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Document 32004L0081

    Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren

    ABl. L 261 vom 6.8.2004, p. 19–23 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    Dieses Dokument wurde in einer Sonderausgabe veröffentlicht. (CS, ET, LV, LT, HU, MT, PL, SK, SL, BG, RO, HR)

    Legal status of the document In force: This act has been changed. Current consolidated version: 06/08/2004

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2004/81/oj

    6.8.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 261/19


    RICHTLINIE 2004/81/EG DES RATES

    vom 29. April 2004

    über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 63 Nummer 3,

    auf Vorschlag der Kommission (1),

    nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2),

    nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (3),

    nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Die Ausarbeitung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik einschließlich der Festlegung der Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für Ausländer sowie der Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung ist ein wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen.

    (2)

    Der Europäische Rat hat auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere seine Entschlossenheit bekundet, die illegale Einwanderung an ihrer Wurzel zu bekämpfen, insbesondere durch Maßnahmen gegen diejenigen, die Zuwanderer einschleusen oder wirtschaftlich ausbeuten. Er hat den Mitgliedstaaten empfohlen, ihre Bemühungen auf die Aufdeckung und Zerschlagung krimineller Netze auszurichten und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Rechte der Opfer gewahrt werden.

    (3)

    Da diese Problematik weltweit immer mehr Besorgnis erregt, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität angenommen, das durch ein Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Ahndung von Menschenhandel, insbesondere von Frauen- und Kinderhandel, sowie ein Protokoll gegen das Einschleusen von Migranten auf dem Land-, Luft- und Seeweg ergänzt wird. Die Gemeinschaft und die fünfzehn Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen und die Protokolle im Dezember 2000 unterzeichnet.

    (4)

    Diese Richtlinie findet unbeschadet des Schutzes Anwendung, der Flüchtlingen, Personen unter subsidiärem Schutz und Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen, im Einklang mit dem internationalen Flüchtlingsrecht gewährt wird; sie berührt auch keine sonstigen Menschenrechtsinstrumente.

    (5)

    Diese Richtlinie berührt keine sonstigen Bestimmungen zum Schutz von Opfern, Zeugen oder besonders schutzbedürftigen Personen. Sie berührt auch nicht die einzelstaatlichen Regelungen über das aus humanitären oder sonstigen Gründen zugestandene Aufenthaltsrecht.

    (6)

    Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.

    (7)

    Die Mitgliedstaaten sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie ohne unterschiedliche Behandlung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politischer oder sonstiger Überzeugungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung anwenden.

    (8)

    Auf europäischer Ebene wurden die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (4) sowie der Rahmenbeschluss 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (5) angenommen, um die Prävention und Bekämpfung dieser Straftaten zu verbessern.

    (9)

    Mit dieser Richtlinie wird für die Opfer des Menschenhandels oder — sofern ein Mitgliedstaat eine entsprechende Ausweitung des Geltungsbereichs dieser Richtlinie beschließt — für Drittstaatsangehörige, denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde, ein Aufenthaltstitel eingeführt, der diesen hinlänglich Anreize für eine Kooperation mit den zuständigen Behörden bietet und gleichzeitig an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist, um Missbrauch zu verhindern.

    (10)

    Es ist daher notwendig, die Kriterien für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die Aufenthaltsbedingungen sowie die Voraussetzungen für die Nichtverlängerung bzw. den Entzug des Aufenthaltstitels festzulegen. Das Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Richtlinie ist an Bedingungen geknüpft und als vorläufig zu betrachten.

    (11)

    Die betroffenen Drittstaatsangehörigen sollten über die Möglichkeit, diesen Aufenthaltstitel zu erhalten, informiert werden und über eine Bedenkzeit verfügen. Diese soll ihnen ermöglichen, in voller Kenntnis der Sachlage — und unter Abwägung der Gefahren, denen sie sich aussetzen — darüber zu entscheiden, ob sie mit den zuständigen Behörden, bei denen es sich um die Polizei-, Strafverfolgungs- und Justizbehörden handeln kann, kooperieren möchten, damit gewährleistet ist, dass ihre Kooperation freiwillig erfolgt und somit wirkungsvoller ist.

