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Document 52010IE1189

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 48 vom 15.2.2011, p. 87–93 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 48/87


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 48/16

Berichterstatter: José Isaías RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 26. Februar 2009 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 3. September 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 16. September) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Die europäische und die kanadische Zivilgesellschaft haben - auch auf wirtschaftlicher Ebene - Werte gemeinsam, die die Grundlage für die Identität ihrer Gesellschaften im 21. Jahrhundert bilden. Die Verknüpfung ihrer Prinzipien kann einen Mehrwert für die Europäische Union (EU) und Kanada und somit für die gesamte internationale Gemeinschaft erbringen.

1.2   Vor diesem Hintergrund sollte Kanada ein bevorzugter Partner der EU sein. Die derzeitigen Beziehungen können zwar als angemessen, müssen aber als eher begrenzt bezeichnet werden. Deshalb begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) die Aufnahme von Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Dieses Abkommen weckt große Erwartungen, nicht nur was die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und Kanada, sondern auch die transatlantischen Beziehungen angeht. Es sei darauf verwiesen, dass die Vereinigten Staaten und Kanada zusammen mit Mexiko das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) unterzeichnet haben; in dieser Hinsicht könnte Kanada ein wichtiges Eintrittstor zum US-amerikanischen Markt darstellen.

1.3   Der EWSA begrüßt die Ergebnisse des Gipfels EU/Kanada vom 6. Mai 2010. Als positiv bewertet er die Tatsache, dass sich die Staats- und Regierungschefs dazu verpflichtet haben, die strittige Frage der Visumausstellung zu lösen. Ferner ist er der Auffassung, dass die Absicht der kanadischen Regierung, ihre Asylpolitik zu überarbeiten, zur Erleichterung der Ausstellung von Visa für Unionsbürger - gemäß bestimmten auf vollkommener Gegenseitigkeit beruhenden Regeln - beitragen dürfte.

1.4   Der EWSA ist der Ansicht, dass die Aufnahme spezifischer Modalitäten für die Beteiligung und Einwilligung der Provinzen und Territorien sowie der Zivilgesellschaft für die erfolgreiche Umsetzung des Abkommens von grundlegender Bedeutung ist. Die Öffnung der Märkte für öffentliches Beschaffungswesen ist eines der Themen, die für die EU von großem Interesse sind. Die kanadischen Provinzen haben hier sehr weitgehende Befugnisse; deshalb sollten sie an den Verhandlungen über diesen Punkt beteiligt werden. Angesichts der diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren hält der EWSA die aktive Teilnahme der Sozialpartner an den Verhandlungen für unabdingbar.

1.5   Der EWSA spricht sich dafür aus, dass das Europäische Parlament im Verhandlungsprozess mit angemessenen Begleit- und Informationsmaßnahmen tätig wird und sich nicht damit begnügt, so wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen, die Endfassung zu billigen und zu ratifizieren.

1.6   Nach der Unterzeichnung des Abkommens sollte der Gemeinsame Ausschuss für Zusammenarbeit EU/Kanada ähnliche Aufgaben wie der Transatlantische Wirtschaftsrat EU/USA ausüben, um u.a. eine Annäherung der Rechtsvorschriften zwischen der EU und Kanada zu erreichen.

1.7   Die EU muss ein ehrgeiziges Abkommen aushandeln, das sämtliche Aspekte der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada berührt, einschließlich des öffentlichen Beschaffungswesens. In dieser Hinsicht ist es besonders wichtig, durch eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften und die Beseitigung der nicht handelsbezogenen Hemmnisse möglichst schnell die realen Schwierigkeiten auszuräumen, vor denen die Unternehmen stehen.

1.8   Im Abkommen gilt es auch Fragen der Ökologie und der nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen.

1.9   Der EWSA ist der Ansicht, dass sowohl die EU als auch Kanada sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen sollten, ihre Beziehungen zu festigen, da dies zum Vorteil ihrer Gesellschaften ist. Deshalb ist es wichtig, dass beide Seiten einen ständigen Dialog mit den Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft unterhalten, und zwar nicht nur während der Verhandlungen, sondern auch bei der Überwachung der Umsetzung und der Ergebnisse des künftigen Abkommens - mit dem Ziel, dieses zu verbessern.

1.10   Der EWSA schlägt vor, im Kontext des Abkommensein Beratungsgremium der organisierten Zivilgesellschaft EU/Kanada einzusetzen. Dieses Gremium wäre für das gemeinsame Arbeitsorgan, das für die politische Ausrichtung des Abkommens maßgeblich verantwortlich ist, beratend tätig und könnte zu den von diesem Arbeitsorgan ausgehenden Konsultationen in den vom Abkommen berührten Bereichen Stellungnahmen abgeben. Dieser beratende Ausschuss könnte sich an dem Vorbild anderer gemischter beratender Gremien der organisierten Zivilgesellschaft orientieren, deren jüngstes Beispiel der Gemischte Beratende Ausschuss im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Zentralamerika von 2010 ist.

