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Document 52008IE1518

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Internationale Klimaschutzverhandlungen

    ABl. C 77 vom 31.3.2009, p. 73–80 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    31.3.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 77/73


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Internationale Klimaschutzverhandlungen“

    (2009/C 77/19)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung vom 16./17. Januar 2008, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    „Internationale Klimaschutzverhandlungen“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz (Beobachtungsstelle für nachhaltige Entwicklung) nahm ihre Stellungnahme am 2. September 2008 an. Berichterstatter war Herr OSBORN.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 130 gegen 3 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

    1.1

    Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Eine echte Katastrophe lässt sich nur verhindern, wenn der weltweite Klimagasausstoß insgesamt erheblich und der Ausstoß der Industrieländer bis 2050 um 60-80 % des 1990 verzeichneten Niveaus gesenkt wird.

    1.2

    Die im Dezember 2007 auf Bali aufgenommenen internationalen Klimaschutzverhandlungen sind von entscheidender Bedeutung für den Umfang der Maßnahmen, die weltweit bis 2020 eingeleitet werden sollen. Es ist unerlässlich, diese Verhandlungen 2009 in Kopenhagen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

    1.3

    Die Europäische Union hat sich auf das verbindliche Ziel festgelegt, den Klimagasausstoß bis 2020 um 20 % im Vergleich zu 1990 zu senken, und für die Verhandlungen das Angebot vorgelegt, eine noch weiter gehende Senkung von insgesamt 30 % im Vergleich zu 1990 vorzunehmen, wenn andere Staaten mitziehen. Die Europäische Kommission legte am 23. Januar 2008 im Rahmen ihres Energiepakets Vorschläge für die Verwirklichung dieser Klimaziele vor.

    1.4

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet nachdrücklich die Initiativrolle der Europäischen Union in den Verhandlungen und insbesondere ihre einseitige Verpflichtung, die Emissionen bis 2020 um 20 % zu mindern, um die Verhandlungen voranzubringen.

    1.5

    Nach Meinung des Ausschusses hat der Klimawandel jedoch bereits ein derartiges Ausmaß angenommen, dass alle nur erdenklichen weiteren Anstrengungen zu seiner Bekämpfung unternommen werden sollten. Die EU sollte sich die für 2020 unter bestimmten Bedingungen angebotene 30 %-Senkung zum Ziel setzen und in den Verhandlungen versuchen, eine vergleichbare Selbstverpflichtung seitens anderer Industrieländer zu erwirken, wobei auch bedeutende Beiträge der Schwellenländer, deren Klimagasemissionen rasch zunehmen, erforderlich sind.

    1.6

    Zur Stärkung ihres Einflusses in den Verhandlungen muss die EU ihre Glaubwürdigkeit dadurch untermauern können, dass sie das Versprochene einhält. Ein Maßnahmenpaket zur Verwirklichung des 20 %-Ziels muss unbedingt bis Ende 2008 vorliegen.

    1.7

    Zur Erreichung des nach Ansicht des Ausschusses einzig sinnvollen Ziels einer Emissionsminderung um 30 % bis 2020 werden auf europäischer und nationaler Ebene wohl weitere Maßnahmen erforderlich sein. Der Ausschuss fordert, dass so bald wie möglich die Ausarbeitung eines zweiten Maßnahmenpakets zur Verwirklichung dieses Ziels in Angriff genommen wird.

    1.8

    Der Ausschuss sieht den angekündigten Vorschlägen der Kommission zur Anpassung an den Klimawandel mit Interesse entgegen und empfiehlt, diese durch eine Anpassungsstrategie jedes einzelnen Mitgliedstaats zu ergänzen.

    1.9

    Der Ausschuss empfiehlt ferner die Entwicklung neuer Initiativen zur Förderung des Aufbaus der Kapazitäten und des Transfers der Technologien, die zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen notwendig sind.

    1.10

    Für eine angemessene Reaktion auf den Klimawandel ist eine Umsteuerung der Weltwirtschaft sowie der Investitionsströme unumgänglich. Der Ausschuss empfiehlt eine weitreichendere Analyse der hierfür erforderlichen Ressourcen sowie der geeigneten öffentlichen und marktwirtschaftlichen Instrumente. Er geht davon aus, dass es eines ähnlichen Engagements und politischen Willens wie für die Festlegung des Marshall-Plans für den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg bedarf. Die EU sollte als einer der Hauptinitiatoren dieses unbedingt notwendigen Plans auftreten.

    1.11

    Es wird spezieller Fonds bedürfen, um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen in den Entwicklungsländern zu fördern. Eine Möglichkeit ist die Ausweitung der CDM-Mechanismen, allerdings müssten die Kriterien verschärft und die Umsetzung verbessert werden. Europa könnte einen Teil der zusätzlich erforderlichen Mittel aus den Erlösen aus der Versteigerung von CO2-Emissionsrechten bereitstellen.

    1.12

    Sämtliche öffentliche Einrichtungen auf allen Ebenen sind ebenso zum Handeln aufgefordert wie die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit.

    1.13

    Der EU kommt bei der Leitung und Durchführung dieses tiefgreifenden Wandels eine bedeutende Aufgabe zu. Der Ausschuss fordert alle EU-Institutionen auf, ihrer Verantwortung bei der Verwirklichung der EU-Klimaziele voll nachzukommen. Er selbst wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Zivilgesellschaft für die Unterstützung dieses großen gemeinsamen Vorhabens zu mobilisieren.

    1.14

    Die Parameter des Global Deal, dessen Formulierung Gegenstand der für die kommenden 18 Monate anberaumten internationalen Verhandlungen ist, müssen so schnell wie möglich festgelegt werden, damit die politischen Bemühungen dann darauf ausgerichtet werden können, diese Problematik zu vermitteln und die Unterstützung, das Vertrauen und das Engagement aller Akteure weltweit in Bezug auf die kommenden grundlegenden Veränderungen zu gewinnen. Dieser Global Deal darf nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, es müssen vielmehr alle Akteure eingebunden werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels müssen realistisch, wirtschaftlich und sozial verträglich und in dem vorgeschlagenen Zeitraum durchführbar sein.

