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Document 52010IE0770

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen EU/ASEAN“

    ABl. C 21 vom 21.1.2011, p. 21–25 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    21.1.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 21/21


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen EU/ASEAN“

    2011/C 21/04

    Berichterstatter: Claudio CAPPELLINI

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 26. Februar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Die Beziehungen EU/ASEAN“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 11. Mai 2010 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 463. Plenartagung am 26./27. Mai 2010 (Sitzung vom 26. Mai) mit 163 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Der EWSA unterstreicht, dass es vorrangig und notwendig ist, die Beziehungen zwischen den EU-Institutionen und der ASEAN zu erneuern und zu intensivieren. Dementsprechend steht diese Stellungnahme in thematischer Kontinuität zu einer Reihe früherer Initiativstellungnahmen des EWSA zu diesem Thema (1). Darin hat der Ausschuss bereits vor mehr als zehn Jahren die Bedeutung Südostasiens für die EU unterstrichen und auf den fundamentalen Beitrag hingewiesen, den die EU zur regionalen Integration in Asien leisten könnte.

    1.2   Der EWSA stellt jedoch fest, dass sich die Partnerschaft zwischen der EU und der ASEAN bisher nicht wie erhofft entwickelt hat. Ungeachtet der Bemühungen - auch finanzieller Art vor allem in den letzten Jahren - um einen strukturierten Dialog zwischen der EU und der ASEAN in verschiedenen Bereichen (Politik, Kooperation, Handel etc), konnten nur wenige konkrete Resultate erzielt werden. Der Dialog mit und zwischen den Zivilgesellschaften bleibt hinter seinem Potenzial zurück. Das vergangene Jahrzehnt scheint somit eher eine verpasste Gelegenheit gewesen zu sein als eine Chance zur Stärkung der Partnerschaft mit einer Region, die als strategisch wichtig für die EU und die Welt eingestuft wird (2). Exemplarisch hierfür sind die handelspolitischen Verhandlungen. Während die EU und die ASEAN eine Verhandlungspause eingelegt haben, hat die ASEAN Handelsabkommen mit wichtigen anderen geopolitischen Akteuren weltweit geschlossen (China, Indien, Australien. Die Verhandlungen mit den USA, Südkorea und Japan sind im Gange).

    1.3   Heute, in einem völlig anderen internationalen Kontext, sind einerseits die politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen enger als im letzten Jahrzehnt, während sich andererseits neue Integrations- und Dialogmöglichkeiten eröffnet haben. Die Überlegungen und operationellen Vorschläge im Rahmen dieser Stellungnahme sollen einen Beitrag zur Neubelebung der Beziehungen zwischen der EU und der ASEAN liefern.

    1.4   Der Ausschuss bekräftigt, dass die Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsverhältnisse und der Respekt der acht ILO-Konventionen mit ihren Kernarbeitsnormen unverzichtbar für Fortschritte in der regionalen Partnerschaft sind. Dazu kommt im Falle Birmas noch die Menschenrechtsproblematik, die ein unüberwindbares Hindernis für Verhandlungsoptionen mit diesem Land ist, worauf auch das Europäische Parlament im Januar 2008 nachdrücklich hingewiesen hat. Der EWSA begrüßt daher, dass in den Handelsverhandlungen zwischen der EU und der ASEAN ehrgeizigere Ziele angestrebt werden als in den übrigen Handelsabkommen der ASEAN, insbesondere hinsichtlich der Kernarbeitsnormen, der Umweltschutznormen und des sozialen Dialogs (3). In diesem Sinne ist der bilaterale Ansatz (siehe Ziffer 4.2.2) also eher ein erster Schritt in Richtung eines Wirtschafts- und Handelsabkommens auf regionaler oder multilateraler Ebene als eine Absage an diese. In seiner Stellungnahme zu den Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen (CESE 773/2008) vom April 2008 hatte der Ausschuss darauf hingewiesen, dass sowohl in diesen als auch in anderen Verhandlungen, wie sie in der Kommissionsmitteilung „Globales Europa“ vorgesehen sind, die Kommission die 27 im Rahmen des allgemeinen Präferenzsystems „APS+“ genannten Übereinkommen bei der „Behandlung des Kapitels nachhaltige Entwicklung in den mit den asiatischen Ländern eröffneten Verhandlungen zu den Mindestvoraussetzungen“ erklären sollte. Hierzu zählen auch die Verhandlungen mit der ASEAN. In der Stellungnahme wird jedoch eingeräumt, dass hierzu „eine differenzierte Bewertung“ notwendig wäre. In der Stellungnahme wurde ferner darauf hingewiesen, dass bilaterale Abkommen als Maßnahmen angesehen werden [sollten], die mit einer multilateralen Lösung nicht nur vereinbar sind, sondern diese letztlich sogar stärken „(siehe Ziffer 1.2)“.

