerung von Alitalia unter Annahme der Unternehmensfortführung auf der Grundlage der von Italien vorgelegten Nachweise und ihrer eigenen Bewertung rekonstruiert. Bei der Rekonstruktion stützte sich die Kommission auf die Informationen, die einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens zur Verfügung standen (Ex-ante-Nachweise), sowie auf Ex-post-Nachweise als Referenzwerte.

(325)

Aus den von Italien vorgelegten Ex-ante-Nachweisen, insbesondere dem Bestätigungsbericht, leitete die Kommission ab, dass der Unternehmenswert von Alitalia zum 31. Dezember 2016 mit mindestens [XXXX,X] Mio. EUR zu veranschlagen war. Ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter hätte diesen Unternehmenswert nicht als potenziellen Veräußerungspreis angesetzt, da im Zusammenhang mit den zum Verkauf stehenden Vermögenswerten Verbindlichkeiten bestanden, deren Höhe zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens unklar war. Ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter hätte bei der Bewertung von Alitalia auch realistischere Rentabilitätserwartungen gehabt, als dies im Sanierungsplan der Fall war. Konkret hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter Alitalia in dem Szenario, in dem es Alitalia bis 2021 gelingen würde, ebenso rentabel zu werden wie vergleichbare Unternehmen, mit höchstens [XXX,X] Mio. EUR bewertet (siehe Erwägungsgrund 281). Darüber hinaus hätte ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber berücksichtigt, dass einige Verbindlichkeiten, d. h. diejenigen, die Alitalia im Rahmen der Sonderverwaltung übertragen würden, von diesem Unternehmenswert abgezogen werden müssten.

(326)

Auf der Grundlage weiterer Ex-ante-Nachweise, nämlich der in den Erwägungsgründen 303 bis 321 anhand öffentlich zugänglicher Ex-ante-Daten dargelegten Bewertung, bezifferte die Kommission den Veräußerungspreis von Alitalia auf höchstens [XXX] Mio. EUR. Diese Bewertung stützt sich auf realistischere Rentabilitätsprognosen als der Bewertungsbericht sowie auf im Luftverkehrssektor übliche Bewertungsverfahren und berücksichtigt die mit den Vermögenswerten von Alitalia verbundenen Verbindlichkeiten.

(327)

Dieser Schätzwert wird auch durch die in der Leonardo-Studie vorgenommene Bewertung (Erwägungsgründe 284 bis 297) und durch die Angebote zum Kauf bestimmter Sparten von Alitalia (Erwägungsgründe 298 bis 302) bestätigt.

(328)

Insgesamt liegt Preis für die Übernahme von Alitalia unter der Annahme der Unternehmensfortführung auf der Grundlage der Ex-ante-Nachweise deutlich unter dem Wert von 627 Mio. EUR, der für die Gewährung des ursprünglichen Darlehens unter Erfüllung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers erforderlich gewesen wäre (Erwägungsgrund 255).

(329)

Die Kommission stellt ferner fest, dass sich die Ex-ante-Bewertungen und die Leonardo-Studie auf das Gesamtunternehmen Alitalia vor der Sonderverwaltung bzw. auf das größte zum Verkauf stehende Los (das Gesamtlos) beziehen. Ein privater Kapitalgeber hätte sich jedoch für einen kleineren Teil der Vermögenswerte interessieren können, was zu noch niedrigeren Veräußerungserlösen geführt hätte als die, die sich aus den Bewertungen des Gesamtunternehmens ergeben.

(330)

Ergänzend zu den quantitativen Schätzungen des Veräußerungspreises von Alitalia stellt die Kommission fest, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter angesichts der erheblichen Unsicherheiten, die hinsichtlich der Erlöse aus der Veräußerung oder Umstrukturierung und des Zeitrahmens bis zum Abschluss der jeweiligen Verfahren bestanden, vermutlich weniger als 100 % des prognostizierten Veräußerungspreises als Darlehen gewährt hätte. Nach den vorliegenden Informationen wäre der Abschluss des Verkaufs oder der Umstrukturierung innerhalb der sechsmonatigen Laufzeit des Darlehens ein sehr ehrgeiziges Ziel gewesen. Ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter hätte berücksichtigt, dass sich bei Nichterreichen dieses Ziels die Rückzahlung verzögert, zusätzliche Zinsen anfallen und womöglich ein zusätzliches Darlehen erforderlich wäre, da zu erwarten war, dass Alitalia seinen defizitären Trend fortsetzt (siehe Erwägungsgründe 218 ff.). Die Kommission stellt fest, dass das letztgenannte Szenario tatsächlich eingetreten ist, als Italien das zweite Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR gewährte, wie in den Abschnitten 1.2 und 2 dieses Beschlusses erläutert.

(331)

Auf der Grundlage dieser Nachweise kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das ursprüngliche Darlehen nicht marktkonform war, da der zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens aus dem Verkauf erwartete Erlös zusammen mit den erwarteten verfügbaren Barmitteln weniger als 630 Mio. EUR (entsprechend der Summe aus Kapital und Zinsen) betrug. Deshalb ist die Kommission auch der Auffassung, dass sich die Prüfung der Marktkonformität des Zinssatzes von 10 % erübrigt, da ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber das ursprüngliche Darlehen nicht gewährt hätte. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass der gesamte Betrag des ursprünglichen Darlehens Alitalia einen Vorteil verschaffte.

(332)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass die Schlussfolgerungen zum Veräußerungsszenario mit denen zum Umstrukturierungsszenario in Einklang stehen und diese weiter untermaueRn. So sind im ersten Jahr der Geschäftspläne, die den Schätzungen des Unternehmenswerts im Bestätigungsbericht (Abschnitt 4.2.1.3) und in der Leonardo-Studie (Abschnitt 4.2.2.1) zugrunde liegen, negative Cashflows ausgewiesen. Somit hätte selbst dann, wenn die Sonderverwalter Alitalia nach diesen Geschäftsplänen hätten umstrukturieren können, das ursprüngliche Darlehen die im ersten Jahr des Planungszeitraums erwarteten Verluste gedeckt. Folglich hätte Alitalia zum Fälligkeitstermin des ursprünglichen Darlehens (d. h. zum 5. November 2017) nicht über genügend Barmittel verfügt, um das ursprüngliche Darlehen zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen.

5.1.4.2.3.4.3.5   Nachweise zum Wert von Alitalia in einem Liquidationsszenario

(333)

Als eine Option für den Umgang mit der Lage von Alitalia erwog die Geschäftsleitung von Alitalia im Dezember 2016, also vor Einleitung des Sonderverwaltungsverfahrens, als Alternative zum Sanierungsplan die Abwicklung des Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens. (114) In diesem Szenario wäre der Wert der Vermögenswerte auf [weniger als 2] Mrd. EUR beziffert worden, während der Wert der Verbindlichkeiten [mehr als 3] Mrd. EUR betragen hätte, was zu einem Nettowert von rund -[1–2] Mrd. EUR geführt hätte. Darüber hinaus nahm die Unternehmensleitung an, dass sich die Kosten für die Abwicklung von Alitalia auf [mehr als 4] Mrd. EUR belaufen würden, wenn die mit den Leasingverhältnissen und mit Entlassungen zusammenhängenden Eventualverbindlichkeiten hinzugerechnet würden.

(334)

Der von der Unternehmensleitung geschätzte Vermögenswert von [1-2] Mrd. EUR — im Sanierungsplan als das Liquidationsszenario beschrieben — ergibt sich aus einem Verkauf jedes einzelnen in der Bilanz von Alitalia aufgeführten Vermögenswerts unter Annahme eines vermögenswertspezifischen Preises. So wird beispielsweise die in Eigenbesitz befindliche Flotte zum gegenwärtigen Marktwert bewertet, wobei die damit verbundenen Instandhaltungs- und Wartungskosten um weitere 20 % gesenkt wurden. Der geschätzte Wert der geleasten Flotte ist gleich null; Gleiches gilt für immaterielle Vermögenswerte, Beteiligungen und andere spezifische Vermögenswerte (z. B. latente Steuergutschriften, verfügungsbeschränkte Barmittel usw.).

(335)

Die Kommission ist der Auffassung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter das ursprüngliche Darlehen auf der Grundlage des in einem Liquidationsszenario ermittelten Wertes der Vermögenswerte nicht gewährt hätte.

(336)

Erstens erklärte die Unternehmensleitung von Alitalia, dass es sich um eine vorläufige Bewertung handele, die durch ein Sachverständigengutachten bestätigt werden müsse. Zweitens ist, solange die Verbindlichkeiten eines Unternehmens im Rahmen der Sonderverwaltung eingefroren sind, nicht klar, welcher Betrag von den Verbindlichkeiten in Höhe von [mehr als 3] Mrd. EUR und zusätzlichen Eventualverbindlichkeiten übrig bleiben würde. Drittens wären die Erlöse aus der separaten Veräußerung der einzelnen Vermögenswerte in einem Liquidationsszenario schrittweise und über einen langen Zeitraum angefallen, insbesondere angesichts der begrenzten Rechte der Gläubiger, ihre Forderungen gegen ein unter Sonderverwaltung gestelltes Unternehmen geltend zu machen (siehe Erwägungsgrund 47).

