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Document 52010AE0765

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Optionen für eine Tierschutzkennzeichnung und den Aufbau eines europäischen Netzwerks von Referenzzentren für den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere“ KOM(2009) 584 endg.

    ABl. C 21 vom 21.1.2011, p. 44–48 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    21.1.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 21/44


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Optionen für eine Tierschutzkennzeichnung und den Aufbau eines europäischen Netzwerks von Referenzzentren für den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere“

    KOM(2009) 584 endg.

    2011/C 21/08

    Berichterstatter: Leif E. NIELSEN

    Die Europäische Kommission beschloss am 28. Oktober 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Optionen für eine Tierschutzkennzeichnung und den Aufbau eines europäischen Netzwerks von Referenzzentren für den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere

    KOM(2009) 584 endg.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 6. Mai 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 463. Plenartagung am 26./27. Mai 2010 (Sitzung vom 26. Mai) mit 106 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Es besteht Bedarf an einem Kennzeichnungssystem, das den Verbrauchern auf objektiver Grundlage bessere Wahlmöglichkeiten bei tierischen Produkten an die Hand gibt, wenn die Tierschutzbedingungen über die Mindestanforderungen der EU hinausgehen. Mit der Kennzeichnung soll eine erkennbare Garantie auf der Grundlage verlässlicher Informationen gegeben werden, die für die Kommunikation mit den Verbrauchern geeignet sind.

    1.2   Das System soll auf Bewertung und Vergleich von Normen auf wissenschaftlicher Grundlage beruhen. Das System sollte freiwilligen Charakter haben, harmonisiert und marktorientiert sein sowie auf Zertifizierung und Kombinationsmöglichkeiten mit privaten Kennzeichnungen und Gütesiegeln unter Einhaltung von genauer festgelegten Kriterien beruhen. Das Kennzeichnungssystem soll zugleich auch internationalen Verpflichtungen nachkommen und zu entsprechenden Bedingungen auf Importe in die EU angewandt werden können.

    1.3   Der EWSA würdigt die eingehenden Untersuchungen, die auf Veranlassung der Kommission durchgeführt wurden und anhand deren die Folgen der verschiedenen Optionen für ein Kennzeichnungssystem und ein europäisches Netzwerk von Referenzzentren abgeschätzt werden. Die Untersuchungen scheinen als realistischste Möglichkeit deutlich auf ein Kennzeichnungssystem in Übereinstimmung mit den oben genannten Ausführungen hinzuweisen, was gleichzeitig den früheren Empfehlungen des EWSA entspricht (1).

    1.4   Ungeachtet dessen unterlässt es die Kommission, die Forderungen nach einem so genannten „Garantiesystem“ zu prüfen und für diese Optionen eine Prioritätensetzung vorzunehmen, sondern lässt diese offen, obwohl sie mehrheitlich als unrealistisch anzusehen sind. Es wäre zweckmäßiger gewesen und hätte den Prozess vorangebracht, wenn die Kommission als Grundlage für weitere Überlegungen einen konkreten Vorschlag skizziert hätte. Dies gilt nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass der Rat vor zwei Jahren die Kommission darum ersucht hatte, die Empfehlungen des EWSA als Grundlage für weitere Überlegungen heranzuziehen.

    1.5   Die Diskussion sollte sich nicht unnötig in die Länge ziehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des „Welfare Quality“-Projektes (2), dessen Ergebnisse möglichst bald praktische Anwendung finden sollten. Zudem sollten das bestehende Netzwerk zwischen den beteiligten Institutionen und das Engagement der Forscher aufrechterhalten und genutzt werden, ohne dass allzu viel Zeit für die fortgesetzte Diskussion theoretischer Möglichkeiten ohne konkrete Vorschläge verloren geht.

    1.6   Mit dem „Welfare Quality“-Projekt wurde somit eine solide Grundlage für die Entwicklung wissenschaftlicher Indikatoren geschaffen, die in erster Linie auf dem Wohlergehen und Verhalten der Tiere - und damit indirekt auch auf den angewandten Produktionssystemen und -methoden - beruhen und die zu einer Klassifikation mit transparenten und zuverlässigen Verbraucherinformationen weiterentwickelt werden können.