    2.   Hintergrund

    2.1

    Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Im 2007 veröffentlichten 4. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Weltklimarat — IPCC) werden die Klimaveränderungen dokumentiert, die auf den drastischen Anstieg der durch den Menschen verursachten Klimagasemissionen in den letzten beiden Jahrhunderten zurückzuführen sind, sowie alarmierende weitere Klimaveränderungen prognostiziert, sofern nicht umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des weltweiten Klimagasausstoßes in den kommenden Jahren ergriffen werden. Der IPCC riet, weltweit das Ziel zu verfolgen, die durchschnittliche Temperaturerhöhung auf 2oC gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen, um katastrophale Folgen zu verhindern. Hierfür muss der weltweite Klimagasausstoß insgesamt erheblich und der Ausstoß der Industrieländer bis 2050 um 60-80 % des 1990 verzeichneten Niveaus gesenkt werden.

    2.2

    Seit 20 Jahren ist die internationale Gemeinschaft bestrebt, sich auf ein gemeinsames Handeln zur Begrenzung der Klimagasemissionen zu einigen. So wurde 1992 in Rio die Klima-Rahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) verabschiedet, die 1997 durch das Kyoto-Protokoll gestärkt wurde, mit dem die Signatarstaaten sich zu spezifischen Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen bis 2012 verpflichtet haben. Es wird jedoch allgemein eingeräumt, dass diese Vereinbarungen und Maßnahmen nur ein erster Schritt sind und in den kommenden Jahren viel einschneidendere und weitreichendere Maßnahmen erforderlich sein werden, um das 2050-Ziel zu erreichen. Die 2007 in Bali auf den Weg gebrachten internationalen Klima-Verhandlungen sind daher von grundlegender Bedeutung, haben sie doch einen entscheidenden Einfluss auf den Umfang der Maßnahmen, die bis 2020 weltweit umgesetzt werden. Diese Verhandlungen müssen 2009 in Kopenhagen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

    2.3

    Ziele für 2020: Die Bali Roadmap (das auf Bali beschlossene Verhandlungsmandat für ein neues Klimaschutzabkommen) nimmt Bezug auf eine Aussage im 4. Sachstandsbericht des IPCC, der zufolge die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 % unter das Niveau von 1990 absenken müssen, um das langfristige Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu erreichen.

    2.4

    Es liegt auf der Hand, dass die Industrieländer diejenigen Länder sind, die ihre Emissionen in absoluten Zahlen am stärksten senken sollten, trugen und tragen sie doch pro Kopf gemessen am meisten zum Klimawandel bei. Europa muss seiner Verantwortung nachkommen. Die Vereinigten Staaten müssen wieder in die internationale Strategie eingebunden und zu einer ernst zu nehmenden Selbstverpflichtung zur Verringerung ihrer Klimagasemissionen gebracht werden. Auch Russland wird sich auf ein realistischeres Ziel einlassen müssen als in der Kyoto-Runde.

    2.5

    Der EU kommt in diesen Verhandlungen eine maßgebliche Rolle zu. Der Rat hat eine Langzeitperspektive zur Verringerung der Emissionen seitens der Industrieländer um 60-80 % bis 2050 angenommen. Als Übergangsmaßnahme bis zur Verwirklichung dieses langfristigen Ziels hat sich die EU auf das verbindliche Ziel geeinigt, den Klimagasausstoß bis 2020 um 20 % im Vergleich zu 1990 zu senken, und für die Verhandlungen das Angebot vorgelegt, eine noch weiter gehende Senkung von insgesamt 30 % im Vergleich zu 1990 vorzunehmen, wenn andere Staaten mitziehen. In der Folge hat die Europäische Kommission am 23. Januar 2008 im Rahmen ihres Energiepakets Vorschläge für die Verwirklichung des 20 bzw. 30 %-Ziels vorgelegt.

    2.6

    Die Entwicklungsländer müssen ihrerseits ebenfalls ein ernsthaftes Klimaschutz-Engagement an den Tag legen. Die wichtigsten Schwellenländer China, Indien und Brasilien sowie einige weitere Länder zählen bereits zu den größten Verursachern von Klimagasemissionen — oder werden in Kürze zu diesen zählen. Sie müssen daher ihre Wirtschaft so ausrichten, dass ihre Emissionen erheblich weniger zunehmen als in einem „Business-as-usual“-Modell.

    2.7

    In dem globalen Abkommen, das von den Verhandlungsführern angestrebt wird, sollten die Industrieländer sich im Wesentlichen auf ehrgeizige Emissionsreduktionsziele und -maßnahmen festlegen und den Entwicklungsländern finanzielle und technische Unterstützung anbieten, wenn diese sich ihrerseits dazu verpflichten, ihr Wachstum und ihre Entwicklung so zu gestalten, dass ihr Klimagasausstoß so wenig wie möglich zunimmt.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der Ausschuss hat sowohl die allgemeinen Fortschritte im Verhandlungsverlauf als auch das von der Kommission unterbreitete Maßnahmenpaket, mit dem die EU ihren Verpflichtungen nachkommen soll, von Anfang an verfolgt. Zur Begleitung der Verhandlungen vor Ort entsandte der Ausschuss kleine Delegationen im Namen der europäischen Zivilgesellschaft als Teil der EU-Delegationen zur Bali-Konferenz der Konventionsparteien und zu dem anschließenden Zwischentagungstreffen in Bonn. Er nutzt außerdem seine Kontakte mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gruppen in anderen führenden Ländern, um die jeweiligen Standpunkte und die mögliche Rolle der Zivilgesellschaft im Hinblick auf die Förderung und Durchführung von Vereinbarungen auszuloten.