(337)

Die italienischen Behörden gaben auch eine Studie in Auftrag, um den Liquidationswert von Alitalia während des Sonderverwaltungsverfahrens zu schätzen. Die Studie sollte in zwei Teile gegliedert werden. Der erste Teil, der abgeschlossen und der Kommission vorgelegt wurde, enthielt nur qualitative Elemente, während der zweite Teil, den die Kommission nicht erhalten hat, eine quantitative Bewertung des Liquidationswerts lieferte. Im letzten Abschnitt des ersten Teils der Liquidationsstudie werden die Erlöse aus dem Verkauf von Alitalia im Rahmen einer Liquidation mit einem Szenario der Unternehmensfortführung verglichen. Dieser Vergleich ist qualitativer Natur, zeigt aber deutlich, dass der Erlös aus dem Verkauf von Alitalia bei einer Liquidation geringer ausgefallen wäre als bei Fortführung des Unternehmens.

(338)

Darüber hinaus hat die Kommission geprüft, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter nach den sonderverwaltungsrechtlichen Vorschriften die Zahlung hätte durchsetzen können, beispielsweise durch einen Antrag auf Liquidation von Alitalia. Die italienischen Behörden teilten in ihrem Schreiben vom 3. Juni 2019 mit, dass es Gläubigern nach den italienischen Rechtsvorschriften nicht erlaubt war, eine Umwandlung des Sonderverwaltungsverfahrens in eine Insolvenz zu beantragen. Nach den Artikeln 69 und 70 des Gesetzesdekrets Nr. 270/99 kann das zuständige Gericht die Umwandlung eines Sonderverwaltungsverfahrens in eine Insolvenz entweder von Amts wegen oder auf Antrag der Sonderverwalter anordnen. Auch wenn das Gericht von Amts wegen tätig werden kann, ist es nach italienischem Recht für einen Gläubiger nicht möglich, die Liquidation von Alitalia auszulösen.

(339)

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten bei der Beurteilung des erwarteten Erlöses aus einem Verkauf des Unternehmens unter der Annahme der Unternehmensfortführung nicht erfüllt ist, ist die Kommission der Auffassung, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auch bei einem hypothetischen Verkauf der einzelnen Unternehmensteile nicht erfüllt gewesen wäre.

5.1.4.2.4.   Würdigung des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR

(340)

Unbeschadet der in den Erwägungsgründen 189 bis 191 vorgenommenen Bewertung wird die Kommission in diesem Abschnitt das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten gesondert auf das zweite Darlehen als eigenständige und vom ursprünglichen Darlehen unabhängige Maßnahme anwenden. (115) Bei der Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten berücksichtigt die Kommission, dass einem marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten am 16. Oktober 2017, also zum Zeitpunkt der Gewährung des zweiten Darlehens, über die zum Zeitpunkt der Gewährung des ursprünglichen Darlehens bekannten Fakten hinaus die folgenden weiteren Fakten vorgelegen hätten:

a)

Die Sonderverwalter hatten bereits beschlossen, Alitalia zu verkaufen und nicht umzustrukturieren;

b)

die Sonderverwalter hatten Angebote für die zum Verkauf stehenden Teile von Alitalia erhalten (Abschnitt 4.2.2.3), ohne dass dies zum tatsächlichen Verkauf des Unternehmens geführt hätte;

c)

den Sonderverwaltern standen die Leonardo-Studie und die darin enthaltene Bewertung von Alitalia zur Verfügung (Abschnitt 4.2.2.3);

d)

die Frist für den Abschluss des Verkaufsverfahrens, die ursprünglich auf den 5. November 2017 — d. h. auf den Fälligkeitstermin des ursprünglichen Darlehens — festgelegt war, wurde bis zum 30. April 2018 verlängert;

e)

Alitalia hatte weder das ursprüngliche Darlehen noch die aufgelaufenen Zinsen zurückgezahlt;

f)

am 30. September 2017 verfügte Alitalia zusätzlich zu den [300–400] Mio. EUR, die aus dem Darlehen von 600 Mio. EUR zur Verfügung standen, über Barmittel in Höhe von [180–220] Mio. EUR.

(341)

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (116) lässt die Kommission bei ihrer Würdigung die Vorteile und Verpflichtungen, die aus dem ursprünglichen Darlehen erwachsen, außer Acht. Da es sich bei dem ursprünglichen Darlehen um eine Beihilfe handelt, beziehen sich die entsprechenden Vorteile und Verpflichtungen auf den Staat als Träger öffentlicher Gewalt und nicht als marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter.

(342)

Daher prüft die Kommission, in welcher finanziellen Lage sich Alitalia ohne das ursprüngliche Darlehen von 600 Mio. EUR befunden hätte. In diesem Szenario hätte Alitalia am 30. September 2017 einen negativen Kassenbestand in Höhe von [30–50] Mio. EUR gehabt. (117) Vermutlich wäre der Kassenbestand von Alitalia am 16. Oktober 2017 noch schlechter gewesen, da das Unternehmen Verluste machte. (118) Da ein Unternehmen nur betrieblich tätig sein kann, wenn die Mittelzuflüsse die Mittelabflüsse übersteigen, wäre nach Ansicht der Kommission ohne Gewährung des ursprünglichen Darlehens die Insolvenz von Alitalia ein realistisches Szenario gewesen.

(343)

Da Alitalia ohne das ursprüngliche Darlehen zahlungsunfähig gewesen wäre, hätte das Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung des zweiten Darlehens nicht mehr bestanden; folglich hätte zu dem Zeitpunkt kein marktwirtschaftlich handelnder Kreditgeber eine etwaige Gewährung des zweiten Darlehens in Betracht gezogen. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht gesondert auf das zweite Darlehen angewandt werden kann. Im folgenden Abschnitt bewertet die Kommission die beiden Darlehen als eine einzige und miteinander verflochtene Maßnahme.

5.1.4.2.5   Gesamtwürdigung des Zusammenspiels der beiden staatlichen Darlehen an Alitalia

(344)

In diesem Abschnitt nimmt die Kommission eine Gesamtbewertung des Zusammenspiels der beiden staatlichen Darlehen vor. Die folgenden Tatsachen legen nahe, dass die beiden staatlichen Darlehen untrennbar miteinander verbunden sind und zu ein und derselben Maßnahme gehören:

a)

die Identität der Stelle, die die beiden staatlichen Darlehen gewährt hat (der italienische Staat);

b)

fehlendes proaktives Handeln des italienischen Staates, d. h. der Umstand, dass vor der Gewährung der beiden staatlichen Darlehen keine wirtschaftliche Bewertung vorgenommen wurde und dass, nachdem Alitalia bei Fälligkeit der beiden staatlichen Darlehen weder das Kapital noch die Zinsen zurückgezahlt hatte, keine Kreditsicherungsmaßnahmen (z. B. Liquidation) in Betracht gezogen wurden;

c)

die zeitliche Abfolge der beiden in Rede stehenden staatlichen Darlehen, die in einem Abstand von weniger als sechs Monaten gewährt wurden;

d)

der Zweck der beiden staatlichen Darlehen, die im Rahmen einer Strategie gewährt wurden, nach der Alitalia bis zum Verkauf seiner Vermögenswerte unterstützt und am Markt gehalten werden sollte und die Geschäftstätigkeit sowie die Arbeitsplätze durch eine quasi automatische Deckung des Liquiditätsbedarfs von Alitalia gesichert werden sollten, und zwar ungeachtet der Wahrscheinlichkeit einer Rückzahlung der Darlehen. Diese Strategie wird auch in einer Reihe politischer Erklärungen dargelegt (siehe Abschnitt 5.1.4.1);

e)

die Finanz- und Risikosituation von Alitalia zu der Zeit, als die Entscheidungen über die Gewährung der beiden staatlichen Darlehen jeweils getroffen wurden. (119)

(345)

Die in den Erwägungsgründen 340 bis 343 dargelegte Analyse der Kommission stützt das Argument, dass das zweite Darlehen untrennbar mit dem ursprünglichen Darlehen verbunden ist. Diese Analyse ergibt, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht gesondert auf das zweite Darlehen angewandt werden kann, da sich ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter ohne das ursprüngliche Darlehen nicht in der Lage des italienischen Staates befunden hätte. Somit ist das zweite Darlehen Teil derselben Maßnahme wie das ursprüngliche Darlehen, da es das zweite Darlehen ohne das erste nicht gegeben hätte.

(346)

Bei Prüfung der beiden staatlichen Darlehen als Teile einer einzigen Maßnahme kommt die Kommission zu dem Schluss, dass, wenn das ursprüngliche Darlehen Alitalia einen Vorteil verschaffte, dies auch für das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR gilt.

