Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52020AE5345

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Strategische Vorausschau 2020 — Strategische Vorausschau — Weichenstellung für ein resilienteres Europa“ (COM(2020) 493 final)

EESC 2020/05345

ABl. C 220 vom 9.6.2021, p. 67–71 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.6.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 220/67


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Strategische Vorausschau 2020 — Strategische Vorausschau — Weichenstellung für ein resilienteres Europa“

(COM(2020) 493 final)

(2021/C 220/09)

Berichterstatterin:

Sandra PARTHIE

Befassung

Schreiben der Kommission, 11.11.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

2.3.2021

Verabschiedung auf der Plenartagung

24.3.2021

Plenartagung Nr.

559

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

270/0/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt nachdrücklich die geplante künftige Einbeziehung der Methodik der Vorausschau in die Politikgestaltung der EU. Die Entscheidung, die „Vorausschau“ ausdrücklich in die Zuständigkeitsbereiche des Vizepräsidenten der Kommission aufzunehmen, der auch für interinstitutionelle Beziehungen zuständig ist, wird vom Ausschuss nachdrücklich begrüßt. Der EWSA erwartet, dass Synergien sowie die strukturelle Beteiligung aller EU-Institutionen, einschließlich des EWSA, dadurch begünstigt werden.

1.2.

Der EWSA begrüßt den neuen Ansatz der Europäischen Kommission, eine strategische Vorausschau als jährlichen, zyklischen und kontinuierlichen Prozess durchzuführen. Als Thema der ersten Vorausschau wurde die Resilienz der EU gewählt. Sie ist infolge der Coronakrise für die EU-Politik richtungweisend geworden. Widerstandsfähig zu sein, das bedeutet nicht nur, Herausforderungen standzuhalten und zu meistern, sondern auch, fälligen Wandel nachhaltig, gerecht und demokratisch zu gestalten.

1.3.

Die vier Dimensionen von Resilienz, d. h. „soziale und wirtschaftliche“, „geopolitische“, „ökologische“ und „digitale“ Resilienz, sind aus unserer Sicht gut gewählt und ausgeführt. Sie sind zentrale Megathemen unserer Zeit, die für die Gestaltung der europäischen Politik auch in Zukunft von herausragender Bedeutung sein werden. Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Wahl dieses Themas, denn es ist für unsere gemeinsamen Bemühungen, die richtigen Rahmenbedingungen für die Überwindung der Pandemiekrise zu schaffen und globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu meistern, in der Tat am wichtigsten. Der Ausschuss hat sich in seiner Initiativstellungnahme „Eine krisenfestere und nachhaltige europäische Wirtschaft“ (1) sowie in seiner Entschließung zum Thema „Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne — was funktioniert und was nicht?“ (2) ausführlich mit diesem Thema beschäftigt.

1.4.

Die strategische Vorausschau zeichnet sich durch eine zukunftsgerichtete Analyse und Handlungsperspektive aus. Vor diesem Hintergrund müssen diese Tätigkeiten drei grundlegende Voraussetzungen erfüllen, damit qualitativ hochwertige Ergebnisse erzielt werden können. Erstens müssen die Analysen Ergebnisse liefern, die für das untersuchte Zukunftsszenario geeignet sind. Zweitens sollten sie auf wissenschaftlichen Methoden und Verfahren beruhen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Zukunft weder beobachtbar noch empirisch messbar ist. Drittens sollten sie insofern wirksam sein, als sie eine nützliche Orientierungshilfe für die politische Praxis bieten.

1.5.

Für die erste strategische Vorausschau der Kommission für 2020 fehlt nach wie vor der geplante umfassende Vorausschauzyklus. Ebenso fehlt eine Beschreibung, wie sie mit der Aufbau- und Resilienzfazilität und dem Europäischen Semester verknüpft werden soll. Ferner fehlen Erläuterungen dazu, welche der ermittelten Megatrends am wahrscheinlichsten und für die EU am wichtigsten sind, was die Priorisierung seitens der politischen Entscheidungsträger erschwert. Hier muss in künftigen Vorausschauen nachgebessert werden. Die Vorausschau wird ihre erklärten Ziele nur dann erreichen, wenn sie als offenes, pluralistisches, vielfältiges und interdisziplinäres Verfahren durchgeführt wird, an dem die organisierten Sozialpartner und die Zivilgesellschaft, insbesondere der EWSA, in allen Phasen des Vorausschauverfahrens sowie an der Festlegung von Referenzszenarien beteiligt werden und eine Reihe von Methoden und Instrumenten eingesetzt werden, um aus unterschiedliche Perspektiven auf die Zukunft zu blicken.

