EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52010IE1159

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Finanzierungsstrukturen für KMU vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 48 vom 15.2.2011, p. 33–37 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 48/33


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Finanzierungsstrukturen für KMU vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 48/07

Berichterstatterin: Anna Maria DARMANIN

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 26. Februar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Finanzierungsstrukturen für KMU vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzsituation“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. Juli 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 16. September) mit 121 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert die Kommission auf, die Finanzierungsinstrumente für die KMU zu verbessern und sicherzustellen, dass die Garantieregelung innerhalb des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) auch nach der laufenden Förderperiode aufrechterhalten bleibt, die Strukturfonds den KMU leicht zugänglich werden und die Prioritäten für die Förderung klar formuliert werden. In der gegenwärtigen Situation knapperer Eigenmittel bieten Bürgschaftseinrichtungen ihren Bankpartnern im Rahmen von Basel II eine angemessene Kreditrisikominderung. Deshalb müssen Bürgschaftseinrichtungen gefördert werden.

1.2   Der EWSA empfiehlt die Schaffung von Handelsplattformen für Kleinstunternehmen und KMU. Die meisten zugelassenen Börsen verlangen von den KMU für ihre Notierung zu viele Berichterstattungsvorschriften und langwierige Verfahren. Darüber hinaus sind die Kosten gewöhnlich prohibitiv, selbst für Zweitnotierungen („Secondary listings“). Regionale Miniplattformen, die durch ein europäisches Netz koordiniert würden, wären ein neues Instrument, mit dem neues Kapital für kleine und mittlere Unternehmen beschafft werden könnte. Dies würde die Finanzierung durch weiteres Risikokapital und durch „Business angels“ ermuntern. Es könnte auch dazu verhelfen, dass kleine Wagniskapitalgeber Kleinunternehmen unterstützen.

1.3   Kleine und mittelständische Betriebe, insbesondere Kleinstunternehmen, haben größere Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzierung. Außerdem ist es für die Gesellschaft insgesamt sehr unklar, wohin all das Geld für die Rettung der Banken gegangen ist. Es ist vielleicht nicht opportun, die Banken zu zwingen, diese Daten zu veröffentlichen, aber andererseits hält es der EWSA für angemessener, dass die Banken einen bestimmten Prozentsatz der Rettungsgelder (in den Ländern, in denen sie verwendet werden) für Kredite an Klein- und Kleinstunternehmen vorsehen, insbesondere für innovative Vorhaben.

1.4   Der EWSA spricht sich für die Entwicklung eines Rechtsrahmens aus, mit dem die Gründung von Beteiligungs- und Ethik-Kleinstkreditinstituten erleichtert wird. Diese Finanzierungsform dürfte für KMU zweifellos von Nutzen sein, denn sie beruht auf der Risikoteilung und Gewinnbeteiligung sowie einer gediegenen Finanzierung und vermeidet Spekulationen. Erscheinungen wie Beteiligungsbanken sollten von der Kommission sorgfältig geprüft werden. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, ein Grünbuch vorzulegen, das Ausgangspunkt für eine Debatte über Beteiligungsbanken auf europäischer Ebene werden kann. Eigene Initiativen von Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg und Malta sind zwar zu begrüßen, könnten aber eine weitere Integration des Finanzdienstleistungssektors in der EU verhindern. Darüber hinaus dürften unkoordinierte Initiativen nicht die wirkungsvollsten Ergebnisse erzielen, die diese Art von Finanzierung erreichen kann, wie etwa Risikoteilung, Gewinnbeteiligung und eine sozial verantwortliche Finanzierung. Die Förderung der islamischen Mikrokreditformen könnte auch zu neuen unternehmerischen Tätigkeiten führen und zugleich in bestimmten Regionen zur Bekämpfung der Armut beitragen. In diesem Zusammenhang sollte eine Richtlinie ausgearbeitet werden, die alternativen Finanzierungsformen vorsieht, behandelt und fördert und sicherstellt, dass für diese Formen gleiche Bedingungen wie für andere, konventionelle Finanzierungsformen gelten.

1.5   Der Ausschuss empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Kredite unmittelbar an die KMU zu vergeben bzw. den Finanzierungsinstituten Voll- oder Teilbürgschaften zu gewähren, um ihnen Anreize zur Kreditvergabe an KMU zu geben. In der Finanzkrise hat eine Reihe von Mitgliedstaaten diesen Weg beschritten, der den Zugang der KMU zur Finanzierung in der Tat erleichtert hat.