Schlussfolgerungen zum Vorliegen eines Vorteils

(347)

Abschließend stellt die Kommission erstens fest, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten nicht auf die beiden Alitalia gewährten staatlichen Darlehen anwendbar ist. Zweitens ist die Kommission der Auffassung, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten selbst dann, wenn es anwendbar wäre, weder in Bezug auf die beiden staatlichen Darlehen zusammen noch bei getrennter Betrachtung der beiden staatlichen Darlehen erfüllt ist. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter angesichts der fehlenden Aussichten auf Rückzahlung weder das ursprüngliche Darlehen noch das zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR gewährt hätte.

(348)

Die Kommission stellt ferner fest, dass die Bedingungen der beiden staatlichen Darlehen, wie die Fristen zur Rückzahlung des Kapitals und der Zinszahlungen, immer wieder verschoben wurden, da das Hauptziel der italienischen Behörden darin bestand, Alitalia unabhängig von den einschlägigen Bedingungen neue Barmittel zuzuführen. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen als Zuschüsse anzusehen sind, die die italienische Regierung Alitalia zur Unterstützung der Unternehmensfortführung gewährt hat.

(349)

Da die Kommission der Auffassung ist, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten auf die beiden staatlichen Darlehen nicht anwendbar ist und dass dieses Kriterium, selbst wenn es anwendbar wäre, nicht erfüllt wäre, da kein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter Alitalia diese Darlehen gewährt hätte, kommt die Kommission insgesamt zu dem Schluss, dass der italienische Staat Alitalia einen Vorteil in Höhe des Nominalbetrags der beiden Darlehen, nämlich 900 Mio. EUR, verschafft hat.

5.1.5.   Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

(350)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV muss eine Maßnahme, um eine staatliche Beihilfe darzustellen, den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel innerhalb der Union beeinträchtigen. (120)

(351)

Ist eine vom Staat gewährte Maßnahme geeignet, die Wettbewerbsstellung des Empfängers gegenüber seinen Wettbewerbern zu verbessern, so wird sie als Maßnahme erachtet, die den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Es reicht daher aus, dass eine Beihilfe die Wettbewerbsstellung eines Empfängers im Vergleich zu seiner Lage ohne Beihilfe stärkt.

(352)

Den Angaben im Sonderverwaltungsprogramm zufolge ist die Alitalia-Gruppe die wichtigste italienische Fluggesellschaft. Im Einzelnen hatte Alitalia einen Marktanteil von 12,6 % des gesamten Fluggastaufkommens von und nach Italien (32,6 % bei ausschließlicher Berücksichtigung des Inlandsverkehrs) und beförderte in den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 rund 18,5 Mio. Fluggäste (16,3 Mio. Fluggäste entfielen auf Alitalia und 2,2 Mio. Fluggäste auf CityLiner), davon 55 % auf Inlandsstrecken, 32 % auf internationalen Strecken und 13 % auf interkontinentalen Strecken. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 flog Alitalia 94 Ziele an, darunter 26 in Italien und 68 in der übrigen Welt mit insgesamt mehr als 4 200 Flügen pro Woche. Dem im September 2018 veröffentlichten vierteljährlichen Bericht der Sonderverwalter (121) zufolge herrschte auf dem italienischen Markt für den Fluggastverkehr ein starker Wettbewerb; zudem ist der Markt u. a. durch eine hohe Marktdurchdringung von Billigfluggesellschaften auf dem inländischen Markt (mit dem höchsten Anteil an Billigfluggesellschaften in Europa) und dem innereuropäischen Markt gekennzeichnet.

(353)

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die beiden staatlichen Darlehen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, da sie Alitalia betreffen, ein Unternehmen, dessen Beförderungstätigkeit schon ihrer Natur nach unmittelbar den Handel betrifft und sich, wie oben dargelegt, auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt. Die beiden staatlichen Darlehen verfälschen auch den Wettbewerb im Binnenmarkt oder drohen ihn zu verfälschen, da sie nur ein einziges Unternehmen betreffen, das auf dem europäischen Netz mit anderen Fluggesellschaften im Wettbewerb steht.

Schlussfolgerung zum Vorliegen einer staatlichen Beihilfe

(354)

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen eine Beihilfe gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen, und wird daher ihre Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt prüfen. Unmittelbar Begünstigte der Beihilfe sind Alitalia und der Teil der Alitalia-Gruppe, der unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten eine wirtschaftliche Einheit bildet. Diese wirtschaftliche Einheit wird dann als das relevante Unternehmen angesehen, das von der Beihilfemaßnahme profitiert. Um zu ermitteln, ob mehrere Einheiten eine wirtschaftliche Einheit bilden, prüfen die Unionsgerichte, ob Kontrollbeteiligungen oder funktionelle, wirtschaftliche oder institutionelle Verbindungen bestehen.

5.2.   Rechtmäßigkeit der Beihilfe

(355)

Die Kommission stellt fest, dass die beiden staatlichen Darlehen Alitalia vor der entsprechenden Anmeldung bei der Kommission gewährt wurden. Somit wurden die beiden staatlichen Darlehen unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV und das darin festgelegte Durchführungsverbot gewährt.

(356)

Da die beiden staatlichen Darlehen als Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV gewertet wurden, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass sie eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstellen.

6.   VEREINBARKEIT DER BEIHILFE MIT DEM BINNENMARKT

(357)

Sofern die beiden staatlichen Darlehen staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellen, muss die Kommission prüfen, ob diese Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden können.

(358)

Staatliche Beihilfen gelten als mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie in eine der in Artikel 107 Absatz 2 AEUV genannten Kategorien fallen, und können als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, wenn die Kommission feststellt, dass sie in eine der in Artikel 107 Absatz 3 AEUV aufgeführten Kategorien fallen.

(359)

Jedoch trägt der Mitgliedstaat, der die Beihilfe gewährt hat, die Beweislast dafür, dass die von ihm gewährte staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. (122)

6.1.   Würdigung gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV und insbesondere anhand der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen

6.1.1.   Förderfähigkeit gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV und insbesondere anhand der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen

(360)

Nach Auffassung Italiens müssten die beiden staatlichen Darlehen, wenn sie als staatliche Beihilfen eingestuft werden, im Rahmen der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen als Rettungsbeihilfen gewertet werden, da Alitalia ein Unternehmen in Schwierigkeiten sei; folglich seien die beiden staatlichen Darlehen auf der Grundlage dieser Leitlinien mit dem Binnenmarkt vereinbar. Diese Leitlinien enthalten Regeln und Bedingungen zum Zweck der Prüfung der Vereinbarkeit von Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV.

(361)

Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV kann die Kommission Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige innerhalb der Europäischen Union als mit dem Binnenmarkt vereinbar betrachten, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

(362)

Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV und insbesondere anhand der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen geprüft.

(363)

Die Kommission stellt fest, dass Alitalia als Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Randnummer 20 Buchstabe c der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen einzustufen ist, da es zum maßgeblichen Zeitpunkt für insolvent erklärt wurde (Erwägungsgrund 41). Folglich ist die einzige Grundlage für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt eine Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe im Sinne der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen.

(364)

Hier sind zwei in diesen Leitlinien definierte Arten von Beihilfen maßgeblich, nämlich Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen.

(365)

Nach Randnummer 26 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen sind Rettungsbeihilfen ihrem Wesen nach dringende vorübergehende Unterstützungsmaßnahmen. Sie sollen das Unternehmen während der kurzen Zeit über Wasser halten, die für die Erstellung eines Umstrukturierungs- oder Abwicklungsplans benötigt wird.

(366)

Gemäß Randnummer 27 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen beinhalten Umstrukturierungsbeihilfen häufig eine dauerhaftere Unterstützung und dienen der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des begünstigten Unternehmens auf der Grundlage eines realistischen, kohärenten und weitreichenden Umstrukturierungsplans; dabei müssen ein angemessener Eigenbeitrag, eine angemessene Lastenverteilung und die Begrenzung etwaiger Wettbewerbsverfälschungen gewährleistet sein.

(367)

Italien machte zwar geltend, dass die beiden staatlichen Darlehen eine Rettungsbeihilfe darstellen könnten (sofern sie überhaupt eine Beihilfe beinhalten), hat aber nicht geltend gemacht, dass sie eine Umstrukturierungsbeihilfe darstellen könnten. Italien hat auch keine der erforderlichen Nachweise dafür vorgelegt, dass diese Darlehen die in den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen festgelegten Kriterien für eine Umstrukturierungsbeihilfe erfüllen.

(368)

Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen können nur dann als mit den Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vereinbar angesehen werden, wenn sie eine Reihe kumulativer Kriterien gemäß Abschnitt 3 der Leitlinien erfüllen.

6.1.2.   Vereinbarkeit einer Rettungsbeihilfe

(369)

In Bezug auf Rettungsbeihilfen kam die Kommission im Einleitungsbeschluss vorläufig zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar waren, da sie drei Kriterien der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen nicht erfüllten: i) Geeignetheit (Randnummer 38 Buchstabe c und Randnummer 55 Buchstabe d); ii) Angemessenheit (Randnummer 38 Buchstabe e); iii) Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel (Randnummer 38 Buchstabe f).

(370)

Zur Geeignetheit stellte die Kommission im Einleitungsbeschluss fest, dass das ursprüngliche Darlehen nicht innerhalb von sechs Monaten ab der ersten Darlehensauszahlung an Alitalia, d. h. spätestens am 4. November 2017, zurückgezahlt wurde und dass die Rückzahlungsfrist um mehr als ein Jahr verlängert und ein weiteres Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR gewährt wurde.