2.   Einleitung

2.1   Der EWSA verabschiedete bereits 1996 eine Stellungnahme zu den Beziehungen zwischen der EU und Kanada (1). Seither hat sich der Kontext, in dem diese Beziehungen eingebettet sind, aufgrund einer Reihe von Ereignissen verändert, was die Erarbeitung dieser Stellungnahme erforderlich gemacht hat.

2.2   Die europäische und die kanadische Zivilgesellschaft teilen Werte, die die Grundlage für die Identität ihrer Gesellschaften im 21. Jahrhundert bilden. Die Verfechtung gemeinsamer Grundsätze kann einen Mehrwert für die EU und Kanada und somit für die gesamte internationale Gemeinschaft bedeuten, so etwa bei Wirtschafts-, Umwelt-, Sicherheits- und Einwanderungsfragen. Darüber hinaus wäre eine stärkere multilaterale Zusammenarbeit wünschenswert, z.B. in den Bereichen Ordnungspolitik, Klimawandel und Konfliktlösung.

2.3   Viele Wirtschaftsbranchen der EU und Kanadas ergänzen sich in hohem Maße, und beide Weltregionen teilen wirtschaftliche Werte, die ein Abkommen erleichtern würden. In diesem Sinne bestand das wichtigste Ergebnis des Gipfels EU/Kanada am 6. Mai 2009 in Prag darin, Verhandlungen über ein umfassendes bilaterales Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA: EU-Canada Comprehensive Economic and Trade Agreement) aufzunehmen.

2.4   Der EWSA begrüßt die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen und hofft, dass dieses eine neue Etappe in den Beziehungen EU/Kanada einläuten und die Zusammenarbeit fördern wird - zum beiderseitigen Vorteil. Das Abkommen wird auch die klare Botschaft an die internationale Gemeinschaft senden, dass sowohl die EU als auch Kanada Protektionismus in Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise ablehnen. Zudem ist die Stärkung der transatlantischen Beziehungen ohne umfassende Beteiligung Kanadas nicht möglich.

2.5   Es ist zu betonen, dass dieses Dokument nach seiner Unterzeichnung das erste neuere Handelsabkommen zwischen mehreren, mehrheitlich der OECD angehörenden Ländern sein wird, die in Fragen des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen ähnlich sensibel sind. Insofern wird erwartet, dass mit dem Abkommen eine solide Grundlage geschaffen wird, was sowohl die nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung als auch die Anhörung der Zivilgesellschaft und die Überwachung der Umsetzung des Handelsabkommens angeht.

3.   Die Zivilgesellschaft in Kanada

3.1   Das kanadische System zur Konsultation der Zivilgesellschaft unterscheidet sich vom europäischen. Die Zivilgesellschaft kann sowohl von Parlamentsausschüssen als auch von kanadischen Bundesministern ad hoc konsultiert werden. Letztere Form der Konsultation ist im Rahmen der Verfahren des kanadischen Parlaments obligatorisch, bei denen nachgewiesen werden muss, dass diese Konsultation tatsächlich stattgefunden hat. Gängige Praxis ist auch die Anhörung der Zivilgesellschaft auf Ebene der Provinzen.

3.2   In Kanada gehören fast 4,6 Mio. (2) Arbeitnehmer einer Gewerkschaft an, was etwa 26,1 % aller Arbeitnehmer entspricht. Auch wenn die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in den letzten zehn Jahren aufgrund der proportionalen Zunahme von Arbeitsplätzen um mehr als eine halbe Million gestiegen ist, hat sich der prozentuale Anteil der Arbeitnehmer, die Mitglied einer Gewerkschaft sind, in diesem Zeitraum kaum verändert.

3.3   Der Canadian Labour Congress (CCT) (3) ist das wichtigste nationale Sprachrohr der Gewerkschaftsbewegung. Die meisten nationalen Gewerkschaften in Kanada sind Teil des CCT, der sich aus 12 Provinz- und Territoriumsverbänden sowie 136 Arbeitsräten zusammensetzt und etwa drei Millionen Gewerkschaftsmitglieder repräsentiert. Seine Aufgabe besteht darin, für akzeptablere Lohn- und Arbeitsbedingungen, strengere Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen, gerechtere Steuerregelungen sowie Sozialmaßnahmen u.a. in den Bereichen Kinderbetreuung, Krankenversicherung und Renten zu sorgen. Darüber hinaus setzt er sich für die Verbesserung der Bildungs- und Beschäftigungsprogramme ein.

3.4   Der Canadian Council of Schief Exekutives (4) ist die wichtigste Unternehmervereinigung des Landes. Ihm gehören rund 150 Geschäftsführer der wichtigsten Firmen Kanadas sowie herausragende Unternehmerpersönlichkeiten aus allen Zweigen des verarbeitenden Gewerbes an. Das Hauptziel dieser Organisation besteht darin, die Standpunkte der Unternehmer auf drei Ebenen - Kanada, Nordamerika und weltweit - zu vertreten. Auf der Ebene Kanadas konzentriert sie ihre Arbeit auf nationale Angelegenheiten wie Steuer- und Währungspolitik, Umweltschutz, Wettbewerb, Gesellschaftsrecht und Gesetzgebung. Auf der Ebene Nordamerikas beschäftigt sie sich hauptsächlich mit der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen den USA und Kanada sowie dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA). Auf weltweiter Ebene setzt sie sich mit internationalen Steuerfragen, Handel, Investitionen, Entwicklungspolitik wie auch bi- und multilateralen Beziehungen auseinander.

