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Document 52016IP0279

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Juni 2016 zu einer offenen, effizienten und unabhängigen Verwaltung der Europäischen Union (2016/2610(RSP))

ABl. C 86 vom 6.3.2018, p. 126–139 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.3.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 86/126


P8_TA(2016)0279

Regeln für eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung der Europäischen Union

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Juni 2016 zu einer offenen, effizienten und unabhängigen Verwaltung der Europäischen Union (2016/2610(RSP))

(2018/C 086/19)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 298 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der das Recht auf eine gute Verwaltung als Grundrecht anerkannt wird,

unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zu einer offenen, effizienten und unabhängigen Verwaltung der Europäischen Union (O-000079/2016 — B8-0705/2016),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zu einem Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union (1),

gestützt auf Artikel 128 Absatz 5, Artikel 123 Absatz 2 und Artikel 46 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

1.

weist darauf hin, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 15. Januar 2013 gemäß Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Erlass einer Verordnung über eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung der Europäischen Union nach Maßgabe des Artikels 298 AEUV forderte, dass jedoch der Forderung des Parlaments kein Vorschlag der Kommission folgte, obwohl die Entschließung mit einer deutlichen Mehrheit angenommen wurde (572 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen);

2.

ersucht die Kommission, den als Anlage beigefügten Vorschlag für eine Verordnung zu prüfen;

3.

fordert die Kommission auf, einen Legislativvorschlag vorzulegen, der in ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2017 aufzunehmen ist;

4.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission zu übermitteln.


(1)  ABl. C 440 vom 30.12.2015, S. 17.


Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

für eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung der Europäischen Union

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 298,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurf des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Entwicklung der Kompetenzen der Europäischen Union sind die Bürger in zunehmendem Maß mit den Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der Union konfrontiert, ohne dass ihre Verfahrensrechte immer angemessen geschützt sind.

(2)

In einer rechtsstaatlichen Union muss sichergestellt werden, dass Verfahrensrechte und -pflichten stets angemessen definiert, entwickelt und gewahrt werden. Die Bürger können von den Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der Union ein hohes Maß an Transparenz, Effizienz, rascher Erledigung und Reaktionsbereitschaft erwarten. Die Bürger haben auch Anspruch auf angemessene Informationen darüber, inwieweit sie weitere Schritte in der jeweiligen Angelegenheit unternehmen können.

(3)

Die bestehenden Regeln und Grundsätze einer guten Verwaltung sind auf eine breite Vielfalt von Quellen gestützt: Primärrecht, Sekundärrecht, Rechtsprechung des Gerichthofes der Europäischen Union, nicht zwingendes Recht und einseitige Verpflichtungen von Unionsorganen.

(4)

Im Laufe der Jahre hat die Union eine Vielzahl sektoraler Verwaltungsverfahren in Form verbindlicher Vorschriften und nicht zwingenden Rechts entwickelt, ohne notwendigerweise die allgemeine Kohärenz des Systems zu berücksichtigen. Die komplexe Vielfalt an Verfahren hat zu Lücken und Unstimmigkeiten bei diesen Verfahren geführt.

(5)

Das Fehlen eines kohärenten und umfassenden Katalogs an kodifizierten verwaltungsrechtlichen Bestimmungen erschwert den Bürgern das Verständnis ihrer administrativen Rechte im Rahmen des Unionsrechts.

(6)

Im April 2000 schlug der europäische Bürgerbeauftragte den Gemeinschaftsinstitutionen einen Kodex für gute Verwaltungspraxis vor, der für alle Unionsorgane, Einrichtungen, Ämter und Agenturen gelten sollte.

(7)

Das Europäische Parlament billigte in seiner Entschließung vom 6. September 2001 den Entwurf des Kodexes mit einigen Änderungen und forderte die Kommission auf, einen Vorschlag für eine Verordnung vorzulegen, die einen Kodex für gute Verwaltungspraxis auf der Grundlage von Artikel 308 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft enthalten sollte.

(8)

Die nachfolgend von den einzelnen Organen angenommenen internen Verhaltenskodizes basierten größtenteils auf dem Kodex des Bürgerbeauftragten, haben aber nur eine begrenzte Wirkung, weichen voneinander ab und sind rechtlich nicht verbindlich.

(9)

Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde für die Union eine geeignete Rechtsgrundlage geschaffen, um ein europäisches Verwaltungsverfahrensrecht zu verabschieden. Artikel 298 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht die Annahme von Verordnungen vor, um sicherzustellen, dass sich die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union bei der Ausübung ihrer Aufgaben auf eine offene, effiziente und unabhängige europäische Verwaltung stützen. Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erhielt auch die Charta der Grundrechte der Union („die Charta“) die gleiche Rechtsgültigkeit wie die Verträge.

(10)

Unter Titel V („Bürgerrechte“) der Charta ist das Recht auf eine gute Verwaltung in Artikel 41 festgeschrieben, der vorsieht, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden. In Artikel 41 der Charta werden zudem in nicht erschöpfender Form einige der Aspekte genannt, die in die Definition des Rechts auf eine gute Verwaltung aufgenommen wurden, wie das Recht, gehört zu werden, das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten, das Recht, Begründungen für eine Verwaltungsentscheidung zu erhalten, und die Möglichkeit, Ersatzansprüche für den durch die Organe oder ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden zu geltend zu machen.

(11)

Eine effiziente Verwaltung der Union hat wesentliche Bedeutung für das öffentliche Interesse. Ein Übermaß oder ein Mangel an Bestimmungen und Verfahren kann zu Missständen führen, die auch eine Folge widersprüchlicher, uneinheitlicher oder unklarer Bestimmungen und Verfahren sein können.

(12)

Angemessen strukturierte und einheitliche Verwaltungsverfahren unterstützen eine effiziente Verwaltung und eine korrekte Durchsetzung des Rechts auf eine gute Verwaltung, das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts und gemäß Artikel 41 der Charta garantiert ist.