(371)

Die Kommission stellt fest, dass das Kriterium der Geeignetheit, das für die Einstufung der beiden staatlichen Darlehen als Rettungsbeihilfe vorausgesetzt wird, nicht erfüllt ist, da die Voraussetzungen gemäß Randnummer 55 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien nicht gegeben waren: a) Die beiden staatlichen Darlehen wurden nicht innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Gewährung zurückgezahlt; b) es lag kein Umstrukturierungsplan im Sinne von Abschnitt 3.1.2 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien vor; c) es gab keinen Abwicklungsplan im Sinne von Randnummer 55 Buchstabe d Ziffer iii der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen. Das bedeutet konkret:

a)

Zum Zeitpunkt der Annahme dieses Beschlusses waren weder das ursprüngliche Darlehen vom 2. Mai 2017 noch das am 16. Oktober 2017 gewährte zusätzliche Darlehen von 300 Mio. EUR zurückgezahlt worden;

b)

die italienischen Behörden haben der Kommission keinen Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von Alitalia gemäß Randnummer 55 Buchstabe d Ziffer ii der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vorgelegt und

c)

die italienischen Behörden haben der Kommission keinen Plan für die Abwicklung von Alitalia innerhalb einer angemessenen Frist (Abwicklungsplan) gemäß Randnummer 55 Buchstabe d Ziffer iii der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vorgelegt. Diesbezüglich stellt das Sonderverwaltungsprogramm aufgrund seines Zeitrahmens und des großen Spielraums, der dem Bieter bei der Wahl des Umfangs der zu erwerbenden Vermögenswerte eingeräumt wird, keinen Abwicklungsplan dar.

(372)

Da die Voraussetzungen für Rettungsbeihilfen kumulativ sind, kommt die Kommission ohne die anderen Kriterien prüfen zu müssen zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen nicht die Voraussetzungen einer Rettungsbeihilfe im Sinne der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen erfüllen. Daher können die beiden staatlichen Darlehen nach den in diesen Leitlinien festgelegten Vorschriften für Rettungsbeihilfen nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

6.1.3.   Vereinbarkeit einer Umstrukturierungsbeihilfe

(373)

Was die Umstrukturierungsbeihilfe anbelangt, so haben die italienischen Behörden, wie in Erwägungsgrund 371 Buchstabe b dargelegt, der Kommission weder einen Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität noch einen Abwicklungsplan betreffend den Verkauf der Vermögenswerte von Alitalia und die anschließende Abwicklung des Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist gemäß Randnummer 55 Buchstabe d Ziffern ii bzw. iii der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vorgelegt.

(374)

Dennoch wird die Kommission prüfen, ob die von Italien vorgelegten Unterlagen als Umstrukturierungsplan gelten könnten. Das einzige Dokument, das einem solchen Plan entsprechen könnte, ist das Sonderverwaltungsprogramm (siehe Erwägungsgrund 43).

(375)

Italien erklärte, nach den Vorschriften über die Sonderverwaltung seien die Sonderverwalter nicht zur Erstellung eines Umstrukturierungsplans verpflichtet, wobei jedoch der Käufer von Alitalia am Ende des Verkaufsprozesses einen Geschäftsplan vorlegen könne.

(376)

Nach Auffassung der Kommission ist das Sonderverwaltungsprogramm nicht als realistischer, kohärenter und weitreichender Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von Alitalia im Sinne des Abschnitts 3.1.2 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen anzusehen, sondern stellt lediglich ein Programm dar, mit dem Alitalia bis zum Abschluss des Verkaufs seiner Vermögenswerte am Leben erhalten werden sollte. In dem Programm werden weder eine Umstrukturierung oder Rationalisierung der Tätigkeiten von Alitalia dargelegt, noch wird aufgezeigt, wie das Unternehmen zu Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zurückgeführt werden könnte.

(377)

Das Programm selbst ist ausschließlich auf die Erhaltung der produktiven Vermögenswerte von Alitalia durch die Fortführung der Geschäftstätigkeit ausgerichtet, damit das Verkaufsverfahren abgeschlossen werden kann. (123) Da sich das Sonderverwaltungsverfahren in einem Anfangsstadium befand und das Programm im Kontext eines makroökonomischen Gesamtrahmens stand (124), enthielt das Programm nicht einmal eine (endgültige und quantitative) Prognose zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten von Alitalia auf der Grundlage der erwarteten Ergebnisse des Sonderverwaltungsverfahrens.

(378)

Was die Angemessenheit der Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Randnummer 61 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen betrifft, so müssen sich Höhe und Intensität der Umstrukturierungsbeihilfe auf das Minimum beschränken, das angesichts der verfügbaren Finanzmittel des begünstigten Unternehmens, seiner Anteilseigner oder der Unternehmensgruppe, der es angehört, für die Umstrukturierung unbedingt erforderlich ist. Insbesondere müssen ein ausreichender Eigenbeitrag zu den Umstrukturierungskosten und eine ausreichende Lastenverteilung gewährleistet sein.

(379)

Italien hat keinen Nachweis dafür erbracht, dass ein Kapitalgeber oder eine Gruppe von Kapitalgebern bereit gewesen wäre, einen neuen „Eigenbeitrag“ zu leisten, der, wie in Abschnitt 3.5.2.1 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen gefordert, dem Beihilfebetrag (zumindest dem Nennbetrag der beiden staatlichen Darlehen) hätte entsprechen müssen.

(380)

Schließlich sind nach Randnummer 76 ff. der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen bei der Gewährung von Umstrukturierungsbeihilfen Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverfälschungen zu ergreifen, damit nachteilige Auswirkungen auf die Handelsbedingungen so weit wie möglich minimiert werden und die positiven Auswirkungen die nachteiligen überwiegen.

(381)

Entgegen der Vorgabe in Abschnitt 3.6.2 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen haben die italienischen Behörden keine Vorkehrungen gegen unzumutbare Wettbewerbsverzerrungen (Ausgleichsmaßnahmen) vorgelegt, wie z. B. ein Kapazitätsabbau bei den verfügbaren Sitzplatzkilometern oder eine Verringerung der Flughafenzeitnischen.

(382)

Da die Voraussetzungen für Umstrukturierungsbeihilfen kumulativ sind, kommt die Kommission ohne die anderen Kriterien prüfen zu müssen zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen nicht die Voraussetzungen einer Umstrukturierungsbeihilfe im Sinne der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen erfüllen, denn es gibt keine Nachweise dafür, dass:

a)

eines der von Italien vorgelegten Dokumente die Voraussetzungen eines Umstrukturierungsplans zur langfristigen Wiederherstellung der Rentabilität von Alitalia gemäß Abschnitt 3.1.2 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen erfüllt;

b)

ein Kapitalgeber bereit gewesen wäre, einen Eigenbeitrag gemäß Abschnitt 3.5.2.1 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen zu leisten; und

c)

Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von Abschnitt 3.6.2 der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen geplant waren.

(383)

Zusammenfassend kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen nicht als mit dem Binnenmarkt vereinbare Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen angesehen werden können. Da Italien keine weiteren Gründe für die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt vorgebracht hat, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die beiden staatlichen Darlehen nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

7.   SCHLUSSFOLGERUNG

(384)

Die Kommission stellt fest, dass die Maßnahme, die aus dem Darlehen von 600 Mio. EUR und dem Darlehen von 300 Mio. EUR zugunsten von Alitalia besteht, eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellt. Italien hat die Beihilfemaßnahme unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV rechtswidrig gewährt.

8.   RÜCKFORDERUNG

(385)

Der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte folgend heißt es in Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2015/1589: „In Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern.“

(386)

Da die beiden in Rede stehenden staatlichen Beihilfen unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV durchgeführt wurden und als rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen zu betrachten sind, sollten sie zurückgefordert werden, um die Lage wiederherzustellen, die vor ihrer Gewährung auf dem Binnenmarkt bestanden hat. Die Rückforderung muss sich auf den Zeitraum ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beihilfe dem Begünstigen zur Verfügung gestellt wurde, bis zur tatsächlichen Rückzahlung erstrecken. Auf die zurückzufordernden Beträge sollten bis zu ihrer vollständigen Rückzahlung Rückforderungszinsen erhoben werden.

(387)

Wie in Erwägungsgrund 349 festgestellt, ist der Gesamtbetrag der beiden staatlichen Darlehen als Vorteil, der Alitalia von Italien gewährt wurde, einzustufen. Daher kann der Beihilfebetrag schon in dieser Phase auf 900 Mio. EUR beziffert werden. Italien muss die Rückforderungszinsen berechnen, die ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beihilfe an Alitalia ausgezahlt wurde, bis zur vollständigen Rückzahlung des Beihilfebetrags angefallen sind. Die Zinsen sollten nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission (125) anhand der Zinseszinsformel berechnet werden.