3.5   Die Canadian Federation of Independent Business (5) hat auf nationaler Ebene 105 000 Mitglieder aus sämtlichen Wirtschaftszweigen. Ihr Ziel besteht darin, die Interessen der mittelständischen Unternehmen (KMU) auf Ebene des Bundesstaats wie auch der Provinzen und Territorien zu vertreten. Darüber hinaus gibt es die kanadische Handelskammer (6), die über Einfluss auf einzelstaatlicher Ebene verfügt.

3.6   Der kanadische Verbraucherschutzbund Consumers Association of Canada (7) ist wohl die repräsentativste Verbrauchervereinigung. Sein wichtigstes Ziel ist es, die Verbraucher zu informieren (8) und im Hinblick auf die Lösung von Verbraucherkonflikten ihre Botschaften an die Regierung und die Unternehmen zu senden.

3.7   Darüber hinaus gibt es in Kanada mehrere Landwirtschaftsverbände. Der größte Verband ist die Canadian Federation of Agriculture (CFA) (9) mit über 200 000 Mitgliedern. Die CFA wurde 1935 gegründet, damit die kanadischen Landwirte ihre Anliegen mit einer einzigen Stimme vorbringen können. Dabei handelt es sich um eine Dachorganisation, die die landwirtschaftlichen Organisationen der Provinzen und die nationalen Erzeugergruppen vertritt und sich für die Interessen der kanadischen Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft einsetzt.

3.8   Der Fischereisektor wird vor allem durch den Fisheries Council of Canada (FCC) (10) repräsentiert. Der FCC vertritt die Fischereiindustrie auf nationaler Ebene und umfasst etwa 100 Unternehmen, die den Großteil der kanadischen Fisch- und Meereserzeugnisse verarbeiten.

4.   Neuer Impuls für die Beziehungen EU/Kanada: wirtschaftlicher Austausch und politische Beziehungen

4.1   Kanadas Wirtschaft ist mit einem BIP von 1,51 (11) Mrd. US-Dollar die vierzehntgrößte der Welt. Der wichtigste Wirtschaftszweig Kanadas ist die Dienstleistungsbranche, der 2008 über 69,6 % (12) des BIP ausmachte und in dem drei Viertel der kanadischen Erwerbsbevölkerung (13) tätig sind.

4.2   Die kanadische Handelsbilanz verzeichnete 2009 ein Defizit von schätzungsweise 34,3 Mrd. US-Dollar, während sie 2008 noch einen Überschuss von 7,6 Mrd. aufwies. Die wichtigsten Ausfuhrgüter Kanadas sind Kraftfahrzeuge und Autoteile, Industriemaschinen, Flugzeuge, Telekommunikationsanlagen, Chemieprodukte, Kunststoffe und Düngemittel. Laut dem gemeinsamen Dokument der EU und Kanadas vom März 2009 ist jeder fünfte Arbeitnehmer in Kanada im Handel tätig.

4.3   Die offiziellen Beziehungen zwischen der EU und Kanada reichen bis 1959 zurück, als das Abkommen über Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie geschlossen wurde. Seitdem haben beide Seiten zahlreiche Abkommen und Erklärungen unterzeichnet. Im Einklang mit der Neuen Transatlantischen Agenda, die 1995 mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet wurde, wurden auf dem Gipfeltreffen EU/Kanada im Dezember 1996 eine politische Erklärung und ein Aktionsplan mit dem zweifachen Ziel verabschiedet, die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen weiterzuentwickeln und die Zusammenarbeit in mulilateralen Angelegenheiten zu verbessern. Dieser Plan sah darüber hinaus die Veranstaltung halbjährlicher Gipfeltreffen vor, um die bilateralen Beziehungen zu bewerten und zu beleben.

4.4   Kanada und die EU unterhalten äußerst wichtige Wirtschaftsbeziehungen. Im Jahr 2009 belief sich der Handel mit Gütern zwischen beiden Regionen auf 40,2 Mrd. EUR (14) und der mit kommerziellen Dienstleistungen (öffentliche Dienstleistungen nicht inbegriffen) auf 18,8 Mrd. EUR. Darüber hinaus war die Tendenz in den letzten Jahren insgesamt positiv, denn die Güterexporte der EU nach Kanada stiegen zwischen 2000 und 2009 von 21,1 auf 22,4 Mrd. EUR, während die Güterimporte aus Kanada in die EU im selben Zeitraum von 19 auf 17,8 Mrd. EUR sanken. So ist der Überschuss der EU im Handel mit Gütern im letzten Jahrzehnt von 2,1 auf 4,7 Mrd. EUR gestiegen. Die EU führt nach Kanada vor allem Arzneimittel, Kraftfahrzeuge und Flugzeugmotoren aus. Die wichtigsten Ausfuhrgüter aus Kanada in die EU sind hingegen Flugzeuge, Edelsteine, Eisenerz, Arzneimittel und Uran. 2009 fiel der Handelsbilanzüberschuss im Dienstleistungsbereich mit Einfuhren im Wert von 2,5 Mrd. EUR ebenfalls zugunsten der EU aus.