1.6   Nach Auffassung des EWSA sollte der Europäische Investitionsfonds entweder unmittelbar Investitionsmittel an KMU vergeben oder durch einen Unterfonds für einen besonderen Bereich, wie etwa durch den Fond für Jungunternehmer, mit dem auch eine unternehmerische Kultur gefördert würde. Ferner sollten EIF-Mittel an Intermediäre vergeben werden, die sich ausschließlich mit der Förderung von KMU befassen. Der EWSA schlägt vor, das Risiko zwischen der EIB und den Intermediären zu teilen, um diese zu ermutigen, EIB-Mittel auch an KMU zu vergeben.

1.7   Der Ausschuss empfiehlt den Banken unterschiedliche Finanzierungsformen, wie etwa Beteiligungs-, Innovations- und ethische Finanzierungen. Solche wie etwa diejenigen der Grameen Bank in Bangladesh dürften wegen des Basel-II-Regelwerks nur sehr begrenzt möglich sein. Finanzierungseinrichtungen können sich nicht mit dem Problem befassen, sondern nur mit Lösungen, d.h. ein Kreditsystem muss auf Analysen des sozialen Hintergrunds anstatt auf vorgegebenen Bankverfahren beruhen. Deshalb ist eine rasche Überarbeitung von Basel II oder wenigstens ein Abkommen erforderlich, das von den konventionellen Finanzierungsmodi Abstand gewinnt.

1.8   In der EU verbreiten sich nun Netze von „Business angels“. Leider sind sie anscheinend nicht geregelt und es könnte mit ihnen ein erheblicher Missbrauch getrieben werden, der Unternehmer davon abhalten könnte, einen solch wichtiges Instrument zur Finanzierung von Wachstum zu nutzen. Deshalb sollte ein Rechtsrahmen entwickelt werden, mit dem Anreize für die Tätigkeiten der „Business angels“-Netze oder für vergleichbare Aktivitäten geboten werden.

1.9   Der EWSA plädiert für Steueranreize in den Mitgliedstaaten für „Business angels“ und ihre Netze wie auch für Investoren aus der eigenen Familie, etwa die Eltern. Viele Jungunternehmer greifen auf Finanzmittel der eigenen Familie zurück, da andere nicht zur Verfügung stehen. Solche Investoren sollten ebenfalls durch Steuervergünstigungen belohnt und gefördert werden.

2.   Einleitung und Hintergrund

2.1   Die EU-Mitgliedstaaten stehen vor einer großen Herausforderung, nämlich, Unternehmergeist zu fördern und zu stimulieren. Dies wurde auf dem Europäischen Rat von Lissabon im März 2000 als ein Ziel aufgestellt, um die Beschäftigungsquote zu erhöhen, wirtschaftliche Reformen durchzuführen und den sozialen Zusammenhalt zu verbessern. Am 21. Januar 2003 legte die Europäische Kommission das Grünbuch „Unternehmergeist in Europa“ vor. Darin wies sie mit Nachdruck auf den Mangel an europäischen Bürgern hin, die eigene Unternehmen gründen, sowie auf ein fehlendes kontinuierliches Wachstum der vorhandenen Unternehmen.

2.2   Die Stimulierung des Unternehmergeistes hat wichtige wirtschaftliche und soziale Vorteile. Unternehmergeist ist nicht nur eine treibende Kraft bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, sondern trägt auch zur persönlichen Selbstentfaltung und Verwirklichung sozialer Ziele bei (1).

2.3   Die Wechselbeziehung zwischen Unternehmergeist und volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gilt für das Überleben der Unternehmen, Innovationstätigkeiten, die Schaffung von Arbeitsplätzen, technische Fortschritte und die Steigerung der Produktivität und der Ausfuhren. Unternehmerische Initiative ist also nicht nur für den Einzelnen von Vorteil, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.