    3.2

    Der Ausschuss hat die verschiedenen Elemente des Klima- und Energiepakets der Kommission in einer Reihe von Einzelstellungnahmen bewertet, die nun in dieser allgemeinen Stellungnahme, in der der Ausschuss die Verhandlungsfortschritte und -aussichten im Allgemeinen sowie die Rolle Europas im Besonderen analysieren wird, zusammengefasst und miteinander in Bezug gesetzt werden. Nach Verabschiedung dieser Stellungnahme beabsichtigt der Ausschuss, parallel zu den Verhandlungstagungen in Poznan im Dezember 2008 sowie in Kopenhagen im Dezember 2009 Veranstaltungen zu organisieren, um der Zivilgesellschaft eine Möglichkeit zur Begleitung der laufenden Verhandlungen und zur Reaktion darauf zu bieten.

    3.3

    In dem in Bali vereinbarten Verhandlungsfahrplan wurden vier Hauptverhandlungsstränge festgelegt:

    verpflichtende nationale Ziele und Maßnahmen zur Begrenzung der Klimagasemissionen bis 2020 und als Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels;

    Maßnahmen zur Anpassung an die unvermeidbaren Klimaveränderungen;

    Maßnahmen zur Förderung des Technologietransfers und des Kapazitätenaufbaus, die zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen notwendig sind;

    Abschluss angemessener Finanzvereinbarungen zur Förderung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen, zur Förderung des Technologietransfers usw.

    3.4

    Die Stellungnahme setzt bei diesen vier zentralen Verhandlungssträngen an.

    4.   Verstärkte Eindämmung des Klimawandels durch Begrenzung oder Senkung der Emissionen (erster Verhandlungsstrang)

    4.1

    Ziele: Der Ausschuss stimmt der Feststellung des IPCC zu, dass Emissionsreduktionen in den Industrieländern in Höhe von 25-40 % gegenüber dem Jahr 1990 für die Festlegung der 2020-Ziele ehrgeizig genug sind. Umfangreichere Reduktionen bis 2020 wären derzeit wohl kaum durchführbar.

    4.2

    Der Ausschuss unterstützt ausdrücklich die Führungsrolle der EU in den Verhandlungen und begrüßt die Initiativrolle, die die EU durch ihre einseitige Verpflichtung zum Emissionsabbau um 20 % bis 2020 übernommen hat, um die Verhandlungen in Gang zu bringen. Nach Meinung des Ausschusses hat der Klimawandel jedoch bereits jetzt ein derartiges Ausmaß angenommen, dass alle nur erdenklichen weiteren Anstrengungen zur Durchsetzung der 30 %-Senkung, die unter bestimmten Bedingungen für 2020 angeboten wurde, unternommen werden sollten. Außerdem sollte in den Verhandlungen darauf hingewirkt werden, ein vergleichbares Engagement seitens anderer Industrieländer sicherzustellen, wobei auch bedeutende Beiträge der Schwellenländer, deren Klimagasemissionen rasch zunehmen, erforderlich sind.

    4.3

    Werden die Verhandlungen lediglich mit einer Verpflichtung der EU zur Emissionsminderung um 20 % und vergleichsweise geringfügigen Zusagen anderer Länder abgeschlossen, wäre dies nach Ansicht des Ausschusses als Misserfolg zu werten.

    4.4

    Durchführung: Die von der Kommission im Klima- und Energiepaket für die EU vorgeschlagenen Maßnahmen stellen zusammengenommen einen sehr tauglichen, sinnvollen Durchführungsplan dar, mit dessen Hilfe die EU ihre Emissionsminderungsziele von 20 % bis 2020 erreichen kann. Der Ausschuss hat separate Stellungnahmen zu den einzelnen Bausteinen dieses Plans vorgelegt. Unter Berücksichtigung folgender Bemerkungen befürwortet der Ausschuss insgesamt alle Bausteine dieses Planes:

    Er unterstützt die vorgeschlagenen Reformen und die Ausweitung des Emissionshandelssystems. Die Senkung der Emissionsobergrenzen und die Versteigerung eines größeren Anteils der Emissionsrechte werden begrüßt, da sie im Einklang mit dem Verursacherprinzip stehen, Mitnahmegewinne verhindern, Anreize setzen und zur Bildung von Kapital beitragen, das in CO2-arme Anlagen und Produkte investiert werden kann; sie sind somit innovationsfördernd. Angesichts der Höhe der sowohl in Europa als auch in den Entwicklungsländern notwendigen Umrüstungsinvestitionen sollten wenigstens 50 % der Erlöse — anstelle der von der Kommission vorgeschlagenen 20 % — aus der Versteigerung von Zertifikaten für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen aufgewendet werden (1). Er begrüßt außerdem den Beschluss des Rates und des Europäischen Parlaments, den Luftverkehr ab 2012 in das EU-EHS einzubeziehen.

    Er befürwortet die Stoßrichtung der vorgeschlagenen Lastenverteilung auf die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallenden Sektoren und fordert die Institutionen dringend auf, in den Detaildiskussionen über die Grundlagen dieser Lastenverteilung nicht das übergeordnete Ziel auszuhöhlen (2).

    Er spricht sich nachdrücklich für rasche Fortschritte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energieträger aus. Die Verwirklichung des 20 %-Ziels bis 2020 wäre eine gute Voraussetzung dafür, ihren Anteil bis 2050 noch viel weiter zu erhöhen (3).

    Er bedauert, dass der zentralen Frage der Energieeffizienz — die bis 2020 anvisierte Steigerung von 20 % ist kein verbindliches Ziel — nicht die gebührende Bedeutung eingeräumt wird, wie aus dem Bericht der Kommission zu den nationalen Energieeffizienzplänen deutlich hervorgeht. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat ihre nationalen Pläne nicht rechtzeitig aufgestellt, die Pläne sind von unterschiedlicher Qualität und teilweise auch nicht ehrgeizig genug, wenngleich umfangreiche Energieeffizienzgewinne häufig bei relativ geringen Erstinvestitionskosten und mit sehr kurzer Amortisationsdauer erreicht werden können (4).