1.6.

Das angestrebte Ziel ist zwar voll und ganz zu begrüßen, doch sehen wir einige Bereiche mit Verbesserungspotenzial bei der Integration der Vorausschau in die Beschlussfassung:

Die konkreten Modalitäten für die umfassende Einbeziehung der Vorausschau in die mehrjährige Planung und die Agenda für bessere Rechtsetzung sowie in das europäische „Ökosystem“ für die Folgenabschätzung (3) und die Konferenz zur Zukunft Europas sind nach wie vor unklar.

In der strategischen Vorausschau 2020 wird die erforderliche quantitative Bewertung der Einordnung der ermittelten Megatrends und strategischen Themen in das Spektrum der Wahrscheinlichkeiten und Relevanz nicht vorgenommen, was die Priorisierung von Maßnahmen erschwert.

Das Vorausschauverfahren sollte einen ständigen Überwachungs- und Kontrollmechanismus enthalten, der u. a. Ex-post-Bewertungen durch die Zivilgesellschaft ermöglicht.

In der Vorausschau werden bereits die Themen für die nächsten Vorausschauen vorgeschlagen, aber nicht erläutert, wie die Vorausschau konkret zur Festlegung dieser Themen genutzt wurde, was ihrem eigentlichen Zweck zu widersprechen scheint.

1.7.

Das Engagement bei der Nutzung der Vorausschau zur Stärkung der Resilienz Europas ist recht begrenzt. In der Mitteilung heißt es zumeist nur, dass die Kommission von der Vorausschau auf EU-Ebene Gebrauch machen „kann“ und nicht „wird“. Anstatt die konkreten Wege aufzuzeichnen, wie Vorausschau in der politischen Beschlussfassung eingesetzt werden kann, werden die Vorausschauinstrumente auf mögliche Optionen beschränkt, die von den einschlägigen Interessenträgern und bei der konkreten Umsetzung eingesetzt werden können oder auch nicht.

1.8.

In Bezug auf die Dimensionen von Resilienz, d. h. das Thema der strategischen Vorausschau 2020,

wird der tatsächliche Zukunftsaspekt in vielen Fällen nicht umfassend herausgearbeitet — der Fokus liegt zu sehr auf der Beschreibung des jetzigen Zustands;

es fehlt an einer zukunftsorientierten Vision dazu, welche Fortschritte in welchem Zeithorizont erzielt werden sollten, einschließlich der Entwicklung neuer Wohlstandsindikatoren, wie z. B. Indikatoren „über das BIP hinaus“;

das Verfahren zur Behebung der festgestellten Schwachstellen wird nicht detailliert genug dargelegt und enthält keine gezielten Lösungen, um eine Verschlechterung der Lebensbedingungen von Menschen zu vermeiden, die von Ausgrenzung bedroht sind, wie etwa Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen.

1.9.

Die vier Dimensionen dienen als Grundlage für die Aufstellung der Agenda für künftige Vorausschautätigkeiten. Wir empfehlen daher, den vier Dimensionen von Resilienz spezifische Unterziele zuzuordnen, die künftig umgesetzt und entsprechend regelmäßig bewertet werden können. Die nächsten Themen auf der Agenda für die Vorausschau sind bereits vorgeschlagen worden, d. h. offene strategische Autonomie, die Zukunft von Arbeitsplätzen und Kompetenzen sowie die engere Verknüpfung von digitalem und ökologischem Wandel. Diese Themen sind aus drei der vier Dimensionen von Resilienz abgeleitet. Allerdings bleibt unklar, auf welche Weise die Kommission zu diesen Themen gelangt ist und in welcher Reihenfolge und in welcher Form sie behandelt werden sollen. Somit ist nicht recht nachvollziehbar, warum diese und nicht andere Themen ausgewählt wurden, z. B. eine interne Vision für die weitere Entwicklung der EU, zunehmender Nationalismus, die künftige Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten oder Sicherheitsfragen. Auch hier ist mit Hilfe der strategischen Vorausschau mehr Transparenz möglich.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Das Instrument der strategischen Vorausschau, d. h. die Antizipation von Trends und Entwicklungen, ist für eine verantwortungsvolle Politikgestaltung unerlässlich. Strategische Vorausschau wird eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Politik der EU zukunftsfest zu machen, indem kurzfristige Initiativen in eine langfristigere Perspektive eingebettet werden. Das ist wichtig, denn wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, in dem maßnahmenorientierte Vorausschau strategisches Denken stimulieren und politische Maßnahmen und Initiativen der EU prägen wird, so unter anderem die künftigen Arbeitsprogramme der Kommission.