4.5   Auf wirtschaftlicher Ebene hat die EU großes Interesse an einer Liberalisierung des Markts für öffentliches Beschaffungswesen. Während die kanadischen Unternehmen in Europa freien Zugang zu öffentlichen Aufträgen haben - da sowohl Kanada als auch die EU das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (1994) der Welthandelsorganisation (WTO) unterzeichnet haben-, gilt dies für europäische Unternehmen in Kanada nicht. Die Provinzen sind für Bereiche wie Energie, Umwelt, Verkehr und Gesundheit zuständig. Somit liegt auf der Hand, dass es wichtig ist, sie in den Verhandlungsprozess einzubeziehen, um ein zufriedenstellendes, für die EU wirtschaftlich vorteilhaftes Abkommen zu erreichen. Anfang dieses Jahres unterzeichnete Kanada ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, um seine Märkte für öffentliches Beschaffungswesen auf subregionaler Ebene zu öffnen. Kanada unterbreitete diesen Vorschlag als Reaktion auf die protektionistischen Maßnahmen unter dem Titel „Buy America“, die die USA zur Ankurbelung ihrer Wirtschaft eingeführt hatten. Das Abkommen zeugt von der Absicht der Provinzen, ihre Märkte für öffentliches Beschaffungswesen für den internationalen Wettbewerb zu öffnen.

4.6   Die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Kanada beruhen im Wesentlichen auf folgenden Instrumenten:

Rahmenabkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit von 1976;

transatlantische Erklärung von 1990, die den institutionellen Rahmen für die Gipfeltreffen EU/Kanada und die Ministertreffen bildet;

Aktionsplan und gemeinsame politische Erklärung über die Beziehungen zwischen der EU und Kanada von 1996 mit drei Hauptthemen: Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik, transnationale Angelegenheiten;

auf dem Gipfeltreffen im März 2004 in Ottawa verabschiedete neue Partnerschaftsagenda, die die Beziehungen auf bisher unberührte Bereiche ausweitete (internationale Koordinierung, gemeinsame Beteiligung an Friedensmissionen, Entwicklungszusammenarbeit, wissenschaftliche Zusammenarbeit, Justiz, auswärtige Angelegenheiten usw.), einschließlich Billigung des Verhandlungsrahmens für das Abkommen zur Förderung des Handels und der Investitionen.

4.7   Allgemein können die Beziehungen zwischen Kanada und der EU als hervorragend bezeichnet werden. Die wichtigsten politischen Reibungspunkte zwischen Kanada und der EU sind Fraugen der Arktis, das europäische Verbot des Handels mit Robbenerzeugnissen und die kanadische Visumpflicht für Angehörige bestimmter EU-Mitgliedstaaten.

Einerseits wirft die bevorstehende Öffnung neuer Schifffahrtswege in der Arktis eine Reihe von Fragen der Staatshoheit auf, da die Möglichkeit, dieses Gebiet kommerziell zu nutzen, bisher dato nicht in Betracht gezogen worden war. Schätzungen zufolge könnten in dieser Region 20 % der weltweiten Erdöl- und Erdgasreserven liegen und darüber hinaus alternative und sehr attraktive Handelswege eröffnet werden. Das Fehlen multilateraler Vorschriften bzw. Regelungen ist eine Angelegenheit, die mittelfristig behandelt werden muss, bevor Uneinigkeiten oder Streitigkeiten bezüglich der Staatshoheit über das Gebiet auftreten. Im Dezember 2009 legte der Rat der EU drei Hauptziele für die Arktis-Politik der EU fest: 1. Schutz und Erhalt der Arktis im Einvernehmen mit der lokalen Bevölkerung, 2. Förderung einer nachhaltigen Ressourcennutzung und 3. Beitrag zu einer besseren multilateralen Governance der Arktis gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS).

Andererseits verlangt Kanada Visa von den Bürgern der Tschechischen Republik, Rumäniens und Bulgariens und verweist dabei auf Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit Asylanträgen von Bürgern dieser Länder. Da die Visumpolitik der EU auf Gegenseitigkeit beruht, muss dringend eine Lösung gefunden werden, bevor sich die EU gezwungen sieht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Bulgarien und Rumänien unternehmen derzeit Anstrengungen, um die von Kanada festgelegten Kriterien für die Visumfreiheit zu erfüllen. Für Bürger der Tschechischen Republik hat Kanada noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen, um die Visumpflicht aufzuheben. Kanada begründet sein Vorgehen mit dem Fehlen eines Schutzes vor Scheinanträgen auf Asyl. Gegenwärtig wird an einer Gesetzesreform gearbeitet, bis zu deren Annahme durch das Parlament allerdings noch einige Zeit verstreichen wird.