    (12)

    Den betroffenen Drittstaatsangehörigen sollte in Anbetracht ihrer Schutzbedürftigkeit Unterstützung gemäß dieser Richtlinie gewährt werden. Diese Unterstützung sollte es ihnen erlauben, sich zu erholen und dem Einfluss der Täter zu entziehen. Zur medizinischen Behandlung, die den in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Drittstaatsangehörigen zu gewähren ist, gehört, soweit angemessen, auch eine psychotherapeutische Behandlung.

    (13)

    Ein Beschluss über die Erteilung eines Aufenthaltstitels für mindestens sechs Monate oder über eine Verlängerung eines Aufenthaltstitels muss von den zuständigen Behörden getroffen werden; sie sollten prüfen, ob die einschlägigen Bedingungen erfüllt sind.

    (14)

    Diese Richtlinie sollte so angewendet werden, dass die Tätigkeiten der zuständigen Behörden in allen Ab- schnitten der maßgeblichen innerstaatlichen Ver- fahren und insbesondere den Ermittlungen zu den entsprechenden Straftaten unberührt bleiben.

    (15)

    Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, ob sie gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften Drittstaatsangehörigen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen können, aber nicht oder nicht mehr die in der Richtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllen, ihren Familienangehörigen oder Personen, die als ihre Familienangehörige gelten, den Aufenthalt aus anderen Gründen gestatten.

    (16)

    Damit die betroffenen Drittstaatsangehörigen ihre Abhängigkeit überwinden können und gewährleistet ist, dass sie nicht erneut Kontakt zu dem kriminellen Netz aufnehmen, sollte Inhabern eines Aufenthaltstitels unter den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen der Zugang zum Arbeitsmarkt und zur beruflichen und allgemeinen Bildung gestattet werden. Bei der Entscheidung über den Zugang des Inhabers eines Aufenthaltstitels zur beruflichen und allgemeinen Bildung sollten die Mitgliedstaaten insbesondere die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts berücksichtigen.

    (17)

    Die Teilnahme an bereits bestehenden oder noch einzuführenden Programmen oder Maßnahmen sollte den betroffenen Drittstaatsangehörigen die Rückkehr in ein normales soziales Leben erleichtern.

    (18)

    Stellt der betroffene Drittstaatsangehörige einen Antrag auf einen anderweitigen Aufenthaltstitel, so entscheiden die Mitgliedstaaten darüber auf der Grundlage ihres allgemeinen Ausländerrechts. Im Rahmen der Prüfung eines solchen Antrags sollten die Mitgliedstaaten den Umstand in Betracht ziehen, dass dem betroffenen Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel aufgrund dieser Richtlinie erteilt wurde.

    (19)

    Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Richtlinie die Informationen übermitteln, die im Rahmen der Tätigkeiten zur Erhebung und Verarbeitung statistischer Daten zu Fragen im Bereich Justiz und Inneres ermittelt wurden.

    (20)

    Da das Ziel der beabsichtigten Maßnahme, nämlich die Einführung eines Aufenthaltstitels für die betroffenen Drittstaatsangehörigen, die an der Bekämpfung des Menschenhandels mitwirken, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

    (21)

    Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligen sich diese Mitgliedstaaten nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die daher vorbehaltlich von Artikel 4 dieses Protokolls weder für sie bindend noch auf sie anwendbar ist.

    (22)

    Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie, die daher für Dänemark weder bindend noch anwendbar ist —

    HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

    KAPITEL I

    ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

    Artikel 1

    Gegenstand

    Mit dieser Richtlinie sollen die Voraussetzungen für die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels, der an die Dauer der maßgeblichen innerstaatlichen Verfahren gekoppelt ist, an Drittstaatsangehörige festgelegt werden, die bei der Bekämpfung des Menschenhandels und der Beihilfe zur illegalen Einwanderung kooperieren.