    1.7   Der EWSA unterstützt aufgrund dessen den Aufbau eines europäischen Netzwerkes als eine Form der Weiterentwicklung des „Welfare Quality“-Projektes. Der EWSA vertritt in Übereinstimmung mit seinen früheren Empfehlungen die Ansicht, dass die Verbindung eines Kennzeichnungssystems mit einem zentral koordinierten Netzwerk unter den genannten Optionen die beste Lösung ist. Die betroffenen Akteure sollten frühzeitig und umfassend auf die Funktionsweise des Systems und die Festlegung der Normen Einfluss nehmen können.

    1.8   Die vorgeschlagene Regelung soll eine Ergänzung darstellen zu den derzeit geltenden EU-Qualitätsregelungen in Form von vorbehaltenen Angaben für ökologische Erzeugnisse und Produktionssysteme für Eier sowie zu den Regelungen für geografische Angaben und traditionelle Spezialitäten, die sich in erster Linie auf die Produktionssysteme und den Ursprung, nicht aber auf den Tierschutz beziehen.

    2.   Hintergrund

    2.1   Die Anwendung von messbaren Indikatoren, strengeren Tierschutznormen, eine Kennzeichnung und der Aufbau eines europäischen Netzwerkes bilden wesentliche Elemente des Aktionsplans für Tierschutz der Kommission (3). Das Ziel besteht dabei darin, Verbrauchern bei der Wahl tierischer Produkte, die nach strengeren Tierschutznormen als den EU-Mindestanforderungen hergestellt wurden, eine bessere Grundlage an die Hand zu geben. Dies kann durch bessere Informationen und Sensibilisierung für Tierschutz, die Erarbeitung von Normen sowie den Austausch und die Anwendung bewährter Verfahren im Rahmen des europäischen Netzwerkes für Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere erfolgen. Als Vertreter der Zivilgesellschaft und aufgrund seiner vielfältigen Zusammensetzung ist es eine offenkundige Aufgabe für den EWSA, zur Einrichtung eines flexiblen und funktionierenden Systems einen Beitrag zu leisten.

    2.2   Der Bericht geht auf ein Ersuchen des Rates vom Mai 2007 zurück, eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Tierschutzkennzeichnung vorzunehmen. Als Grundlage diente hierzu die Sondierungsstellungnahme des EWSA und die anschließende Konferenz (4). Der Rat forderte die Kommission dazu auf, die Möglichkeiten für eine Tierschutzkennzeichnung zu prüfen und dabei die Empfehlungen des EWSA zu berücksichtigen, die auf der Auslotung der praktischen Möglichkeiten zur Einführung eines Kennzeichnungssystems auf der Grundlage von Tierschutzindikatoren in Einklang mit der Erreichung der Ziele des „Welfare Quality“-Projektes beruhten. Ferner empfahl der Rat, ebenso wie der EWSA, eine anschließende Informationskampagne auf EU-Niveau zum Thema Tierschutz und Kennzeichnungssystem.

    2.3   Die Anlagen zu dem vorliegenden Bericht enthalten umfassende externe Untersuchungen zu den Optionen sowohl für Tierschutzkennzeichnung und Kommunikation über Tierschutz als auch für Aspekte im Zusammenhang mit dem Aufbau eines europäischen Netzwerkes. Eine interinstitutionelle Diskussion über den Bericht und die Untersuchungen soll in Übereinstimmung mit den Forderungen des Rates die Grundlage für die weiteren Überlegungen der Kommission bilden.

    2.4   In dem Bericht und dem zugehörigen Vergleich der Untersuchungen der Kommissionsdienststellen werden die bestehenden Optionen für verschiedene obligatorische und freiwillige Kennzeichnungssysteme zusammengefasst, ohne dass eine bestimmte Option besonders herausgestellt würde. Es geht jedoch daraus hervor, dass das künftige System auf verbraucherfreundlichen Informationen, auf einer wissenschaftlichen Grundlage, der Hinzuziehung unabhängiger Zertifizierungsorgane, der Absicherung gegen Wettbewerbsverzerrung sowie der Einhaltung internationaler Verpflichtungen beruhen soll.