(388)

Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe und der fälligen Rückforderungszinsen, die nach der in Erwägungsgrund 387 beschriebenen Methode berechnet wurden, entsteht unabhängig von etwaigen zusätzlichen Zinsen, die Italien aufgrund des nationalen Rechts oder aufgrund von Verträgen zwischen Alitalia und Italien von Alitalia verlangen muss. Italien darf jedoch keine Klauseln oder Bestimmungen aus dem nationalen Recht oder aus Verträgen mit dem Beihilfeempfänger geltend machen, um die Rückforderung über mehr als vier Monate nach Bekanntgabe dieses Beschlusses hinaus zu verzögern oder den zurückzufordernden Betrag herabzusetzen, der den Beihilfebetrag von 900 Mio. EUR zuzüglich der anwendbaren Rückforderungszinsen umfassen muss.

(389)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass Alitalia (den Feststellungen zufolge unmittelbar Begünstigter des Nennbetrags der Beihilfe) aufgrund der potenziell durch Alitalia ausgeübten Kontrolle unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten eine wirtschaftliche Einheit mit den anderen Unternehmen der Alitalia-Gruppe bilden kann (siehe Erwägungsgrund 354). Die Kommission ist der Auffassung, dass Italien in erster Linie die rechtswidrigen und mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen, die der Alitalia-Gruppe gewährt wurden, von Alitalia zurückzufordern hat. Sollte es nicht möglich sein, die Beihilfe von Alitalia in voller Höhe zurückzufordern, sollte Italien alle ausstehenden Beträge von einer anderen eigenständigen juristischen Person zurückfordern, die Teil der Alitalia-Gruppe ist und eine wirtschaftliche Einheit mit Alitalia bildet, um sicherzustellen, dass der gewährte Vorteil beseitigt und die zuvor auf dem Markt bestehende Situation durch die Rückforderung wiederhergestellt wird —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Das Darlehen in Höhe von 600 Mio. EUR und das Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR, die Italien am 2. Mai 2017 bzw. am 16. Oktober 2017 zugunsten von Alitalia — Società Aerea Italiana S.p.A. in amministrazione straordinaria gewährt hat, stellen eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar. Diese Beihilfe wurde von Italien unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union rechtswidrig durchgeführt.

Artikel 2

Die staatliche Beihilfe, die Alitalia — Società Aerea Italiana S.p.A. in amministrazione straordinaria in Form eines Darlehens von 600 Mio. EUR und eines Darlehens von 300 Mio. EUR am 2. Mai 2017 bzw. am 16. Oktober 2017 gewährt wurde, ist nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 3

(1)   Italien fordert die in Artikel 1 Absatz 2 genannten mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen vom Empfänger zurück.

(2)   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Tag, an dem die Beihilfen dem Empfänger zur Verfügung gestellt wurden, bis zur tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

(3)   Die in Absatz 2 genannten Zinsen werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 anhand der Zinseszinsformel berechnet.

Artikel 4

(1)   Die in Artikel 1 Absatz 2 genannte Beihilfe wird sofort in wirksamer Weise zurückgefordert.

(2)   Italien stellt sicher, dass dieser Beschluss innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

Artikel 5

(1)   Italien übermittelt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)

Gesamtbetrag (Nennbetrag und Zinsen), der vom Empfänger zurückzufordern ist;

b)

eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen; und

c)

Unterlagen, die belegen, dass eine Rückzahlungsanordnung an den Empfänger ergangen ist.

(2)   Italien unterrichtet die Kommission über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Beihilfe abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt Italien unverzüglich Informationen über die Maßnahmen vor, die getroffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt Italien ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Empfänger bereits zurückgezahlt wurden.

Artikel 6

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 10. September 2021

Für die Kommission

Margrethe VESTAGER

Mitglied der Kommission


(1)   ABl. C 256 vom 20.7.2018, S. 4.

(2)  Decreto-legge 16 ottobre 2017, n. 148 — Disposizioni urgenti in materia finanziaria e per esigenze indifferibili (GU Serie Generale Nr. 242 vom 16.10.2017).

(3)  Mitteilung der Kommission — Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. C 249 vom 31.7.2014, S. 1).

(4)  Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. L 248 vom 24.9.2015, S. 9).

(5)  Adria hatte bereits eine Beschwerde wegen des ursprünglichen Darlehens und eine Beschwerde wegen des zusätzlichen Darlehens von 300 Mio. EUR eingereicht (siehe Erwägungsgründe 1 und 4), zum Einleitungsbeschluss jedoch nicht Stellung genommen.

(6)  Decreto-legge 2 maggio 2017, n. 55 — Misure urgenti per assicurare la continuità del servizio svolto da Alitalia S.p.A. (GU Serie Generale Nr. 100 vom 2.5.2017). Obwohl das Gesetzesdekret Nr. 55/2017 hinfällig wurde, weil es nicht innerhalb der vorgesehenen Frist in ein Gesetz umgewandelt wurde, blieb es aufgrund des Gesetzes Nr. 96 vom 21. Juni 2017 wirksam.

(7)  Legge 4 dicembre 2017, n. 172 — Conversione in legge, con modificazioni, del decreto-legge 16 ottobre 2017, n. 148, recante disposizioni urgenti in materia finanziaria e per esigenze indifferibili. Modifica alla disciplina dell’estinzione del reato per condotte riparatorie (GU Serie Generale Nr. 284 vom 5.12.2017).

(8)  Verschiedene Ab- und Verrechnungspläne (Billing and Settlement Plans) und Frachtverrechnungssysteme (Cargo Accounts Settlement Systems) der IATA sowie das IATA Clearing House.

(9)  Decreto-legge 30 aprile 2019, n. 34 — Misure urgenti di crescita economica e per la risoluzione di specifiche situazioni di crisi (GU Serie Generale Nr. 100 vom 30.4.2019). Das Gesetzesdekret Nr. 34/2019 wurde mit dem Gesetz Nr. 58 vom 28. Juni 2019 in ein Gesetz umgewandelt (GU Serie Generale Nr. 151 vom 29.6.2019).

(10)  Decreto-legge 2 dicembre 2019, n. 137 — Misure urgenti per assicurare la continuità del servizio svolto da Alitalia — Società Aerea Italiana S.p.A. e Alitalia CityLiner S.p.A. in amministrazione straordinaria (GU Serie Generale Nr. 282 vom 2.12.2019).

(11)  Nach den Angaben im Bericht der Sonderverwalter vom 11. Juli 2018, abrufbar unter: http://www.amministrazionestraordinariaalitaliasai.com/pdf/alitalia/allegato_2_alitaliarelazione2017.pdf.

(12)  Schaubild 1 wurde anhand der Angaben im Dokument „Anhang 6 zum Organisationsplan der Alitalia-Gruppe“ erstellt, das der von Italien am 23. Januar 2018 übermittelten Anmeldung einer Rettungsbeihilfe (siehe Erwägungsgrund 6) beigefügt war.

(13)  Zu den sonstigen Anteilseignern mit Anteilen von bis zu 1 % gehören Factorit S.p.A. (1 %), Macca Srl (0,96 %) und Air France-KLM mit einem Restanteil (0,73 %).

(14)  Siehe das Dekret des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung vom 12. Mai 2017, mit dem CityLiner unter Sonderverwaltung gestellt wurde, öffentlich zugänglich auf der Website der Sonderverwaltung von Alitalia unter www.fallcoweb.it/home/pdf/alitalia/estensione_procedura.pdf.

(15)  Siehe Ziffer 85 auf Seite 55 ff. des Berichts der Sonderverwalter über die Ursachen der Insolvenz von Alitalia und CityLiner (Relazione sulle cause di insolvenza di Alitalia e CityLiner) vom 26. Januar 2018, veröffentlicht auf der Website der Sonderverwaltung von Alitalia unter http://www.fallcoweb.it/home/pdf/alitalia/relazione_cause_insolvenza.pdf.

(16)  Siehe http://corporate.alitalia.com/static/upload/201/0000/20160325_alitalia_sai_mogc-231_general-section.pdf.

(17)  Siehe Abschnitt 1.2.2 auf Seite 20 des Sonderverwaltungsprogramms, veröffentlicht auf der Website der Sonderverwaltung von Alitalia unter http://www.fallcoweb.it/home/pdf/alitalia/programma_0418.pdf.

(18)  Artikel 67 des Regio Decreto 16 marzo 1942, n. 267 — Disciplina del fallimento, del concordato preventivo, dell’amministrazione controllata e della liquidazione coatta amministrativa (GU Serie Generale Nr. 81 vom 6.4.1942, in der im Laufe der Jahre geänderten Fassung). Dieses Dekret wird als „italienisches Insolvenzgesetz“ bezeichnet.

(19)  Ein „piano di risanamento“ ist gemäß Artikel 67 Absatz 3 Buchstabe d des italienischen Insolvenzgesetzes ein Verfahren für Unternehmen, die sich vorübergehend in finanziellen Schwierigkeiten befinden, was bedeutet, dass die finanziellen Schwierigkeiten bewältigt werden könnten, weil die Probleme umkehrbar sind und ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Bei diesem Verfahren werden die Sanierungsmaßnahmen vom betroffenen Unternehmen und nicht von der Justizbehörde gesteuert.