    1.5   Erfahrungsgemäß bringen die Zusammenarbeit und der Dialog mit den internationalen Partnern weltweit Vorteile für alle Beteiligten. Sie gestatten ein besseres gegenseitiges Verständnis und ein effizienteres Herangehen an die Herausforderungen und die zu lösenden Probleme. Der EWSA sieht demnach klare Vorteile einer größeren Einbindung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft auf europäischer und auf Drittstaatenebene bei der Bewertung der Frage, wie sich die Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Ländern auf die sozioökonomische Nachhaltigkeit und die Verletzlichkeit jener sozialen Gruppen auswirken, die dem Wettbewerb am stärksten ausgesetzt sind. Er sieht außerdem die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft und die nachhaltige Entwicklung im Rahmen des „strukturierten Dialogs“ EU-ASEAN zu stärken. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die ASEAN-Länder, in denen die Organisationen der Zivilgesellschaft besser verwurzelt sind (beispielsweise Indonesien, Thailand und Philippinen), auch bessere Beziehungen mit der EU unterhalten. Derzeit geht es vor allem darum, effiziente Kooperationsmodalitäten auch mit den schwächsten Organisationen der Zivilgesellschaft in den übrigen Ländern der Region zu finden.

    1.6   In diesem Zusammenhang ist der EWSA gerne bereit, mit den anderen EU-Institutionen als Triebfeder und Katalysator zu wirken und mit Hilfe seines Sachverstands Entwicklungsimpulse zu setzen, um den Dialog mit der Zivilgesellschaft der ASEAN-Länder und insbesondere mit ihren schwächsten Mitgliedern zu stärken. Das geht sicherlich einfacher und besser in enger Zusammenarbeit mit und Einbindung des neuen diplomatischen Dienstes der EU.

    1.7   Der Ausschuss regt die Schaffung einer integrierten und inklusiven Plattform der Sozialorganisationen in der EU und der ASEAN an, um so die maßgeblichen Themen im interregionalen Integrationsprozess anzugehen und die Organisationen zu stärken, die sich um die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft vor Ort kümmern, und zwar insbesondere in den Ländern, in denen diese Organisationen einen schweren Stand haben. Ein derartiges neues Instrument der Zusammenarbeit zwischen den zivilgesellschaftlichen Akteuren der EU und der ASEAN würde eine integrierte Strategie des Kapazitätsaufbaus mittels Erfahrungsaustauschs über besondere Fallstudien zu den verschiedenen Aspekten des Integrationsprozesses fördern: soziokultureller Dialog, wissenschaftliche und industrielle Zusammenarbeit, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Katastrophenschutz etc.

    1.8   Der Ausschuss schlägt daher vor zu prüfen, ob - ggf. auch unter Einbeziehung der ASEAN Foundation  (4) und/oder der Asia Europe Foundation (ASEF)  (5) - eine europäische Stiftung speziell für den sozialen, zivilen, professionellen und interkulturellen Dialog zwischen der EU und der ASEAN geschaffen werden könnte. Im Zuge eines realistischen Jahresprogramms könnte ein für die öffentlichen EU-Einrichtungen nutzbringendes Monitoring durchgeführt werden.

    1.9   Als unmittelbare Maßnahme regt der Ausschuss die Erarbeitung eines „Jahresberichts“ über den Stand der partizipatorischen Modelle und Systeme in der ASEAN an. Dabei könnten die erzielten Fortschritte anhand thematischer Schwerpunkte, wie zum Beispiel die Sicherheit in den Bereichen Ernährung, Wasser und Gesundheit, geprüft werden. Mit einem solchen Bericht könnten die Maßnahmen, die zur Förderung der soziokulturellen Belange ergriffen werden, regelmäßig beleuchtet und verfolgt werden. Er könnte auch den Vergleich mit ähnlichen Modellen und Maßnahmen der wichtigsten internationalen Einrichtungen, in erster Linie der FAO, aber auch anderer globaler Akteure (wie zum Beispiel USA, Japan usw.) ermöglichen.