    Artikel 2

    Begriffsbestimmungen

    Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

    a)

    „Drittstaatsangehöriger“ jede Person, die nicht Unionsbürger im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 des Vertrags ist;

    b)

    „Beihilfe zur illegalen Einwanderung“ die Fälle, die von Artikel 1 und 2 der Richtlinie 2002/90/EG erfasst sind;

    c)

    „Menschenhandel“ die Fälle, die von den Artikeln 1, 2 und 3 des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI erfasst sind;

    d)

    „Maßnahme zur Vollstreckung einer Rückführungsentscheidung“ jede Maßnahme, die ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Durchsetzung einer von den zuständigen Behörden erlassenen Entscheidung trifft, mit der die Rückführung eines Drittstaatsangehörigen angeordnet wird;

    e)

    „Aufenthaltstitel“ jede von den Behörden eines Mitgliedstaats erteilte Genehmigung, die einen Drittstaatenangehörigen, der die in dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllt, zum rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats berechtigt;

    f)

    „unbegleiteter Minderjähriger“ einen Drittstaatsangehörigen unter 18 Jahren, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen in einen Mitgliedstaat einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut einer solchen Person befindet, oder Minderjährige, die ohne Begleitung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgelassen werden, nachdem sie in diesen Mitgliedstaat eingereist sind.

    Artikel 3

    Anwendungsbereich

    (1)   Die Mitgliedstaaten wenden diese Richtlinie auf Drittstaatsangehörige, die Opfer von Straftaten im Zusammenhang mit Menschenhandel sind oder waren, auch dann an, wenn sie illegal in einen Mitgliedstaat eingereist sind.

    (2)   Die Mitgliedstaaten können diese Richtlinie auf Drittstaatsangehörige anwenden, denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde.

    (3)   Diese Richtlinie gilt für Drittstaatsangehörige, die die von dem jeweiligen Mitgliedstaat gesetzlich festgelegte Volljährigkeit erreicht haben.

    Die Mitgliedstaaten können abweichend davon beschließen, diese Richtlinie nach den im innerstaatlichen Recht festgelegten Voraussetzungen auf Minderjährige anzuwenden.

    Artikel 4

    Günstigere Bestimmungen

    Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, für die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Personen günstigere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten.

    KAPITEL II

    VERFAHREN FÜR DIE ERTEILUNG DES AUFENTHALTSTITELS

    Artikel 5

    Information der betroffenen Drittstaatsangehörigen

    Sind die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats der Auffassung, dass ein Drittstaatsangehöriger in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen kann, so informieren sie die betroffene Person über die im Rahmen dieser Richtlinie gebotenen Möglichkeiten.

    Die Mitgliedstaaten können beschließen, dass diese Information auch durch eine Nichtregierungsorganisation oder eine von dem betreffenden Mitgliedstaat speziell benannte Vereinigung erfolgen kann.

    Artikel 6

    Bedenkzeit

    (1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den betroffenen Drittstaatsangehörigen eine Bedenkzeit zugestanden wird, in der sie sich erholen und dem Einfluss der Täter entziehen können, so dass sie eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob sie mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten.

    Die Dauer und der Beginn der in Unterabsatz 1 genannten Bedenkzeit werden nach dem innerstaatlichen Recht festgelegt.

    (2)   Während der Bedenkzeit und in Erwartung der Entscheidung der zuständigen Behörden haben die betroffenen Drittstaatsangehörigen Zugang zu der in Artikel 7 vorgesehenen Behandlung und es darf keine ihre Person betreffende Rückführungsentscheidung vollstreckt werden.

    (3)   Aufgrund der Bedenkzeit ergibt sich kein Aufenthaltsrecht nach dieser Richtlinie.

    (4)   Ein Mitgliedstaat kann jederzeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit sowie für den Fall, dass die zuständigen Behörden festgestellt haben, dass die betroffene Person den Kontakt mit den Tätern der in Artikel 2 Buchstaben b und c genannten Straftaten aktiv, freiwillig und aus eigener Initiative wieder aufgenommen hat, die Bedenkzeit beenden.

    Artikel 7

    Behandlung vor Erteilung des Aufenthaltstitels

    (1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den betroffenen Drittstaatsangehörigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, die Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt werden und sie Zugang zu medizinischer Notversorgung erhalten. Sie beachten die speziellen Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen, einschließlich psychologischer Hilfe, soweit diese angemessen und durch innerstaatliches Recht vorgesehen ist.