4.8   Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA die Ergebnisse des Gipfels EU/Kanada vom 6. Mai 2010, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs dazu verpflichtet haben, diese strittige Frage zu lösen, und die Ansicht vertraten, dass die Absicht Kanadas, seine Asylpolitik zu überarbeiten, einen positiven Beitrag zur Erleichterung des Problems der Ausstellung von Visa für alle Unionsbürger leisten dürfte.

5.   Bewertung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada

5.1   Am 6. Mai 2009 wurde auf dem Gipfeltreffen EU/Kanada in Prag vereinbart, die Verhandlungen über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen aufzunehmen.

5.2   Die Schlussfolgerung der gemeinsam von der EU und Kanada durchgeführten Analyse der Kosten und des Nutzens einer engeren wirtschaftlichen Partnerschaft zwischen der EU und Kanada lautet, dass es für beide Seiten große Vorteile hätte, würden die Zölle abgeschafft, der Handel mit Dienstleistungen liberalisiert und nicht-tarifäre Hemmnisse für Güter und Investitionen abgebaut.

5.3   Laut dem vorgenannten Bericht sollte das Abkommen folgende Bereiche abdecken: Handel mit Gütern, gesundheitliche und pflanzenschutzrechtliche Fragen, technische Handelshemmnisse, Handelserleichterungen, Zollverfahren, grenzüberschreitender Handel mit Dienstleistungen, Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen, Zusammenarbeit bei der Rechtsetzung, geistiges Eigentum, Personenverkehr, Wettbewerbspolitik, institutionelle Verpflichtungen, Beilegung von Streitigkeiten sowie nachhaltige Entwicklung. Die nicht handelsbezogenen Hemmnisse und die Regulierung werden zu den wichtigsten Verhandlungsthemen gehören.

5.4   Die Liberalisierung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen zwischen beiden Seiten könnte zu einem Anstieg des bilateralen Handelsverkehrs um 20 % führen. Darüber hinaus wird geschätzt, dass die EU sieben Jahre nach Inkrafttreten eines derartigen Abkommens einen Anstieg bei den Realeinkommen um 11,6 Mrd. EUR verzeichnen würde, Kanada dagegen um 8,2 Mrd. Die gesamten EU-Exporte nach Kanada würden bis 2014 um 24,3 % bzw. 17 Mrd. EUR steigen, die kanadischen Exporte hingegen um 20,6 % bzw. 8,6 Mrd. EUR.

5.5   Der Studie zufolge besteht ein Spielraum für die Ausweitung der Zusammenarbeit durch die Kooperation in den Bereichen Wissenschaft und Technologie in Form einer gemeinsamen Forschungsagenda, insbesondere in strategisch wichtigen Bereichen wie Energie und Umwelt, saubere Kohletechnologien, Abscheidung und Speicherung von CO2, Bioenergie, Stromerzeugung und intelligente Stromnetze.

5.6   Andere Bereiche für eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens wären die Sicherheitspolitik, Aspekte der sozialen Sicherheit, ein Kooperationssystem für die Anerkennung von Qualifikationen und die Zusammenarbeit auf Ebene der Organisation für die Fischerei im Nordwestatlantik.

5.7   Aus Handelssicht scheinen Zollfragen in den Verhandlungen keine Probleme aufzuwerfen. Ein wichtiger Punkt in den Verhandlungen wird die Harmonisierung der Rechtsvorschriften sein, da der Rechtsrahmen aufgrund der Tendenz zu einer Dienstleistungswirtschaft und zu Auslandsinvestitionen wichtiger ist denn je. Allerdings könnten die geteilten Gesetzgebungsbefugnisse von Bundesstaat, Provinzen und Territorien für die Verhandlungen über das Abkommen in diesem Punkt ein Hindernis darstellen.

5.8   Daher wurden die Provinzen ausnahmsweise direkt in den Verhandlungsprozess eingebunden, was die EU begrüßt. Zuständig für die Verhandlungen ist ein Vertreter der Bundesregierung; gleichwohl kann es in geteilten oder alleinigen Zuständigkeitsbereichen sowohl zwischen den Provinzen als auch zwischen diesen und der Bundesregierung zu Unstimmigkeiten kommen.

5.9   Kanada verfügt über keinen wirklichen Binnenmarkt. Auch wenn sowohl die Bundesregierung als auch die Provinzen es für notwendig erachten, einen Binnenmarkt zu schaffen, existiert derzeit nur ein starker politischer Willen. Allerdings zwingt die weltweite Wirtschaftskrise Kanada dazu, so bald wie möglich ein Abkommen zu schließen, das es ermöglicht, über die Vereinigten Staaten hinaus andere ausländische Absatzmärkte zu erschließen.