    Er begrüßt zwar den von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsrahmen für die CO2-Abscheidung und -Speicherung, sieht aber auch mit Sorge, dass keine ausreichende Finanzierung für die geplanten Demonstrationsprojekte bereitgestellt und die Entwicklung bis zur Anwendung im industriellen Maßstab zu langsam vonstatten gehen wird, obwohl dieser Technologie entscheidende Bedeutung zukommt, wenn einige Länder noch viele Jahre lang auf Kohle und andere fossile Energieträger angewiesen sind (5).

    4.5

    Die Europäische Union baut fest darauf, mit Hilfe ihres Emissionshandelssystems als wesentlichem politischem Instrument die notwendigen Emissionsreduktionen zu erreichen. Das EU-EHS ist schon jetzt das weltweit umfangreichste Emissionshandelssystem und wird sich nach 2012 noch ausweiten. Ursprünglich hat sich das System allerdings nur in begrenztem Maße auf die europäischen Emissionen ausgewirkt, da die anfänglichen Emissionsobergrenzen und -berechtigungen großzügig bemessen waren und zu einem sehr niedrigen Kohlenstoffpreis geführt haben. Mit strengeren Obergrenzen ist der Kohlenstoffpreis angestiegen, so dass sich in Verbindung mit weiteren Faktoren, die zu einer Preissteigerung für fossile Brennstoffe führen, vermutlich eine stärkere Wirkung auf die europäische Energieerzeugung und andere Industriezweige ergeben wird.

    4.6

    Der Ausschuss ist ganz allgemein der Auffassung, dass die Stärkung des EU-EHS positive Auswirkungen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Europa zeitigen wird, da die rasche Entwicklung energieeffizienter CO2-armer Verfahren und Produkte gefördert wird, die die Marktführer der Zukunft sein werden. Auf diese Weise werden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die europäische Abhängigkeit von Importen verringert und somit die Energieversorgungssicherheit erhöht.

    4.7

    Die EU hat in diesem Bereich die Initiative ergriffen, doch muss nunmehr alles daran gesetzt werden, dass auch in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern Emissionshandelssysteme aufgebaut werden, die in der Folge in einem weltweiten Kohlenstoffmarkt miteinander vernetzt werden. Der Aufbau eines echten weltweiten Kohlenstoffmarktes könnte der wirksamste und kosteneffizienteste Weg zur Gewährleistung der Verringerung des CO2-Ausstoßes weltweit sein. Der Ausschuss unterstützt ausdrücklich die Initiative der Internationalen Kohlenstoff-Aktionspartnerschaft (ICAP), mit der eine abgestimmte Entwicklung der in verschiedenen Teilen der Welt im Entstehen begriffenen Handelssysteme hin zu einem einzigen Weltmarkt angestrebt wird. Erfolgt der Aufbau eines globalen Kohlenstoffmarktes innerhalb eines Systems mit weltweiten Emissionsobergrenzen, dürfte sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der EU durch ein einseitiges europäisches Handelssystem verringern.

    4.8

    Als ebenfalls sinnvoll könnten sich internationale sektorbezogene Vereinbarungen erweisen, in denen detailliertere Pläne und Strategien zur Gewährleistung einer fortschreitenden Minderung der durch die wichtigsten einschlägigen Sektoren bzw. ihre Erzeugnisse verursachten Emissionen festgelegt werden. Sie sollten jedoch nur als Unterstützungsmaßnahme für die Durchführung strenger, auf internationaler Ebene vereinbarter nationaler Ziele angesehen werden und nicht als Alternative zu verbindlichen nationalen Zielen, da die Entwicklung in den letzten 20 Jahren gezeigt hat, dass freiwillige sektorspezifische Vereinbarungen in diesem Bereich allein zu wenig — und dies auch nur zu spät — bringen und letztlich nicht effizient durchgesetzt werden können.

    4.9

    In Bezug auf den Verkehr bekräftigt der Ausschuss seinen Standpunkt, dass eine sektorspezifische langfristige Nachhaltigkeitsstrategie von einer grundlegenden Neubewertung der Nachfragefaktoren in diesem Bereich ausgehen muss, wobei auch die Frage, wie Maßnahmen auf den Gebieten Raumplanung, Infrastruktur und öffentlicher Verkehr den unaufhaltsam scheinenden Zuwachs der Verkehrsnachfrage eindämmen und diese Nachfrage letztlich sogar verringern könnten, aufgegriffen werden muss. Die Planung sollte keinesfalls auf der Annahme beruhen, dass ein Verkehrszuwachs unvermeidbar ist und die einzige Möglichkeit zur Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen in technischen Verbesserungen der Kraftstoffe und Motoren besteht, auch wenn diese natürlich wichtig sind.

    4.10

    In Bezug auf technische Maßnahmen plädiert der Ausschuss dafür, nicht nur kurzfristige strenge Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge (120 g CO2 pro km bis 2012/2015) festzulegen, sondern auch mittelfristig einen noch niedrigeren Emissionsgrenzwert bis 2020 vorzusehen (6). Gleichzeitig sollte die Entwicklung und möglichst frühzeitige Einführung kohlenstofffreier strom- oder wasserstoffbetriebener Fahrzeuge gefördert werden.

    4.11

    Der Ausschuss bewertet das Potenzial für die Verwirklichung des 10 %-Ziels für Biokraftstoffe im Verkehrswesen pessimistischer als die Kommission. In Anbetracht der Probleme in Verbindung mit dem Klimagasminderungspotential von Biokraftstoffen und den ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Erzeugung bedarf es strengerer Nachhaltigkeitskriterien als der von der Kommission vorgeschlagenen, um sicherzustellen, dass Biokraftstoffe nur dann eingeführt werden, wenn sie tatsächlich erheblich zur Verringerung der Netto-CO2-Emissionen beitragen und zu keiner unannehmbaren Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Böden und Nahrungsmittelerzeugung führen. Außerdem geht aus den aktuellen wirtschaftlichen Überlegungen klar hervor, dass Biomasse (zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in naher Zukunft) effizienter zur Strom- oder Wärmeerzeugung genutzt werden kann als in Form von Biokraftstoffen.