    2.5   Ein europäisches Netzwerk von Referenzzentren kann der Kommission zufolge Normen bzw. Indikatoren harmonisieren, bestehende Ressourcen koordinieren, einen Beitrag zum Austausch bewährter Verfahren leisten, unabhängige Informationen gewährleisten sowie dazu beitragen, dass Überschneidungen vermieden werden. Die Wahlmöglichkeiten bestehen entweder im Fortbestand der gegenwärtigen Situation ohne weitere Maßnahmen, einem zentralisierten Ansatz oder einer mehr aufgabenspezifischen Strategie unter Festlegung von zentralen und dezentralen Elementen.

    2.6   Die Kommission wird hier unter anderem die verwaltungstechnischen Nachteile und die Kosten sowie das Verhältnis zu den Kennzeichnungssystemen für Produktqualität, z.B. für ökologische Landwirtschaft, prüfen. Dabei sollen die Ergebnisse des „Welfare Quality“-Projektes genutzt und die Ergebnisse der möglichen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen untersucht werden. Darüber hinaus wird die Kommission auch weitere Untersuchungen anstellen, um festzustellen, ob die in früheren Umfragen geäußerten Meinungen sich verändert haben und wenn ja, weshalb.

    3.   Bemerkungen

    3.1   Der EWSA unterstützt weiterhin den Aktionsplan für Tierschutz der Kommission (5) und sieht es als positiv an, dass dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere innerhalb des Vertrages von Lissabon eine bedeutende Stellung eingeräumt wird, was als ein Zeichen für das zunehmende Interesse an dem Thema zu werten ist (6).

    3.2   Die durchgeführten Analysen dokumentieren die Notwendigkeit einer kohärenteren und besser koordinierten Herangehensweise an den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere in der EU. Die Vielzahl der freiwilligen Kennzeichnungssysteme und Qualitätsregelungen in den Mitgliedstaaten kann somit zu Verwirrung sowie zu einer unangebrachten und unsachgemäßen Differenzierung von Produkten führen. Außerdem lassen sie ungleiche Bedingungen für die betroffenen Glieder der Produktions- und Handelskette entstehen.

    3.3   Verbraucher können sich aus ethischen, qualitativen oder anderen Gründen für Tierschutz entscheiden, haben aber aufgrund fehlender Dokumentation kein Vertrauen in die Stichhaltigkeit und Zuverlässigkeit der in der Vermarktung verwendeten Argumente. Eine objektive und wissenschaftlich fundierte Dokumentation ist daher eine unerlässliche Grundlage für eine bessere Vermarktung tierischer Produkte, die die Mindestnormen der EU übertreffen. Klar ist auch, dass eine Kennzeichnung nur dann die gewünschte Wirkung hat, wenn die Angaben verständlich sind und die Verbraucher ausreichend über deren Bedeutung informiert und entsprechend interessiert sind.

    3.4   Es besteht somit Bedarf an einer erkennbaren Garantie auf der Grundlage objektiver und verlässlicher Informationen. Der EWSA unterstützt im Anschluss an seine Stellungnahme von 2007 vorbehaltlos entsprechende Bestrebungen. Der EWSA begrüßt die zwischenzeitlich durchgeführte, sehr gründliche Arbeit und hat Verständnis für den Zeitaufwand, mit dem sie verbunden war.

    3.5   Allerdings wäre es sachdienlich gewesen, wenn die Kommission die bestehenden Optionen nach Priorität eingestuft und einen oder mehrere relevante Vorschläge als Ausgangspunkt für den daran anschließenden politischen Prozess skizziert hätte, darunter auch einen Vorschlag auf Grundlage der Empfehlungen des EWSA. Allem Anschein nach bestärken die umfassenden Analysen eindeutig die Empfehlungen des EWSA, denen zufolge ein Kennzeichnungssystem realistischerweise freiwillig, harmonisiert und marktgesteuert sein muss, um so eine praktische und realistische Vermarktungsmöglichkeit für tierische Produkte zu schaffen, die die Mindestanforderungen übertreffen.