(20)  Dem Bericht der Sonderverwalter vom 11. Juli 2018 zufolge (siehe Fußnote 20) verzeichnete die Alitalia-Group am 31. Dezember 2017 insgesamt 11 755 Beschäftigungsverhältnisse, was 10 871 Vollzeitbeschäftigten bei Alitalia S.p.A und CityLiner entspricht. Dem KPMG-Bericht (siehe Abschnitt 4.2.1.2) zufolge waren am 31. Dezember 2016 bei der Alitalia-Group (einschließlich der irischen Tochtergesellschaften) 10 781 Personen in Vollzeitäquivalenten beschäftigt.

(21)  Gemäß dem Marzano-Gesetz in Verbindung mit dem Prodi-bis-Gesetz.

(22)  Erläuterungen zu CityLiner finden sich in Erwägungsgrund 39.

(23)  Gemäß Artikel 4 des Marzano-Gesetzes in Verbindung mit Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 54 ff. des Prodi-bis-Gesetzes.

(24)  Decreto legislativo 8 luglio 1999, n. 270 — Nuova disciplina dell’amministrazione straordinaria delle grandi imprese in stato di insolvenza, a norma dell’articolo 1 della legge 30 luglio 1998, n. 274 (GU Serie Generale Nr. 185 vom 9.8.1999).

(25)  Decreto-legge 23 dicembre 2003, n. 347 — „Misure urgenti per la ristrutturazione industriale di grandi imprese in stato di insolvenza“ (GU Serie Generale Nr. 298 vom 24.12.2003).

(26)  http://www.fallcoweb.it/home/pdf/alitalia/en_alitalia-sentenza-17_2017-eng1.pdf

(27)  https://www.corriere.it/economia/17_aprile_25/escluso-salvataggio-stato-ma-voli-saranno-garantiti-b7bc7812-29e4-11e7-9909-587fe96421f8.shtml

(28)  https://tg24.sky.it/economia/2017/04/30/intervista-carlo-calenda-alitalia.html

(29)  https://www.ilsole24ore.com/art/alitalia-arrivano-commissari-gubitosi-laghi-e-paleari-prestito-ponte-600-mln-AEfKMpEB?refresh_ce=1

(30)  http://www.ilgiornale.it/news/economia/alitalia-prestito-600-milioni-calenda-agli-italiani-gi-1392415.html

(31)  https://www.repubblica.it/economia/2017/10/15/news/graziano_delrio_bus_treni_e_piu_metro_un_piano_da_30_miliardi_per_rilanciare_i_trasporti_-178383342/

(32)  www.ilmessaggero.it/economia/flashnews/alitalia_gubitosi_il_2017_si_chiudera_con_una_crescita_dei _ricavi-3380622.html

(33)  Wie auf Seite 133 des Sonderverwaltungsprogramms dargelegt, entsprach keines der eingereichten Angebote (unter anderem von Lufthansa, EasyJet und Airport Handling S.p.A.) den Verfahrensvorschriften. Wie auf Seite 17 der Präsentation der Sonderverwalter bei einer Anhörung vor dem gemeinsamen IX. und X. Ausschuss der Abgeordnetenkammer am 27. März 2019 zu lesen ist, fehlten diesen Angeboten insbesondere verbindliche Elemente und wesentliche Bestandteile (Bietungsbürgschaft, Vertragsunterlagen oder Geschäftsplan).

(34)  Die Möglichkeit eines Verhandlungsverfahrens als Alternative zu einer Ausschreibung ist in Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe c des Marzano-Gesetzes vorgesehen. Das Verhandlungsverfahren muss unbeschadet der Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung durchgeführt werden.

(35)  Den Angaben auf Seite 18 der Präsentation zufolge, die die Sonderverwalter bei der Anhörung am 27. März 2019 vor dem gemeinsamen IX. und X. Ausschuss der Abgeordnetenkammer hielten, lagen den Sonderverwaltern am 31. Oktober 2018 zwei Angebote (von Ferrovie dello Stato und EasyJet), eine Interessensbekundung (von Delta Air Lines) und eine nicht verbindliche Mitteilung (von Lufthansa — im Folgenden „Lufthansa-Angebot“) vor.

(36)  Diese Informationen waren den folgenden Pressemeldungen zu entnehmen: Il Corriere della sera, Ausgabe vom 21. November 2019, „Alitalia, il salvataggio salta ancora: ottavo rinvio per la cordata“; La Repubblica, Ausgabe vom 20. November 2019, „Si ferma la cordata Fs-Atlantia. Alitalia verso l’ottavo rinvio“; La Repubblica, Ausgabe vom 26. November 2019, „Alitalia, la resa del governo. Patuanelli: ‚La soluzione di mercato non c’è‘ “.

(37)  Entscheidung C(2008) 6745 endg. vom 12. November 2008 betreffend die staatliche Beihilfe N 510/2008 — Italien — Verkauf der Aktiva der Fluggesellschaft Alitalia SpA.

(38)  Entscheidung 2009/155/EG der Kommission vom 12. November 2008 über das Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR, das Italien dem Unternehmen Alitalia gewährt hat, Nr. C 26/08 (vormals NN 31/08).(ABl. C 52 vom 25.2.2009, S. 3)

(39)  Mitteilung der Kommission — Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2).

(40)  Die neue „Casa Italia“-Lounge wurde im Juni 2018 am Flughafen Rom-Fiumicino eröffnet; sie befindet sich im Boardingbereich des Flughafens, von dem aus fast alle Mittel- und Langstreckenflüge von Alitalia zu Zielen außerhalb des Schengen-Raums starten. Die Lounge steht nur Fluggästen von Alitalia und SkyTeam zur Verfügung, die zu interkontinentalen und internationalen Zielen außerhalb des Schengen-Raums reisen.

(41)  Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1).

(42)  Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6).

(43)  Die Kommission legte im Einleitungsbeschluss keine eigene Einschätzung des Wertes von Alitalia vor, sondern legte den Unternehmenswert zugrunde, der in dem von den Sonderverwaltern im Oktober 2017 in Auftrag gegebenen Bewertungsbericht (diese sogenannte Leonardo-Studie ist in den Erwägungsgründen 118 bis 122 beschrieben; siehe Erwägungsgrund 62 des Einleitungsbeschlusses) angegeben war.

(44)  Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (C/2016/2946) (ABl. C 262 vom 19.7.2016, S. 1).

(45)  Urteil des Gerichtshofs vom 24. Oktober 2013, Land Burgenland u. a./Kommission, C-214/12 P, C-215/12 P und C-223/12 P, ECLI:EU:C:2013:682.

(46)  Bericht zur unabhängigen Überprüfung des Sanierungsplans von Alitalia durch KPMG vom 15. März 2017.

(47)  Ebd., S. 58 des KPMG-Berichts.

(48)  https://www.ranallieassociati.it/dt_team/riccardo-ranalli/

(49)  Verwaltungsschreiben von Dr. Riccardo Ranalli vom 15. März 2017.

(50)  Available Seat Kilometres — Kosten je angebotenem Sitzplatzkilometer.

(51)  Siehe Leonardo-Studie, S. 3.

(52)  Die Sonderverwalter veröffentlichten auf der Website der Alitalia-Sonderverwaltung begrenzte Finanzdaten zum 2. Mai 2017, 31. Dezember 2017, 31. März 2018, 30. Juni 2018 und 30. September 2018. Am 27. März 2019 veröffentlichten die Sonderverwalter eine Präsentation, die einige Finanzdaten zum 31. Dezember 2018 enthielt.

(53)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien, 118/85, ECLI:EU:C:1987:283, Rn. 7.

(54)  Urteil des Gerichtshofs vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (Stardust Marine), C-482/99, ECLI:EU:C:2002:294.

(55)  Urteil des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1987, Deutschland/Kommission, C-248/84, ECLI:EU:C:1987:437, Rn. 17.

(56)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1996‚ SFEI u. a.‚ C-39/94‚ ECLI:EU:C:1996:285‚ Rn. 60; Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 1999, Spanien/Kommission, C-342/96, ECLI:EU:C:1999:210, Rn. 41.

(57)  Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1996‚ SFEI u. a.‚ C-39/94‚ ECLI:EU:C:1996:285‚ Rn. 60 und 61.

(58)  Beschluss der Kommission vom 19. Dezember 2012 über die staatliche Beihilfe SA.35378 — Deutschland — Finanzierung des Flughafens Berlin Brandenburg (ABl. C 36 vom 8.2.2013, S. 10), Erwägungsgründe 14 bis 33.

(59)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a., verbundene Rechtssachen C-399/10 P und C-401/10 P, ECLI:EU:C:2013:175, Rn. 104; Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2010, Griechenland u. a./Kommission, verbundene Rechtssachen T-415/05, T-416/05 und T-423/05, ECLI:EU:T:2010:386, Rn. 177; Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T-11/95, ECLI:EU:T:1998:199, Rn. 170 und 171.

(60)  Abschnitt 5.5 des Anmeldeformulars.

(61)  Siehe unter anderem Ziffer 1 Buchstabe b des von Italien an die Kommission übermittelten Schreibens vom 24. Januar 2018 und Ziffer 6 des Schreibens vom 25. Mai 2018.