(13)

In seiner Entschließung vom 15. Januar 2013 forderte das Europäische Parlament die Verabschiedung einer Verordnung über ein europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, die das Recht auf gute Verwaltungspraxis durch eine offene, effiziente und unabhängige europäische Verwaltung sicherstellen sollte. Durch die Festlegung gemeinsamer Bestimmungen für Verwaltungsverfahren auf Ebene der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union sollten die Rechtssicherheit verbessert, Lücken im Rechtssystem der Union geschlossen und damit zur Achtung der Rechtsstaatlichkeit beigetragen werden.

(14)

Zweck dieser Verordnung ist es, Verfahrensregeln festzulegen, die die Unionsverwaltung bei der Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeiten einhalten sollte. Diese Verfahrensregeln sollen eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung und eine korrekte Durchsetzung des Rechts auf eine gute Verwaltung sicherstellen.

(15)

Gemäß Artikel 298 AEUV sollte diese Verordnung nicht für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten gelten. Ferner sollte diese Verordnung nicht für Gesetzgebungsverfahren, Gerichtsverfahren und Verfahren gelten, die zur Verabschiedung von Rechtsakten ohne Gesetzgebungscharakter, die sich unmittelbar aus den Verträgen ergeben, von delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten führen.

(16)

Diese Verordnung sollte für die Unionsverwaltung unbeschadet sonstiger Rechtsakte der Union gelten, die besondere Verwaltungsverfahrensvorschriften vorsehen. Sektorspezifische Verwaltungsverfahren sind jedoch nicht durchgehend schlüssig und vollständig. Um eine allgemeine Kohärenz der Verwaltungstätigkeiten der Unionsverwaltung und eine uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf eine gute Verwaltung sicherzustellen, sollten Rechtsakte, die spezielle Verwaltungsverfahrensvorschriften vorsehen, daher in Übereinstimmung mit dieser Verordnung ausgelegt werden, ihre Lücken sollten durch die entsprechenden Bestimmungen dieser Verordnung geschlossen werden. Mit dieser Verordnung werden Rechte und Pflichten als Standardregel für alle Verwaltungsverfahren im Rahmen des Unionsrechts festgelegt; dadurch wird die Fragmentierung der geltenden Verfahrensvorschriften verringert, die eine Folge sektorspezifischer Rechtsvorschriften ist.

(17)

Mit den in dieser Verordnung festgelegten Verwaltungsverfahrensvorschriften sollen die Grundsätze einer guten Verwaltung gestützt auf unterschiedliche Rechtsquellen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union umgesetzt werden. Diese Grundsätze sind nachstehend aufgeführt; ihr Wortlaut sollte die Auslegung der Bestimmungen dieser Verordnung prägen.

(18)

Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) ist das Herzstück der Werte der Union. Gemäß diesem Prinzip muss sich jede Handlung der Union unter Achtung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung auf die Verträge stützen. Ferner erfordert das Legalitätsprinzip, das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt, dass Tätigkeiten der Unionsverwaltung unter vollständiger Einhaltung der Rechtsvorschriften ausgeübt werden.

(19)

Jeder Rechtsakt der Union muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllen. Dies erfordert, dass jede Maßnahme der Unionsverwaltung angemessen und erforderlich für die Erfüllung der Ziele sein muss, die die fragliche Maßnahme legitimerweise verfolgt: Stehen mehrere potenziell geeignete Maßnahmen zur Wahl, muss die am wenigsten belastende Option ausgewählt werden, und alle von der Verwaltung auferlegten Verpflichtungen müssen im Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen.

(20)

Das Recht auf eine gute Verwaltung erfordert, dass Verwaltungsakte der Unionsverwaltung gemäß Verfahren angenommen werden, die Unparteilichkeit, Fairness und Rechtzeitigkeit sicherstellen.

(21)

Das Recht auf eine gute Verwaltung erfordert, dass jede Entscheidung über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens den Parteien bekanntgemacht und die notwendigen Informationen bereitgestellt werden müssen, die ihnen die Wahrnehmung ihrer Rechte während des Verwaltungsverfahrens ermöglichen. In gerechtfertigten Ausnahmefällen, in denen das öffentliche Interesse dies erfordert, kann die Unionsverwaltung die Bekanntmachung aufschieben oder unterlassen.

(22)

Wird das Verwaltungsverfahren auf Antrag einer Partei eingeleitet, ist die Unionsverwaltung aufgrund des Rechts auf eine gute Verwaltung verpflichtet, den Empfang des Antrags schriftlich zu bestätigen. Die Empfangsbestätigung sollte die notwendigen Informationen enthalten, die der Partei die Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte während des Verwaltungsverfahrens ermöglichen. Die Unionsverwaltung sollte jedoch befugt sein, aussichtslose oder missbräuchlich gestellte Anträge abzulehnen, die die Effizienz der Verwaltung gefährden könnten.

(23)

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte ein Verwaltungsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist nach Auftreten des Vorfalls eingeleitet werden. Daher sollte die Verordnung Bestimmungen über eine Ausschlussfrist enthalten.

(24)

Das Recht auf eine gute Verwaltung erfordert, dass die Unionsverwaltung eine Sorgfaltspflicht wahrnimmt, die sie verpflichtet, alle sachdienlichen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte eines Falls unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen in jeder Phase des Verfahrens sorgfältig und unvoreingenommen festzustellen und zu überprüfen. Zu diesem Zweck sollte die Unionsverwaltung die Befugnis erhalten, Parteien, Zeugen und Sachverständige anzuhören, Dokumente und Unterlagen anzufordern und Kontrollen und Untersuchungen durchzuführen. Bei der Auswahl von Sachverständigen sollte die Unionsverwaltung sicherstellen, dass diese fachlich kompetent sind und nicht durch einen Interessenkonflikt beeinflusst werden.

