Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52009AE0618

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] zwecks Auflegung eines Gemeinschaftsprogramms zur Unterstützung spezifischer Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung

    ABl. C 228 vom 22.9.2009, p. 75–77 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.9.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 228/75


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] zwecks Auflegung eines Gemeinschaftsprogramms zur Unterstützung spezifischer Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung“

    KOM(2009) 14 endg. — 2009/0001 (COD)

    2009/C 228/13

    Der Rat beschloss am 3. Februar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom […]zwecks Auflegung eines Gemeinschaftsprogramms zur Unterstützung spezifischer Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 24. Februar 2009 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 452. Plenartagung am 24./25. März 2009 (Sitzung vom 24. März) Herrn BURANI zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 95 gegen 3 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die gegenwärtige Krise erfordert eine Überprüfung sämtlicher Bestimmungen für den Finanzsektor; hinsichtlich der Aufsicht umfasst der Bericht der Larosière-Gruppe eine Reihe von Empfehlungen, die gleichzeitig auch eine gründliche Analyse der Mängel geltender Bestimmungen sowie früherer Verhaltensweisen darstellen.

    1.2

    Der Kommissionsvorschlag steht mit den Empfehlungen im Einklang und greift ihnen in gewisser Weise vor: Er sieht Gemeinschaftsmittel für Finanzhilfen zugunsten der drei Strukturen vor, die technische und rechtliche Instrumente für die Aufsichtsbehörden bereitstellen: EFRAG, IASCF und PIOB. Diese Finanzhilfen sollen die Unabhängigkeit der drei Einrichtungen von äußerer Einflussnahme gewährleisten. Der EWSA begrüßt diesen Ansatz, weist jedoch darauf hin, dass die drei Gremien von den Branchenverbänden für die Branchen geschaffen wurden und auch bei Aufnahme der einschlägigen Bestimmungen in die gemeinschaftlichen oder internationalen Rechtvorschriften ihren privatwirtschaftlichen Charakter nicht verlieren. Es wird schwierig sein, das öffentliche Interesse von den für die Berufsverbände ausgeübten Tätigkeiten zu trennen.

    1.3

    Vorgesehen sind ferner Finanzhilfen für spezifische Maßnahmen der Ausschüsse der Aufsichtsbehörden; diese Beratungs- und Unterstützungsgremien wurden von der Kommission eingerichtet und setzen sich aus Vertretern der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die spezifischen Maßnahmen beziehen sich auf die Ausbildung des Personals dieser Behörden und die Verwaltung von Informationstechnologieprojekten. Der EWSA hegt diesbezüglich Zweifel: Da die Ausbildungsmaßnahmen und Projekte den Mitgliedstaaten zugute kommen, kann der Ausschuss nicht nachvollziehen, warum hierfür Gemeinschaftsmittel verwendet werden sollen.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die gegenwärtige globale Finanzkrise hat noch nicht abschätzbare, doch zweifellos verheerende Schäden verursacht - und wird weitere verursachen. Neben den gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen hatte die Krise einen einzigen positiven Effekt: Sie erfordert eine gründliche Überprüfung der bisherigen Grundsätze des weltweiten Finanzsystems und der Gewissheiten, die die Wahrnehmung des Risikos, das allen Finanzaktivitäten eigen ist, abgeschwächt hatten.

    2.2

    Im Rahmen dieser Überprüfung müssen alle von der Krise erfassten Parteien ihre eigenen Verhaltensweisen, Bewertungen und Handlungen einer schonungslosen Selbstkritik unterziehen: Finanzakteure, Gesetzgeber, Kontrollbehörden, Rating-Agenturen, Wirtschaftswissenschaftler - jeder trägt einen Teil der Verantwortung. Andererseits ist jedoch niemand allein und ausschließlich verantwortlich: die derzeitigen Ereignisse und die Vergegenwärtigung früherer Verhaltensweisen zeigen, dass die Krise auf ein Konglomerat von Ursachen und Interdependenzen zurückzuführen ist.