    1.10   Um auf institutioneller Ebene den Dialog und die Zusammenarbeit der Sozialpartner zu fördern, regt der Ausschuss die Schaffung eines ständigen Dialogs zwischen Beamten der ASEAN und den Delegierten beim EWSA an. So könnte ein regelmäßiger Gedankenaustausch und eine institutionelle Zusammenarbeit gefördert werden, etwa auch im Zusammenhang mit den wichtigsten Veranstaltungen der Organisation oder der wichtigsten Treffen im Rahmen des strukturierten Dialogs EU-ASEAN und EU-ASEM. So sollte beispielsweise die Kommission auf Grundlage eines gemeinsamen und realistischen Aktionsprogramms einen ständigen Dialog zwischen den Vertretern der ASEAN auf allen Ebenen und den Vertretern der organisierten europäischen (und interessierten nationalen) Zivilgesellschaften fördern (zum Beispiel Erörterung der Stellungnahmen des EWSA in den ASEAN-Ländern). Dies sollte am Ende zu leicht verständlichen qualitativen und quantitativen Bewertungsformen in den diversen Sprachen der EU und der ASEAN-Staaten führen. Ein diesbezügliches EU-ASEAN-Forum auf Initiative des EWSA könnte bei etlichen Institutionen sowie bei öffentlichen und privaten Einrichtungen auf Interesse stoßen.

    2.   Die ASEAN: Charakteristika und Entwicklung

    2.1   Von ihren Anfängen bis heute hat die ASEAN einen langsamen Reifungsprozess durchlaufen, durch den sie mit der Zeit immer vielfältiger und komplexer geworden ist. Die ASEAN entsprang der geopolitischen Logik des kalten Kriegs. Daher standen bei ihrer Entstehung Fragen der territorialen Sicherheit und der Legitimation der gerade erst unabhängigen Staaten sowie das Streben nach Multilateralismus im Vordergrund. Zug um Zug trat die ASEAN auch im Prozess der regionalen Integration in Erscheinung, anfänglich in der wirtschaftlichen und handelspolitischen Integration, um dann, angetrieben durch die Wirtschaftskrise von 1997, einen umfassenderen Integrationskurs einzuschlagen, der auch institutionelle, politisch-wirtschaftliche und soziokulturelle Aspekte umfasst.

    2.2   Seit ihren Gründungsverträgen, aber mehr noch unlängst nach Einführung der Gemeinschaftswährung und nach Vollzug der Osterweiterung bot die Europäische Union der ASEAN ein natürliches Vorbild. Der strukturierte Dialog EU-ASEAN hat sicherlich Einfluss auf die jüngsten Integrationsbemühungen in Südostasien gehabt. Mit dem Inkrafttreten der ASEAN-Charta am 15. Dezember 2008 (6) erhielt die Organisation Rechtspersönlichkeit. Auf dem 14. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der ASEAN-Staaten 2009 wurde ein Zeitplan für die Schaffung eines gemeinsamen Marktes bis 2015 vorgelegt. Die Staatengemeinschaft der ASEAN fußt nunmehr auf drei Säulen: einer Wirtschaftsgemeinschaft (AEC), einer sicherheitspolitischen Gemeinschaft (APSC) und einer soziokulturellen Gemeinschaft (ASCC) (7).

    2.3   Die Schaffung der Wirtschaftsgemeinschaft schließt sich an die Liberalisierung des Handels gemäß dem AFTA-Abkommen (ASEAN Free Trade Area) und die Liberalisierung der Investitionen im ASEAN-Raum an, die durch das AIA-Abkommen (ASEAN Investment Area) geregelt ist, wobei den CLMV-Ländern (8) eine Frist von 5 Jahren eingeräumt wird. Die sicherheitspolitische Gemeinschaft ist im Kern aber immer noch dem zwischenstaatlichen Dialog vorbehalten. Die soziokulturelle Zusammenarbeit erstreckt sich vornehmlich auf folgende Bereiche: Bildungszusammenarbeit, Entwicklung der Humanressourcen, IKT, öffentlicher Dienst, Sozialdienstleistungen, Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Seuchenprophylaxe und –bekämpfung, Katastrophenschutz, Schutz von Minderjährigen, Frauen und Behinderten sowie Umweltschutz.

    2.4   Die institutionelle Stärkung der ASEAN geht mit einem zunehmenden internationalen Gewicht der Organisation einher. Am 1. Januar 2010 traten Freihandelsverträge mit Australien, Neuseeland, China und Indien in Kraft. Das Freihandelsabkommen der ASEAN mit Australien und Neuseeland (AANZFTA, ASEAN-Australia-New Zealand Free Trade Area) sieht die Liberalisierung des Güterhandels (99 % der eingeführten Produkte aus Indonesien, Malaysia, Philippinen und Vietnam) vor.