(25)

Während der von der Unionsverwaltung durchgeführten Untersuchung sollten die Parteien zur Zusammenarbeit verpflichtet werden, indem sie die Verwaltung bei der Feststellung der Tatsachen und Umstände des Falls unterstützen. Fordert die Unionsverwaltung die Parteien zur Zusammenarbeit auf, sollte sie ihnen eine angemessene Frist für die Antwort einräumen und sie auf Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, hinweisen, wenn das Verwaltungsverfahren Sanktionen zur Folge haben kann.

(26)

Das Recht auf unparteiische Behandlung durch die Unionsverwaltung ergibt sich aus dem Grundrecht auf eine gute Verwaltung und schließt die Pflicht der Bediensteten ein, nicht an Verwaltungsverfahren teilzunehmen, bei denen sie unmittelbar oder mittelbar ein persönliches, insbesondere ein familiäres oder finanzielles Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit beeinträchtigen kann.

(27)

Das Recht auf eine gute Verwaltung kann erfordern, dass die Verwaltung unter gewissen Umständen Kontrollen durchführt, wenn dies notwendig ist, um eine Pflicht zu erfüllen oder ein Ziel im Rahmen des Unionsrechts zu erreichen. Bei diesen Kontrollen müssen bestimmte Bedingungen und Verfahren eingehalten werden, um die Rechte der Parteien zu schützen.

(28)

Das Recht auf rechtliches Gehör sollte in allen gegen eine Person eingeleiteten Verfahren gewahrt werden, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können. Es darf durch keine Rechtsetzungsmaßnahme ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Das Recht auf rechtliches Gehör erfordert, dass die betreffende Person eine genaue und vollständige Aufstellung der erhobenen Ansprüche oder Einwände erhält und die Möglichkeit hat, Anmerkungen zur Richtigkeit und Relevanz der Tatsachen und verwendeten Dokumente abzugeben.

(29)

Das Recht auf eine gute Verwaltung schließt das Recht einer Partei in einem Verwaltungsverfahren ein, Zugang zu ihren eigenen Akten zu erhalten, das auch eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf rechtliches Gehör ist. Lässt der Schutz der berechtigten Interessen der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses keinen uneingeschränkten Zugang zu einer Akte zu, sollte die Partei zumindest eine angemessene Zusammenfassung des Inhalts der Akte erhalten. Im Hinblick auf die Vereinfachung des Zugangs zu den eigenen Akten und damit der Sicherstellung eines transparenten Informationsmanagements sollte die Unionsverwaltung Aufzeichnungen über die ein- und ausgehende Post, die erhaltenen Dokumente und die ergriffenen Maßnahmen führen und ein Verzeichnis der aufgezeichneten Akten erstellen.

(30)

Die Unionsverwaltung sollte Verwaltungsakte innerhalb einer angemessenen Frist erlassen. Eine langsame Verwaltung ist gleichbedeutend mit einer schlechten Verwaltung. Jede Verzögerung bei der Annahme eines Verwaltungsakts sollte begründet werden; die Partei im Verwaltungsverfahren sollte angemessen darüber informiert werden und eine Schätzung des erwarteten Zeitpunkts für den Erlass des Verwaltungsakts erhalten.

(31)

Das Recht auf eine gute Verwaltung verpflichtet die Unionsverwaltung, die Gründe für ihre Verwaltungsakte klar zu nennen. In der Begründung sollten die Rechtsgrundlage des Rechtsakts, die allgemeine Lage, die zu seiner Annahme geführt hat und die allgemeinen Ziele, die mit ihm erreicht werden sollen, angegeben sein. Die Begründung muss klar und unzweideutig erkennen lassen, warum die zuständige Behörde den Rechtsakt erlassen hat, damit die betroffenen Parteien entscheiden können, ob sie ihre Rechte durch eine Anfechtungsklage schützen wollen.

(32)

Gemäß dem Recht auf wirksamen Rechtsschutz dürfen weder die Union noch die Mitgliedstaaten die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Sie sind vielmehr verpflichtet, einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewähren und dürfen keine Bestimmungen oder Verfahren anwenden, die einer auch nur vorübergehenden vollständigen und wirksamen Anwendung des Unionsrechts entgegenstehen.

(33)

Um die Wahrnehmung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz zu erleichtern, sollte die Unionsverwaltung in ihren Verwaltungsakten die Rechtsbehelfe, die den Parteien, deren Rechte und Interessen durch solche Akte berührt sind, zur Verfügung stehen, angeben. Neben der Möglichkeit der Einleitung eines Gerichtsverfahrens oder der Einreichung einer Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten sollte eine Partei das Recht haben, eine verwaltungsrechtliche Überprüfung zu fordern, und über ein solches Verfahren und die Frist für den Antrag auf eine solche Überprüfung informiert werden.

(34)

Von der Forderung einer verwaltungsrechtlichen Überprüfung unberührt bleibt das Recht einer Partei, einen Rechtsbehelf einzulegen. Hinsichtlich der Frist eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung sollte ein Verwaltungsakt erst dann als unanfechtbar gelten, wenn die Partei innerhalb der vorgesehenen Frist keine verwaltungsrechtliche Überprüfung gefordert hat, oder, sollte die Partei eine verwaltungsrechtliche Überprüfung fordern, der endgültige Verwaltungsakt der Akt ist, der aus dieser verwaltungsrechtlichen Überprüfung folgt.

