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Document 52004AE0842
Opinion of the European Economic and Social Committee on the Communication from the Commission to the Council, the European Parliament, the Economic and Social Committee and the Committee of the Regions — A Stronger European-based Pharmaceutical Industry for the Benefit of the Patient — A Call for Action (COM(2003) 383 final)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die pharmazeutische Industrie Europas zum Wohl der Patienten stärken: was zu tun ist (KOM(2003) 383 endg.)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die pharmazeutische Industrie Europas zum Wohl der Patienten stärken: was zu tun ist (KOM(2003) 383 endg.)
ABl. C 241 vom 28.9.2004, p. 7–14
(ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
28.9.2004 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 241/7 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die pharmazeutische Industrie Europas zum Wohl der Patienten stärken: was zu tun ist“
(KOM(2003) 383 endg.)
(2004/C 241/02)
Die Europäische Kommission beschloss am 16. Oktober 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die pharmazeutische Industrie Europas zum Wohl der Patienten stärken: was zu tun ist“.
Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 4. Mai 2004 an. Berichterstatterin war Frau O'NEILL.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 409. Plenartagung am 2./3. Juni 2004 (Sitzung vom 2. Juni) mit 164 Stimmen gegen 1 Stimme bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Hintergrund
1.1 |
Dass der Pharmasektor in Europa nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Bereich der öffentlichen Gesundheit eine zentrale Rolle spielt, ist seit langem unbestritten. Von den Institutionen der EU wurde starkes Gewicht auf die Entwicklung der verschiedenen Bereiche, aus denen sich die Branche zusammensetzt, und die sich daraus ergebenden Vorteile für die Patienten gelegt. |
1.2 |
Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat von Lissabon 2000 das strategische Ziel gesetzt, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen — einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“, wofür die pharmazeutische Industrie von wesentlicher Bedeutung sein wird. |
1.3 |
Im Juni 2000 unterstrich der Rat in seinen Schlussfolgerungen zu Arzneimitteln und Volksgesundheit, wie wichtig innovative Arzneimittel von hohem therapeutischen Wert sowohl für die Verwirklichung pharma- als auch gesundheitspolitischer Ziele sind. |
1.4 |
Im November 2000 wurde der Kommission der Bericht „Global Competitiveness in Pharmaceuticals: A European Perspective“ (1) (Globale Wettbewerbsfähigkeit in der Pharmaindustrie — eine europäische Perspektive) — der sog. Pammolli-Bericht — vorgelegt. In diesem Bericht wurden Fragen angesprochen, die es in Angriff zu nehmen gilt, und er endete mit der Schlussfolgerung: „Was die Fähigkeit angeht, innovative Prozesse, die immer kostspieliger und organisatorisch komplexer werden, zu schaffen, zu organisieren und aufrechtzuerhalten, hinkt Europa hinter den USA hinterher“. |
1.5 |
Die Kommission legt ihre Mitteilung vor dem Hintergrund der im Pammolli-Bericht und in nachfolgenden Berichten aufgeworfenen Fragen vor, da die pharmazeutische Industrie für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft in der Europäischen Union eine anerkanntermaßen bedeutende Rolle spielt. |
1.6 |
Wichtige Fortschritte wurden durch die Einführung der Gemeinschaftsverfahren zur Arzneimittelzulassung und durch die Schaffung der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) im Jahr 1995 erzielt. |
1.7 |
Im März 2000 stellte eine die Kommission beratende Gruppe für Gesundheitspolitik fest, dass das gesundheitspolitische Ziel des Pharmasektors darin bestehe, „problemlos zugängliche, wirksame, hochwertige und unbedenkliche Arzneimittel für all diejenigen herzustellen, die diese brauchen, unabhängig von Einkommen oder gesellschaftlicher Stellung; dazu gehören auch die neueren und innovativen Arzneimittel“ (2). |