    2.5   Durch das Abkommen mit China (China ASEAN Free Trade Area, CAFTA) sollen Zölle auf 7 000 Produktgruppen (rund 90 % der Zollpositionen) abgeschafft werden, wodurch ein integrierter Binnenmarkt mit etwa 1,9 Mrd. Menschen und einem Handelsvolumen von ca. 4,5 Mrd. Dollar geschaffen wird. Den CLMV-Staaten wurde eine Übergangsfrist bis 2015 eingeräumt.

    2.6   Das Abkommen mit Indien (TIG, ASEAN India Trade In Goods) sieht eine schrittweise Zollliberalisierung für mehr als 90 % der gehandelten Produkte vor, die auch „besondere Produkte“ wie Palmenöl, Kaffee, Tee und Pfeffer mit einschließt. Auch hier entsteht durch das Abkommen ein integrierter Binnenmarkt mit mehr als 1,8 Mrd. Menschen.

    2.7   Weiterhin unterhält die ASEAN privilegierte politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Südkorea, Japan und China (ASEAN+3-Block) und mit den USA, die bekanntlich strategische Interessen im Südostpazifik haben und bereits ein Freihandelsabkommen mit Singapur geschlossen haben. Der Vorschlag von Präsident OBAMA, die transpazifische Partnerschaft (Trans-Pacific Partnership, TPP, der derzeit Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur angehören) auch auf die USA sowie Australien, Peru und Vietnam auszudehnen (die Verhandlungen laufen seit März), ist von besonderem strategischem Interesse.

    3.   EU-ASEAN: Stand der Beziehungen

    3.1   Die wahre Bedeutung der Beziehungen zwischen der EU und der ASEAN wird klar, wenn man einen Blick auf die Handels- und Finanzbeziehungen der beiden geopolitischen Blöcke wirft. In ihrer Mitteilung „Das globale Europa“ (2006) misst die Kommission der ASEAN angesichts des erheblichen Wachstumspotenzials dieses Marktes eine herausragende Bedeutung bei. Zwischen 2004 und 2008 legte der Handel zwischen der EU und der ASEAN um 25 % zu und erreichte 2008 einen Umfang von 175 Mrd. EUR (Angaben der GD Handel).

    3.2   Derzeit ist die ASEAN nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner der EU mit einem Anteil an den Gesamteinfuhren von 7 %. Die Handelsbilanz EU-ASEAN verzeichnet ein beträchtliches Defizit in Höhe von etwa 25 Mrd. EUR im Jahre 2008 (Angaben von Eurostat). Die Europäische Union importiert vorwiegend Maschinen (29,2 Mrd. EUR - 2008) und landwirtschaftliche Produkte (12,4 Mrd. EUR - 2008), während sie bei den Dienstleistungen einen Handelsüberschuss vorweisen kann (+2,6 Mrd. EUR - 2007, Angaben von Eurostat).

    3.3   Bei den Investitionen nahmen die Kapitalflüsse zwischen der EU und der ASEAN im Dreijahreszeitraum 2005-2008 um 200 % zu (und erreichten damit ein Gesamtvolumen von 105,4 Mrd. EUR, Angaben von Eurostat). Europäische Investoren tragen mit ca. 27 % zu den gesamten ausländischen Direktinvestitionen in der ASEAN bei. Der Löwenanteil geht nach Singapur (65 %), gefolgt von Malaysia (9 %) Thailand, Indonesien, Brunei und Vietnam (jeweils 5-7 %). Weniger als 1 % fließt in die verbleibenden Länder. Im selben Zeitraum fand allerdings auch ein bedeutender Anstieg der Kapitalströme aus der ASEAN in die EU statt, die 2007 von 29,7 auf 43,6 Mrd. EUR angewachsen waren (Angaben von Eurostat). Das Kapital, das den ASEAN-Raum verlässt, stammt hingegen zu 85 % aus nur zwei Ländern, nämlich Singapur und Malaysia (9).

    3.4   Ungeachtet der zunehmenden Handels- und Finanzströme bestehen auf den ASEAN-Märkten nach wie vor tarifäre und nichttarifäre Hemmnisse. Wenn mit einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und der ASEAN diese Hemmnisse beseitigt würden, wäre dies für die EU, insbesondere bei den Dienstleistungen, eindeutig von Vorteil. Aber auch die ASEAN-Staaten würden davon profitieren, wenn auch in unterschiedlicher Weise, denn offensichtlich scheinen die Staaten größeren Nutzen zu ziehen, die einen höheren Integrationsgrad vorweisen können (Siehe TSIA, GD Handel) (10).