(35)

Gemäß den Grundsätzen der Transparenz und der Rechtssicherheit sollten Parteien im Verwaltungsverfahren in der Lage sein, ihre Rechte und Pflichten genau zu verstehen, die sich aus einem an sie gerichteten Verwaltungsakt ergeben. Zu diesem Zweck sollte die Unionsverwaltung sicherstellen, dass ihre Verwaltungsakte in einer klaren, einfachen und verständlichen Sprache abgefasst sind und ab der Bekanntmachung an die Parteien wirksam werden. Bei der Wahrnehmung dieser Pflicht muss die Unionsverwaltung die Informations- und Kommunikationstechnologien in geeigneter Form einsetzen und sich an deren Entwicklung anpassen.

(36)

Im Bemühen um Transparenz und Effizienz der Verwaltung sollte die Unionsverwaltung sicherstellen, dass Schreib- und Rechenfehler oder ähnliche Fehler in ihren Rechtsakten durch die zuständige Behörde korrigiert werden.

(37)

Das Legalitätsprinzip als Folge der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet die Unionsverwaltung, rechtswidrige Rechtsakte zu berichtigen oder zurückzunehmen. Da jedoch jede Berichtigung oder Rücknahme eines Rechtsakts mit dem Schutz berechtigter Erwartungen und dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Konflikt geraten kann, sollte die Unionsverwaltung die Auswirkungen einer Berichtigung oder Rücknahme auf andere Parteien sorgfältig und unparteiisch bewerten und die Ergebnisse einer solchen Bewertung in die Begründung der Berichtigung oder Rücknahme des Rechtsakts aufnehmen.

(38)

Unionsbürger haben das Recht, Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der EU in einer der Sprachen der Verträge anzuschreiben und eine Antwort in der gleichen Sprache zu erhalten. Die Unionsverwaltung sollte die Sprachenrechte der Parteien achten, indem sie sicherstellt, dass das Verwaltungsverfahren in einer der von der Partei gewählten Sprachen der Verträge durchgeführt wird. Leitet die Unionsverwaltung ein Verwaltungsverfahren ein, sollte die erste Mitteilung in einer der Sprachen des Vertrags abgefasst sein, die dem Mitgliedstaat, in dem die Partei ihren Sitz hat, entspricht.

(39)

Der Grundsatz der Transparenz und das Recht auf Zugang zu Dokumenten haben im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung, unbeschadet der gemäß Artikel 15 Absatz 3 AEUV erlassenen Rechtsakte. Jegliche Einschränkung dieser Grundsätze sollte eng ausgelegt werden, um die Kriterien in Artikel 52 Absatz 1 der Charta zu erfüllen; sie sollte daher gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt der Rechte und Freiheiten achten sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen.

(40)

Das Recht auf Schutz der persönlichen Daten bedeutet, dass unbeschadet der gemäß Artikel 16 AEUV erlassenen Rechtsakte von der Unionsverwaltung verwendete Daten richtig, aktuell und für rechtmäßige Zwecke verarbeitet sein sollten.

(41)

Der Grundsatz des Schutzes der berechtigter Erwartungen leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und bedeutet, dass Maßnahmen öffentlicher Stellen wohlerworbene Rechte und endgültige Rechtssituationen nicht beeinträchtigen sollten, sofern dies nicht im öffentlichen Interesse zwingend erforderlich ist. Berechtigte Erwartungen sollten angemessen berücksichtigt werden, wenn ein Verwaltungsakt berichtigt oder zurückgenommen wird.

(42)

Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen Bestimmungen der Union klar und präzise sein. Mit diesem Grundsatz soll sichergestellt werden, dass durch das Unionsrecht geregelte Situationen und Rechtsbeziehungen vorhersehbar bleiben, damit Einzelne zweifelsfrei feststellen können, welche Rechte und Pflichten sie besitzen, und entsprechende Schritte einleiten können. Gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit sollten rückwirkende Maßnahmen nur in rechtlich begründeten Ausnahmefällen ergriffen werden.

(43)

Um eine allgemeine Kohärenz bei den Tätigkeiten der Unionsverwaltung sicherzustellen, sollten bei Verwaltungsakten von allgemeiner Geltung die Grundsätze der guten Verwaltung eingehalten werden, auf die in dieser Verordnung Bezug genommen wird.

(44)

Bei der Auslegung dieser Verordnung sollte besonderes Augenmerk auf der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung liegen, die für Verwaltungstätigkeiten als wichtige Folge der Rechtsstaatlichkeit und der Grundsätze einer effizienten und unabhängigen europäischen Verwaltung gelten.

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

Artikel 1

Gegenstand und Ziel

(1)   In dieser Verordnung werden Verfahrensvorschriften festgelegt, die die Verwaltungstätigkeiten der Unionsverwaltung regeln.

(2)   Das Ziel dieser Verordnung besteht darin, durch eine offene, effiziente und unabhängige Verwaltung das in Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht auf eine gute Verwaltung zu gewährleisten.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1)   Diese Verordnung regelt die Verwaltungstätigkeiten der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union.

(2)   Diese Verordnung gilt nicht für die Tätigkeiten der Unionsverwaltung im Rahmen von:

a)

Gesetzgebungsverfahren;

b)

Gerichtsverfahren;

c)

Verfahren, die zur Verabschiedung von Rechtsakten ohne Gesetzgebungscharakter, die sich unmittelbar aus den Verträgen ergeben, delegierter Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte führen.

(3)   Diese Verordnung gilt nicht für die Verwaltung der Mitgliedstaaten.

Artikel 3

Verbindung zwischen dieser Verordnung und anderen Rechtsakten der Union

Diese Verordnung gilt für die Unionsverwaltung unbeschadet sonstiger Rechtsakte der Union, die besondere Verwaltungsverfahrensvorschriften vorsehen. Diese Verordnung ergänzt solche Rechtsakte der Union, die in Übereinstimmung mit ihren entsprechenden Bestimmungen ausgelegt werden.