    (2)   Bei der Anwendung dieser Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten den Sicherheits- und Schutzbedürfnissen der betroffenen Drittstaatsangehörigen gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften gebührend Rechnung.

    (3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den betroffenen Drittstaatsangehörigen erforderlichenfalls Übersetzungs- und Dolmetscherdienste zur Verfügung stehen.

    (4)   Die Mitgliedstaaten können den betroffenen Drittstaatsangehörigen unentgeltlich einen Rechtsbeistand zur Verfügung stellen, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und dessen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind.

    Artikel 8

    Erteilung und Verlängerung des Aufenthaltstitels

    (1)   Nach Ablauf der Bedenkzeit oder zu einem früheren Zeitpunkt, wenn die zuständigen Behörden der Auffassung sind, dass der betroffene Drittstaatsangehörige bereits die unter Buchstabe b) genannte Voraussetzung erfüllt, prüfen die Mitgliedstaaten,

    a)

    welche Möglichkeiten sich durch eine Verlängerung seines Aufenthalts in ihrem Hoheitsgebiet für die Ermittlungen oder das Gerichtsverfahren ergeben,

    b)

    ob er seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit eindeutig bekundet hat und

    c)

    ob er alle Verbindungen zu denjenigen abgebrochen hat, die der Begehung der in Artikel 2 Buchstaben b) und c) genannten Straftaten verdächtig sind.

    (2)   Unbeschadet der Gründe im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der inneren Sicherheit wird der Aufenthaltstitel nur erteilt, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

    (3)   Unbeschadet der Bestimmungen in Artikel 14 über den Entzug ist der Aufenthaltstitel für die Dauer von mindestens sechs Monaten gültig. Er wird verlängert, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels weiterhin erfüllt sind.

    KAPITEL III

    BEHANDLUNG DER INHABER EINES AUFENTHALTSTITELS

    Artikel 9

    Behandlung nach der Erteilung des Aufenthaltstitels

    (1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Inhabern eines Aufenthaltstitels, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, zumindest die in Artikel 7 vorgesehene Behandlung gewährt wird.

    (2)   Die Mitgliedstaaten stellen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe für Drittstaatsangehörige zur Verfügung, die nicht über ausreichende Mittel verfügen und besondere Bedürfnisse haben, wie Schwangere, Behinderte, Opfer von sexueller Gewalt oder sonstigen Formen von Gewalt, und Minderjährige, sofern die Mitgliedstaaten von der in Artikel 3 Absatz 3 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen.

    Artikel 10

    Minderjährige

    Machen die Mitgliedstaaten von der in Artikel 3 Absatz 3 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, gelten folgende Bestimmungen:

    a)

    Die Mitgliedstaaten berücksichtigen gebührend das Wohl des Kindes, wenn sie diese Richtlinie anwenden. Sie sorgen dafür, dass das Verfahren dem Alter und der Reife des Kindes entspricht. Sie können insbesondere die Bedenkzeit verlängern, wenn sie der Auffassung sind, dass dies dem Wohl des Kindes dient.

    b)

    Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Minderjährige unter den gleichen Bedingungen wie die eigenen Staatsangehörigen Zugang zum Bildungssystem haben. Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass der Zugang auf das öffentliche Bildungssystem beschränkt wird.

    c)

    Handelt es sich bei den Drittstaatsangehörigen um unbegleitete Minderjährige, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um ihre Identität, ihre Staatsangehörigkeit und die Tatsache, dass sie unbegleitet sind, festzustellen. Sie unternehmen alles in ihrer Macht Stehende, um so schnell wie möglich ihre Angehörigen ausfindig zu machen, und treffen unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen, um rechtliche Vertretung, sofern erforderlich auch im Strafverfahren, gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu gewährleisten.

    Artikel 11

    Erwerbstätigkeit, berufliche und allgemeine Bildung

    (1)   Die Mitgliedstaaten legen die Regeln fest, nach denen den Inhabern des Aufenthaltstitels der Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zur beruflichen und allgemeinen Bildung gewährt wird.