    2.3

    Eine der zahlreichen Ursachen der Krise sind ganz offensichtlich Mängel im Bereich des Aufsichtswesens: Die Regeln schienen gut konzipiert zu sein, haben sich jedoch als ungeeignet erwiesen, um die nunmehr allseits bekannten Ereignisse zu bewältigen geschweige denn vorherzusehen; im Gegenteil waren sie mitunter sogar deren Ursache. Die Untersuchung dieser Frage und Empfehlungen zur Behebung der Mängel sind Gegenstand des Berichts der Larosière-Gruppe. Im Einklang mit den Empfehlungen - und im sinnvollen Vorgriff auf diese - hat die Kommission einen Vorschlag für ein Gemeinschaftsprogramm vorgelegt, das Tätigkeiten zur Bereitstellung von Instrumenten für eine effektivere Finanzaufsicht unterstützen soll.

    2.4

    Das Programm sieht Finanzhilfen für drei rechtliche Unterstützungsstrukturen vor, die den Aufsichtsbehörden für die Wertpapiermärkte, das Bankenwesen sowie das Versicherungswesen und betriebliche Altersversorgung technische und juristische Unterstützung gewähren. Die drei rechtlichen Strukturen sind die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) und die International Accounting Standards Committee Foundation (IASCF) für die Rechnungslegung und der Public Interest Oversight Board (PIOB) für den Bereich der Abschlussprüfung.

    2.5

    Ebenfalls vorgesehen sind Beihilfen für spezifische Maßnahmen der Ausschüsse der Aufsichtsbehörden. Dies sind unabhängige Beratungsorgane ohne Rechtspersönlichkeit, die von der Kommission für die drei Bereiche eingesetzt wurden und die sich aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzen. Diese Gremien, in denen Debatten geführt und grundlegende Gedanken angestellt werden, beraten die Kommission und tragen „zur konsistenten und fristgerechten Umsetzung der Gemeinschaftsvorschriften in den Mitgliedstaaten bei“. Da die drei Ausschüsse keine Rechtspersönlichkeit haben, musste, damit sie mit Dritten in Vertragsbeziehungen treten können, für jeden dieser Ausschüsse in dem jeweiligen Land, in dem die Einrichtung ihren Sitz hat, eine Unterstützungsstruktur mit Rechtspersönlichkeit geschaffen werden, d.h. im Vereinigten Königreich für die Bankenaufsicht (CEBS), in Frankreich für die Wertpapiermärkte (CESR) und in Deutschland für das Versicherungswesen und die Altersversorgung (CEIOPS).

    3.   Bemerkungen und Kommentare

    3.1   Der Ausschuss begrüßt die Initiative der Kommission, mit der immer verfeinerte Instrumente für die Aussicht im Finanzsektor - im Sinne der Empfehlungen der Larosière-Gruppe - bereitgestellt werden sollen. Er fügt an, dass keinerlei Neuerungen eingeführt werden, weder in den Aufgabenbereichen und Funktionen der drei rechtlichen Unterstützungsstrukturen, noch in Bezug auf die Ausschüsse, denen Beihilfen zur Verfügung gestellt werden. Die Beihilfen haben folglich den Zweck, die bestehende Lage zu verbessern. Dies ist Ausdruck der Zufriedenheit mit den Gremien selbst, aber auch der Notwendigkeit, ihre Leistungen zu verbessern oder ihre Leistungsfähigkeit auszubauen.

    3.2   Die zwei im Bereich der Rechnungslegung tätigen Strukturen, IASCF und EFRAG, sind Quelle qualitativ hochwertiger internationaler Rechnungslegungsstandards, die laut Kommission gewährleisten, „dass Anleger, Gläubiger und sonstige Interessengruppen Zugang zu fristgerechten, verlässlichen und einschlägigen Informationen über die Finanzkonditionen von Unternehmen haben“. Diese Behauptung entspricht nicht den Fakten: Vor der Durchführung jedweder Reform müssen die Verantwortlichen die Frage beantworten, ob der Konkurs durch mangelhafte Rechnungslegungsstandards oder vielmehr durch eine unachtsame Anwendung der vorgeschriebenen Standards verursacht worden ist.

