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Document C2006/088/10

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgender Vorlage Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte — Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben (KOM(2005) 280 endg. — 2005/0124-0125 (CNS))

    ABl. C 88 vom 11.4.2006, p. 37–40 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    11.4.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 88/37


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgender Vorlage „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte — Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben“

    (KOM(2005) 280 endg. — 2005/0124-0125 (CNS))

    (2006/C 88/10)

    Der Rat beschloss am 22. September 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 24. Januar 2006 an. Berichterstatter war Herr SHARMA, Mitberichterstatterin Frau LE NOUAIL MARLIÈRE.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 424. Plenartagung am 14./15. Februar 2006 (Sitzung vom 14. Februar) mit 94 Ja- Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

    1.1

    Zweck der vorliegenden Vorschläge ist es, das Mandat der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) auszuweiten und gemäß dem Beschluss des Europäischen Rates vom 13. Dezember 2003 eine Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu errichten.

    1.2

    Der wichtigste Unterschied zwischen den bestehenden Rechtsvorschriften und den vorliegenden Vorschlägen besteht darin, dass letztere den Anwendungsbereich wie in den von der UNO, der ILO und dem Europarat anerkannten Regulierungssystemen von der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf alle in der Charta genannten Grundrechtsbereiche ausweiten; davon unberührt bleiben diejenigen Bereiche, die bereits durch die Tätigkeiten anderer Gemeinschaftsagenturen abgedeckt sind.

    1.3

    Die Agentur prüft, ob die Grundrechte in der Union, in den Mitgliedstaaten (bei der Umsetzung des Rechts der Union) und den Bewerberländern und potenziellen Bewerberländern, die sich an der Agentur beteiligen, gewahrt werden. Außerdem kann die Kommission die Agentur ersuchen, Informationen und Analysen über Drittländer vorzulegen, mit denen die Gemeinschaft Assoziierungsabkommen oder Abkommen mit Menschenrechtsbestimmungen geschlossen oder Verhandlungen über solche Abkommen eröffnet hat oder mit denen sie die Aufnahme entsprechender Verhandlungen plant.

    1.4

    Mit der Errichtung der Agentur soll den zuständigen Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Grundrechte Unterstützung gewährt und es sollen ihnen Fachkenntnisse bereitgestellt werden, um ihnen die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte zu erleichtern, wenn sie in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Maßnahmen ergreifen oder Aktionen festlegen.

    1.5

    Die Agentur wird im Rahmen ihrer thematischen Tätigkeitsbereiche in völliger Unabhängigkeit Daten über die praktischen Auswirkungen von Maßnahmen der Union auf die Grundrechte und über bewährte Vorgehensweisen zum Schutz und zur Förderung der Grundrechte zusammentragen und bewerten, Gutachten über politische Entwicklungen im Bereich der Grundrechte ausarbeiten, die Öffentlichkeit für sämtliche EU-relevanten Rechtstexte und Regulierungsinstrumente sensibilisieren und den Dialog mit der Zivilgesellschaft fördern sowie Maßnahmen zur Koordinierung und Vernetzung mit verschiedenen Akteuren dieses Bereichs einleiten. Sie verfügt jedoch nicht über einen Streitbeilegungsmechanismus.

    1.6

    Mit dem vorliegenden Vorschlag wird die Agentur ermächtigt, ihre Tätigkeiten in den von Titel VI des Vertrags über die Europäische Union abgedeckten Bereichen auszuüben.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Beschluss des Europäischen Rates über die Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (im Folgenden kurz „Agentur“ genannt), der darauf abzielt, die in Artikel 6 des EU-Vertrags festgeschriebenen Prinzipien und Praktiken zu stärken. Damit wird ein Mechanismus zur Überwachung der Einhaltung der Grundrechte in der Europäischen Union geschaffen, der auch zu einer besseren Koordinierung einzelstaatlicher Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte genutzt werden könnte. Zahlreiche Elemente des von der Kommission vorgelegten Vorschlags werden vom Ausschuss positiv bewertet; insbesondere sind dies

    die Heranziehung der Grundrechtecharta als Bezugspunkt für das Mandat der Agentur; zum ersten Mal sind damit soziale und kulturelle Rechte untrennbar verbunden und gleich wichtig. In diesem Zusammenhang kann die Agentur auch im Hinblick auf die Beziehungen der EU zu Drittstaaten frühzeitig auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung sozialer Rechte hinweisen;

    die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Agentur auf Angelegenheiten der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen aufgrund des gleichzeitig vorgeschlagenen Ratsbeschlusses;

    die Möglichkeit, die Agentur im Rahmen des gemäß Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union eingeleiteten Verfahrens um fachliche Unterstützung zu ersuchen;

    die Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, um die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates, des Direktors und des Grundrechteforums (im Folgenden kurz „Forum“ genannt) der Agentur zu gewährleisten und somit das öffentliche Interesse zu wahren;

    die Einbindung der Bewerberländer und potenziellen Bewerberländer.