    Dieser Zugang ist auf die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels beschränkt.

    (2)   Die Voraussetzungen und die Verfahren für die Gewährung des Zugangs zum Arbeitsmarkt sowie zur beruflichen und allgemeinen Bildung werden gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch die zuständigen Behörden festgelegt.

    Artikel 12

    Programme oder Maßnahmen für die betroffenen Drittstaatsangehörigen

    (1)   Den betroffenen Drittstaatsangehörigen wird der Zugang zu bestehenden Programmen oder Maßnahmen für die Rückkehr in ein normales soziales Leben, einschließlich, soweit erforderlich, Lehrgängen zur Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten, oder für die Vorbereitung der unterstützten Rückkehr in ihr Herkunftsland gewährt, die von den Mitgliedstaaten oder Nichtregierungsorganisationen oder Vereinigungen angeboten werden, die darüber mit den Mitgliedstaaten besondere Vereinbarungen getroffen haben.

    Die Mitgliedstaaten können den betroffenen Drittstaatsangehörigen besondere Programme oder Maßnahmen anbieten.

    (2)   Beschließt ein Mitgliedstaat, Programme oder Maßnahmen nach Absatz 1 ein- und durchzuführen, so kann er die Erteilung des Aufenthaltstitels oder die Verlängerung seiner Gültigkeit von der Teilnahme an diesen Programmen oder Maßnahmen abhängig machen.

    KAPITEL IV

    NICHTVERLÄNGERUNG UND ENTZUG

    Artikel 13

    Nichtverlängerung

    (1)   Der aufgrund dieser Richtlinie erteilte Aufenthaltstitel wird nicht verlängert, wenn die Bedingungen gemäß Artikel 8 Absatz 2 nicht mehr erfüllt sind oder das maßgebliche Verfahren aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Behörden abgeschlossen wurde.

    (2)   Läuft der aufgrund dieser Richtlinie erteilte Aufenthaltstitel ab, so gelangt das allgemeine Ausländerrecht zur Anwendung.

    Artikel 14

    Entzug

    Der Aufenthaltstitel kann jederzeit entzogen werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt sind. Der Aufenthaltstitel kann insbesondere entzogen werden, wenn:

    a)

    der Inhaber aktiv, freiwillig und aus eigener Initiative den Kontakt zu den mutmaßlichen Tätern der Straftaten nach Artikel 2 Buchstabe b) oder c) wieder aufgenommen hat oder

    b)

    nach Einschätzung der zuständigen Behörde die Zusammenarbeit des Opfers betrügerisch oder seine Anzeige betrügerisch oder ungerechtfertigt ist oder

    c)

    Gründe im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der inneren Sicherheit vorliegen oder

    d)

    das Opfer die Zusammenarbeit einstellt oder

    e)

    die zuständigen Behörden beschließen, das Verfahren einzustellen.

    KAPITEL V

    SCHLUSSBESTIMMUNGEN

    Artikel 15

    Schutzklausel

    Die besonderen innerstaatlichen Regelungen zum Zeugen- und Opferschutz werden durch die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht berührt.

    Artikel 16

    Berichterstattung

    (1)   Spätestens bis zum 6. August 2008 erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten und schlägt gegebenenfalls notwendige Änderungen vor. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle für die Erstellung dieses Berichts sachdienlichen Angaben mit.

    (2)   Nach Vorlage des Berichts gemäß Absatz 1 erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens alle drei Jahre Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten.

    Artikel 17

    Umsetzung

    Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 6. August 2006 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

    Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

    Artikel 18

    Inkrafttreten

    Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Artikel 19

    Adressaten

    Diese Richtlinie ist gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft an die Mitgliedstaaten gerichtet.

    Geschehen zu Luxemburg am 29. April 2004.

    Im Namen des Rates

    Der Präsident

    M. McDOWELL


    (1)  ABl. C 126 E vom 28.5.2002, S. 393.

    (2)  Stellungnahme vom 5. Dezember 2002 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

    (3)  ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 80.

    (4)  ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 17.

    (5)  ABl. L 203 vom 1.8.2002, S. 1.


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