2.2.

Auch wenn nicht alles vorhersehbar ist und wir wohl auch in Zukunft von Ereignissen überrascht werden, ist der Handlungsspielraum groß. Dazu gehört es, die Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln und die politischen Entscheidungsträger möglichst frühzeitig darauf vorzubereiten, nach Signalen insbesondere störender Ereignisse Ausschau zu halten, sie zu verstehen und zu erkennen. Daneben umfasst dies die Ausarbeitung von Aktionsplänen, die Einrichtung von Befehlsketten und Kommunikationskanälen, die Festlegung klarer Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben für den Fall, dass das Ereignis tatsächlich eintritt. Die Zukunftsforschung verwendet häufig die Metapher eines „schwarzen Schwans“ (ein völlig unerwartetes Ereignis der Kategorie „ein unbekanntes Unbekanntes“) und eines „grauen Nashorns“ (ein bekanntes weitreichendes Ereignis mit massiven Auswirkungen, das jedoch vernachlässigt wird). Die COVID-19-Pandemie war ein „graues Nashorn“, da es Anzeichen für ein zunehmendes Risiko einer weltweiten Pandemie gab, die auf eine Kombination aus Umweltzerstörung, Globalisierung und zunehmender Vernetztheit zurückzuführen ist. Es müssen Prognose- und Planungsverfahren eingesetzt werden, die klar zwischen diesen beiden Arten von Schocks mit massiven Auswirkungen trennen. Diesbezüglich sollten bereichsübergreifende, nichtlineare Verfahren zur Erstellung von Szenarien, die Ermittlung neu auftretender größerer Risiken und die Erkennung frühzeitiger Trends in den Forschungseinrichtungen der EU verbessert werden.

2.3.

Widerstandsfähig zu sein, das bedeutet nicht nur, Herausforderungen standzuhalten und zu meistern, sondern auch, fälligen Wandel nachhaltig, gerecht, inklusiv und demokratisch zu gestalten. Die vier Dimensionen von Resilienz, d. h. „soziale und wirtschaftliche“, „geopolitische“, „ökologische“ und „digitale“ Resilienz, sind aus unserer Sicht gut gewählt und ausgeführt. Der Ausschuss betont jedoch, dass die vielfältigen Wechselwirkungen der vier Dimensionen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können, sondern vielmehr in den Analysen und den daraus resultierenden Maßnahmen gemeinsam behandelt werden müssen.

2.4.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Einführung von „Resilienz-Dashboards“ mit einschlägigen Indikatoren zur Beobachtung des aktuellen Zustands und der sozialen und wirtschaftlichen, geopolitischen, ökologischen und digitalen Dimension der Entwicklungen in der EU und den Mitgliedstaaten. Ein Dashboard, das lediglich den Status quo anzeigt und den jetzigen Zustand beschreibt, ist an sich keine Vorausschau. Dazu wird er erst dann, wenn vorausschauende Ziele integriert werden. Wir sind bereit, die Kommission bei diesem schwierigen und komplizierten Unterfangen zu unterstützen, z. B. durch das Angebot des Rückgriffs auf das Fachwissen und die Arbeit des EWSA.

2.5.

Die Dashboards müssen natürlich weiterentwickelt werden. Derzeit bilden sie den jetzigen Zustand und den Status quo ab. Wenn sie zu nützlichen Vorausschauinstrumenten werden sollen, muss eine Verbindung zu einer Zukunftsperspektive hergestellt werden. Die Dashboards sind nur dann sinnvoll für die Vorausschau, wenn sie Ziele enthalten, die vorzugsweise für jeden Mitgliedstaat einzeln festgelegt werden. Dann können diese Dashboards genutzt werden, um die Fortschritte in Richtung eines bestimmten Ziels zu bewerten, und sie können als Überwachungsinstrument eingesetzt werden. Darüber hinaus empfiehlt der EWSA nachdrücklich, die Dashboards mit den bestehenden Indikatoren für Wettbewerbsfähigkeit, die im Rahmen des Europäischen Semesters und für die wirtschaftspolitische Steuerung in Europa verwendet werden, sowie mit dem Anzeiger für die Aufbau- und Resilienzfazilität und den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen zu verknüpfen.