1.8 |
Die Kommission will den Binnenmarkt im Arzneimittelbereich weiter vollenden, indem sie Forschung und Entwicklung (3) dadurch fördert, dass sie die EU für Investitionen attraktiver macht und Systeme schafft, die den Patienten eine größere Auswahl zu vertretbaren Preisen bieten. |
1.9 |
Darüber hinaus richtete die Kommission die neue hochrangige Arbeitsgruppe „Innovation und Bereitstellung von Arzneimitteln“ (G-10-Arzneimittelgruppe) (4) ein, um die Probleme des pharmazeutischen Sektors unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten und kreative Lösungen zu finden. |
1.10 |
Die G-10-Arzneimittelgruppe legte im Mai 2002 ihren Bericht „Innovation und Bereitstellung von Arzneimitteln“ vor. Die im Konsens von der Gruppe formulierten 14 Empfehlungen bilden die Grundlage für die nun vorgelegte Mitteilung der Kommission, zu denen der Ausschuss um Stellungnahme ersucht wird (Anlage A). |
1.11 |
Diese Position wurde durch die Entschließung des Rates über „Arzneimittel und Herausforderungen im Gesundheitswesen — der Patient im Mittelpunkt“ (5) noch weiter gestärkt. |
2. Zweck der Mitteilung
2.1 |
In der Mitteilung wird dargelegt, wie die Kommission unter den derzeitigen Gegebenheiten zu der Umsetzung der Empfehlungen der G10-Arzneimittelgruppe steht. In den Bereichen einzelstaatlicher Zuständigkeit beschreibt sie, welche Richtung die Mitgliedstaaten einschlagen könnten, und verweist auf die Möglichkeiten, die sie selbst hat, um diesen Prozess zu vereinfachen und insbesondere die wichtige Funktion der Überwachung des Wandels und der Wirksamkeit auszuüben. |
2.2 |
In diesem Zusammenhang stellt die Kommission in ihrer Mitteilung fünf breite Themenkomplexe heraus, die die Aufgabenstellung in der EU umreißen:
|
3. Der Text — allgemeine Bemerkungen
3.1 |
Die pharmazeutische Industrie ist ein Sektor, der eine komplexe Verwobenheit mit Gesundheitsversorgungssystemen, Forschung, Patienten und konkurrierenden Unternehmen aufweist. Sie ist ein großer Arbeitgeber innerhalb der Europäischen Union. Die Pharmaindustrie muss innovativ sein und mit unterschiedlichen Systemen in den USA und Japan gut zurechtkommen können. Der Schwerpunkt der Mitteilung liegt auf der Einführung eines integrierten Ansatzes, der der Pharmaindustrie und den Patienten Vorteile bringen und die Industrie anregen soll, weiterhin einen wichtigen Beitrag zu einer dynamischen, wissensbasierten, wettbewerbsfähigen Wirtschaft in Europa zu leisten. Der Ausschuss ist sich dessen bewusst, dass dies eine gewaltige Aufgabe ist. |
3.2 |
Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist ein wichtiges Anliegen, und häufig werden Vergleiche mit der leistungsstarken US-Pharmaindustrie angestellt. Dies liegt, das sei betont, nicht an einer der pharmazeutischen Industrie innewohnenden Schwäche, sondern an der Zersplitterung der Märkte, die nach wie vor durch große Unterschiede von Land zu Land gekennzeichnet sind. Dies führt zu einem fragmentierten Vorgehen bei Forschung und Innovation und der Einteilung von Arzneimitteln in rezeptpflichtige und rezeptfreie. Grund dafür ist die Abhängigkeit von der Entscheidungsfindung 25 nationaler Regierungen mit ihrer jeweils eigenen Sozialschutz- und Gesundheitspolitik. Dadurch werden Investitionen in Forschung und Entwicklung, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und letztlich die Vorteile für die Patienten durchgängig in allen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. |
3.3 |
Es ist besonders wichtig, die Rolle der Industrie im Verhältnis zu den etablierten Gesundheitsversorgungssystemen in den Mitgliedstaaten zu untersuchen — wie und in welchem Umfang sie finanziert werden und wie sichergestellt wird, dass die Patienten in den einzelnen Mitgliedstaaten Zugang zu jedem in der EU zugelassenen Arzneimittel haben. Dies ist ein Schlüsselziel für die Kommission, doch ist sich der Ausschuss der Divergenzen bewusst, die bei der Gewährleistung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln und der Fähigkeit der Mitgliedstaaten zur Finanzierung dieser Bestrebung zum Tragen kommen, und äußert insbesondere Bedenken hinsichtlich der potenziellen Konsequenzen für die Beitrittsländer. |