2.4   Laut einer Erhebung des britischen Centre for Enterprise and Economic Development Research waren die am häufigsten genannten Probleme für Jungunternehmer die Finanzierung der Existenzgründung und die komplexen Verwaltungsvorschriften. Doch nur 40 % der befragten Unterstützungs- und Beratungsdienste für Unternehmen waren der Meinung, dass diese Finanzierungsengpässe größer seien als bei anderen Kleinunternehmen. Denn viele Neugründungen haben Schwierigkeiten, die Sicherheiten für eine Anschubfinanzierung aufzubringen, wenngleich dies für Jungunternehmer eine größere Hürde sein kann, weil sie weniger Möglichkeiten zur Sammlung von Vermögenswerten hatten, die sie als Sicherheit bieten können. Wie groß diese konkreten Hürden sind, hängt freilich von der jeweiligen Branche und Wirtschaftstätigkeit ab.

2.5   Die derzeitige Wirtschaftskrise hält von unternehmerischen Initiativen ab, insbesondere durch die Art und Weise, wie die KMU davon betroffen sind. Der EWSA hat sich ausführlich mit dem Entstehen und den Folgen der Finanzkrise und der kritischen Rolle des Bankensystems dabei befasst. Tatsache ist, dass die KMU noch immer stark von der Krise betroffen sind und große Schwierigkeiten haben, Kredite zu erhalten.

2.6   Unter den gegenwärtigen Umständen bleiben Bankkredite (trotz beträchtlicher Senkungen der Leitzinsen) aus folgenden Gründen äußerst knapp:

die Verluste aufgrund der zwischen einzelnen Märkten unterschiedlichen Bilanzierungspraktiken (indem Banken den Wert der Wertpapiere, die sie in ihren Bilanzaufstellungen führen, nach unten berichtigen, weil es für solche Positionen in absehbarer Zukunft keinen Markt geben wird);

Zunahme uneinbringlicher Forderungen oder fauler Kredite aufgrund derselben Krise;

fehlende Finanzierungen zwischen Banken, ein Sachverhalt, der trotz der Maßnahmen zahlreicher Regierungen bislang nicht abgestellt wurde;

der konstante Faktor Furcht – Bankpersonal, das um seinen Job fürchtet, dürfte wenig geneigt sein, riskant erscheinende Kreditzusagen zu tätigen.

2.7   Somit wird das Kapital von Banken zurückgehalten – entweder für Kunden, die zu verlieren sich Banken schlecht leisten können, oder für festverzinsliche Instrumente besserer Bonität, wie etwa Staatspapiere. Mit dem wachsenden Kreditbedarf der Regierungen zur Versorgung ihrer Volkswirtschaften mit Finanzmitteln hat sich das Angebot an Staatsanleihen vermehrt und dies wiederum eine Verknappung der Geldmittel für Unternehmer- und Verbraucherkredite bewirkt.

3.   Eine kurze Übersicht über Wesensmerkmale der KMU jenseits der offiziellen Statistiken

3.1   Die KMU sind auf vielfältige Weise ein Sonderfall. Eine Aufzählung aller Einzelmerkmale würde der Dynamik der KMU nicht gerecht werden. Gleichwohl ist es sinnvoll, einige davon herauszugreifen.

3.2   Kleine und mittlere Unternehmen befinden sich in der Regel und über mehrere Generationen hinweg in Familienhand; dabei ist die Familie ein wichtiger, aber häufig nicht ausreichender Investor für das Unternehmen. KMU sind in der Regel ortsgebunden, was sich auf ihre Praxis der Weitervergabe von Aufträgen und ihre (häufig sehr vorsichtige) Einstellungspolitik auswirkt. Es gibt häufig keine starke Unterscheidung zwischen der Geschäftsleitung und dem Eigentum am Unternehmen, und häufig besteht zwischen der Belegschaft und den Eigentümern eine enge Beziehung (was die Loyalitäten auf beiden Seiten verstärkt). Die KMU sind flexibel, dynamisch und greifen rasch Innovationen auf. Typischerweise sind KMU bei der Verwaltung ihrer liquiden Mittel risikoscheu, und sie ziehen es häufig vor, ihre eigenen Reserven zu verwenden, anstatt Krediteinrichtungen in Anspruch zu nehmen, denn sie müssen einen hohen Verwaltungsaufwand betreiben, um Kredite zu beantragen und zu erhalten.