    3.5   Im Juli 2007 wurden Handelsverhandlungen zwischen der EU und den sieben ASEAN-Staaten, die nicht zu den am wenigsten entwickelten Staaten („non-LDC“) gehören, aufgenommen (11). Sie wurden allerdings im März 2009 einvernehmlich wieder abgebrochen. Die erhebliche wirtschaftliche Heterogenität der ASEAN-Partner (große Unterschiede in puncto Humanentwicklung, Lebenserwartung, Armut, Prioritäten der öffentlich Ausgaben), die unterschiedlichen handelspolitischen Anschauungen aber auch grundlegende politische Meinungsverschiedenheiten (man denke an die Militärdiktatur und die Menschenrechtesproblematik in Birma/Myanmar) erwiesen sich als unüberwindbare Hindernisse in den Handelsverhandlungen. In dieser Frage deckt sich die Position des Ausschusses mit der des Europäischen Parlaments, das sich bereits im Januar 2008 gegen die Unterzeichnung eines Handelsabkommens mit dem derzeit von einem Militärregime regierten Birma/Myanmar ausgesprochen hatte.

    3.6   Mit der Schwächung der Wirtschafts- und Handelsintegration ging in jüngster Zeit eine schrittweise Stärkung der politisch-institutionellen Beziehungen zwischen der EU und der ASEAN einher, die bislang jedoch ausschließlich auf zwischenstaatlicher Ebene erfolgte. In diesem Zusammenhang sind von Interesse: das ASEAN-EU Programme for Regional Integration Support (Phase I und Phase II) (12), die Trans Regional EU-ASEAN Trade Initiative (TREATI) (13) und das Regional EU-ASEAN Dialogue Instrument (READI) (14).

    3.7   Neben diesen Abkommen haben die beiden Organisationen unlängst auch eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung von Terrorismus abgegeben (14. Ministertreffen in 2003) (15), und anlässlich des 16. Ministertreffens in Nürnberg am 15. März 2007 wurde ein gemeinsamer Aktionsplan verabschiedet (Aktionsplan von Nürnberg für den Zeitraum 2007 - 2012).

    3.8   Die EU und die ASEAN unterhalten außerdem eine politische Zusammenarbeit mittels gemeinsamer Treffen der Außenminister und hoher Beamter. Am 27./28. Mai 2009 fand das 17. Ministertreffen der Außenminister EU-ASEAN in Phnom Penh (Kambodscha) statt. Es bot Gelegenheit, nach den ersten beiden Jahren der Umsetzung des Aktionsplans von Nürnberg Bilanz zu ziehen und dringende Fragen zu erörtern (wie die globale Wirtschaftskrise und das Risiko einer Grippepandemie durch das A/H1N1-Virus). Abschließend wurde ein neues Dokument verabschiedet, in dem Prioritäten und Ziele für den Zweijahreszeitraum 2009-2010 festgelegt wurden: die sog. Agenda von Phnom Penh.

    3.9   Erwähnenswert ist - auch wenn sie nicht zum EU-ASEAN-Dialog gehört - die positive Erfahrung des ASEM (Asia-Europe Meeting), dem derzeit wichtigsten multilateralen Kommunikationskanal zwischen Europa und Asien (16). Neben der Organisation von zweijährlichen zwischenstaatlichen Gipfeltreffen (17) veranstaltet ASEM auch das Asia Europe People’s Forum, die Asia-Europe Parliamentary Partnership und das Asia-Europe Business Forum. ASEM betreibt außerdem eine Internetplattform für die wissenschaftliche Zusammenarbeit in Bildung und Forschung, das Transeurasische Informationsnetz (Trans-Eurasia Information Network, TEIN) (18).

    4.   Kernthemen in den Beziehungen EU-ASEAN

    4.1   Ohne Anspruch auf Vollständigkeit verweist die Fachgruppe REX auf einige wichtige und kritische Themen, die für die künftige Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und der ASEAN eine strategische Rolle spielen, um Leitlinien und Optionen für konkrete Maßnahmen aufzuzeigen.

    4.2   Wie gesagt liegen die handelspolitischen Verhandlungen zwischen der EU und der ASEAN derzeit auf Eis. Um ihr Engagement in der Region weiterhin aufrecht zu halten, verhandelt die EU mit einigen ASEAN-Staaten über bilaterale Freihandelsabkommen (zunächst mit Singapur und Vietnam).