Artikel 4

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

a)

„Unionsverwaltung“ die Verwaltung der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union;

b)

„Verwaltungstätigkeiten“ die Tätigkeiten, die die Unionsverwaltung zur Umsetzung des Unionsrechts ausführt, mit Ausnahme der in Artikel 2 Absatz 2 genannten Verfahren;

c)

„Verwaltungsverfahren“ den Prozess, mit dem die Unionsverwaltung Verwaltungsakte vorbereitet, erlässt, umsetzt und durchsetzt;

d)

„Bediensteter“ einen Beamten im Sinne von Artikel 1a des Statuts der Beamten bzw. einen Bediensteten entsprechend der Definition von Artikel 1 erster bis dritter Gedankenstrich der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union;

e)

„zuständige Behörde“ das Organ, die Einrichtung, das Amt oder die Agentur oder eine sonstige Stelle der Union oder den Stelleninhaber innerhalb der Unionsverwaltung, die entsprechend dem geltenden Recht für das Verwaltungsverfahren zuständig sind;

f)

„Partei“bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, auf deren Rechtsstellung sich das Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens auswirken kann.

KAPITEL II

EINLEITUNG DES VERWALTUNGSVERFAHRENS

Artikel 5

Einleitung des Verwaltungsverfahrens

Verwaltungsverfahren können von der Unionsverwaltung auf eigene Initiative oder auf Antrag einer Partei eingeleitet werden.

Artikel 6

Einleitung durch die Unionsverwaltung

(1)   Verwaltungsverfahren können von der Unionsverwaltung aus eigener Initiative entsprechend einer Entscheidung der zuständigen Behörde eingeleitet werden. Die zuständige Behörde prüft die besonderen Umstände des Falls, bevor sie über die Einleitung des Verfahrens entscheidet.

(2)   Die Entscheidung zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens wird den Parteien bekanntgemacht. Die Entscheidung wird nicht veröffentlicht, bevor die Bekanntmachung erfolgt ist.

(3)   Die Zustellung kann aufgeschoben oder unterlassen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse zwingend notwendig ist. Die Entscheidung zur Aufschiebung oder Unterlassung wird hinreichend begründet.

(4)   Die Entscheidung zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens enthält Folgendes:

a)

ein Aktenzeichen und das Datum;

b)

den Gegenstand und Zweck des Verfahrens;

c)

die Beschreibung der wichtigsten Verfahrensschritte;

d)

den Namen und die Kontaktdaten des zuständigen Bediensteten;

e)

die zuständige Behörde;

f)

die Frist für den Erlass des Verwaltungsakts und die Auswirkungen eines nicht innerhalb der Frist erfolgten Erlasses des Verwaltungsakts;

g)

mögliche Rechtsbehelfe;

h)

die Adresse der in Artikel 28 genannten Internetseite, sofern eine solche Internetseite besteht.

(5)   Die Entscheidung zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens wird in den Sprachen der Verträge entsprechend den Mitgliedstaaten abgefasst, in denen die Parteien ihren Sitz haben.

(6)   Ein Verwaltungsverfahren wird innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt des Vorfalls eingeleitet, der Grundlage des Verfahrens ist. Es wird keinesfalls später als 10 Jahre nach dem Zeitpunkt des Vorfalls eingeleitet.

Artikel 7

Einleitung auf Antrag

(1)   Verwaltungsverfahren können von einer Partei eingeleitet werden.

(2)   Für die Anträge bestehen keine unnötigen formalen Anforderungen. Der Name der Partei, eine Anschrift für die Bekanntmachung, der Gegenstand des Antrags, die relevanten Fakten und Gründe für den Antrag, Datum und Ort sowie die zuständige Behörde, an die sie gerichtet sind, sind klar anzugeben. Sie werden schriftlich in Papierform oder elektronisch übermittelt. Sie sind in einer der Sprachen des Vertrags abgefasst.

(3)   Anträge werden schriftlich bestätigt. Die Eingangsbestätigung ist in der Sprache des Antrags abgefasst und enthält:

a)

ein Aktenzeichen und das Datum;

b)

Zeitpunkt des Eingangs des Antrags;

c)

eine Beschreibung der wichtigsten Verfahrensschritte;

d)

Name und Kontaktdaten des zuständigen Bediensteten;

e)

Frist für den Erlass des Verwaltungsakts und Auswirkungen eines nicht innerhalb der Frist erfolgten Erlasses des Verwaltungsakts;

f)

Adresse der in Artikel 28 genannten Website, sofern eine solche Website besteht.

(4)   Erfüllt ein Antrag nicht eine oder mehrere der in Absatz 2 genannten Anforderungen, wird in der Eingangsbestätigung eine angemessene Frist für die Behebung des Fehlers oder die Einreichung eines fehlenden Dokuments angegeben. Aussichtslose oder offenkundig unbegründete Anträge können mit einer kurz begründeten Eingangsbestätigung als unzulässig abgelehnt werden. Eine Eingangsbestätigung wird nicht versendet in Fällen, in denen derselbe Antragsteller missbräuchlich mehrere aufeinanderfolgende Anträge einreicht.

(5)   Ist der Antrag an eine Behörde gerichtet, die für seine Bearbeitung nicht zuständig ist, übermittelt diese Behörde ihn der zuständigen Behörde und gibt in der Eingangsbestätigung die zuständige Behörde an, der der Antrag übermittelt wurde, oder erklärt, dass die Angelegenheit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Unionsverwaltung fällt.

(6)   Leitet die zuständige Behörde ein Verwaltungsverfahren ein, findet gegebenenfalls Artikel 6 Absatz 2 bis 4 Anwendung.