3.4 |
Es wird immer wichtiger, Patienten an der Entscheidungsfindung teilhaben zu lassen und Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren und Patienten zum gegenseitigen Nutzen zu entwickeln. Zwar begrüßt der Ausschuss den von der Kommission vorgeschlagenen integrativen Ansatz, doch ist er enttäuscht darüber, dass die G10-Arzneimittelgruppe keine breitere Repräsentationsbasis aufwies. |
3.5 |
Der Ausschuss räumt ein, dass die Datenlage auf eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie hinweist. Auch wenn beim europäischen Modell für die Industrie Schwachstellen ermittelt wurden, ist es doch wichtig, sich auf die vorhandenen Fähigkeiten, etablierten Strukturen und Errungenschaften innerhalb Europas zu konzentrieren, anstatt davon auszugehen, dass das US-Modell unter Einbeziehung aller zu berücksichtigenden Interessen automatisch der beste oder einzige Weg in die Zukunft ist. Das Schlüsselziel des EU-Modells besteht darin, die Effizienz der Gesundheitsversorgungssysteme zu sichern, die den medizinischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnissen der Patienten nachkommen, und gleichzeitig die wirtschaftlichen Aktivitäten der Pharmaindustrie zu fördern. |
3.6 |
Angesichts der sehr breit gefassten Grundlage der Kommissionsmitteilung möchte der Ausschuss auf seine zuvor zum Ausdruck gebrachten Bedenken verweisen, dass die Maßnahmen, die erforderlich sind, um in diesen Bereichen voranzukommen, bisher zu langsam vonstatten gegangen sind. Der Ausschuss fragt sich, wie es der Kommission gelingen wird, im Lichte dieser Mitteilung raschere Fortschritte zu erwirken (6). |
3.7 |
Die Kommission verweist auf den Stellenwert der Überwachung und Bewertung des Erreichten mittels definierter Leistungsindikatoren. Der Ausschuss teilt diese Bedenken hinsichtlich des Fehlens kohärenter statistischer Informationen und Belege, anhand derer sich die Fortschritte und die beabsichtigte Entwicklung messen ließen. Es bedarf besserer Verfahren, um zu definieren, welche Informationen erhoben werden sollen; dazu müsste nach Ansicht des Ausschusses ein wesentlich stärker proaktives, transparentes System geschaffen werden. |
3.8 |
Der pharmazeutische Sektor stellt qualitativ hochwertige Arbeitsplätze bereit, die nicht nur auf die unmittelbar in diesem Industriezweig Beschäftigten beschränkt sind, sondern auch andere Forschungsbereiche, verwandte Unternehmen, Universitäten und den Bereich der öffentlichen Gesundheit insgesamt berühren. Es besteht jedoch die Sorge, dass dem Pharmasektor in Europa ohne ein kohärenteres Konzept für Forschung und Innovation in Europa in Verbindung mit angemessenen Investitionen qualifizierte Arbeitskräfte verloren gehen. |
3.9 |
Der Ausschuss ist sich der Schwierigkeiten bei der Vollendung des Binnenmarkts in den heutigen und künftigen Mitgliedstaaten bewusst, spricht sich jedoch dafür aus, dass klare Strategien eingesetzt werden, um dieses Ziel in Anbetracht der voneinander abweichenden Befugnisse hinsichtlich des Inverkehrbringens von Arzneimitteln auf EU- und nationaler Ebene sowie insbesondere angesichts der unterschiedlichen Gesundheitsversorgungs- und -finanzierungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Pharmaindustrie zu erreichen. Der Ausschuss legt erneut großen Wert auf die Feststellung, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang vor allen anderen Regelungsbereichen haben muss, wie dies in früheren Stellungnahmen bereits zum Ausdruck gekommen ist und sich aus dem gesundheitspolitischen Ziel des Pharmasektors ergibt, qualitativ hochwertige und sichere Arzneimittel, einschließlich innovativer, herzustellen, und zwar für alle, die diese benötigen, unabhängig von Einkommen und sozialer Stellung (7). |