    3.6   Die Kommission sollte auch auf die umfassenden europaweit durchgeführten Arbeiten in diesem Bereich zurückgreifen - wissensbasierte Systeme, über die sowohl die Anbieter als auch die Erzeuger von Waren und Dienstleistungen informiert werden und die zu marktorientierten Maßnahmen und entsprechendem Verbraucherverhalten anregen. Beispiele hiefür sind das Fairtrade-Kennzeichen, der Forest Stewardship Council, der Marine Stewardship Council und die Rainforest Alliance. Die Verwaltung des Systems, der Umfang, die Ziele und die Setzung von Normen sind als wichtigste Elemente anzusehen; eine unabhängige Prüfung, Folgenabschätzung und Kosten-Nutzen-Analyse sowie die Überwachung von öffentlichen Verlautbarungen und Werbung (7) müssen gewährleistet sein.

    3.7   Eine Koordinierung der Forschung würde die bessere Nutzung der Ressourcen sicherstellen, und in diesem Zusammenhang sieht es der EWSA als wichtig an, die interinstitutionellen Diskussionen voranzutreiben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des „Welfare Quality“-Projektes, dessen Ergebnisse baldige praktische Anwendung finden sollten, wie auch das Engagement der Forscher aufrechterhalten und die Arbeiten auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse weitergeführt werden müssen, ohne dass allzu viel Zeit für die fortgesetzte Diskussion theoretischer Möglichkeiten ohne konkrete Vorschläge verloren geht. Ein Netzwerk mit Forschern in relevanten Drittländern ist außerdem entscheidend für die weitere Verbreitung der Forschungsergebnisse und das bessere Verständnis der Politik der EU, was für die künftigen Handelsbeziehungen von Bedeutung ist.

    Kennzeichnungssysteme

    3.8   Selbst wenn die Analyse zu keiner klaren Schlussfolgerung bezüglich des Kennzeichnungssystems gelangt, scheint sie doch indirekt ein einfaches und flexibles System als die realistischste Option nahezulegen. In allen wesentlichen Punkten entspricht dies den Empfehlungen und Vorschlägen des EWSA, die von einer wissenschaftlichen Grundlage, Marktbedingungen, Freiwilligkeit sowie der Möglichkeit einer Anwendung in Verbindung mit privaten Kennzeichnungen und Gütesiegeln ausgehen.

    3.9   Deshalb ist der EWSA nach wie vor der Auffassung, dass das System im Kern auf folgenden Elementen basieren sollte:

    Das oder die vorgeschlagenen Referenzzentren legen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Tieres die erforderlichen objektiven Kriterien fest und setzten sie in praktische und realistische Produktionsverhältnisse um, sodass die Verzahnung von Forschung, Entwicklung und Einsatz neuer Technologien bestmöglich gefördert wird (8).

    Die Kriterien werden in Normen (9) zur Anwendung im Kennzeichnungssystem umgesetzt. Dabei soll u.a. den Aspekten der Messbarkeit und der Kontrolle durch ein unabhängiges Organ unter Berücksichtigung der betroffenen Interessengruppen Rechnung getragen werden.

    Produktion und Handel könnten sodann auf freiwilliger Basis ein von der EU anerkanntes Gütesiegel einführen, das Normen über den EU-Mindestanforderungen bescheinigt.

    Die Normen könnten zum Beispiel drei unterschiedlichen Ebenen über den Mindestnormen entsprechen, je nach dem, inwieweit dies für die jeweilige Tierart bzw. das jeweilige Produkt relevant ist (10).

    Die Garantie für die Einhaltung der spezifischen Anforderungen und die Kontrolle der Kennzeichnungsverwendung ist durch Selbstkontrolle und unabhängige Überprüfung gegeben (11).

    3.10   Nach diesem Modell erfolgt die Anwendung und Kontrolle sowie die Verwendung des jeweiligen Gütesiegels unter Marktbedingungen und unabhängig von den Behörden. Durch die freiwillige Hinzufügung des Gütesiegels (in Kombination mit einem System aus Sternen, Farben oder Punkten) zu den bestehenden Kennzeichnungen wird durch den Vorschlag zusätzlich das Problem der Überfrachtung mit Kennzeichnungsangaben gelöst. Dem interessierten und motivierten Verbraucher stünden diese Informationen zur Verfügung; das Vertrauen in das System beruht auf der wissenschaftlichen Grundlage und einer unabhängigen Zertifizierung.