    2.2

    Der Ausschuss zeigt sich darüber erfreut, dass die Kommission im zweiten Erwägungsgrund ihres Verordnungsvorschlags die Rechtsgrundlagen aufzählt, auf welchen das Recht auf Schutz von Bürgern wie auch Drittstaatangehörigen in der Europäischen Union beruht. Dort heißt es: „In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden die Rechte bekräftigt, die sich vor allem aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, aus dem Vertrag über die Europäische Union und den Gemeinschaftsverträgen, aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, aus den von der Gemeinschaft und dem Europarat beschlossenen Sozialchartas sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben.“

    Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass ein Gleichgewicht zwischen Sicherheitserfordernissen, insbesondere den Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, und dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten in der Union gefunden werden muss. Durch einige der im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September sowie jenen in Madrid und London von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus könnten die Menschenrechte und die Grundfreiheiten beschnitten werden. Eine der größten Schwächen der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit besteht darin, dass die in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen außerhalb des Gemeinschaftsrahmens verbleiben und überwiegend anhand der zwischenstaatlichen Methode (dritter Pfeiler) erarbeitet werden. Die Europäische Union spielt daher nur eine sehr beschränkte Rolle. Außerdem mangelt es dem Entscheidungsprozess aufgrund des Wegfalls der Kontrolle durch das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof an Transparenz. Die Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs der neuen Agentur auf Aspekte im Zusammenhang mit der dritten Säule der EU (Titel VI EUV) wäre entscheidend, um in der EU-Politik ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Freiheit, Sicherheit und Recht zu gewährleisten (1).

    2.3

    Der Ausschuss anerkennt den einschlägigen Sachverstand und den bereits bestehenden Mechanismus zur Überwachung der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten des Europarates einschließlich der in der revidierten Europäischen Sozialcharta festgeschriebenen einklagbaren Rechte. Darüber hinaus anerkennt er die Zuständigkeit des Europarates und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte für nicht in den Zuständigkeitsbereich der Agentur fallende Menschenrechtsverletzungen im Sinne der einschlägigen Konventionen und des Völkerrechts. Eine engere Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen Agentur und Europarat ist daher von größter Bedeutung.

    Die Agentur soll sich, ebenso wie der Europäische Gerichtshof bei seinen Stellungnahmen und Urteilen, im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Primärrechts und des abgeleiteten Rechts der EU auf internationale Übereinkommen stützen.

    Der Ausschuss wiederholt seine Forderung an die EU, der europäischen Menschenrechtskonvention und der überarbeiteten Sozialcharta des Europarates beizutreten, sobald sie über die dafür erforderlichen Kompetenzen verfügt.

    2.4

    Der Ausschuss bedauert sehr, dass im Vorschlag keine stärkere Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in den Verwaltungsrat bzw. das Forum der neuen Agentur vorgesehen ist bzw. befürwortet wird. Dies steht im Gegensatz zum Weißbuch „Europäisches Regieren“, in dem es heißt: „Die Zivilgesellschaft spielt insofern eine wichtige Rolle, als sie den Belangen der Bürger eine Stimme verleiht und Dienste erbringt, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommen. […] Die Zivilgesellschaft betrachtet Europa mehr und mehr als eine gute Plattform für politische und gesellschaftliche Veränderungen. Dies bietet eine echte Möglichkeit zur Erweiterung der Debatte über Europas Rolle, eine Chance, um die Bürger aktiver an der Verwirklichung der Unionsziele zu beteiligen und ihnen strukturierte Kanäle für Feedback, Kritik und Protest anzubieten“  (2).