(62)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 79–82 und 87.

(63)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2009, EDF/Kommission, T-156/04, ECLI:EU:T:2009:505, Rn. 228.

(64)  Siehe diesbezüglich das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 30, 86 und 87.

(65)  Siehe Erwägungsgrund 51.

(66)  Siehe Erwägungsgrund 52.

(67)  Siehe Erwägungsgrund 54.

(68)  Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019‚ Arriva Italia u. a.‚ C-385/18‚ ECLI:EU:C:2019:1121‚ Rn. 73.

(69)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 81.

(70)  Urteile des Gerichtshofs vom 16. Januar 2018, EDF/Kommission, T-747/15, EU:T:2018:6, Rn. 142, und vom 19. Dezember 2019, Arriva Italia u. a., C-385/18, EU:C:2019:1121, Rn. 48.

(71)  Urteile des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019, Arriva Italia u. a., C-385/18, ECLI:EU:C:2019:1121, Rn. 47, und vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 79, und die dort angeführte Rechtsprechung. Siehe auch das Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C-160/09 P, ECLI:EU:C:2020:1012, Rn. 106.

(72)  Urteil des Gerichts vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T-305/13, ECLI:EU:T:2015:435, Rn. 184.

(73)  Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 85.

(74)  https://www.repubblica.it/economia/2017/10/15/news/graziano_delrio_bus_treni_e_piu_metro_un_piano_da_30_miliardi_per_rilanciare_i_trasporti_-178383342/

(75)  Siehe Erwägungsgrund 155 des Beschlusses (EU) 2018/1498 vom 21. Dezember 2017 über die staatliche Beihilfe und Maßnahmen SA.38613 (2016/C) (ex 2015/NN) Italiens zugunsten der Ilva S.p.A. in Amministrazione Straordinaria (ABl. L 253 vom 9.10.2018, S. 45).

(76)  Urteile des Gerichtshofs vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhversbank, C-579/16 P, ECLI:EU:C:2018:159, Rn. 56, vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C-124/10 P, ECLI:EU:C:2012:318, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 24. Oktober 2013, Land Burgenland u. a./Kommission, C-214/12 P, C-215/12 P und C-223/12 P, ECLI:EU:C:2013:682, Rn. 52.

(77)  Urteile des Gerichtshofs vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhversbank, C-579/16 P, ECLI:EU:C:2018:159, Rn. 56, vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, C-278/92 bis C-280/92, ECLI:EU:C:1994:325, Rn. 22, sowie vom 19. Dezember 2019, Arriva Italia u. a., C-385/18, ECLI:EU:C:2019:1121, Rn. 73.

(78)  Siehe diesbezüglich das Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1994, SAT Fluggesellschaft, C-364/92, ECLI:EU:C:1994:7, Rn. 30.

(79)  Urteile des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Kommission, C-525/04 P, ECLI:EU:C:2007:698, vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C-73/11 P, ECLI:EU:C:2013:32, und vom 29. Juni 1999, DM Transport, C-256/97, ECLI:EU:C:1999:332.

(80)  Aufgrund der Erstrangigkeit des Darlehens zum Zeitpunkt der Gewährung und der Tatsache, dass alle vorherigen Verbindlichkeiten von Alitalia im Zuge des Sonderverwaltungsverfahrens eingefroren wurden, hatte der marktwirtschaftlich handelnde Kapitalgeber vorrangigen Anspruch auf die Verkaufserlöse. Die Kommission weist darauf hin, dass das ursprüngliche Darlehen die Erstrangigkeit nach den mit Erlass des Wachstumsdekrets vom 30. April 2019 eingeführten Änderungen verloren hat.

(81)  Sanierungsplan, S. 24 und 25.

(82)  Sanierungsplan, S. 22.

(83)  Sanierungsplan, S. 31.

(84)  Siehe Tabelle 2 mit den wichtigsten Zahlen der Alitalia-Gruppe. Der Verlust von 1,2 Mrd. EUR entspricht der (aufgerundeten) Summe der in den Jahren 2015 und 2016 entstandenen Verluste von 468 Mio. EUR bzw. 697 Mio. EUR.

(85)  PwC-Bericht vom 12. Oktober 2017, erstellt für die Sonderverwaltung.

(86)  Der italienische Staat kontrolliert insgesamt 65 % der Poste Italiane. Er besitzt direkt etwa 30 % (durch das italienische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) und indirekt weitere 35 % (durch die Cassa Depositi e Prestiti, eine von der italienischen Regierung kontrollierte Kapitalgesellschaft) der Anteile.

(87)  Unter der Annahme, dass der Staat 50 % der Anteile an der Banca Monte dei Paschi hielt, hätte sich sein Engagement bei Alitalia auf höchstens 20 Mio. EUR ([18 Mio. EUR in kurzfristigen Verbindlichkeiten + 20 Mio. EUR in Form von Kreditlinien] x 50 %) belaufen.

(88)  Internationaler Währungsfonds, „The insolvency regime for large enterprises in Italy. An economic and legal assessment“ (Die Insolvenzregelung für Großunternehmen in Italien. Eine wirtschaftliche und rechtliche Würdigung), WP/18/218, https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/09/28/The-Insolvency-Regime-for-Large-Enterprises-in-Italy-An-Economic-and-Legal-Assessment-46276.

(89)  Das Umlaufvermögen setzt sich wie folgt zusammen: Inventar — [XX] Mio. EUR; Forderungen aus Lieferungen und Leistungen — [XXX] Mio. EUR; sonstige Forderungen — [XXX] Mio. EUR; Barmittel — [XX] Mio. EUR.

(90)  Von Italien am 25. März 2019 übermittelte Informationen.

(91)  Siehe Bestätigungsbericht, S. 101.

(92)  Der Buchwert des investierten Kapitals entspricht der Summe aus dem Buchwert des Eigenkapitals (129,8 Mio. EUR) und dem Buchwert der Nettoverbindlichkeiten (1 165 Mio. EUR).

(93)  Auskunftsersuchen vom 26. Februar 2019.

(94)  Die Kapitalrendite bzw. der ROIC (return on invested capital) bezeichnet das Verhältnis zwischen dem Geschäftsergebnis nach Steuern bzw. dem NOPAT (net operating profit after tax) und investiertem Kapital. Die Kommission ermittelte den NOPAT durch Multiplikation des italienischen Körperschaftssteuersatzes von 24 % (IRES) mit dem auf Seite 101 des Bestätigungsberichts angegebenen Betriebsergebnis (EBIT). Das investierte Kapital wird auch auf Seite 101 des Bestätigungsberichts ausgewiesen. Da Alitalia Verluste verzeichnete und diese Verluste potenziell vortragen konnte, ist die Anwendung des gesetzlichen Steuersatzes zur Berechnung der Steuern konservativ, da der Nettogewinn und damit die Kapitalrendite unterbewertet werden.

(95)  Dazu gehören der Free Cash Flow to the Firm in den Jahren 2020 und 2021, eine dauerhafte Wachstumsrate von 1 % und Normalisierungsannahmen zwecks Berechnung des Endwerts (d. h. Schwankungen des Nettoumlaufvermögens gleich Null und CAPEX gleich den Abschreibungen).

(96)  Dr. Ranalli geht von einem gleichbleibenden CAPEX aus, der im letzten Jahr des Plans den Abschreibungen entspricht. Da dieser Wert in der Studie nicht ausgewiesen ist, zog die Kommission den Abschreibungswert aus dem Sanierungsplan und die Differenz zwischen EBITDA und EBIT, die definitionsgemäß den Abschreibungen entspricht, als mögliche Alternativen in Betracht. Die Kommission legte in ihrer Schätzung das EBITDA zugrunde, da es einen höheren Unternehmenswert ergibt. Da das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten bei diesem Wert nicht erfüllt ist (siehe Erwägungsgrund 281), ist die Annahme der Kommission konservativer.

(97)  Die Rate von 1,7 % entspricht der Zunahme des Flugverkehrs, die in der Eurocontrol-Studie „Seven years forecast“ (Februar 2017) ab 2019 prognostiziert wird.

(98)  Leonardo-Studie, S. 75.

(99)  Siehe z. B. „Linee guida per la valuazione di aziende in crisi“, Consiglio Nazionale dei Dottori Commercialisti e degli Esperti Contabili.

(100)  Bei einem Vergleich der ersten beiden Jahre des überarbeiteten Sanierungsplans mit dem Renaissance-Szenario, d. h. dem für die in der Leonardo-Studie angewandte Methode maßgeblichen Zeitrahmen, ergeben sich im Renaissance-Szenario geringere Verluste (durchschnittliches EBITDA von 45 Mio. EUR gegenüber -[XXX,X] Mio. EUR im Sanierungsplan) und höhere Einnahmen (durchschnittliches EBITDA von 3 265 Mio. EUR gegenüber [XXXX] Mio. EUR im Sanierungsplan). Darüber hinaus sieht das Renaissance-Szenario einen Anstieg der Einnahmen von Jahr 1 auf Jahr 2 um 21,66 % (im überarbeiteten Sanierungsplan um 10,49 %) vor.