KAPITEL III

GESTALTUNG DES VERWALTUNGSVERFAHRENS

Artikel 8

Verfahrensrechte

Die Parteien haben im Zusammenhang mit der Gestaltung des Verfahrens folgende Rechte:

a)

alle relevanten, mit dem Verfahren verbundenen Informationen in klarer und verständlicher Form zu erhalten;

b)

alle Verfahrensformalitäten, soweit möglich und angemessen, aus der Ferne und mit elektronischen Mitteln zu übermitteln und zu erledigen;

c)

eine der Sprachen der Verträge zu verwenden und in der von ihnen gewählten Sprache der Verträge angesprochen zu werden;

d)

über alle Verfahrensschritte und Beschlüsse, die sie betreffen könnten, unterrichtet zu werden;

e)

von einem Rechtsanwalt oder einer anderen Person ihrer Wahl vertreten zu werden;

f)

lediglich Gebühren zu zahlen, die vertretbar sind und zu den Kosten des betreffenden Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Artikel 9

Pflicht einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Untersuchung

(1)   Die zuständige Behörde untersucht den Fall sorgfältig und unvoreingenommen. Sie berücksichtigt alle relevanten Faktoren und holt alle für die Beschlussfassung notwendigen Informationen ein.

(2)   Um die notwendigen Informationen einzuholen, kann die zuständige Behörde gegebenenfalls:

a)

Parteien, Zeugen und Sachverständige anhören,

b)

Dokumente und Unterlagen anfordern,

c)

Kontrollbesuche durchführen.

(3)   Die Parteien können Beweismittel vorlegen, die ihnen geeignet erscheinen.

Artikel 10

Mitwirkungspflicht

(1)   Die Parteien unterstützen die zuständige Behörde dabei, den Sachverhalt und die Umstände des Falls festzustellen.

(2)   Den Parteien wird eine angemessene Frist für die Antwort auf eine Aufforderung zur Mitwirkung eingeräumt, dabei werden die Länge und Komplexität der Aufforderung und die Anforderungen der Untersuchung berücksichtigt.

(3)   Kann das Verwaltungsverfahren Sanktionen zur Folge haben, werden die Parteien auf das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, hingewiesen.

Artikel 11

Zeugen und Sachverständige

Zeugen und Sachverständige können auf Initiative der zuständigen Behörde oder auf Vorschlag der Parteien gehört werden. Die zuständige Behörde stellt sicher, dass sie Sachverständige auswählt, die fachlich kompetent sind und nicht durch Interessenkonflikte beeinflusst werden.

Artikel 12

Kontrollen

(1)   Kontrollen können durchgeführt werden, sofern ein Gesetzgebungsakt der Union eine Kontrollbefugnis vorsieht und dies notwendig ist, um eine Pflicht zu erfüllen oder ein Ziel im Rahmen des Unionsrechts zu erreichen.

(2)   Die Kontrollen werden entsprechend den Vorgaben und innerhalb der Fristen durchgeführt, die in dem Rechtsakt festgelegt sind, der die Kontrolle im Hinblick auf die Maßnahmen, die ergriffen und die Räumlichkeiten, die durchsucht werden können, vorschreibt oder zulässt. Die Kontrolleure üben ihre Befugnis lediglich nach Vorlage einer schriftlichen Genehmigung aus, die Angaben zu ihrer Person und Stellung enthält.

(3)   Die für die Kontrolle zuständige Behörde teilt der zu kontrollierenden Partei das Datum und den Anfangszeitpunkt dieser Kontrolle mit. Die Partei hat das Recht, bei der Kontrolle anwesend zu sein, Standpunkte zu äußern und Fragen im Zusammenhang mit der Kontrolle zu stellen. Sofern dies im öffentlichen Interesse zwingend notwendig ist, kann die für die Kontrolle zuständige Behörde eine solche Mitteillung in hinreichend begründeten Fällen aufschieben oder unterlassen.

(4)   Während der Kontrolle werden die anwesenden Parteien, sofern möglich, über Gegenstand und Zweck der Kontrolle, das Verfahren und die für die Kontrolle geltenden Bestimmungen sowie die Folgemaßnahmen und möglichen Konsequenzen der Kontrolle unterrichtet. Die Kontrolle wird durchgeführt, ohne übermäßige Schwierigkeiten für den Gegenstand der Kontrolle oder ihren Eigentümer zu verursachen.

(5)   Die Kontrolleure erstellen umgehend einen Kontrollbericht, in dem zusammengefasst wird, welchen Beitrag die Kontrolle zum Erreichen des Zwecks der Untersuchung geleistet hat, und die wichtigsten Anmerkungen aufgeführt sind. Die für die Kontrolle zuständige Behörde übermittelt den Parteien, die zur Anwesenheit bei der Kontrolle befugt sind, eine Kopie des Kontrollberichts.

(6)   Die für die Kontrolle zuständige Behörde bereitet die Kontrolle vor und führt sie in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vor, in dem die Kontrolle stattfindet, sofern der Mitgliedstaat nicht selbst Gegenstand der Kontrolle ist oder dies den Zweck der Kontrolle beeinträchtigen würde.

(7)   Bei der Durchführung der Kontrolle und der Erstellung des Kontrollberichts berücksichtigt die für die Kontrolle zuständige Behörde alle im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegten Verfahrensvorschriften, in denen die zulässigen Beweismittel in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats genannt sind, in dem der Kontrollbericht verwendet werden soll.

Artikel 13

Interessenkonflikt

(1)   Ein Bediensteter nimmt nicht an einem Verwaltungsverfahren teil, an dem er oder sie unmittelbar oder mittelbar ein persönliches, insbesondere ein familiäres oder finanzielles Interesse hat, das seine oder ihre Unparteilichkeit beeinträchtigen kann.

(2)   Jeder Interessenkonflikt ist von dem betroffenen Bediensteten der zuständigen Behörde mitzuteilen, die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falls darüber entscheidet, ob diese Person von dem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen wird.