3.3   Dass die KMU als risikoreichere Kreditkunden betrachtet werden, hängt zum Teil von ihrer typischen Merkmalen ab: oft handelt es sich um junge Unternehmen, die etwas gegen umständliche bürokratische Finanzierungssysteme haben, nicht genügend Sicherheiten bieten können und sich in Anbetracht ihrer Größe in der Regel keine Risikomanagementinstrumente leisten können.

3.4   Zu bedenken ist auch, dass die Probleme der KMU bei Kleinstunternehmen noch stärker zum Tragen kommen.

4.   Finanzierungsinstrumente

4.1   Börsengang - Neuemissionen (IPO) werden in der Regel mit etablierten Unternehmen in Verbindung gebracht, die eine Erhöhung ihres langfristigen Kapitals in Form von börsennotierten Aktien (shares) oder Anleihen (bonds) beabsichtigen. Dies erfolgt im Allgemeinen vor der Phase der Ausweitung, wenn die Unternehmenseigner und/oder Risikokapitalgeber eine Ausstiegsmöglichkeit suchen. Es gibt auch einen sekundären Kreditmarkt, der allerdings generell nicht für Kleinstunternehmen infrage kommt, und „nur Firmen am oberen Ende des KMU-Sektors können diesen Weg einschlagen“. Zwar ist der Aufwand für alternative Börsennotierungen im Allgemeinen etwas geringer als für Erstnotierungen, aber für beide gelten dieselben Offenlegungsvorschriften. Die Kosten für einen Börsengang betragen 500 000 EUR und mehr.

4.2   Neue Finanzierungsquellen, Beteiligungsbanken – In ganz Europa bilden sich neue Bankformen heraus, seien es so genannte Beteiligungsbanken oder aber ethische Banken oder auch islamische Banken. Ihre Arbeitsweise ist interessant und möglicherweise für KMU und ihre Bedürfnisse im gegenwärtigen Kontext geeignet. Sie bieten verschiedene Instrumente, von denen allerdings viele in europäischen Ländern nicht neu sind. Doch hemmen gewisse Rechtsvorschriften, insbesondere das Steuerrecht, die Entwicklung solcher Finanzierungsformen. Leider treffen verschiedene EU-Staaten (etwa Großbritannien, Frankreich, Luxemburg, Deutschland, Malta und Italien) jeweils eigene Maßnahmen, was die Gefahr von Hindernissen innerhalb des Binnenmarktes heraufbeschwört. Aber vielleicht können alternative Rechtsinstrumente entwickelt werden, damit Finanzeinrichtungen nach dem Beteiligungsmodell auch den EU-Markt durchdringen können (2).

4.2.1   Diese Finanzierungsform dürfte für KMU zweifellos von Nutzen sein, denn sie beruht auf der Risikoteilung und Gewinnbeteiligung sowie einer gediegenen Finanzierung und vermeidet Spekulationen und bestimmte Arten von Investitionen.

4.2.2   Eine wirklich neue Entwicklung ist die islamische Kleinstkreditvergabe. Sie umfasst eine Reihe von Finanzdienstleistungen für Personen, die traditionell als nicht kreditwürdig eingestuft werden, vor allem weil sie keine Garantien bieten können, mit denen sich Finanzeinrichtungen gegen Verluste schützen.

4.2.3   Die wahre Revolution der Kleinstkreditvergabe besteht darin, dass sie Menschen, denen der Zugang zu den Finanzmärkten verwehrt ist, neue Perspektiven eröffnet und sie in die Lage versetzt, endlich ihre eigenen Vorhaben und Ideen mit ihren eigenen Mitteln zu realisieren und sich damit von fremder Hilfe, Unterstützung und Abhängigkeit freizumachen. Die Erfahrungen mit der Kleinstkreditvergabe überall auf der Welt haben klar gezeigt, dass auch die Armen ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen benötigen und bereit sind, die damit verbundenen Kosten zu tragen, und dass sie durchaus bankfähig sind. Die Zielgruppe für Kleinstkredite sind vor allem solche Armen, die an der Schwelle zur so genannten Armutslinie leben und leichter ein bescheidenes Leben führen könnten und unternehmerische Ideen, aber keinen Zugang zum formellen Finanzmarkt haben.