2.6.

Der EWSA teilt voll und ganz die Auffassung der Kommission, dass die sozialwirtschaftlichen Unternehmen während der Pandemie eine entscheidende Rolle spielen und für den Aufbau eines resilienten Europas von Bedeutung sind. Daher sieht der EWSA dem angekündigten Aktionsplan zur Förderung der Sozialwirtschaft erwartungsvoll entgegen und fordert die Kommission auf, ehrgeizige und mutige Vorschläge zu unterbreiten.

2.7.

Das angestrebte Ziel der antizipativen Governance mit den Instrumenten der strategischen Vorausschau ist zwar gut und integriert viele gute Elemente, wie z. B. Partizipation, Interdisziplinarität und Gestaltung als kontinuierlichen Prozess, doch wenn es um die Umsetzung und konkrete Durchführung dieses vernetzten bzw. Verbundansatzes geht, treten einige Schwachstellen zutage. Derzeit enthält der Bericht eine Reihe von Absichtserklärungen zur Einbeziehung von Methoden der Vorausschau in die politische Beschlussfassung. Damit die Interessenträger sicher sein können, dass die aus der Vorausschau gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich umgesetzt und wirksam genutzt werden, sollte das Vorausschauverfahren nach Ansicht des EWSA einen Überprüfungs- und Kontrollmechanismus enthalten, der u. a. Ex-post-Bewertungen durch die Zivilgesellschaft ermöglicht. Dies wird das Vertrauen sowohl in den Prozess als auch in die Absichten stärken und die Gefahr blinder Flecken minimieren.

2.8.

Dieser Bedarf an Kontroll- und Überprüfungsmechanismen gilt auch im Hinblick auf die Qualitätskontrolle, also ob der gewählte Ansatz geeignet ist, die genannten Ziele zu erreichen. Ein solcher Kontrollmechanismus muss nachvollziehbar sein und Kriterien enthalten, anhand derer beurteilt werden kann, ob moderne Methoden verwendet und die hohen Qualitätsstandards für die Vorausschau eingehalten werden.

2.9.

In Bezug auf den Inhalt der ausgewählten Themen wäre es wünschenswert, klar zwischen der Analyse der aktuellen Situation und der erwarteten oder bevorzugten Projektion für die Zukunft zu trennen. Auf diese Weise könnten die vielfältigen und hochkomplexen Fragestellungen transparenter und verständlicher herausgearbeitet werden. Die über künftige Entwicklungen gewonnenen Erkenntnisse könnten dann gezielt in die Politikgestaltung einfließen, insbesondere im Hinblick auf bestehende Unsicherheiten und Risiken, die heutigen Zukunftsanalysen stets innewohnen.

2.10.

Vor der eventuellen Übertragung des Prozesses in konkrete Forderungen oder sogar Legislativvorschläge sollte nach Auffassung des EWSA dringend eine auf mehreren qualitativen Kriterien basierende ausgewogene Bewertung vorgenommen werden, bei der die zu erwartenden Vorteile sowie die Auswirkungen für die Beschäftigten und betroffene Interessenträger ausgehend von einer realistischen Einschätzung ihrer jeweiligen Kapazitäten berücksichtigt werden (4).

2.11.

Der EWSA begrüßt den neuen Ansatz der Europäischen Kommission, eine strategische Vorausschau als jährlichen, zyklischen und kontinuierlichen Prozess durchzuführen. Die EU ist jedoch nicht als erster in diesem Bereich tätig, weswegen sie von bestehenden Beispielen und bewährten und weniger bewährten Verfahren lernen sollte. Sie sollte sich nicht nur auf eine Methode fokussieren, d. h. auf die strategische Früherkennung („Horizon Scanning“), sondern auch verschiedene andere bestehende Methoden, wie z. B. die „Delphi-Methode“, die Trend-Impact-Analyse, normative oder explorative Methoden, qualitative und quantitative Methoden oder den „Wild Card“-Ansatz einzeln oder in Kombination nutzen. Die Kapazitäten der künstlichen Intelligenz (KI) und von Big Data müssen auch sehr viel stärker zur Ermittlung von Mustern und zur Entwicklung von Szenarien genutzt werden.

2.12.