    2.5

    Verwaltungsrat und Forum der Agentur sollten nicht nur aus Juristen und Wissenschaftlern, sondern aus Mitgliedern unterschiedlicher Organisationen bestehen, und zwar insbesondere aus Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, der Sozialpartner sowie im kulturellen, kirchlichen und karitativen Bereich tätigen Gruppierungen, die sich für die Grundrechte von Randgruppen und sozial Benachteiligten einsetzen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1   Rechtsgrundlage für die Errichtung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte

    3.1.1

    Es lässt sich die Auffassung vertreten, dass Artikel 308 des EG-Vertrags und ein Ratsbeschluss nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union keine ausreichende Rechtsgrundlage darstellen, um die Agentur zu ermächtigen, ihre Tätigkeit in den Bereichen auszuüben, für die Unionsrecht gilt. Artikel 308 EGV ermächtigt die Gemeinschaft — und nicht die Union -, die zur Erreichung eines Zieles der Gemeinschaft erforderlichen Maßnahmen einstimmig zu beschließen, wenn die entsprechenden Befugnisse nicht im EG-Vertrag vorgesehen sind. Das heißt, dass die Gewährleistung der uneingeschränkten Achtung und des Schutzes der Grund- und Menschenrechte bei der Ausübung der Tätigkeit der Gemeinschaft zwar eines ihrer allgemeinen Ziele ist, zu diesem Zweck jedoch keine besonderen Befugnisse im Vertrag vorgesehen sind.

    3.1.2

    Mit dem vorgeschlagenen Ratsbeschluss soll die Agentur daher ermächtigt werden, ihre Tätigkeit auf die Bereiche nach Titel VI EU-Vertrag auszuweiten.

    3.1.3

    Der Ausschuss hebt hervor, dass der Schutz und die Förderung der Menschenrechte zu den gemeinsamen Werten und Zielen der Union gehören, wie sie in Artikel 6 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union beschrieben werden. Dort heißt es: „Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.“ Der Ausschuss fordert daher den Rat dazu auf, die Agentur gemäß Artikel 6 Absatz 4 des EU-Vertrags auf eine solide Rechtsgrundlage zu stellen, sodass sichergestellt ist, dass sie über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Befugnisse verfügt.

    3.2   Aufgaben der Agentur (Artikel 4)

    3.2.1

    Der Ausschuss empfiehlt, in den das Ziel der Agentur betreffenden Artikel 2 einen neuen Absatz einzufügen, der besagt, dass eine der Aufgaben der Agentur darin besteht, Empfehlungen auszusprechen, auf die sich die Institutionen und Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Gemeinschaft sowie die Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen und der Gestaltung ihres Handlungsfeldes im Bereich der Grundrechte stützen können. Darüber hinaus sollte ihr die Aufgabe übertragen werden, darüber zu informieren, welche rechtlichen Schritte einzelstaatliche Gremien zum Schutz der Menschenrechte ergreifen können, um solchen Personen oder Gruppen zu ihrem Recht zu verhelfen, die durch dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit widersprechende Rechtsakte oder staatliche Praktiken benachteiligt werden.

    Die Agentur verfasst einen jährlichen Bericht über die Umsetzung der Grundrechte in der EU und regelmäßige Berichte im Rahmen ihrer Beziehungen zu internationalen Einrichtungen, insbesondere Handels- und Entwicklungshilfeeinrichtungen, sowie im Rahmen der Assoziierungsabkommen und des Abkommens von Cotonou.

    3.2.2

    Der Ausschuss empfiehlt ferner, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission die Möglichkeit zu eröffnen, die Agentur damit zu beauftragen, zu Vorschlägen für Rechtsakte und Maßnahmen der EU (einschließlich der externen Politiken wie etwa den Handelsbeziehungen mit den Entwicklungsländern) einen Bewertungsbericht über deren Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta zu erstellen. Das Recht der Agentur, in Übereinstimmung mit bzw. auf Vorschlag des Verwaltungsrates aus eigener Initiative eine Bewertung eines jedweden Vorschlags für einen Rechtsakt der EU unabhängig von dessen Gegenstand vorzunehmen, bleibt davon unberührt.

    3.3   Tätigkeitsbereiche (Artikel 5)

    3.3.1

    Aus den im Rahmen der Konsultation eingegangenen Antworten geht hervor, dass 90 % der Teilnehmer sichergestellt haben wollen, dass sich auch die neue Agentur schwerpunktmäßig mit der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit befasst. Der Ausschuss befürwortet daher den Vorschlag der Kommission (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b), dass die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stets zu den im Mehrjahresrahmen festgelegten thematischen Tätigkeitsbereichen der Agentur gehören soll.

    3.3.2

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass innerhalb des Verwaltungsrates der Agentur ein spezieller Ausschuss für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eingerichtet werden sollte, der die Richtung vorgibt und sicherstellen soll, dass die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit — wie in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b vorgesehen — stets zu den Tätigkeitsbereichen der neuen Agentur gehört. Ferner sollten die für die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit notwendigen Mittel bereit gestellt werden.