4.2.4   Zu diesem Bereich wurden nur wenige Studien durchgeführt und die gemachten Erfahrungen sind noch relativ begrenzt, aber es hat sich gezeigt, dass er ein großes Potenzial zur Bekämpfung der Armut und der finanziellen und gesellschaftlichen Ausgrenzung aufweist und den Kundenstamm der Finanzeinrichtungen in Entwicklungsländern mit islamischem Hintergrund erweitert und wohlhabender machen kann. Beteiligungsbanken konzentrieren sich also nicht nur auf den finanziellen Erfolg, sondern sie verfolgen auch eine Maximierung der gesellschaftlichen Vorteile durch die Schaffung soliderer Finanzeinrichtungen, die echte Finanzdienstleistungen auch für diejenigen auf der untersten Ebene bieten können.

4.3   Staatliche und EU-Finanzierungssysteme – Die Mitgliedstaaten haben über ihre Intermediäre mit verschiedenen Maßnahmen, wie etwa Steueranreize oder Finanzierungsprogramme wie Zuweisungen im Rahmen des Europäischen Regionalentwicklungsfonds und des Europäischen Investitionsfonds, Unternehmen gefördert.

4.3.1   Die Inanspruchnahme bestimmter Initiativen für die Gründungsphase und die Aufbringung des Startkapitals erfolgten möglicherweise nicht im gewünschten Umfang.

4.4   „Business angels“, d.h. private Geldgeber oder informelle Wagniskapitalinvestoren gelten als nichttraditionelle Finanzierungsquellen und stellen Unternehmen vorwiegend von der Startkapitalphase bis zur ersten Wachstumsphase Beteiligungskapital zur Verfügung.

5.   Es sollte ein Aktionsrahmen angenommen werden, um die Folgen der Investitions- und Finanzierungskrise aufzufangen und den KMU den Zugang zu Krediten zu erleichtern

5.1   In der gegenwärtigen Situation ist die rasche Umsetzung des „Small Business Act“ (SBA) von entscheidender Bedeutung. Der EWSA hatte den von der Kommission vorgestellten SBA begrüßt, muss nun allerdings betonen, dass die Umsetzung der vorgeschlagenen Initiativen von höchster Dringlichkeit ist.

5.1.1   Zu einer Zeit, wo Liquidität für KMU ein Luxus ist, dringt der EWSA auf eine Neufassung der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs, damit sichergestellt wird, dass die KMU für ihre Leistungen ihr Geld pünktlich erhalten und die 30-Tage-Frist eingehalten wird. Doch muss die Umsetzung wirklich praktikabel sein und auch von den (privaten und öffentlichen) Lieferanten getragen werden.

5.1.2   Die Richtlinie für ermäßigte Mehrwertsteuersätze für lokal erbrachte, arbeitsintensive Dienstleistungen, die vor allem von den KMU erbracht werden, sollte ebenfalls rasch in Kraft treten. Wenngleich sie durchaus umstritten ist, würde eine solche Richtlinie doch die KMU wirtschaftlich stimulieren und diese für die Endverbraucher attraktiver machen.

5.2   Daten der europäischen Handelskammern zufolge haben 30 % der KMU Liquiditätsprobleme, und zwar ein Viertel unter ihnen aufgrund von verweigerten Bankkrediten. Zu einer Zeit, in der die Banken einer genauen Kontrolle unterliegen und eine äußerst konservative Kreditvergabepolitik betreiben, würde es der gesamten Wirtschaft zum Schaden gereichen, wenn die KMU die Opfer einer solch zurückhaltenden Politik würden.

5.2.1   Durch eine Erhöhung der Mittel für die EIB im Rahmen des Konjunkturprogramms wurden in der EU die Finanzmittel der Banken für die KMU aufgestockt. Aber nach den Erfahrungen der KMU ist der Zugang zu Bankkrediten immer noch sehr schwierig. Anscheinend also wurden zwar Finanzmittel für die Kreditvergabe an KMU bereitgestellt, aber in der Praxis kommen sie bei den KMU nicht an. Deshalb ist es wichtig, dass die ausgewählten Vermittlerbanken, die die Finanzmittel der EIB verwalten sollen, die KMU ohne Abstriche unterstützen. Wenn eine Vermittlerbank solche Finanzmittel fortlaufend nicht an die KMU weiterleitet, so sollte diese Vermittlerbank von der EIB ersetzt werden. Und schließlich sollte als Anreiz, damit die Intermediäre die Gelder der EIB wirklich an die KMU weiterverleihen, das Kreditrisiko zwischen ihnen und der EIB geteilt und nicht allein den ersteren aufgebürdet werden.