    3.11   Das Tempo der Einführung muss unbedingt mit den Erfordernissen des Marktes in Einklang stehen, aber die Erzeugerorganisationen, die Unternehmen und der Einzelhandel würden die Möglichkeit haben, das System auf ihr Produktsortiment anzuwenden, sofern dieses die Mindestanforderungen übertrifft, und ihre Produkte demgemäß zu vermarkten. So sollte zum Beispiel das System in Verbindung mit der zunehmenden Tendenz zum „Branding“ angewandt werden, bei dem der Einzelhandel anders als bei der Kennzeichnung auf Produkten Auskunft darüber gibt, ob sie tierfreundlich sind.

    3.12   Das System könnte zu ähnlichen Bedingungen auf eingeführte Produkte angewendet werden und wäre somit hinsichtlich der Bestimmungen der Welthandelsorganisation unproblematisch, da freiwillige Kennzeichnungssysteme in der WTO-Praxis erlaubt sind, solange sie angemessen und für Erzeuger aus Drittländern zu den gleichen Bedingungen zugänglich sind.

    3.13   Der marktorientierte Ansatz setzt unter anderem voraus, dass das System für Verbraucher und Einzelhandel hinreichend attraktiv ist und dass die Kosten der Erzeuger durch besseren Marktzugang und höhere Preise ausgeglichen werden.

    Europäisches Netzwerk von Referenzzentren

    3.14   Eine sachorientierte und objektive Entwicklung des Tierschutzes muss unter Einbeziehung bestehender und relevanter Forschungseinrichtungen in der EU erfolgen. Daher spricht sich der EWSA für die Schaffung eines europäischen Netzwerkes in diesem Bereich aus, das von einem oder mehreren Referenzzentren koordiniert wird und ähnlich den bestehenden Referenzzentren im Bereich Tiergesundheit organisiert ist (12).

    3.15   Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) und die nationalen Referenzlabors beschäftigen sich in gewissen Umfang mit Tierschutzbelangen, sind aber nicht dazu geeignet, diese in der EU zu koordinieren. Das Netzwerk soll die Tätigkeiten der EU-Einrichtungen ergänzen - keinesfalls sollen hier Überschneidungen entstehen. Im Prinzip soll jegliche Form der Verwendung von Tieren zu wirtschaftlichen Zwecken erfasst werden, und dies unabhängig von externen Interessen.

    3.16   Das Netzwerk sollte folgende miteinander verbundene Aufgaben übernehmen:

    Festlegung und Aktualisierung von Indikatoren zur Bewertung des Tierschutzes und zwar auf wissenschaftlicher Grundlage und unter Berücksichtigung der Anregungen von Seiten der Interessenträger;

    Durchführung von Folgenabschätzungen für Tierschutzmaßnahmen und -verbesserungen;

    ständige Weiterentwicklung der Forschung und der wissenschaftlichen Grundlage für die Aktualisierung der Normen;

    Informationen und Dialog über die Umsetzung der Normen und Beitrag zu einem aktiveren Tierschutz auf globaler Ebene.

    3.17   Am zweckmäßigsten könnte die Organisierung durch die Weiterführung des bestehenden „Welfare Quality“-Netzwerkes mit Verbindung zu dem größeren Netzwerk in relevanten Drittländern erfolgen. Mit dem „Welfare Quality“-Projekt wurde somit die Grundlage für die Entwicklung eines Kennzeichnungssystems durch die Ausarbeitung wissenschaftlicher Indikatoren für Tiere geschaffen, die als Grundlage für transparente und zuverlässige Verbraucherinformationen zu der erwähnten Klassifizierung weiterentwickelt werden können.

    3.18   Die von dem Netzwerk vorgeschlagenen Normen sollten von einer unabhängigen Einrichtung beschlossen werden. Da die aktive Mitwirkung der beteiligten Partner eine eindeutige Voraussetzung für das Funktionieren des Systems ist, sollten diese unter anderem im Hinblick auf die Gestaltung der Strategie und das Arbeitsprogramm möglichst umfassend in den Beschlussfassungsprozess einbezogen werden.