4. Von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen
4.1 Vorteile für die Patienten
4.1.1 |
In gesundheitspolitische Entscheidungen werden mehr und mehr auch die Patienten einbezogen, die ein aktiveres Interesse an Gesundheitsschutz- und Behandlungsmöglichkeiten zeigen. Die Kommission hat die Bedeutung einer solchen Beteiligung der Patienten anerkannt, und der Ausschuss begrüßt, dass verstärkt Möglichkeiten geschaffen und unterstützt werden sollen, um eine Einbeziehung der Patienten auf allen Ebenen zu ermöglichen. |
4.1.2 |
Das vor kurzem gegründete Europäische Patientenforum wird nützlich für die Kanalisierung der Ansichten der Patienten sein und kann somit einen wertvollen Beitrag zu dem 2001 eingerichteten EU-Gesundheitsforum darstellen, indem verschiedenste europäische Interessengruppen des Gesundheitswesens zusammengeführt werden; dazu müssen auch soziale Organisationen mit gesundheitsrelevanten Interessen gehören. Diese Initiativen tragen der Rolle staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen des Gesundheitswesens Rechnung, die Unterstützung verdienen. |
4.1.3 |
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die in eine solche Entscheidungsfindung einbezogenen Einzelpatienten oder Patientengruppen gut über die einzuschlagenden Wege und das notwendige Ausmaß der Einflussnahme informiert sind. Dafür ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass zwischen denjenigen, die über die berufliche Sachkenntnis und das Fachwissen verfügen, und denjenigen, deren Aufgabe die Versorgung der Öffentlichkeit mit präzisen, verständlichen Informationen über Arzneimittel ist, gegenseitiges Vertrauen entsteht. |
4.1.4 |
Der Ausschuss hält bessere und leichter zugängliche Informationen für die Patienten und die Öffentlichkeit für entscheidend, vor allem auch in Bezug auf ihre Objektivität und Verfügbarkeit. Dies wurde vom Rat in seinen Schlussfolgerungen zu Arzneimitteln und Volksgesundheit im Juni 2000 anerkannt. Zu diesem Zweck würde der Ausschuss die vorgeschlagene Entwicklung eines Gütesiegels zur Festlegung von „Qualitätskriterien für Websites im Gesundheitswesen“ und dessen Anwendung auch auf andere Formen der Informationsbereitstellung nachdrücklich befürworten. Es ist von maßgeblicher Bedeutung, dass diese Informationen der Aufklärung der Patienten dienen und sie gegebenenfalls dazu ermutigen, den Rat von Fachkräften des Gesundheitswesens einzuholen, denn die Vermeidung eines übermäßigen oder unsachgemäßen Arzneimittelgebrauchs muss vorrangig sein. |
4.1.5 |
Der Vorschlag, eine auf Zusammenarbeit beruhende öffentlich-private Partnerschaft zwischen verschiedenen Akteuren zur Information, Beratung und Beaufsichtigung der Informationsbereitstellung aufzubauen, wird begrüßt. Der Ausschuss kann das Zusammenbringen von Pharmaunternehmen, Vertretern von Patienten, akademischen, sozialen, gemeinwirtschaftlichen und Behindertenorganisationen, Wissenschaftlern und Gesundheitsfachleuten nur befürworten, denn dies wird zu verbesserter Patienteninformation und Gesundheitsaufklärung beitragen. Solche Partnerschaften können den Regierungen, dem Europäischen Parlament, der Kommission und dem Rat wichtige Ratschläge zu unterschiedlichen Fragen im Zusammenhang mit der Pharmaindustrie und der Gesundheitsversorgung des Einzelnen geben. |
4.1.6 |
Eine breitere Informationsbasis zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit in den Mitgliedstaaten wird einer der wichtigen Faktoren einer größeren Harmonisierung und wirksameren Datensammlung und -auswertung sein. |
4.1.7 |
Der Vorschlag, das Verbot der Öffentlichkeitswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel beizubehalten, wird vom Ausschuss nachdrücklich unterstützt. Die Frage der Werbung für rezeptfreie Arzneimittel muss mit großer Sorgfalt angegangen werden, um einen sachgemäßen Arzneimittelgebrauch zu gewährleisten. |
4.1.8 |