5.10   Unter den sensibelsten Branchen bildet die Automobilindustrie den größten Handelsstreitpunkt zwischen der EU und Kanada. Im Gegensatz dazu sind die Beziehungen im Fischereisektor gut, weshalb dieser kein dominantes Verhandlungsthema sein wird. Im Energiebereich möchte die EU ihre Energielieferanten diversifizieren. In diesem Zusammenhang soll ein spezielles Energieabkommen ausgehandelt werden, das bisher jedoch nur als Entwurf vorliegt. Weitere Branchen, in denen europäische Unternehmen bei Geschäften in Kanada auf Probleme stoßen, sind Luftfahrt, Bankenwesen und öffentliche Auftragsvergabe. Ferner herrscht Einigkeit zwischen der EU und Kanada in puncto Ursprungsbezeichnungen und Agrarangelegenheiten.

5.11   In ökologischer Hinsicht müssen die Bundesregierung und die Provinzregierungen noch einen gemeinsamen Standpunkt zu Umweltfragen erarbeiten, insbesondere hinsichtlich des Ausstoßes von Treibhausgasen. Die Provinzen vertreten unterschiedliche Ansichten: Quebec, Ontario, Britisch-Kolumbien und Manitoba gehören der „Western Climate Initiative“ an und ergreifen mit Blick auf den Klimawandel Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen, während Alberta und Neufundland, deren Wirtschaft von der Erdölproduktion stark abhängig ist, diese Initiative nicht unterstützen. Dieses Problem bleibt ungelöst, und es ist unwahrscheinlich, dass in diesem Verhandlungspunkt ein verbindliches Abkommen erzielt wird, was jedoch keinesfalls zu Positionen führen darf, die mit für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen nachteiligen Bedingungen verbunden sind. Kanada hat sich indes dazu verpflichtet, in Technologien für saubere Energie zu investieren und sich für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich einer Atomenergiestrategie zu engagieren.

6.   Standpunkte der Zivilgesellschaft zum Abkommen EU/Kanada

6.1   Arbeitgeber

6.1.1   Die europäischen Arbeitgeber (Business Europe) fordern: die Beseitigung tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse, ohne irgendeine Zollposition auszuklammern; einen deutlich umfassenderen Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen Ebenen (national und subnational); eine Verpflichtung zur Konvergenz der Gesetzgebung in vorrangigen Branchen; einen stärkeren Schutz des geistigen Eigentums (einschließlich des Schutzes der Herkunftsbezeichnungen, vor allem im Falle alkoholischer Getränke); einen Streitbeilegungsmechanismus; und mehr berufliche Mobilität (einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen von Unternehmensmitarbeitern und bestimmten Berufsgruppen wie Krankenpflegern und Rechtsanwälten).

6.1.2   Das Abkommen eröffnet neue Möglichkeiten für Geschäfte zwischen zwei Partnern, die einen vergleichbaren Entwicklungsstand aufweisen und ähnliche handelspolitische Ansätze verfolgen. Der Wohlstand rührt unmittelbar von einer Wirtschaftspolitik her, die sich auf die Liberalisierung des Handels und die Anziehung ausländischer Direktinvestitionen stützt. Heute ist es wichtiger denn je, die Märkte offen zu halten, da davon ein wichtiger Impuls für Wettbewerb, Innovation und Wachstum ausgeht.

6.1.3   Die Unternehmerschaft ist der Ansicht, dass im internationalen Handel multilaterale Regelungen vorherrschen sollten, sie vertritt aber auch die Auffassung, dass mit Hilfe ehrgeizigerer bilateraler Abkommen, die eine schnellere Beseitigung von Handelshemmnissen (insbesondere nichttarifären) ermöglichen und den Dienstleistungshandel und Investitionen begünstigen, weitere Forschritte erreicht werden können.

6.1.4   Ein ambitioniertes und weit reichendes Abkommen zwischen der EU und Kanada würde zur Stärkung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen beitragen, die sich bereits in den letzten Jahren nicht nur über den Export, sondern auch über komplexere Operationen im Dienstleistungsbereich und bei der Unternehmensansiedlung intensiviert haben.

6.1.5   Vom Abkommen wird ein Impuls zur Verstärkung der bilateralen Wirtschafts- und Handelsströme ausgehen. Die Verhandlungen sollten zur Schaffung neuer Geschäftsmöglichkeiten in Bereichen führen, in denen die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem weltweiten Markt eindeutig unter Beweis gestellt haben, wie z.B. Energie (insbesondere erneuerbare Energieträger), Infrastrukturverwaltung, Finanzdienstleistungen, Bauwesen, Umweltdienstleistungen und -technologien und Telekommunikation.

6.1.6   Das übergeordnete Ziel besteht darin, Möglichkeiten mit weniger Hindernissen zu schaffen, d.h. durch die Beseitigung von Hemmnissen beim Export von Gütern, Dienstleistungen und Kapital neue Geschäftschancen für die Unternehmen zu eröffnen.

6.1.7   Das Abkommen wird entscheidend zur Integration zwischen den Wirtschaftssystemen der EU und Kanadas beitragen und die wirtschaftliche Erholung beider Seiten in Krisenzeiten durch die Ausweitung der Handels- und Investitionsströme begünstigen.