    4.12

    Weitere Maßnahmen zur Erreichung des 30 %-Ziels: Wenn das Energiepaket Ende 2008 angenommen und ab 2009 umgehend durchgeführt wird, hat die EU gute Aussichten, ihr 20 %iges Emissionsreduktionsziel bis 2020 zu verwirklichen.

    4.13

    Allerdings bezweifelt der Ausschuss, dass eine 30 %ige Emissionsminderung bis 2020 erreicht werden kann, indem — wie die Kommission bislang vorschlägt — einfach die Zielvorgaben der einzelnen Bausteine des Energiepakets ehrgeiziger formuliert werden und verstärkt CDM-Gutschriften verwendet werden können. Der Ausschuss ist vielmehr der Meinung, dass dazu vermutlich ein umfassenderes und breiteres Spektrum von Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene erforderlich sein wird.

    4.14

    Der Ausschuss schlägt vor, folgende Aspekte auf europäischer Ebene für ein zweites Paket in Betracht zu ziehen:

    eine stärkere Förderung der Energieeffizienz in allen zentralen Bereichen und bei allen wichtigen Erzeugnissen durch Regelung und Normung;

    weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Entwicklung und Einführung erneuerbarer Energieträger;

    eine stärkere Förderung der Entwicklung strom- oder wasserstoffbetriebener Fahrzeuge;

    eine Ausweitung des EU-EHS auf Schiffsemissionen (der Ausschuss bezweifelt, dass die laufenden Diskussionen im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation rasch genug zufriedenstellende Ergebnisse bringen werden);

    umfassendere gemeinsame Anstrengungen zur Festlegung strengerer nationaler Reduktionsziele im Rahmen der Vereinbarung über die Lastenverteilung.

    4.15

    Zur Erreichung strengerer individueller Ziele im Rahmen der Vereinbarung über die Lastenverteilung müssen sich die Mitgliedstaaten und ihre Entscheidungsträger nach Meinung des Ausschusses stärker um eine partnerschaftliche Einbindung der Öffentlichkeit, der Unternehmen, der Gewerkschaften und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen in die gemeinsamen Anstrengungen bemühen.

    Die Bürger müssen dazu angehalten bzw. dabei unterstützt werden, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen und beispielsweise die Energieeffizienz ihres Hauses/ihrer Wohnung zu verbessern, auf umweltfreundlichere Energieträger für Beleuchtung und Heizung zurückzugreifen, energieeffizientere Güter zu erwerben und Dienstleistungen zu nutzen und ihren CO2-Fußabdruck als Verkehrsteilnehmer und Ferienreisende zu verringern. Nach Meinung des Ausschusses wäre ein wachsender Anteil der Bevölkerung und der Organisationen der Zivilgesellschaft bei klaren Vorgaben durch eine konsequente und sinnvolle politische Orientierung und bei entsprechenden Anreizen bereit, sich konkret zu engagieren.

    Viele lokale und regionale Gebietskörperschaften haben in Sachen Klimawandel bereits mit Weitblick und Mut die politische Initiative ergriffen. Sie müssen ermutigt werden und Anreize vorfinden, noch weiter zu gehen.

    Unternehmen müssen in ähnlicher Weise dazu angeregt werden, weitere Fortschritte sicherzustellen. Sie müssen mit Anreizen dazu bewogen, ja gedrängt werden, ihre Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern und ihren Energiebedarf aus kohlenstoffarmen Energiequellen zu decken. Durch entsprechende Rechtsvorschriften sollte systematischer und nachdrücklicher auf eine Verbesserung der Energieleistung sämtlicher Arten von Produkten und Dienstleistungen hingewirkt werden. Die Bauindustrie muss dazu verpflichtet werden, sowohl bei der Errichtung der Gebäude als auch bei deren Betrieb eine noch höhere Energieeffizienz zu gewährleisten.

    Auch den Gewerkschaften kommt eine wichtige Rolle zu. Viele ihrer Mitglieder arbeiten an vorderster Front an Verbesserungen der Energieeffizienz und der Verbreitung praktischer Informationen und ihr möglicher Beitrag muss gewürdigt und gefördert werden. Die Gewerkschaften müssen außerdem umfassend in die Umstellung von Industrie und Wirtschaft auf weniger Kohlenstoffintensität eingebunden werden. Eine richtige Steuerung dieses Wandels vorausgesetzt sollten die neuen Produktionsverfahren ebenso viele Beschäftigungsmöglichkeiten unter Wahrung guter Arbeitsbedingungen bieten wie die herkömmlichen kohlenstoffintensiven Produktionsverfahren.

    4.16

    Im Interesse der Glaubwürdigkeit der EU auf internationaler Ebene ist es außerordentlich wichtig, dass jeder einzelne Mitgliedstaat alles daran setzt, nicht nur das Kyoto-Gesamtziel für die EU-15, sondern auch die Kyoto-Einzelziele bis 2012 zu verwirklichen. Laut der jüngsten Mitteilung der Kommission über Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele von Kyoto (7) sind erst drei Mitgliedstaaten der EU-15 auf gutem Wege, ihre Emissionsziele allein mithilfe ihrer bestehenden politischen Maßnahmen zu erreichen; acht weitere Mitgliedstaaten werden ihre Ziele voraussichtlich erst erreichen, „wenn die Kyoto-Mechanismen, Kohlenstoffsenken und die bereits erörterten zusätzlichen nationalen Konzepte und Maßnahmen in ihrer Wirkung erfasst sind“. Drei Mitgliedstaaten dürften ihr Kyoto-Ziel wohl verfehlen. Auch zeigt die umfangreiche Anwendung der im Kyoto-Protokoll vereinbarten flexiblen Mechanismen, insbesondere des CDM, dass viele Mitgliedstaaten den dringend erforderlichen Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft noch lange nicht vollzogen haben.