Der Ausschuss schließt sich ferner der Ansicht an, dass eine verantwortungsvolle Selbstmedikation am besten dadurch erreicht wird, wenn dem potenziellen Benutzer Ratschläge einer kompetenten Fachkraft des Gesundheitswesens zugute kommen. Eine unangemessene Selbstmedikation kann zu Verzögerungen beim Behandlungsbeginn sowie in einigen Fällen zu nachteiligen Wechselwirkungen mit den verschriebenen Arzneimitteln führen. |
4.2 Relative Wirksamkeit
4.2.1 |
Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die von der Kommission vorgebrachte Definition der „relativen Wirksamkeit“ zur Bewertung von Gesundheitstechnologien wie Arzneimitteln. Sie umfasst zwei Komponenten: den „zusätzlichen therapeutischen Nutzen, d.h. die klinische Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Behandlungen, und die Kostenwirksamkeit“. Dem Ausschuss ist klar, dass es bei der Anwendung dieses Prinzips in einigen Mitgliedstaaten zu Schwierigkeiten kommen könnte; deshalb ist ein ausreichender zeitlicher Vorlauf zur wirksamen Ausräumung dieses Problems wichtig. |
4.2.2 |
Der Ausschuss erkennt an, wie wichtig es ist, eine bessere Verfügbarkeit neuer, sicherer und wirksamer (auch kostenwirksamer) Arzneimittel für möglichst viele Menschen zu gewährleisten. Die Anwendung von Kriterien der relativen Wirksamkeit in den Mitgliedstaaten wird direkte Auswirkungen auf Preise und Erstattung haben, die in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fallen. Der Ausschuss weist auf die Auswirkungen auf die Gesundheitsbudgets hin, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind und die Verschreibung der Arzneimittel mit der größten Wirksamkeit aufgrund budgetärer Beschränkungen möglicherweise verhindern. |
4.2.3 |
Es wäre ratsam, den Austausch von Erfahrungen mit der Bewertung der Kostenwirksamkeit zu fördern, um die in den verschiedenen Mitgliedstaaten eingesetzten Bewertungsmethoden zu verbessern. |
4.3 Pharmakovigilanz
4.3.1 |
Der Ausschuss stimmt zu, dass eine wirkungsvolle Arzneimittelüberwachung wichtig ist, und vertritt die Auffassung, dass die bestehenden Systeme gestärkt werden müssen. Alle am Verschreibungs- oder Abgabeprozess beteiligten Gesundheitsfachleute sowie Patienten sollten an einem auf alle Arzneimittel angewandten effizienten System zur Überwachung im Anschluss an das Inverkehrbringen mitwirken. Dieses Spontanmeldesystem sollte für neu in den Verkehr gebrachte Arzneimittel besonders stringent sein. Darüber hinaus wäre es insbesondere für den Fall der Umstellung auf ein beschleunigtes Zulassungsverfahren erforderlich, dieses um eine sorgfältige Pharmakovigilanz mithilfe von Beobachtungsstudien zu ergänzen, um möglichst rasch Nachweise für die erwartete Sicherheit des betreffenden Arzneimittels bzw. für eine eventuelle unerwartete Toxizität zu haben. |
4.3.2 |
Randomisierte, kontrollierte klinische Studien sind zwar ein anerkanntes Mittel zum Nachweis der Wirksamkeit von Arzneimitteln, umfassen jedoch in der Regel ein zu kleines Kollektiv oder erfolgen an Patienten, die nicht die Gesamtheit aller potenziellen Nutzer des Arzneimittels repräsentieren, als dass sie Nachweise für mögliche Risiken liefern könnten, insbesondere in gefährdeten Patientenkategorien. Beobachtungsstudien liefern somit zusätzliche Informationen anderer Art als kontrollierte Studien und sind daher eine Ergänzung dazu. Beobachtungsstudien können nur selten Informationen über erwünschte Wirkungen geben, obwohl sie einige Detailangaben dazu liefern können, wann eine erwartete (positive) Wirkung nicht aufgetreten ist. |
4.4 Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit
4.4.1 |
Der Ausschuss erkennt den Stellenwert der pharmazeutischen Industrie an, was ihren Beitrag zur europäischen Handelsbilanz im Bereich der Hochtechnologie und die Erreichung sozialer und gesundheitspolitischer Ziele angeht. Sie ist ein wichtiges Reservoir für hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Es ist daher von maßgeblicher Bedeutung, der Branche durch einen geeigneten gesetzlichen und zulassungsrechtlichen Rahmen Anreize zu geben und sie zu unterstützen und dass die Mitgliedstaaten auf einzelstaatlicher Ebene dafür sorgen, dass ihren Patienten so rasch wie möglich neue Arzneimittel mit zusätzlichem therapeutischen Nutzen zur Verfügung stehen. Die Forschung muss gefördert und unterstützt werden, um die Entwicklung neuer Therapien voranzutreiben. |