(101)  Hier wird die Annahme der lückenlosen Unternehmensfortführung zugrunde gelegt, weil die vergleichbaren Unternehmen ebenfalls laufende Betriebe waren, sodass das Unternehmen als Ganzes und nicht nur seine Vermögenswerte betrachtet werden sollten.

(102)  Die entsprechende Formel würde lauten:

 

Referenzwert des Multiplikators = Durchschnitt (EV/EBITDAR) für Referenzunternehmen.

 

Geschätzter Unternehmenswert (EV) des untersuchten Unternehmens = Referenzwert des Multiplikators x EBITDAR des untersuchten Unternehmens.

(103)  So würden etwa bei Verwendung des EBITDA Unternehmen, die im Besitz einer eigenen Flugzeugflotte sind, zu Unrecht höhere Erträge zugeschrieben (da sich der Umfang der Flotte in Eigenbesitz bei den Positionen der Zinsen (I) und Abschreibungen (DA) im EBITDA niederschlagen dürfte). Hingegen hätten Fluggesellschaften, die einen Großteil ihrer Flotte leasen, ein relativ niedrigeres EBITDA, da die Leasinggebühren für die Flugzeuge bereits bei der EBITDA-Berechnung abgezogen wurden. Ziel bei der Verwendung des EBITDAR ist es, die Vergleichbarkeit von Fluggesellschaften mit unterschiedlichen Eigentumsmodellen für ihre Flotten zu erhöhen. Das EBITDAR wird nicht nur im Luftverkehrssektor verwendet, sondern ist auch in anderen Branchen mit hohen Investitionen in Sachanlagen üblich, die geleast sein oder sich im Besitz des Unternehmens befinden können (so wird das EBITDAR auch im Hotelsektor verwendet, um die Rentabilität verschiedener Unternehmen zu vergleichen, da Hotelunternehmen Gebäude selbst besitzen oder leasen können).

(104)  Eine Beschreibung der Leonardo-Studie findet sich in den Erwägungsgründen 118 ff.

(105)  Zur Schätzung dieses Multiplikators zieht die Kommission die auf Seite 108 der Leonardo-Studie in Bezug auf sieben traditionelle Fluggesellschaften durchgeführte Schätzung heran. Die Kommission ist der Auffassung, dass die italienischen Behörden im Mai 2017 zu einem ähnlichen Wert hätten gelangen können, zumal dieselben Informationen auch im Mai 2017 verfügbar waren und die Methode ein für die Bewertung von Unternehmen — insbesondere im Luftverkehrssektor — übliches Verfahren ist. Die Wahl des Mittelwerts ist mit Blick auf eine konservative Schätzung gerechtfertigt, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Rentabilität von Alitalia. Angesichts dieser Ungewissheit und der schwachen Leistung von Alitalia in der Vergangenheit sind Multiplikatoren, die über dem Mittelwert liegen, faktisch auszuschließen.

(106)  (Grund hierfür ist, dass im Unternehmenswert der Wert des gesamten Unternehmens einschließlich der Verbindlichkeiten berücksichtigt wird, während in den Eigenkapitalwert nur der Wert des Eigenkapitals einfließt, also ohne die Verbindlichkeiten.) Dieser Ansatz entspricht der in der Leonardo-Studie auf Seite 107 beschriebenen Vorgehensweise und steht auch im Einklang mit dem Bewertungsansatz, der auf Seite 56 der Präsentation „Transportation European Airlines — 4Q16 Review“ von Morgan Stanley Research vom 22. März 2019 beschrieben ist und von Italien am 25. März 2019 als Anlage 6 vorgelegt wurde.

(107)  Der Faktor 7 wird üblicherweise für die Bewertung von Luftfahrtunternehmen angewandt, siehe zum Beispiel Seite 21 der Studie „Balancing the books, IFRS 16 and aviation finance“, Dezember 2017, Deloitte, https://cdn.euromoney.psdops.com/9e/4a/6119aed8408db267585cb6f42868/balancing-the-books-ifrs-16-and-aviation-finance-report-dec2017-5.pdf. Dieser Faktor wird auch in der Leonardo-Studie bei der Beschreibung der EBITDAR-Methode auf Seite 107 verwendet.

(108)  Die Anpassungen zur Berücksichtigung der Leasinggebühren wurden den jeweiligen Plänen der einzelnen Szenarien entnommen. Siehe Tabelle 1 zu den spezifischen Quellen.

(109)  Auch wenn dieser Betrag von PwC nachträglich geschätzt wurde, hätten die italienischen Behörden nach Auffassung der Kommission im Mai 2017 diesen oder einen ähnlichen Schätzwert ebenfalls ermitteln können. In jedem Fall bezieht sich die PwC-Schätzung auf die Situation von Alitalia im Mai 2017 und wird daher als zeitgleich mit dem Beschluss zur Gewährung des ursprünglichen Darlehens betrachtet.

(110)  Wie in Abschnitt 4.2.1.2 dargelegt, wurde der Sanierungsplan auch in der unabhängigen Prüfung durch KPMG als „ehrgeizig […] angesichts der jüngsten Geschichte von Alitalia“ eingestuft. Vor diesem Hintergrund sollte dieses Szenario nicht als konservativ oder durchschnittlich, sondern als Obergrenze angesehen werden. Das Renaissance-Szenario weist ähnliche Merkmale auf wie der Sanierungsplan und ist daher ebenfalls als Obergrenze zu betrachten.

(111)  Die Heranziehung des EBIT als Näherungswert für das Nettoergebnis ist konservativ, da das EBIT die Auswirkungen von Schuldenzinsen und Steuern nicht berücksichtigt. Außerdem fließt nicht notwendigerweise das gesamte Nettoergebnis als Dividende an den Kapitalgeber zurück. Daher ergibt sich bei Heranziehung des vollen EBIT-Betrags zwangsläufig eine Obergrenze.

(112)  Das Renaissance-Szenario und der Sanierungsplan erstrecken sich auf unterschiedliche Zeiträume, da das Renaissance-Szenario ein Jahr später erstellt wurde. Beide Pläne sehen jedoch einen Fünfjahreszeitraum vor, in dem Alitalia von der Insolvenz zu stabiler Rentabilität geführt werden könnte. Daher weisen die beiden Pläne viele Ähnlichkeiten auf, und es wäre auch denkbar, die Umsetzung des Sanierungsplans an das Renaissance-Szenario anzugleichen.

(113)  Wie auf Seite 99 in der Leonardo-Studie rechnerisch ermittelt. Als angemessener Abzinsungsfaktor ist die Eigenkapitalkostenkomponente der WACC von Alitalia in Betracht zu ziehen, da ein Kapitalgeber diese durchschnittlichen Kapitalkosten berücksichtigt hätte. Das Barangebot für die Übernahme von Alitalia wird auf der Grundlage des erwarteten Eigenkapitalwerts geschätzt, der nach der Umstrukturierung erzielt werden könnte.

(114)  Das Abwicklungsszenario wird in demselben Dokument vorgestellt, in dem auch der Sanierungsplan beschrieben wird.

(115)  Siehe z. B. die Urteile des Gerichtshofs vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T-11/95, ECLI:EU:T:1998:199, und vom 15. Januar 2015, Frankreich/Kommission, T-1/12, ECLI:EU:T:2015:17.

(116)  Siehe z. B. das Urteil des Gerichtshofs vom 24. Oktober 2013, Land Burgenland u. a./Kommission, C-214/12 P, C-215/12 P und C-223/12 P, ECLI:EU:C:2013:682.

(117)  Der Kassenbestand von -[XX] Mio. EUR ergibt sich aus dem Abzug der [XXX] Mio. EUR des ursprünglichen Darlehens von den am 30. September 2017 verfügbaren Barmitteln in Höhe von [XXX] Mio. EUR (entsprechend der Summe aus [XXX] Mio. EUR an Barmitteln und [XXX] Mio. EUR des nicht verwendeten ursprünglichen Darlehens).

(118)  Als Ex-post-Referenzwert stellt die Kommission fest, dass Alitalia in den Monaten September und Oktober 2017 tatsächlich Verluste in Höhe von [XX] Mio. EUR bzw. [XX] Mio. EUR schrieb.

(119)  Siehe z. B. Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T-11/95, ECLI:EU:T:1998:199, Rn. 170 und 171; Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a., verbundene Rechtssachen C-399/10 P und C-401/10 P, ECLI:EU:C:2013:175, Rn. 103 und 104.

(120)  Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 1998, Het Vlaamse Gewest/Kommission, T-214/95, ECLI:EU:T:1998:77.

(121)  http://www.amministrazionestraordinariaalitaliasai.com/pdf/alitalia/doc-3-relazione-az-trim--1-luglio--30-settembre-2018-omissis.pdf

(122)  Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Olympiaki Aeroporia Ypiresies/Kommission, T-68/03, ECLI:EU:T:2007:253, Rn. 34.

(123)  Siehe Sonderverwaltungsprogramm, S. 6.

(124)  Siehe Sonderverwaltungsprogramm, S. 145.

(125)  Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 140 vom 30.4.2004, S. 1).


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