    4.2.1   Zweifelsohne sind die ASEAN-Staaten immer noch heterogen. Und zwar sowohl politisch-institutionell (unter den ASEAN-Mitgliedern befinden sich neben der regelrechten Militärdiktatur in Birma/Myanmar demokratische, halbdemokratische, gemäßigt autoritäre und autoritäre Regierungen) als auch wirtschaftlich (so verweisen zum Beispiel sämtliche Indikatoren der sozioökonomischen Entwicklung auf eine deutliche Kluft zwischen den Volkswirtschaften der ASEAN-6 und den vier neuen CLMV-Staaten). Überdies haben die Institutionen der ASEAN (Sekretariat und Vorsitz) kein Verhandlungsmandat. Ferner ist man vorsichtig in Bezug auf die sozialen Kosten einer tiefen Wirtschaftsintegration für die CLMV-Staaten (19).

    4.2.2   Gleichwohl bleibt die bilaterale Option eine typische „zweite Wahl“, und der Ausschluss einiger Länder von den Verhandlungen (Birma, Kambodscha und Laos) wurde von diesen ASEAN-Staaten scharf kritisiert. Darüber hinaus ist es wichtig, unbedingt auf eine echte regionale Verhandlungsrunde hinzuarbeiten, um Europas Präsenz in der Region zu stärken und angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtung in der Region auch einen umfassenderen Dialog mit China zu fördern. Daher darf die Aufnahme bilateraler Verhandlungen mit den ASEAN-Staaten allenfalls ein erster Schritt in Richtung einer umfassenderen politischen und wirtschaftlichen Regionalpartnerschaft sein. Und dies vor dem Hintergrund, dass der asiatische Raum – und indirekt die Beziehungen EU-China - von zentraler Bedeutung für das politisch-ökonomische Gleichgewicht weltweit sind und die südostasiatischen Länder bis 2015 einen gemeinsamen Markt schaffen wollen, was von der EU technisch und finanziell unterstützt wird.

    4.3   Die EU verhandelt mit den ASEAN-Staaten über spezifische Abkommen der erweiterten Zusammenarbeit (Partner and Cooperation Agreements, PCAs) und unterstützt die Initiative for ASEAN Integration (IAI) sowie die Initiativen betreffend die subregionalen Wachstumsräume (20). Außerdem wurde die Zusammenarbeit im Bildungs- und Berufsbildungswesen verstärkt. Hauptziele sind dabei die Anhebung der Unterrichtsstandards, die Förderung des Fremdsprachenerwerbs und der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (21).

    4.3.1   In der heiklen Frage der Ernährungssicherheit beabsichtigt die EU außerdem, in der Region die Zusammenarbeit mit der FAO zu intensivieren. Die FAO hat bereits gemeinsam mit der ASEAN ein ASEAN Integrated Food Security Framework (AIFS) und einen einschlägigen strategischen Aktionsplan (Strategic Plan of Action for Food Security, SPA-FS) erarbeitet. Sie erstellt derzeit zehn Länderstudien über die Auswirkungen der Krise auf die Ernährungssicherheit in der Region. Weiterhin erarbeitet die FAO derzeit eine Absichtserklärung mit der ASEAN, durch die die beidseitigen Beziehungen auf eine formelle Grundlage gestellt und der technische Beistand für die Ernährungssicherheit in der Region erleichtert werden sollen.

    4.3.2   Angesichts der sozioökonomischen Anfälligkeit der Region für externe Schocks und der zu erwartenden zusätzlichen Auswirkungen, welche die Freihandelsabkommen auf die Verletzbarkeit einiger Mitgliedstaaten und einiger dem Wettbewerb besonders stark ausgesetzten gesellschaftlichen Gruppen haben werden, muss diesen Aspekten der Wirtschaftszusammenarbeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Gleiches gilt auch für den Wissensaustausch mit anderen internationalen Institutionen und Forschungszentren.

    4.4   Die politische Zusammenarbeit zwischen der Union und der ASEAN ist nach wie vor ausschließlich Sache der Regierungen. Sie erfolgt in Form regelmäßiger (zweijährlicher) Treffen der jeweiligen Außenminister und hohen Beamten. Diese Ministertreffen haben gleichwohl zu einer wachsenden Konvergenz der jeweiligen außenpolitischen Positionen beigetragen. So hat die EU zum Beispiel um Zugang zum ASEAN Treaty of Amity and Cooperation ersucht. Die ASEAN war dementsprechend bereit, den Vertrag auf internationale Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit auszudehnen.