4.4.2 |
Der Ausschuss unterstützt die von der Kommission vorgeschlagenen Leitaktionen, ist jedoch folgender Auffassung:
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4.4.3 |
Der Ausschuss befürwortet die Überarbeitung des Arzneimittelrechts zur Verbesserung des zentralisierten Verfahrens und des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung, um den Bewertungsprozess zu beschleunigen und die Zeitdauer bis zur endgültigen Beschlussfassung zu verkürzen. Die Tatsache, dass Kommission und EMEA die Dauer ihrer internen Verfahren bereits verkürzt haben, ist zu begrüßen, doch bedarf es einer weiteren Verbesserung, um den Patienten in Europa rechtzeitig neue Therapien zur Verfügung zu stellen, damit Patienten, die die Gesundheitsversorgung in Europa in Anspruch nehmen, nicht gegenüber den Patienten benachteiligt sind, die in den USA behandelt werden. |
4.4.4 |
Die Unterstützung für die Entwicklung innovativer Arzneimittel im Rahmen des 6. Forschungsrahmenprogramms mit dem thematischen Schwerpunkt auf der Forschung im Bereich „Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie“ wird als ein erster Schritt begrüßt. |
4.4.5 |
Ein zusätzlicher Nutzen würde sich durch Maßnahmen zur Verringerung der Zeitspanne zwischen der Erstpatentierung eines potenziellen Arzneimittels und der Einreichung des Zulassungsantrags ergeben, wodurch unnötige Verfahren vermieden würden. |
4.4.6 |
Der Ausschuss unterstützt zwar den Vorschlag zur Einigung über einen harmonisierten Datenschutz von zehn Jahren; wo zusätzliche Informationen für spezielle Untergruppen wie Kinder bereitgestellt werden, könnte die Möglichkeit der Verlängerung der Ausschließlichkeitsfrist für Daten um ein zusätzliches Jahr seiner Auffassung nach jedoch eingehender erörtert werden. |
4.5 Zeitrahmen für Verhandlungen über Erstattung und Preisfindung
4.5.1 |
Der Ausschuss stimmt zu, dass das Hauptaugenmerk darauf liegen sollte, „den Patienten die wirksamste Behandlung in einem effektiven Gesundheitsversorgungssystem sicherzustellen“, insbesondere vor dem Hintergrund des Anstiegs der Aufwendungen für die Gesundheitsfürsorge, denn für Arzneimittel werden durchschnittlich 15 % des Gesundheitsbudgets aufgewendet (10). Die Mitgliedstaaten müssen außerdem gewährleisten, dass die Entscheidungen über Preisfindung und Erstattung transparent und ohne Diskriminierung innerhalb eines genauen zeitlichen Rahmens getroffen werden (11). |
4.5.2 |
Es ist eindeutig Sache der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Begrenzung ihrer Gesundheitsausgaben zu ergreifen. Dies hat ein starkes Preisgefälle in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Folge, das sich im Zuge der Erweiterung noch verstärken wird. Der Ausschuss betont jedoch, dass unabhängig davon, welches Preissystem eingeführt wird, dieses keine Hürde für das Inverkehrbringen guter, innovativer Arzneimittel schaffen darf. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, sich für die uneingeschränkte Anwendung der so genannten Transparenzrichtlinie (Richtlinie 89/105/EWG) einzusetzen. |
4.5.3 |
Derartige Unterschiede in behördlich festgelegten Preisen könnten einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes im Wege stehen. Daher begrüßt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, einen „Reflexionsprozess“ zur Auslotung neuer Wege einzuleiten, auf denen die Mitgliedstaaten ihre Arzneimittelausgaben unter Kontrolle bringen können. Der Ausschuss stimmt zu, dass stärker auf Wettbewerb ausgerichtete dynamische Marktmechanismen die Realisierung eines integrierteren Marktes erleichtern könnten. Die „Reflexion“ sollte eine Überprüfung der privaten und öffentlichen Finanzierung von Arzneimitteln sowie des Gesundheitswesens umfassen. |