    Sonstige Fragen

    3.19   Der Vorschlag des EWSA für eine Tierschutzkennzeichnung beruht auf den zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Bewertungen. Harmonisierte Anforderungen erlauben dem Verbraucher überlegte Kaufentscheidungen, aus denen sich Anreize für die Erzeuger ergeben. Voraussetzung wäre jedoch, dass durch Informationskampagnen und Schulungsprogramme der Tierschutz, die Normen und Kennzeichnungen besser bekannt gemacht werden. Ungeachtet der offenkundigen Notwendigkeit einer Koordinierung auf europäischer Ebene sollte die Konzipierung und Umsetzung eine regionale bzw. nationale Angelegenheit sein, da zentrale Informationsmaßnahmen in der EU erfahrungsgemäß wenig Durchschlagkraft in den Mitgliedstaaten haben.

    3.20   Durch den oben genannten Vorschlag wird keinerlei Konflikt mit dem bestehenden System der ökologischen Landwirtschaft in der EU entstehen, das in mehreren Punkten Tierschutzaspekte beinhaltet. Es ist davon auszugehen, dass Tierschutz bei ökologischen Produkten durch schrittweise Anwendung der Normen, sobald diese vorliegen, in angemessenem Umfang berücksichtigt wird und somit ohne zusätzliche Verwaltungskosten Bestandteil der Kontrollregelung für ökologische Erzeugnisse sein wird. Verbraucher verbinden ökologische Landwirtschaft mit strengeren Tierschutznormen, und es ist davon auszugehen, dass ihnen die ökologischen Erzeugnisse mit EU-Gütesiegel bekannt sind.

    3.21   Mit der vorgeschlagenen Regelung für eine Tierschutzkennzeichnung sollen im Grunde auch die geltenden EU-Qualitätskennzeichnungssysteme in Form von vorbehaltenen Angaben für Eier sowie die Regelungen für geografische Angaben und traditionelle Spezialitäten ergänzt werden. Diese Systeme beziehen sich gleichermaßen auf Produktionssysteme und Herkunft, nicht aber auf Tierschutz, obwohl diese in gewissem Maße so verstanden werden. Da sie dem Verbraucher geläufig sind, sollten sie jedoch beibehalten werden. Von weiteren obligatorischen oder freiwilligen Anforderungen an die Verwendung „vorbehaltener Angaben“, die auf Produktionssystemen beruhen, sollte dagegen abgesehen werden, da - wie sich unter anderem deutlich in Zusammenhang mit der Festlegung von Mindeststandards zeigt - spezifische Produktionsbedingungen für eine Regelung durch das komplizierte EU-Rechtsetzungsverfahren nicht geeignet sind.

    3.22   Die Mitteilung der Kommission über die Qualitätspolitik für Agrarerzeugnisse beinhaltet einen Vorschlag zur Ausarbeitung von Leitlinien für private und staatliche Regelungen zur Zertifizierung von Nahrungsmitteln (13). Die vorgeschlagenen Leitlinien sollen einerseits die Verbraucher vor Irreführung schützen und überlassen es andererseits dem Markt, auf das Interesse der Verbraucher an Tierschutz zu reagieren. Gleichzeitig wird durch sie die Zertifizierung als wesentliches Element in die EU-Lebensmittelpolitik eingeführt.

    3.23   Das vorgeschlagene System ist hinsichtlich besonderer Fragestellungen mit religiösem Bezug insofern neutral, als durch die Kennzeichnung nur die Erfüllung von Anforderungen an den Tierschutz auf einem näher spezifizierten Niveau über den Mindestanforderungen der EU gewährleistet ist.

    3.24   Dem europäischen Netzwerk von Referenzzentren für den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere sollte bei der Gewährleistung des Wohlergehens von Wirbeltieren, die aus wirtschaftlichen Gründen gehalten werden, eine zentrale Rolle zukommen. Zu diesen Tieren zählen auch Fische und Pelztiere, die den übrigen Nutztieren gleichgestellt werden sollten. Das gilt auch für Labortiere, wohingegen das Europäische Zentrum für die Validierung von Alternativmethoden (ECVAM) Alternativen zur Nutzung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke entwickelt.

    Brüssel, den 26. Mai 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Die Sondierungsstellungnahme des EWSA zum Thema Tierschutzkennzeichnung vom 15.3.2007 wurde auf Ersuchen des deutschen Ratsvorsitzes erarbeitet (ABl. C 161 vom 13.7.2007, S. 54).