Der derzeit skizzierte Ansatz der Europäischen Kommission für die strategische Vorausschau geht noch zu sehr von oben aus. Auf diese Weise wird bei den betroffenen Akteuren nicht das dazu erforderliche Bewusstsein und ein Gefühl der Eigenverantwortung erzeugt. Hier muss Abhilfe geschaffen werden, z. B. durch die strukturelle Einbeziehung der Sozialpartner und weiterer Akteure in den Prozess sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, etwa indem auf dem Europäischen Semester aufgebaut wird. Die Beteiligung einschlägiger Interessenträger, vielfältige und themenübergreifende Anwendungsbereiche und die kontinuierliche Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Fragen sind wesentliche Kriterien für die erfolgreiche Ausarbeitung eines wirksamen Programms der strategischen Vorausschau.

2.13.

Vorausschauprogramme werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie klare Verknüpfungen zwischen den Themen der Vorausschau und der aktuellen Politikagenda enthalten, damit diejenigen, die Beiträge beisteuern, erkennen können, dass diese berücksichtigt werden und etwas bewirken. Auf dieser Grundlage kann ein gemeinsamer Überblick über Risiken und Herausforderungen entstehen, es wird deutlich, was zu tun ist, und die notwendige Übertragung von Kompetenzen und Zuständigkeiten kann organisiert werden. Durch eine gemeinsame Ermittlung der Risiken durch die politischen Entscheidungsträger in der EU mit eingebauten Verfahren zur Rückmeldung und Anpassung je nach Entwicklung der Ereignisse wird der Prozess mit Inhalt gefüllt und entfaltet Wirkung. Wir fordern die Kommission daher auf, Transparenz, Verständlichkeit und Überprüfbarkeit der Ergebnisse der Zukunftsforschung sicherzustellen.

2.14.

Derzeit nutzen nicht alle Mitgliedstaaten die Vorausschau bei der Gestaltung ihrer Politik. Daher muss die Europäische Kommission die ihr zur Verfügung stehenden Mittel unbedingt bestmöglich nutzen. So könnte der EWSA auf der Grundlage des Wissens seiner Mitglieder, die ein breites Spektrum von Ansichten und Standpunkten aus allen Mitgliedstaaten vertreten, wichtige Beiträge und Informationen für die Vorausschau liefern. Der EWSA kann durch seine Stellungnahmen systemische Risiken erkennen und vor ihnen warnen. Seine Mitglieder sind auch gut aufgestellt, um bei ihnen zu Hause über zukunftsorientierte Tätigkeiten zu berichten und die Bürgerinnen und Bürger über ihre Ergebnisse zu informieren. Daher kann der EWSA auch einen wichtigen Beitrag zur Agenda für bessere Rechtsetzung leisten.

2.15.

Wir fordern die Kommission auf, ihre eigenen Vorschläge und Erkenntnisse durchzuziehen und den Interessenträgern die Möglichkeit zu geben, den Ansatz der Vorausschau zu nutzen. Die Vorausschau sollte bei der Formulierung der politischen Maßnahmen für ein resilientes Europa verpflichtend genutzt werden.

2.16.

Im institutionellen Kontext der EU ist das Europäische System für strategische und politische Analysen (ESPAS) zu einem Bezugspunkt und einem Baustein für die Zusammenarbeit im Bereich der Vorausschau geworden. Der EWSA hat bereits Beobachterstatus im ESPAS, eine Praxis, die fortgesetzt und durch die aktive Beteiligung eines hochrangigen Vertreters bzw. mehrerer hochrangiger Vertreter des EWSA an der jährlichen ESPAS-Konferenz weiter ausgebaut werden sollte.

2.17.

Damit sich die EWSA-Mitglieder noch besser und wirkungsvoller an den zukunftsorientierten Tätigkeiten der Europäischen Kommission beteiligen können, rufen wir dazu auf, die EWSA-Mitglieder rechtzeitig über die Vorausschauverfahren, den Zeitplan und das genaue Arbeitsprogramm zu informieren und sie daran zu beteiligen.

Brüssel, den 24. März 2021.

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  ABl. C 353 vom 18.10.2019, S. 23 sowie die öffentliche Anhörung des EWSA „Eine krisenfestere und nachhaltige europäische Wirtschaft mit einer Vision für die Vollendung der WWU“ vom 12.4.2019.

(2)  Siehe Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne — was funktioniert und was nicht? (ABl. C 155 vom 30.4.2021, S. 1).

(3)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 11.

(4)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 11.


Top