    5.   Anpassung an den Klimawandel (zweiter Verhandlungsstrang)

    5.1

    Selbst wenn die Maßnahmen zur Verringerung der globalen Emissionen in Zukunft Erfolge bringen, so ist bereits absehbar, dass die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen wird, da die Emissionen bereits in die Atmosphäre gelangt sind. Der Ausschuss hat bereits eine Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission zur Anpassung an den Klimawandel verabschiedet (8). Seines Erachtens muss die EU sich eine übergeordnete Strategie zur Bewältigung des Klimawandels innerhalb der EU geben, in deren Rahmen detailliertere nationale Anpassungspläne von den Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden sollten. Forschung und Analyse, Haushaltsmittel und Investitionsprogramme sowie weitere Maßnahmen sollten noch vorrangiger auf die Anpassung an den Klimawandel ausgerichtet werden. Der Ausschuss bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Kommission in ihrem für Herbst 2008 geplanten Weißbuch detaillierte Maßnahmen für Fortschritte in diesem Bereich vorschlagen wird.

    5.2

    Viele noch in der Entwicklung begriffene Regionen außerhalb der EU sind bereits stark vom Klimawandel betroffen und werden in Zukunft noch stärker unter seinen Folgen zu leiden haben, verfügen aber nicht über ausreichende Ressourcen, diese Folgen zu bewältigen. Es muss daher eine wesentliche Priorität der EU und anderer OECD-Staaten sein, die besonders verletzlichen Regionen finanziell und in anderen Bereichen zu unterstützen, damit sie den Klimawandel bewältigen können. Überlegungen zum Klimawandel müssen in alle Bereiche der Entwicklungspolitik einfließen.

    5.3

    Des Weiteren sind umfangreiche Anstrengungen zur Unterstützung einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder in den Entwicklungsländern notwendig. Auch muss den kommerziellen Interessen entgegengewirkt werden, die nach wie vor in vielen für das Weltklimasystem relevanten Regionen großflächige Waldrodungen verschulden. Der Ausschuss arbeitet derzeit eine gesonderte Stellungnahme zum Thema „Beitrag der Forst- und Holzwirtschaft zur Erreichung der Klimaschutzziele der EU“ aus.

    6.   Entwicklung und Transfer von Technologien (dritter Verhandlungsstrang)

    6.1

    Für einen erfolgreichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist weltweit eine neue industrielle Revolution erforderlich. Not tut ein klarer Kurswechsel hin zu saubereren Formen der Energieerzeugung, neuen Technologien zur Abscheidung von Kohlendioxid- und anderen Klimagasemissionen und einer kontinuierlichen und nachdrücklichen Förderung energieeffizienterer Erzeugnisse und Verbrauchsmuster. Dazu sind eine erhebliche Ausweitung der einschlägigen öffentlichen und privaten Forschungsprogramme und umfangreiche Investitionsprogramme zur Umrüstung der Industrie und zur Veränderung von Produkten und Dienstleistungen erforderlich. Viele der erforderlichen Technologien bestehen bereits, doch muss ihre Anwendung noch viel weiter verbreitet werden.

    6.2

    In der EU sind dazu radikale Prioritätenverlagerungen in den finanziellen Programmen der EU und der Regierungen nötig, um die geeigneten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten und Investitionen zu unterstützen. Unternehmen und andere müssen durch steuerliche und sonstige Anreize dazu bewegt werden, die notwendigen Investitionen zu tätigen.

    6.3

    Zunächst muss festgestellt werden, welche Arten von Technologie und Diensten in Schwellenländern und Entwicklungsländern eine bestmögliche nachhaltige und emissionsarme Weiterentwicklung sicherstellen können, und dann muss ein Transfer dieser Technologien und Dienste zu geeigneten Bedingungen gefördert werden. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, neue Technologien, die Entwicklungsländer besonders wirkungsvoll bei der Anpassung an den Klimawandel und bei der Eindämmung der Kohlenstoffintensität ihrer künftigen Entwicklung unterstützen können, rasch in großem Maßstab und zu erschwinglichen Preisen einzuführen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Schwellenländer zum Teil selbst die benötigten neuen Technologien entwickeln. Durch den Technologietransfer, der eben nicht nur auf einer Nord-Süd-Einbahnstraße verläuft, soll die rasche Verbreitung der einschlägigen Technologien in der ganzen Welt, unabhängig von ihrem Entwicklungsort, erleichtert werden.

    6.4

    Die EU und ihre Partner sollten dringend Möglichkeiten ausloten, wie den Entwicklungsländern problemlos und zu erschwinglichen Preisen Zugang zur modernsten und CO2-effizientesten Technologie ermöglicht werden kann, insbesondere im Bereich der Elektrizitätserzeugung, der energieintensiven Industrien, des Verkehrssektors und, sobald sie technisch ausgereift ist, der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Länder, die wahrscheinlich weiterhin auf Kohle zur Energieerzeugung angewiesen sind, werden Unterstützung zur Einführung der modernsten sauberen Kohletechnologie (CCT) und der CCS-Technologie benötigen, sobald diese verfügbar ist.

    6.5

    Mit einem derartigen Technologietransfer sollten die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden, ihre Entwicklung weniger kohlenstoffintensiv zu gestalten, als es sonst der Fall wäre; es dürfte vertretbar sein, diese Unterstützung an angemessene Verpflichtungen seitens der Entwicklungsländer zu binden, ihrerseits weitere Maßnahmen zur Eingrenzung ihrer potenziellen Emissionssteigerung zu ergreifen.

    6.6

    Parallel zu den Klimaverhandlungen sollten die EU und die USA eine neue Initiative für eine Liberalisierung des Handels mit klimafreundlichen Gütern und Dienstleistungen im Rahmen der WTO auf den Weg bringen. Diese Initiative sollte so konzipiert sein, dass Industrieländer, Entwicklungsländer und Schwellenländer gleichermaßen Nettovorteile aus einer solchen Liberalisierung ziehen könnten, beispielsweise durch die Förderung der (Weiter)Entwicklung von Umwelttechnologien und -diensten in Entwicklungsländern.