    4.4.1   Die soziokulturelle Zusammenarbeit wird für den Zweijahreszeitraum 2009-2010 durch die Agenda von Phnom Penh geregelt, in der gemeinsame Ziele in verschiedenen Bereichen festgelegt wurden: vom Gesundheitsschutz bis hin zu Wissenschaft und Technik, Berufsbildung und Schutz des künstlerischen und kulturellen Erbes. Aber sogar in der sozialen Zusammenarbeit wird die Zivilgesellschaft paradoxerweise kaum einbezogen. In der Tat fehlen derzeit Gremien, in denen die Sozialpartner und andere Bürger ihre verschiedenen Forderungen und Erwartungen mit Blick auf die aktuelle Situation und die künftige Zusammenarbeit EU-ASEAN (22) formulieren könnten.

    4.4.2   Was schließlich die Menschenrechte anbelangt, so muss die unlängst (durch das Inkrafttreten der ASEAN-Charta) erfolgte Schaffung einer zwischenstaatlichen Kommission für Menschenrechte begrüßt werden. Obwohl dieses Gremium (zumindest derzeit noch) über keinerlei Durchsetzungs- und Sanktionsbefugnisse verfügt und es deshalb die Menschenrechte eher fördert als schützt, handelt es sich zweifelsohne um einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem umfassenderen Schutz der Menschenrechte, den die Organisation in den kommenden Jahren erreichen muss. Der Ausschuss bekräftigt gleichwohl, dass aufgrund der aktuellen Menschenrechtssituation mit dem derzeitigen Militärregime in Birma/Myanmar keine Verhandlungsfortschritte erzielt werden können.

    Brüssel, den 26. Mai 2010

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  EXT/132, 1996. EXT/153, 1997.

    (2)  Vgl. die jüngste Mitteilung der Kommission „Das globale Europa - Die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU in einer sich wandelnden globalen Wirtschaft“ von 2006.

    (3)  Zwar ist kein Vergleich beider Situationen möglich, doch kann Kapitel 13 des Freihandelsabkommens EU - Südkorea durchaus ein hilfreicher Bezugspunkt sein.

    (4)  Die ASEAN Foundation wurde am 15. Dezember 1997 in Kuala Lumpur aus Anlass des 30. Jahrestags des Zusammenschlusses gegründet. Sie dient der Verbesserung der Lebensumstände und des Wohlergehens der Bevölkerung Südostasiens und fördert ein größeres Bewusstsein für die Vorteile des regionalen Integrationsprozesses mittels Pflege direkter menschlicher Kontakte und Zusammenarbeit sozialer und wissenschaftlicher Einrichtungen.

    (5)  Die Asia-Europe Foundation (ASEF), die im Februar 1997 von den ASEM-Staaten gegründet wurde, fördert den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerung Asiens und Europas im Wege des kulturellen Austauschs und direkter menschlicher Kontakte unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und des Gemeinwesens der jeweiligen Länder.

    (6)  Siehe ASEAN Charter, Singapur, 20. November 2007. In diesem konstitutionellen Vertrag wird die grundlegende Struktur des Zusammenschlusses festgelegt. Die Charta besteht aus einer Präambel, 13 Kapiteln und 55 Artikeln.

    (7)  Siehe ASEAN Economic Community (AEC) Blueprint (Singapur, 20. November 2007); ASEAN Political-Security Community (APSC) Blueprint (Cha-Am, 1. März 2009) und ASEAN Socio-Cultural Community (ASCC) Blueprint (Cha-Am, 1. März 2009).

    (8)  Das Akronym CLMV steht für die jüngsten Mitglieder der Organisation (Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam).

    (9)  Von den 18 multinationalen Unternehmen der ASEAN-Staaten, die weltweit unter den ersten 100 platziert sind, sind 11 in Singapur und 6 in Malaysia ansässig (Angaben von UNCTAD).

    (10)  GD Handel, Prüfung der Nachhaltigkeit der Freihandelsabkommen (Trade Sustainability Impact Assessment (TSIA) of the FTA between the EU and ASEAN), Juni 2009, TRADE07/C1/C01 – Lot 2.

    (11)  Indonesien, Malaysia, Singapur, Brunei, Thailand, Philippinen, Vietnam.