5.3   Ein wichtiger Aspekt, insbesondere für Unternehmensgründungen, ist der Zugang zu Wagniskapital. Der Markt für solches Kapital für die Frühphase eines Unternehmens beläuft sich in Europa auf ca. 2 Mrd. EUR pro Jahr, was nur etwa einem Viertel des US-amerikanischen Volumens entspricht. Lediglich eines von 50 KMU wendet sich mit einem Kreditgesuch an ein Risikokapitalunternehmen. Informationen über Risikokapitalfinanzierungen sind zwar leicht erhältlich, aber sehr häufig erkennen traditionelle KMU gar nicht, dass auch sie Risikokapital erhalten können. Dies hängt auch mit der konservativen Einstellung der europäischen Unternehmer zu Risiken zusammen, die eher Bankdienstleistungen als Risikokapital in Anspruch nehmen wollen.

5.4   Öffentliche Ausschreibungen sind ein wichtiger Zugang für KMU, doch sind sie - angesichts der größeren Erfahrungen der „großen Fische“ und auch der strengen Bestimmungen bezüglich der Bankgarantien und der Umsatzerklärungen - derzeit am wenigsten wettbewerbsfähig. Bei öffentlichen Ausschreibungen müssten mehr an KMU orientierte Maßnahmen getroffen werden, wie etwa geringere durch Bankgarantien abgesicherte Kapitalanforderungen, Förderung der Einriechung von Angeboten durch die KMU oder die Unterstützung von Zusammenschlüssen von KMU.

5.5   Die Verringerung des bürokratischen Aufwands hat für die KMU allererste Priorität, denn sie haben im Verhältnis zu den Großunternehmen einen überproportionalen Aufwand an Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Es ist erwiesen, dass Großunternehmen pro Mitarbeiter im Durchschnitt 1 EUR an Verwaltungsgebühren aufwenden müssen, Kleinunternehmen hingegen 10 EUR. Die Kommission ist auf dem richtigen Wege, wenn sie versucht, den Verwaltungsaufwand zu senken, aber von einer effektiven Hilfe für die KMU ist man noch weit entfernt.

5.6   Die Zukunft unserer Wirtschaft hängt von einem nachhaltigen Wettbewerb ab. KMU, die an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit festhalten und im Bereich der „grünen Wirtschaft“ tätig sind, sollten deshalb bei Finanzierungsfragen besonders unterstützt werden.

5.7   EU-Fördermittel sind für solche KMU umfangreich und breit gestreut, die im Bereich neue Technologien tätig sind. Diejenigen KMU hingegen, die traditionellere Produkte oder Dienstleistungen liefern, müssen Anreize erhalten, um innovative Ansätze auch in ihren eigenen Arbeitsbereichen zu verfolgen. Die Förderinstrumente müssen also weiter konsolidiert werden, um auch dieses breite Spektrum an KMU-Tätigkeiten zu unterstützen.

5.8   Der EWSA erkennt an, dass Verbände, wie die AECM-Mitgliedsorganisationen, in der Krise von entscheidender Bedeutung waren. Er fordert die Kommission auf, weiterhin ein günstiges Klima für solche Organisationen zu schaffen, damit sie die KMU durch Finanzierungsbürgschaften unterstützen können.

5.9   Das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) war ebenfalls ein wichtiges Instrument zugunsten der KMU; deshalb ersucht der Ausschuss die Kommission, die in diesem Programm enthaltene Garantieregelung für KMU auch nach 2013 beizubehalten.

Brüssel, den 16. September 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Flash Eurobarometer 192, Entrepreneurship Survey of the EU (Erhebung zur unternehmerischen Initiative - 25 EU-Mitgliedstaaten sowie Vereinigte Staaten, Island und Norwegen), Analysebericht, April 2007.

(2)  Siehe „Islamic Finance in a European Union Jurisdiction Workshops Report“ (Bericht über das Seminar „Islamische Finanzierungsformen unter EU-Recht“), Hrsg.: Malta Institute of Management, Malta Employers Association und Malta Union of Bank Employees.


Top