    3.4   Verwaltungsrat (Artikel 11)

    3.4.1   Zusammensetzung

    Der Ausschuss spricht sich dafür aus, dass in der Agentur alle Interessenträger vertreten sind, und ist der Auffassung, dass dies auch für die Zusammensetzung des Verwaltungsrates (3) gelten sollte. Er bedauert in diesem Zusammenhang, dass im Verordnungsvorschlag keine stärkere Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in den Verwaltungsrat der neuen Agentur vorgesehen ist bzw. befürwortet wird.

    In ihrem Weißbuch „Europäisches Regieren“ erklärt die Kommission, dass „der Wirtschafts- und Sozialausschuss […] zur Entwicklung neuer Beziehungen gegenseitiger Verantwortlichkeit zwischen den Institutionen und der Zivilgesellschaft in Übereinstimmung mit dem in Nizza geänderten Artikel 257 des EG-Vertrags  (4) beitragen [muss]“. Der Ausschuss vertritt daher die Auffassung, dass er eine von ihm benannte Persönlichkeit in den Verwaltungsrat der Agentur entsenden sollte.

    3.4.2   Governance der Agentur

    Der Ausschuss ist hinsichtlich der Unabhängigkeit der Agentur sowohl gegenüber den EU-Institutionen als auch den Mitgliedstaaten besorgt. Die bisherigen Erfahrungen mit der EUMC haben gezeigt, dass „Mitgliedstaaten, […] wenn sie sich von der Arbeit der Beobachtungsstelle gestört fühlen, zuweilen versuchen, auf deren Leitung Einfluss zu nehmen.“  (5) Angesichts der Tatsache, dass es oftmals einzelne, eigenständig handelnde bzw. mehrere im Rat vertretene Mitgliedstaaten sind, die gemeinsam handeln, die sich bei der Umsetzung von EU-Recht Verstöße gegen die Grund- und Menschenrechte zuschulden kommen lassen, sollte die Agentur vor politischer Einflussnahme seitens der Mitgliedstaaten geschützt werden. Darüber hinaus muss die Bestellung unabhängiger Mitglieder des Verwaltungsrats der Agentur sichergestellt werden.

    Die Verwaltung der Agentur muss einer kritischen Prüfung durch die Öffentlichkeit standhalten können. Im Weißbuch „Europäisches Regieren“ wurden fünf Grundsätze für gutes Management festgelegt, und zwar Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz. Der Ausschuss empfiehlt, den Verwaltungsrat der Agentur im Zuge eines offenen und transparenten Verfahrens zu bestellen. Die Kommission sollte den Mitgliedstaaten darüber hinaus Anforderungsprofile für die Mitglieder des Verwaltungsrates übermitteln. Das Einstellungsverfahren sollte transparenter gestaltet werden, indem Informationen über die Stellenausschreibungen durch die Schaltung von Anzeigen in einzelstaatlichen Medien öffentlich zugänglich gemacht und mittels bestehender staatlicher und europäischer Netzwerke verbreitet werden.

    Darüber hinaus müssen sowohl der Haushaltsplan (Artikel 19 Absatz 3) als auch der Mehrjahresrahmen (Artikel 5 Absatz 1) der Agentur von der Kommission bestätigt werden. Um die Unabhängigkeit der Agentur sowie die weitest mögliche Einhaltung der Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen bezüglich der Anforderungen an einzelstaatliche Menschenrechtsinstitutionen zu gewährleisten, müssen entsprechende Mechanismen eingerichtet werden.

    3.4.3   Zahl der Sitzungen des Verwaltungsrates

    Der Ausschuss empfiehlt die Abhaltung von mehr als einer Sitzung des Verwaltungsrates pro Jahr, damit dessen Mitglieder verstärkt zur Rechenschaft gezogen und in die Arbeit der Agentur eingebunden werden können.

    3.5   Exekutivausschuss (Artikel 12)

    Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass sich der Exekutivausschuss aus dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates sowie zwei Kommissionsvertretern zusammensetzt. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass dies einen hohen Anteil an Vertretern der Kommission darstellt, wodurch die Unabhängigkeit der Agentur in Frage gestellt werden könnte. Er empfiehlt daher, die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates im Exekutivausschuss von zwei auf fünf zu erhöhen.

    Der Ausschuss möchte wie bereits unter Ziffer 2.3 noch einmal darauf hinweisen, dass eine engere Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen der Agentur und dem Europarat wünschenswert ist und die Schaffung einer Kultur der Menschenrechte in der Europäischen Union oberste Priorität hat. Der Ausschuss empfiehlt daher, dass eines der im Exekutivausschuss der Agentur vertretenen Verwaltungsratsmitglieder vom Europarat entsandt werden sollte. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Agentur und der Europarat die Synergien nutzen und sich wechselseitig ergänzen.