    7.   Aufstockung der Finanzmittel und Investitionen zur Förderung der Eindämmung und der Anpassung (vierter Verhandlungsstrang)

    7.1

    Die Entwicklungsländer werden in großem Umfang auf die Unterstützung der Industrieländer angewiesen sein, um ihren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels leisten zu können, ohne ihre eigene Entwicklung aufs Spiel zu setzen. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die künftige Entwicklung der Entwicklungsländer so kohlenstoffarm wie möglich gestaltet wird und nicht, wie bei den „alten“ Industrieländern, allein auf der kohlenstoffintensiven Produktion aufbaut, die deren Entwicklung kennzeichnet (und mittlerweile hemmt).

    7.2

    Die Entwicklungsländer, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und kaum eigene Ressourcen haben, um sich daran anpassen zu können, bedürfen auch zusätzlicher Hilfe in Form von Programmen für Küsten- und Hochwasserschutzmaßnahmen, Dürrebekämpfung, Umstellung der Landwirtschaft, neue Gesundheitsschutzerfordernisse usw.

    7.3

    Der Ausschuss begrüßt die allseitig auf Bali gewonnene Erkenntnis, dass neue und zusätzliche Ressourcen sowie Investitionskanäle und -mechanismen für diesen Transfer erforderlich sein werden. Allerdings waren die Industrieländer bis auf einige lobenswerte Ausnahmen bei der Einhaltung vergangener Versprechen zur Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung wenig erfolgreich. Daher muss nun die gesamte Welt weitere Ressourcen mobilisieren und diesen Zielen widmen.

    7.4

    Dem Ausschuss liegen u.a. Schätzungen des Sekretariats der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) vor, denen zufolge der Mittelbedarf aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen Hunderte Milliarden Dollar jährlich erreichen kann, wenn die Programme erst einmal angelaufen sind. Sie empfehlen, dass das UNFCCC, die Europäische Kommission und/oder die OECD und die internationalen Finanzinstitutionen den Mittelbedarf genauer beziffern, damit durch verbindliche Mittelzusagen und Verpflichtungen eine ausreichende Finanzierung und durch die Programme ein entscheidender Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels sichergestellt werden kann. Die Versteigerung von Emissionsrechten in künftigen Entwicklungsphasen des EHS könnte eine Finanzierungsquelle sein, dürfte allein aber nicht für alle notwendigen Maßnahmen ausreichen.

    7.5

    Der Kyoto-Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) hat sich in gewissem Maße bei der Unterstützung geeigneter Investitionen in Nicht-Anhang I-Ländern bewährt. Allerdings findet die Projektförderung schwerpunktmäßig in China und anderen Schwellenländern statt, und es bestehen erhebliche Zweifel an der Zusätzlichkeit und Qualität zahlreicher Projekte. Eine wirksame Anwendung und Überwachung der Kriterien für die Genehmigung von Projekten ist unerlässlich, wenn die Mechanismen wie geplant dazu beitragen sollen, dass echte Emissionsminderungen auf möglichst effiziente Weise erreicht werden.

    7.6

    Die EU und andere Betroffene sollten schleunigst prüfen, wie Mängel im System im nächsten Zeitraum vermieden und der Anwendung des Mechanismus eine neue Dynamik verliehen werden kann. In Zukunft sollten im Rahmen von CDM und JI vorrangig Vorhaben gefördert werden, die nicht nur wesentlich zur Emissionsminderung beitragen, sondern auch den Wandel hin zu einer CO2-armen Wirtschaft voranbringen. Die Direktfinanzierung von Energieeffizienz-Vorhaben („rasche Ernte“) ist offenbar insbesondere in Schwellenländern, in denen diese ohnehin durchgeführt würden, wenig sinnvoll. Für diese Länder könnten „sektorspezifische CDM“, nach Möglichkeit in Verbindung mit so genannten „No Lose Targets“, sprich sanktionsfreien Zielen (9), eine zweckdienliche Alternative sein.

    7.7

    In der ganzen Welt werden umfangreiche Investitionen des Privatsektors in eine weniger kohlenstoffintensive Produktion unabdingbar sein. Die europäischen und nationalen Maßnahmen sollten dem Privatsektor gezielte Anreize bieten.

    7.8

    Die Kosten und Investitionen in den kommenden 50 Jahren werden sich auf Billionen US-Dollar belaufen. Das sind riesige Summen. Derartige Investitionen sind jedoch angesichts der knapper werdenden Vorräte an fossilen Energieträgern und der Preissteigerungen bereits jetzt erforderlich. Ganz unabhängig vom Klimawandel werden daher eine Diversifizierung weg von den fossilen Brennstoffen und die effizientere Nutzung der verbleibenden Vorräte aus wirtschaftlicher Sicht immer wichtiger. Sicherheitsüberlegungen gehen in dieselbe Richtung, da sowohl die Knappheit an fossilen Brennstoffen wie auch der Klimawandel die Wurzel für Instabilität und Konflikte in zahlreichen Weltregionen sind.

    7.9

    Unter diesem Gesichtspunkt ist die Notwendigkeit, der Gefahr des Klimawandels unverzüglich entgegenzutreten, keine zusätzliche Belastung für die Weltwirtschaft, sondern schlicht ein weiterer wichtiger Grund, den in jedem Fall unerlässlichen wirtschaftlichen und industriellen Wandel rasch voranzubringen. Im Stern-Bericht wurden die Kosten für die in den kommenden 50 Jahren zur Eindämmung des Klimawandels erforderlichen Maßnahmen bei einem Ölpreis von 60 USD pro Barrel auf 1 % des globalen BIP geschätzt. Bei dem derzeitigen Preis von über 100 USD pro Barrel erscheinen Investitionen in erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz-Maßnahmen jedweder Art in wirtschaftlicher Hinsicht bereits um einiges interessanter. Aus dem gleichen Grund werden die Netto-Zusatzkosten für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels wahrscheinlich weitaus geringer ausfallen; in einigen Fällen könnten sie sogar Gewinne bringen — ein Beweis dafür, dass ein effizientes Vorgehen gegen den Klimawandel in den kommenden Jahren einen Nettovorteil für die Weltwirtschaft bringen wird.