    (12)  Das in Jakarta im September 2003 unterzeichnet ASEAN-EU Programme for Regional Integration Support (APRIS I) wurde mit Mitteln in Höhe von 4,5 Mio. EUR ausgestattet. Es soll Folgendes erreichen: Umsetzung der im Aktionsplan von Vientiane gesetzten Ziele, Einrichtung einer „einzigen Anlaufstelle“ für die ASEAN zur Harmonisierung der Zollverfahren, Abbau der technischen Handelshemmnisse, Harmonisierung der qualitativen Standards in der Region und technischer Beistand für das ASEAN-Sekretariat. Die Hauptziele von APRIS II (siehe ASEAN-EU Programme for Regional integration Support (APRIS)- Phase II, Jakarta, November 2006) sind hingegen folgende: Im Bereich Handel, Angleichung der Standards in der ASEAN an die internationalen Standards. Im Bereich Investitionen, Annahme eines Aktionsplans zum beschleunigten Abbau der Hemmnisse für den Kapitalzufluss und für die Freizügigkeit des Kapitals in der Region. Im institutionellen Bereich, Stärkung des ASEAN-Streitschlichtungsmechanismus und des Beistands für das Sekretariat der ASEAN, damit dieses seine Aufgaben effizient erfüllen kann. APRIS II gilt für den Dreijahreszeitraum 2006-2009. Für seine Finanzierung bewilligte die EU eine anfängliche Mittelausstattung von 8,4 Mio. EUR. Im Jahre 2007 wurden weitere 7,2 Mio. EUR zur Unterstützung der in APRIS II vorgesehenen Initiativen genehmigt. Im Mittelpunkt steht die Erreichung gemeinsamer Standards für die Länder der Region in den Sektoren Landwirtschaft, Elektronik, Kosmetik und Holzprodukte.

    (13)  Programm für technische Hilfe der EU an die südostasiatischen Länder, um das Erreichen der Integrationsziele der ASEAN im Bereich der Standards für Agrarerzeugnisse und Industrieprodukte und im Bereich der technischen Handelshemmnisse zu beschleunigen. Siehe Trans-Regional EU-ASEAN Trade Initiative, Luang Prabang, 4. April 2003.

    (14)  READI erstreckt sich auf sämtliche Themen der Nichthandelszusammenarbeit und fördert einen politischen Dialog in Bereichen von gemeinsamem Interesse, wie z.B. Informationsgesellschaft, Klimawandel, Sicherheit der Zivilluftfahrt, Beschäftigung und Soziales, Energie, Wissenschaft und Technologie.

    (15)  Siehe Joint Declaration on Cooperation to Combat Terrorism, Brüssel, 27./28. Januar 2003.

    (16)  Die derzeit 45 Mitglieder der ASEM erwirtschaften ca. die Hälfte des weltweiten BIP, sie vertreten ca. 60 % der Weltbevölkerung und stehen für ca. 60 % des Welthandels (Angaben der Europäischen Kommission).

    (17)  Der achte Gipfel findet in Brüssel im Oktober statt und wird im Zeichen des Themas „Verbesserung der Lebensqualität“ stehen.

    (18)  Das Projekt TEIN3 (http://www.tein3.net/) bietet ein Portal zur Förderung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit von ca. 8 000 Forschungszentren und akademischen Einrichtungen in der Asien-Pazifik-Region und ihrer Teilnahme an Projekten mit den Partnern in Europa. Die telematische Forschungszusammenarbeit zwischen Europa und Asien wird über die Anbindung an das GÉANT-Netz sichergestellt.

    (19)  Übereinstimmend mit der im WTO-Rahmen vereinbarten „besonderen und gesonderten Behandlung“ ist die EU bereit, den unterschiedlichen Entwicklungsstand ihrer Partnerländer zu berücksichtigen. Dank der Initiative „Alles außer Waffen“ wird den Exporten von Laos und Kambodscha bereits präferenzieller Zugang zum EU-Markt gewährt.

    (20)  Momentan befinden sich 5 gemeinsame Projekte in der Umsetzungsphase. Der Gesamthaushalt beträgt 55,5 Mio. EUR.

    (21)  Projekte in den Bereichen Berufsbildung, Transport, Energie und nachhaltige Entwicklung haben Priorität. Siehe Trans-Regional EU-ASEAN Trade Initiative, Luang Prabang, 4. April 2003.

    (22)  Die einzige (teilweise) Ausnahme ist das ASEAN-EU Business Network mit Sitz in Brüssel, das 2001 zur Förderung der gegenseitigen Handelsbeziehungen gegründet wurde.


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