    3.2.1   Bezüglich des sensibelsten Sektors, der die größten Mängel aufweist - der Wertpapiermarkt, auf den die IASCF- und EFRAG-Standards Anwendung finden - betont die Kommission, dass „die Unabhängigkeit des Normungsprozesses, der nicht durch Dritte mit einem Interesse (…) ungebührlich beeinflusst werden darf“ von entscheidender Bedeutung ist. Zudem führt sie die „Abhängigkeit von nicht diversifizierten freiwilligen Finanzierungen von Seiten Dritter“ als einer der Gründe an, die die Beihilfen rechtfertigen. Die Frage wurde in der Vergangenheit im Rat (Wirtschaft und Finanzen) und vom Europäischen Parlament erörtert, aber nun stellt sich ein anderes Problem: Ist angesichts der Tatsache, dass diese Strukturen Ressourcen für ihre heikle Aufgabe benötigen, eine „Finanzhilfe“ ausreichend, um deren Unabhängigkeit zu gewährleisten? Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Frage eingehender erörtert werden sollte.

    3.3   Die selben Überlegungen gelten auch für den Bereich der Abschlussprüfung in Bezug auf die Finanzhilfe für den PIOB, einer Einrichtung, die den Prozess der Annahme der ISA (International Standards for Auditing) sowie sonstige Tätigkeiten im öffentlichen Interesse der IFAC (International Federation of Accountants) überwacht. Die mögliche Übernahme der ISA in das Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 2006/43/EG) rechtfertigt das Interesse an neutralen Standards sowie die Tatsache, dass die Kommission zwei von zehn Mitgliedern der Führungsgremien der PIOB stellt.

    3.4   Als abschließende Bemerkung zum Thema „Finanzhilfen“ möchte der EWSA der Kommission zustimmen, dass die verschiedenen, für die internationalen Standards zuständigen Einrichtungen angemessen finanziert werden müssen, damit ihre Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit gewährleistet ist. Dieser Aspekt wird wiederholt mehr oder weniger offen vorgebracht, was Ausdruck eines grundlegenden Problems ist: Diese Einrichtungen wurden von den Berufsverbänden geschaffen, um brauchbare Normen und Standards für den Eigengebrauch zu bekommen. Ihr privatwirtschaftlicher Charakter ändert sich auch dadurch nicht, dass diese Normen und Standards Teil staatlicher und europäischer Vorschriften werden. Denn es wird sehr schwierig sein, innerhalb dieser Einrichtungen das öffentliche Interesse von den für die Berufsverbände (die de jure die Kontrolle ausüben) ausgeführten Aktivitäten zu trennen.

    3.5   Die finanziellen Zuschüsse für die Ausschüsse der Aufsichtsbehörden sind insbesondere für die Ausbildung des Personals der nationalen Aufsichtsbehörden und für die Verwaltung von Informationstechnologieprojekten vorgesehen. Wie bereits gesagt, sind diese Ausschüsse unabhängige Beratungsorgane, die von der Kommission eingesetzt wurden und die sich aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzen. Die Ausbildung der Bediensteten (Empfehlung Nr. 19 der Larosière-Gruppe) und die Leitung der Projekte sind sicherlich eine wichtige Aufgabe, die zudem voll und ganz den Mitgliedstaaten zugute kommen: Nach Auffassung des EWSA spricht nichts dagegen, dass diese Maßnahmen -anstatt durch Gemeinschaftsmittel - von den Mitgliedstaaten finanziert werden.

    3.6   Zum Abschluss ihres Vorschlags führt die Kommission ein Kriterium der Flexibilität bei der Festlegung der Empfänger der Unterstützungen ein: Eine Stärkung der Modalitäten bei der Bewältigung der Krise könnte die Einrichtung neuer Organe oder die Erweiterung der Aufgabenbereiche der bestehenden Einrichtungen erforderlich machen, und es könnte notwendig werden, einen Begünstigten durch einen Nachfolger zu ersetzen. Der EWSA hat nichts dagegen einzuwenden, weist aber darauf hin, dass es vermieden werden muss, die Zahl der am Programm beteiligten Einrichtungen über Gebühr zu erhöhen: Die Ausdehnung der Aufgabenbereiche der bereits bestehenden Einrichtungen ist nach Möglichkeit vorzuziehen.

    Brüssel, den 24. März 2009

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    Top