    7.10

    Eine angemessene Antwort auf das Klimaschutzproblem sollte daher nicht als übergroße, erdrückende und folgenschwere Verpflichtung angesehen werden, die die Wirtschaftsentwicklung bremst, sondern vielmehr als Chance, sich an die Spitze der nächsten Wirtschafts- und Industrierevolution zu setzen. Die EU hat die Klimaschutzdebatte entscheidend mitgestaltet. Sie muss jedoch noch mehr tun, damit auf dem Boden dieser zukunftsorientierten politischen Einstellung ein ebenso aktives wie lebendiges Wirtschaftsumfeld entsteht, das Anreize für die Unternehmen und die Gesellschaft bietet, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um Vorreiter und Wettbewerbssieger in der künftigen CO2-armen Wirtschaft zu werden.

    7.11

    Manch einer beschwört die Notwendigkeit eines neuen Marshallplans, und der Ausschuss hält dieses Bild für geeignet, um eine Vorstellung vom Ausmaß der Problematik und der notwendigen Anstrengungen zu vermitteln. Wir brauchen eine Vision im Marshallplan-Maßstab, die uns zeigt, wie sich alle Länder der Erde gemeinsam einer globalen Bedrohung entgegenstellen können, wobei die stärksten und wohlhabendsten Länder mit gutem Beispiel vorangehen und anderen großzügigste Hilfe angedeihen lassen.

    7.12

    Nicht nur sämtliche nationale Behörden und öffentliche Einrichtungen auf allen Ebenen müssen tätig werden, sondern es sind auch die Unternehmen, die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit gefordert.

    8.   Schlussfolgerungen

    8.1

    Der Klimawandel ist bereits Wirklichkeit und hat bereits massive Auswirkungen in der ganzen Welt, die sich in den kommenden Jahren mit zunehmender Treibhausgaskonzentration und Erderwärmung noch verschärfen werden. Es bedarf unverzüglicher Maßnahmen für die Festlegung und Umsetzung ehrgeiziger Ziele für die Emissionssenkung bis 2020 im Hinblick auf noch weitreichendere Verringerungen in den Folgejahren. Je früher diese Verringerungen erreicht werden können, desto stärker werden sie die Erderwärmung verlangsamen.

    8.2

    Die Industrieländer weisen eine weitaus höhere Pro-Kopf-Emissionsquote als die übrigen Länder auf und müssen daher ihr Engagement und ihre Maßnahmen zur Emissionsverringerung deutlich voranbringen. Die EU muss sicherstellen, dass sie ihre 2012-Ziele auch tatsächlich erreicht, und sich anschließend zu einer 30 %-Senkung bis 2020 — dem letztlichen Ziel — verpflichten. Um auch wirklich glaubhaft zu sein, muss sie ein weiteres Paket aufeinander abgestimmter und realistischer Maßnahmen annehmen, mit denen diese Ziele erreicht werden können, und bereits jetzt die weiteren, nach 2020 erforderlichen Verringerungen ins Auge fassen.

    8.3

    Die Entwicklungsländer müssen ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Es gilt, besondere Anstrengungen zur Umstellung der energieintensivsten Industriezweige dieser Länder auf die energieeffizientesten und CO2-ärmsten Herstellungsmethoden zu unternehmen. Hierfür werden die Entwicklungsländer auf erhebliche und gezielte Unterstützung seitens der Industrieländer angewiesen sein.

    8.4

    Die Parameter des Global Deal, dessen Formulierung Gegenstand der für die kommenden 18 Monate anberaumten internationalen Verhandlungen ist, müssen so schnell wie möglich festgelegt werden, damit dann die politischen Bemühungen darauf ausgerichtet werden können, diese Problematik zu vermitteln und die Unterstützung, das Vertrauen und das Engagement aller Akteure weltweit in Bezug auf die kommenden grundlegenden Veränderungen zu gewinnen. Dieser Global Deal darf nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, es müssen vielmehr alle Akteure eingebunden werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels müssen realistisch, wirtschaftlich und sozial verträglich und in dem vorgeschlagenen Zeitraum durchführbar sein.

    8.5

    Der notwendige weltweite Wandel ist hinsichtlich seiner Größenordnung und der industriellen Revolution der letzten beiden Jahrhunderte zu vergleichen, in deren Rahmen die fossilen Brennstoffe zur Energieerzeugung genutzt wurden, um eine massive Steigerung von Produktionskapazität und gesellschaftlicher Produktivität zu erzielen. Es bedarf nun einer zweiten industriellen Revolution, um die fossilen Brennstoffe durch andere Energieträger zu ersetzen und die Energieeffizienz zu optimieren, damit ein vergleichbares Produktivitäts- und Wachstumsniveau erreicht werden kann, ohne allerdings die Atmosphäre mit Treibhausgasemissionen in nicht nachhaltiger Höhe zu belasten. Hierfür sind umfassende Investitionen ebenso erforderlich wie grundlegende Änderungen des wirtschaftlichen und menschlichen Verhaltens. Jeder Bürger muss sich der Problematik bewusst sein und seinen Beitrag zu den erforderlichen Veränderungen leisten.

    Brüssel, den 17. September 2008

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1201/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

    (2)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1202/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

    (3)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1511/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

    (4)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1513/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

    (5)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1203/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

    (6)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1500/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

    (7)  KOM(2007) 757 endg.

    (8)  ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 38.

    (9)  „No Lose Targets“: eine Verpflichtung zur Emissionsminderung in einer bestimmten Größenordnung. Wird diese nicht erreicht, werden keine Sanktionen verhängt; wird sie jedoch sogar überschritten, kann der „Überschuss“ verkauft werden.


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