    3.6   Grundrechteforum (Artikel 14)

    3.6.1

    Der Ausschuss bedauert, dass im Verordnungsvorschlag keine stärkere Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in das Grundrechteforum der neuen Agentur vorgesehen ist bzw. befürwortet wird. Die verschiedenen Interessenträger, also Nichtregierungsorganisationen, die Sozialpartner sowie im kulturellen, kirchlichen und karitativen Bereich tätige Gruppierungen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, sollten im Grundrechteforum stark vertreten sein. Der Ausschuss empfiehlt daher, dass mindestens ein Drittel der Mitglieder des Grundrechteforums Vertreter der Zivilgesellschaft sind.

    3.6.2

    Im Vorschlag der Kommission ist vorgesehen, dass der Direktor der Agentur den Vorsitz des Forums führt. Das Forum sollte jedoch als Beratungsgremium für den gesamten Verwaltungsrat und nicht nur für den Direktor der Agentur fungieren. Der Vorsitz des Forums sollte daher dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates übertragen werden, um so eine enge Verbindung zwischen den beiden Gremien zu gewährleisten.

    3.6.3

    Der Sachverstand des bereits bestehenden Netzes unabhängiger Sachverständiger im Bereich der Grund- und Menschenrechte sollte nicht ungenutzt bleiben. Der Ausschuss empfiehlt daher, dass das Netz unabhängiger Sachverständiger im Grundrechteforum vertreten sein sollte.

    3.7   Unabhängigkeit und öffentliches Interesse (Artikel 15)

    3.7.1

    Um die Unabhängigkeit der Agentur sowie die weitest mögliche Einhaltung der Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen bezüglich der Anforderungen an einzelstaatliche Menschenrechtsinstitutionen zu gewährleisten, müssen entsprechende Mechanismen eingerichtet werden. Der Ausschuss empfiehlt daher, Artikel 15 Absatz 1, der besagt, dass „die Agentur […] ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr[nimmt]“, durch folgenden Wortlaut zu ersetzen:

    „Die Agentur nimmt ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit und unter Einhaltung der Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen bezüglich der Anforderungen an einzelstaatliche Menschenrechtsinstitutionen wahr.“

    3.8   Finanzbestimmungen (Kapitel 5), Aufstellung des Haushaltsplans (Artikel 19)

    Der Ausschuss bekräftigt erneut, dass die Agentur gemäß den Pariser Prinzipien mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden muss, sodass sie ihre Aufgaben wahrnehmen und ihrer Tätigkeit nachkommen kann. Ziel der Mittelzuweisung sollte sein, der Agentur ausreichend Personal, Räumlichkeiten und Mittel für Programme zur Verfügung zu stellen. Ohne entsprechende Bestimmungen hinsichtlich der Mittelzuweisung wäre die Agentur anfällig für politische Einflussnahme seitens der EU-Organe und der Mitgliedstaaten.

    3.8.1

    Der Ausschuss empfiehlt daher, vor Artikel 19 Absatz 1 folgende Bestimmung einzufügen:

    „1. a) Der Agentur werden von der Europäischen Union ausreichende Mittel zugewiesen, sodass sie in der Lage ist, ihre Tätigkeit während des einjährigen Haushaltszeitraumes auszuüben. Die Agentur kann in Ausnahmefällen zusätzliche Mittel für besondere bzw. zusätzliche Aufgaben beantragen, deren Kosten im Haushaltsplan nicht berücksichtigt wurden.“

    Brüssel, den 14. Februar 2006

    Die Präsidentin

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Anne-Marie SIGMUND


    (1)  Stellungnahme des EWSA zum „Haager Programm - Freiheit, Sicherheit und Recht“ vom 15. Dezember 2005 (Berichterstatter: Herr Pariza Castaños) - ABl. C 65 vom 17.3.2006.

    (2)  KOM(2001) 428 endg., S. 19-20.

    (3)  Stellungnahme des EWSA zur „Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (Berichterstatter: Herr Sharma) CESE 1615/2003, Ziffer 3.3.3 (ABl. C 80 vom 30.3.2004).

    (4)  Vertrag von Nizza, Art. 257, ABl. C 80 vom 10.1.2001, S. 26.

    (5)  Stellungnahme des EWSA zur „Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (Berichterstatter: Herr Sharma) CESE 1615/2003, Ziffer 3.3.4 (ABl. C 80 vom 30.3.2004).


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