(3)   Jede Partei kann fordern, dass ein Bediensteter aufgrund eines Interessenkonfliktes von der Teilnahme an einem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen wird. Eine begründete diesbezügliche Forderung ist schriftlich an die zuständige Behörde zu richten, die nach Anhörung des betroffenen Bediensteten eine Entscheidung trifft.

Artikel 14

Recht auf Anhörung

(1)   Die Parteien haben das Recht, gehört zu werden, bevor eine Einzelmaßnahme ergriffen wird, die nachteilige Folgen für sie hätte.

(2)   Die Parteien erhalten ausreichende Informationen und genügend Zeit für die Vorbereitung ihres Falls.

(3)   Die Parteien erhalten Gelegenheit, ihren Standpunkt gegebenenfalls schriftlich oder mündlich darzulegen, mit Unterstützung einer Person ihrer Wahl, sofern sie dies wünschen.

Artikel 15

Recht auf Zugang zu den Akten

(1)   Den betroffenen Parteien wird unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses unbeschränkter Zugang zu den Akten gewährt. Eine Einschränkung dieses Rechts muss hinreichend begründet werden.

(2)   Kann kein uneingeschränkter Zugang zu den gesamten Akten gewährt werden, erhalten die Parteien eine angemessene Zusammenfassung des Inhalts dieser Dokumente.

Artikel 16

Aufzeichnungspflicht

(1)   Die Unionsverwaltung führt zu jeder Akte Aufzeichnungen über die ein- und ausgehende Post, die erhaltenen Dokumente und die von ihr ergriffenen Maßnahmen. Sie erstellt ein Verzeichnis der von ihr geführten Akten.

(2)   Aufzeichnungen werden unter uneingeschränkter Achtung des Datenschutzrechts geführt.

Artikel 17

Fristen

(1)   Verwaltungsakte werden innerhalb einer angemessenen Frist und ohne ungebührliche Verzögerung angenommen; Gleiches gilt für den Abschluss von Verwaltungsverfahren. Die Frist für die Annahme eines Verwaltungsakts ist nicht länger bemessen als drei Monate ab dem Datum der:

(a)

Bekanntmachung der Entscheidung zur Einleitung des Verwaltungsverfahrens, wenn es von der Unionsverwaltung eingeleitet wurde, oder

(b)

Bestätigung des Eingangs des Antrags, wenn das Verwaltungsverfahren auf Antrag eingeleitet wurde.

(2)   Kann innerhalb der entsprechenden Frist kein Verwaltungsakt angenommen werden, werden die betreffenden Parteien darüber und über die Gründe für die Verzögerung informiert und erhalten eine Schätzung des voraussichtlichen Zeitpunkts des Erlasses des Verwaltungsakts. Die zuständige Behörde beantwortet auf Verlangen Fragen zum Stand der Prüfung des Sachverhalts.

(3)   Bestätigt die Unionsverwaltung den Eingang des Antrags nicht innerhalb von drei Monaten, gilt der Antrag als abgelehnt.

(4)   Die Fristen werden gemäß Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates berechnet (1).

KAPITEL IV

ABSCHLUSS DES VERWALTUNGSVERFAHRENS

Artikel 18

Form von Verwaltungsakten

Verwaltungsakte werden schriftlich abgefasst und von der zuständigen Behörde unterzeichnet. Sie werden in einer klaren, einfachen und verständlichen Weise formuliert.

Artikel 19

Begründungspflicht

(1)   Verwaltungsakte werden eindeutig begründet.

(2)   Verwaltungsakte geben Auskunft über ihre rechtliche Grundlage, die relevanten Fakten und die Weise, in der die verschiedenen relevanten Interessen berücksichtigt wurden.

(3)   Verwaltungsakte enthalten eine auf die Situation der Parteien zugeschnittene individuelle Begründung. Ist das aufgrund der großen Zahl der Betroffenen nicht möglich, ist eine allgemeine Angabe von Gründen ausreichend. In diesem Fall erhält jedoch jede Partei, die eine individuelle Begründung ausdrücklich anfordert, eine solche.

Artikel 20

Rechtsbehelfe

(1)   In Verwaltungsakten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine verwaltungsrechtliche Überprüfung möglich ist.

(2)   Die Parteien sind berechtigt, eine verwaltungsrechtliche Überprüfung von Verwaltungsakten zu beantragen, die ihre Rechte und Interessen beeinträchtigen. Anträge auf verwaltungsrechtliche Überprüfung werden der vorgesetzten Behörde vorgelegt bzw., sofern dies nicht möglich ist, derselben Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3)   In Verwaltungsakten wird das Verfahren der Beantragung einer verwaltungsrechtlichen Überprüfung erläutert; es werden ferner die Bezeichnung und die Büroanschrift der zuständigen Behörde oder des Bediensteten angegeben, bei dem oder der der Antrag auf Überprüfung vorzulegen ist. Im Verwaltungsakt wird ebenfalls die Frist für die Einreichung dieses Antrags angegeben. Wird innerhalb der Frist kein Antrag gestellt, gilt der Verwaltungsakt als unanfechtbar.

(4)   Verwaltungsakte weisen ausdrücklich, soweit das Unionsrecht das vorsieht, auf die Möglichkeit hin, ein Gerichtsverfahren einzuleiten oder Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten einzulegen.

Artikel 21

Bekanntgabe von Verwaltungsakten

Verwaltungsakte, die Auswirkungen auf die Rechte und Interessen der Parteien haben, werden diesen bekanntgegeben, sobald sie angenommen wurden. Verwaltungsakte werden nach ihrer Bekanntgabe an die Partei für diese wirksam.

KAPITEL V

BERICHTIGUNG UND RÜCKNAHME VON VERWALTUNGSAKTEN

Artikel 22

Berichtigung von Fehlern in Verwaltungsakten

(1)   Schreib- und Rechenfehler oder ähnliche Fehler werden von der zuständigen Behörde auf eigene Initiative oder auf Antrag einer betroffenen Partei berichtigt.