6.1.8   Der internationale Handel kann und muss eine wichtige Rolle als treibende Kraft für Wachstum und Entwicklung auf der ganzen Welt spielen. Deshalb muss die Handelspolitik – durch die Marktöffnung – ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftspolitik der EU sein.

6.2   Gewerkschaften

6.2.1   Die europäischen und internationalen Gewerkschaften (EGÖD, EGB, IGB) haben Empfehlungen formuliert in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte und die Einhaltung der grundlegenden Arbeitsübereinkommen der ILO Nr. 98 (Tarifverhandlung), Nr. 138 (Mindestalter), Nr. 94 (Arbeitsklauseln in den von Behörden abgeschlossenen Verträgen) und Nr. 29 (Zwangsarbeit) und weitere Aspekte einer menschenwürdigen Arbeit. Sie fordern, dass beide Seiten regelmäßige Fortschrittsberichte über die Umsetzung der entsprechenden Verpflichtungen vorlegen. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass der Canadian Labour Congress bei der ILO häufig Klagen wegen Verstößen gegen die Arbeitsübereinkommen auf Ebene der kanadischen Provinzen einreicht. Zwar garantieren die Bundesgesetze das Recht der Arbeitnehmer auf Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, das Gewerkschaftsrecht wird landesweit de facto jedoch durch verschiedene Rechtsvorschriften in den Provinzen eingeschränkt, was Anlass zu Kritik seitens der ILO gibt.

6.2.2   Beide Seiten müssen sich darüber hinaus dazu verpflichten, die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und die dreigliedrige Grundsatzerklärung der ILO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik zu befolgen sowie die Arbeitsnormen nicht einzuschränken, damit Anreize für Auslandsinvestitionen geschaffen werden.

6.2.3   Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) fordert die Aufnahme eines substanziellen Kapitels zum Thema nachhaltige Entwicklung in das Abkommen, das einen bindenden Mechanismus zur Gewährleistung der Umsetzung der grundlegenden Arbeitsübereinkommen vorsieht.

6.2.4   Der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) fordert seinerseits, dass das Abkommen zum Schutz der aktuellen und künftigen öffentlichen Dienstleistungen beitragen soll, wozu nationale Rechtsvorschriften nötig sind.

6.2.5   Seitens der kanadischen Gewerkschaften unterstützt der Canadian Labour Congress nachdrücklich die Nutzung des öffentlichen Beschaffungswesens zur Erreichung sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklungsziele und wendet sich daher gegen eine Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für Crown Corporations (staatliche Unternehmen) und subföderale Verwaltungsebenen.

6.2.6   Der Canadian Labour Congress ist auch tief besorgt angesichts der Tatsache, dass mögliche Interessenkonflikte zwischen Investoren und Staat die öffentlichen Dienste und innerstaatlichen Regelungen gefährden könnten, sowie angesichts der Folgen eines übermäßigen Schutzes des geistigen Eigentums, insbesondere im Falle der Arzneimittelpreise.

6.2.7   Es muss einen bindenden Mechanismus geben, durch den die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen beider Seiten Maßnahmen von den Regierungen fordern können.

6.2.8   Es wird die Einrichtung eines Forums für Handel und nachhaltige Entwicklung gefordert, das Arbeitnehmer, Arbeitgeber und sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft auf ausgewogene Weise konsultiert. Derzeit vertreten die kanadischen Gewerkschaften die Auffassung, dass im Rahmen des Konsultationsprozesses die Positionen der Unternehmen begünstigt werden.

6.2.9   Darüber hinaus fordern sie tragfähige Klauseln über die Einhaltung multilateraler Umweltabkommen (einschließlich des Kyoto-Protokolls). Diesbezüglich sind sie der Auffassung, dass die Achtung der Menschenrechtskonventionen (u.a. über politische und Bürgerrechte) festgeschrieben werden sollte, da dies für die soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung von großer Bedeutung ist.

6.3   Verschiedene Tätigkeiten

6.3.1   Der Agrarsektor fordert, dass die Verhandlungsführer der EU den einschlägigen sensiblen Erzeugnissen Rechnung tragen. In Bezug auf die Ursprungsbezeichnungen empfehlen sie, das Abkommen mit Südkorea zum Vorbild zu nehmen. Die Milchwirtschaft ist von grundlegender Bedeutung; es wird erwartet, dass das Abkommen hier neue Absatzmöglichkeiten für die europäischen Erzeuger schafft. Im Fleischsektor werden die Interessen der EU eher defensiv verfochten; so werden Quoten für Schweine- und Geflügelfleisch, Eier und Eierzeugnisse gefordert. Beim Getreide (vor allem Weizen) verteidigt der Sektor seine Interessen aber auch sehr offensiv und lehnt die Erhöhung der kanadischen Quote ab. Darüber hinaus erscheint es angezeigt, dass die kanadische Regierung die Welthandelsorganisation über Rechtsvorschriften, die Handelshemmnisse mit sich bringen können, informiert, sodass der Ausschuss Technische Handelshemmnisse ihre Vereinbarkeit prüfen kann, so wie im Falle des kanadischen Gesetzes C-32 über die Inhaltsstoffe von Tabakerzeugnissen.