    (2)  Welfare Quality® wurde 2004 bis 2009 als EU-finanziertes Forschungsprojekt von etwa 250 Forschern von 39 Instituten und Hochschulen in 13 europäischen Ländern und relevanten Drittstaaten durchgeführt. Im Rahmen des Projekts wurden auf wissenschaftlicher Grundlage Tierschutznormen und praktische Strategien zur Einbindung des Tierschutzes in die landwirtschaftliche Produktionskette und die nachfolgenden Glieder der Produktions- und Handelskette einschließlich zugehöriger Verbraucherinformationen entwickelt.

    (3)  KOM(2006) 13 vom 23.1.2006.

    (4)  Die Konferenz „Besserer Tierschutz durch Kennzeichnung“ wurde am 28.3.2007 von EWSA, Kommission und dem deutschen Ratsvorsitz veranstaltet; der Rat betonte, „dass die Empfehlungen, die der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in seiner am 15. März 2007 angenommenen Sondierungsstellungnahme zum Thema Tierschutz und Kennzeichnung ausgesprochen hat, berücksichtigt werden sollten“ (Schlussfolgerungen; 2797. Tagung des Rates „Landwirtschaft und Fischerei“, Brüssel, 7. Mai 2007).

    (5)  Siehe EWSA-Stellungnahme zu dem „Aktionsplan der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006-2010“, ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 18.

    (6)  Gemäß Artikel 13 „tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe.“ Diese verbindliche Bestimmung ersetzt das frühere „Gentlemen's agreement“ in Form eines Protokolls und gewährt z.B. dem EuGH die Zuständigkeit, in Streitsachen zu entscheiden.

    (7)  Für ein solches System könnte auch die Akkreditierung im Rahmen der ISO-Norm 65 angestrebt werden; allgemeine Anforderungen für Organisationen, die Produktzertifizierungen anbieten.

    (8)  In Übereinstimmung mit dem WQ-Projekt sollen bei der Bewertung in erster Linie das Tierverhalten („welfare outcomes“), nicht jedoch die Produktionssysteme zugrunde gelegt werden („input and resources“). Somit erfolgt die Bewertung des Produktionssystems über das Tierverhalten. Bei den Indikatoren wird vorausgesetzt, dass sie alle wesentlichen Gegebenheiten für die betreffende Tierart in Form von Zuchtmerkmalen, Platz- und Einstallungsverhältnissen, Ermöglichung natürlichen Verhaltens, täglicher Kontrolle, Krankheits- und Gesundheitsaspekten, Absetzung von der Mutter, chirurgischen Eingriffen einschließlich des Transports zum Schlachthof, der Betäubung und Schlachtung umfassen. Das System bietet ferner Anreize für freiwillige Innovationen und individuelle Verbesserungen.

    (9)  Die Bezeichnung „Normen“ soll verwendet werden, um eine Verwechslung mir dem Begriff „Standards“ zu vermeiden, die anhand spezifischer Verfahren von den europäischen Normungsorganen entwickelt werden.

    (10)  Entsprechend der Klassifizierung des „Welfare Quality“-Projekts auf drei Ebenen: hervorragend (höchste Ebene), fortgeschritten (guter Tierschutz) und über den Mindestnormen.

    (11)  Ein Institut, eine Organisation oder eine spezialisierte Zertifizierungsstelle, die gemäß den einschlägigen europäischen und internationalen ISO-Normen EN – ISO – 17000 arbeitet oder als Zertifizierungsstelle gemäß EN – ISO - 45011 zugelassen ist.

    (12)  Die Kommission verwendet die Bezeichnung „Europäisches Netzwerk von Referenzzentren“ (ENRC), obwohl es sich eigentlich um ein Netzwerk von Forschungseinrichtungen handelt. Dieses wird ähnlich wie die Organisationen für den Schutz von Nutztieren von einem oder mehreren Referenzzentren koordiniert (eventuell eines für jede Tierart), die auf der Grundlage von Indikatoren Tierschutznormen vorschlagen, welche von einer unabhängigen Organisation angenommen werden sollen. Obwohl die Einbeziehung der betroffenen Partner vorgeschlagen wird, wird die Organisation dieser Einrichtungen nicht näher erläutert.

    (13)  KOM(2009) 234 vom 28.5.2009.


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