(2)   Die Parteien werden vor jeder Berichtigung informiert; eine Berichtigung wird nach ihrer Bekanntgabe wirksam. Ist das wegen der großen Zahl an betroffenen Parteien nicht möglich, werden die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um zu gewährleisten, dass alle Parteien ohne unnötige Verzögerung informiert werden.

Artikel 23

Berichtigung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts mit nachteiligen Auswirkungen auf eine Partei

(1)   Die zuständige Behörde berichtigt auf eigene Initiative oder auf Antrag der betroffenen Partei einen unrechtmäßigen Verwaltungsakt mit nachteiligen Auswirkungen auf eine Partei oder nimmt diesen zurück. Berichtigung oder Rücknahme haben rückwirkende Kraft.

(2)   Die zuständige Behörde berichtigt auf eigene Initiative oder auf Antrag der betroffenen Partei einen rechtmäßigen Verwaltungsakt mit nachteiligen Auswirkungen auf eine Partei oder nimmt diesen zurück, wenn die Gründe für die Annahme des betreffenden Verwaltungsakts nicht mehr bestehen. Berichtigung oder Rücknahme haben keine rückwirkende Kraft.

(3)   Berichtigung oder Rücknahme werden mit ihrer Bekanntgabe an die Partei wirksam.

(4)   Hat ein Verwaltungsakt nachteilige Auswirkungen auf eine Partei und ist gleichzeitig vorteilhaft für andere Parteien, wird eine Bewertung der möglichen Folgen für alle Parteien vorgenommen; deren Ergebnisse sind in die Begründung der Berichtigung oder Rücknahme der Entscheidung aufzunehmen.

Artikel 24

Berichtigung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts mit vorteilhaften Auswirkungen auf eine Partei

(1)   Die zuständige Behörde berichtigt auf eigene Initiative oder auf Antrag einer anderen Partei einen unrechtmäßigen Verwaltungsakt mit vorteilhaften Auswirkungen auf eine Partei oder nimmt diesen zurück.

(2)   Die Folgen der Berichtigung oder Rücknahme für Parteien, die berechtigterweise annehmen konnten, der Rechtsakt sei rechtmäßig, werden gebührend berücksichtigt. Würde diesen Parteien aufgrund ihres Vertrauens auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung Schaden entstehen, prüft die zuständige Behörde, ob diese Parteien Anspruch auf Entschädigung haben.

(3)   Berichtigung oder Rücknahme haben nur dann rückwirkende Kraft, wenn sie innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen werden. Konnte eine Partei berechtigterweise erwarten, dass der Rechtsakt rechtmäßig sein würde, und hat sie sich für seine Aufrechterhaltung ausgesprochen, hat die Berichtigung oder Rücknahme keine rückwirkende Kraft für diese Partei.

(4)   Die zuständige Behörde berichtigt oder nimmt einen rechtmäßigen Verwaltungsakt, der für eine Partei vorteilhaft ist, auf eigene Initiative oder nach einem Antrag einer anderen Partei zurück, wenn die Gründe für diesen speziellen Akt nicht mehr bestehen. Den berechtigten Erwartungen anderer Parteien wird gebührend Rechnung getragen.

(5)   Berichtigung oder Rücknahme werden nach ihrer Bekanntgabe an die Partei wirksam.

Artikel 25

Umgang mit Fehlerkorrekturen, Berichtigung und Rücknahme

Die entsprechenden Bestimmungen in Kapitel III, IV und VI dieser Verordnung gelten auch für die Fehlerkorrektur, Berichtigung und Rücknahme von Verwaltungsakten.

KAPITEL VI

VERWALTUNGSAKTE VON ALLGEMEINER GELTUNG

Artikel 26

Einhaltung der Verfahrensrechte

Von der Unionsverwaltung erlassene Verwaltungsakte von allgemeiner Geltung müssen die in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahrensrechte wahren.

Artikel 27

Rechtsgrundlage, Begründung und Veröffentlichung

(1)   Verwaltungsakte allgemeiner Geltung, die von der Unionsverwaltung erlassen wurden, enthalten die Angabe der Rechtsgrundlage und eine eindeutige Begründung.

(2)   Sie treten ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung in einer Form in Kraft, die für die Beteiligten direkt zugänglich ist.

KAPITEL VII

INFORMATION UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 28

Online-Informationen über Vorschriften zum Verwaltungsverfahren

(1)   Die Unionsverwaltung fördert die Bereitstellung aktualisierter Online-Informationen zu den bestehenden Verwaltungsverfahren auf einer Ad-hoc-Internetseite, wo immer dies möglich und sinnvoll ist. Antragsverfahren haben Vorrang.

(2)   Die Online-Informationen umfassen:

a)

einen Link zum geltenden Recht;

b)

eine kurze Erläuterung der wichtigsten gesetzlichen Erfordernisse und ihrer Auslegung durch die Verwaltung;

c)

eine Beschreibung der wichtigsten Verfahrensschritte;

d)

Bezeichnung der für den Erlass des endgültigen Akts zuständigen Behörde;

e)

Angabe der Frist für den Erlass des Akts;

f)

Angabe zu möglicher Rechtsbehelfe;

g)

einen Link zu Standardformularen, die von den Parteien für ihren Informationsaustausch mit der Unionsverwaltung im Rahmen des Verfahrens verwendet werden können.

(3)   Die in Absatz 2 genannten Online-Informationen werden klar und einfach gehalten. Der Zugang zu diesen Informationen ist kostenlos.

Artikel 29

Evaluierung

Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat vor dem [xx Jahre nach Inkrafttreten] einen Bericht über die Evaluierung der Funktionsweise dieser Verordnung vor.

Artikel 30

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich.

Geschehen zu … am …

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident


(1)  Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/1971 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1).


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