6.3.2   In Bezug auf die allgemeine und berufliche Bildung erinnert der EWSA daran, dass die Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada in diesem Bereich bereits in der gemeinsamen Erklärung vom November 1990 erwähnt wurde. 2006 erweiterten die EU und Kanada das Abkommen um die Bereiche Hochschulbildung, Berufsbildung und Jugendliche für den Zeitraum 2006-2013. Es handelt sich somit um das erste von der EU unterzeichnete bilaterale Abkommen, in dem die Zusammenarbeit zugunsten von Jugendlichen außerhalb der Hochschulbildung erwähnt wird. Dennoch erscheint die finanzielle Ausstattung dieses Abkommens nicht angemessen. Der EWSA fordert, diese Maßnahmen entsprechend zu finanzieren und die zahlreichen Sozialarbeiter finanziell zu unterstützen, die mit Kindern und Jugendlichen in der EU arbeiten und bereit sind, an einem Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Tätigkeiten mit vergleichbaren Organisationen in Kanada teilzunehmen.

7.   Die Haltung des EWSA zum umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen

7.1   Der EWSA befürwortet die Förderung und Liberalisierung des Handelsaustauschs und begrüßt deshalb die Aufnahme der Verhandlungen über das Abkommen EU/Kanada. Gleichwohl bedauert er das Scheitern der Doha-Runde und erinnert daran, dass er ein multilaterales Vorgehen bevorzugt und Handelsprotektionismus ablehnt.

7.2   Der EWSA befürwortet sämtliche Maßnahmen zur Lösung der wenigen noch verbleibenden Konfliktpunkte in bilateralen Fragen (Zugang zur Arktis, Visa, Handel mit Robbenerzeugnissen) und unterstreicht, dass dieses Abkommen wichtig ist, um den Austausch der EU mit der nordamerikanischen Region im Bereich des NAFTA zu fördern. In diesem Zusammenhang empfiehlt er, eine angemessene Überwachung durch das Europäische Parlament in allen Phasen der Verhandlungen über das Abkommen zu gewährleisten, um so die endgültige Annahme des Abkommens durch diese Institution zu erleichtern.

7.3   Der EWSA begrüßt die hervorragenden Beziehungen zwischen der EU und Kanada und ermuntert beide Seiten diese Beziehungen zu nutzen, um ihre politischen Bündnisse mit multilateraler Zielsetzung zu stärken, insbesondere gezielte und konkrete Maßnahmen, z.B. hinsichtlich der Wiederbelebung der Weltkonjunktur, der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, der Eindämmung des Klimawandels und des gemeinsamen Krisenmanagements (Friedensmissionen, Katastrophenschutz).

7.4   Der EWSA setzt sich nachdrücklich für das Modell des europäischen sozialen und zivilen Dialogs ein. Deshalb betont er, dass die Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft im Rahmen der Verhandlungen über das Abkommen und dessen späterer Umsetzung angehört, einbezogen und beteiligt werden sollten.

7.5   Der EWSA ist der Auffassung, dass im künftigen Abkommen die Einsetzung eines Gemischten Beratenden Ausschusses EU/Kanada vorgesehen werden sollte, dem Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft angehören. Dieser Ausschuss sollte den Dialog und die Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragen der Beziehungen zwischen der EU und Kanada fördern, die bei der Umsetzung des Abkommens zutage treten. Angesichts der Tatsache, dass es in Kanada keine ihm entsprechende Institution zur Vertretung der organisierten Zivilgesellschaft gibt, schlägt der EWSA vor, gemeinsam mit den Organisationen der kanadischen Zivilgesellschaft zu untersuchen, wie die Beteiligung an diesem künftigen Ausschuss am besten definiert werden kann.

Brüssel, den 16. September 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Stellungnahme EXT/142 „Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada“, Brüssel, 27. November 1996.

(2)  Labour Force Survey [Arbeitnehmer-Befragung] 2008, Statistics Canada.

(3)  http://canadianlabour.ca.

(4)  http://www.ceocouncil.ca/en/.

(5)  http://www.cfib.org.

(6)  http://www.chamber.ca.

(7)  http://www.chamber.ca.

(8)  Weitere Verbrauchervereinigungen in Kanada sind: Consumers Council of Canada, Society of Consumer Affairs Professionals of Canada (SOCAP), Option consommateurs und Union des consommateurs.

(9)  http://www.cfa-fca.ca/pages/home.php.

(10)  http://www.fisheriescouncil.ca/.

(11)  Geschätzte 1,3 Mrd. US-Dollar im Jahr 2009 und 1,4 Mrd. US-Dollar im Jahr 2008. FMI. World Economic Outlook Database. Oktober 2009.

(12)  https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ca.html.

(13)  Quelle: Spanisches Außenhandelsinstitut (–ICEX).

(14)  Eurostat.


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