4.5.4 Freier Wettbewerb für Arzneimittel, die nicht vom Staat erstattet werden
4.5.4.1 |
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass — wenn ein neues Arzneimittel zugelassen worden ist (und dadurch seine Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität bestätigt wurden) — es den Patienten ohne unnötige Verzögerung zur Verfügung gestellt werden sollte, wenn ihr Gesundheitszustand dies erfordert. Der Ausschuss unterstützt die Möglichkeit, neue Arzneimittel unmittelbar nach ihrer Zulassung verfügbar zu machen. |
4.5.4.2 |
Die Finanzierung und Überwachung der Gesundheitsausgaben in den Mitgliedstaaten könnte ein Hindernis für den gleichzeitigen Zugang der Patienten zu neuen Arzneimitteln in der Europäischen Union darstellen. Der Ausschuss unterstützt den Ersatz der direkten Preiskontrolle durch die Überwachung der Gesundheitsausgaben und möchte die Kommission dazu ermutigen, die Debatte über Möglichkeiten anzuregen, wie dies erreicht werden kann. In diesem Kontext sollte es möglich sein, die Aufgabe der Preiskontrollen für Hersteller von Arzneimitteln zu erwägen, die nicht im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherungssysteme erstattet werden. |
4.6 Wettbewerbsfähiger Generikamarkt
4.6.1 |
Der Ausschuss stimmt zu, dass generische Arzneimittel eine wichtige Rolle bei der Eindämmung der Gesundheitsversorgungskosten spielen und dabei zu einer verbesserten Nachhaltigkeit der Finanzierung der Gesundheitsversorgung beitragen; die Verwendung von Generika muss jedoch von der Entwicklung innovativer Arzneimittel begleitet werden, damit die Industrie auch weiterhin dynamisch bleibt und die Patienten eine größere Auswahl haben. |
4.6.2 |
Der Ausschuss befürwortet die Festlegung einer eindeutigeren Gemeinschaftsdefinition von Generika, insbesondere die Notwendigkeit, den Rechten am geistigen Eigentum vor dem Hintergrund der Erweiterung Rechnung zu tragen. |
4.7 Wettbewerbsfähiger Markt für rezeptfreie Arzneimittel
4.7.1 |
Es wird zwar anerkannt, dass rezeptfreie Arzneimittel, die ohne ärztliche Verschreibung in Apotheken oder im allgemeinen Einzelhandel erhältlich sind, den Vorteil haben, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt stärken und besser zugänglich sind, da vorher kein Arzt konsultiert werden muss. Der Ausschuss hält es jedoch für wichtig sicherzustellen, dass diese Arzneimittel unter absolut sicheren Bedingungen verwendet werden. |
4.7.2 |
Die Produktpalette, die in den Mitgliedstaaten als rezeptfrei eingestuft ist, ist inkonsistent, und der Ausschuss unterstützt die Vorschläge, dass eine größere Konsistenz der Einstufungsentscheidungen der Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarktes gewährleistet werden sollte. |
4.7.3 |
Daneben unterstützt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, dass in den Mitgliedstaaten, die eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit mit Sicherheit ausschließen können, derselbe Markenname sowohl für rezeptpflichtige als auch für rezeptfreie Arzneimittel verwendet werden sollte. |
4.7.4 |
Der Ausschuss wiederholt jedoch die Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit von rezeptfreien oralen Antibiotika, Virusmitteln oder Fungiziden, deren Abgabestatus auf die Rezeptpflicht beschränkt werden sollte. Werden solche Arzneimittel für triviale Indikationen oder auf unangemessene Weise eingesetzt, so besteht das Risiko, dass weiter reichende Probleme der Resistenz entstehen, die bei einer nachfolgenden Krankheit, insbesondere einer schwereren Infektion, zum Tragen kommen würden. Es ist deshalb wichtig, dass diese Arzneimittel im Zusammenhang mit allgemeineren Aspekten der öffentlichen Gesundheit betrachtet werden und ihre Verwendung über die Rezeptpflicht gesteuert wird. Ganz besonders wichtig ist, dass den Patienten präzise und leicht verständliche Informationen an die Hand gegeben werden und die Verwendung solcher rezeptpflichtiger Arzneimittel überwacht wird und in künftige Forschungsarbeiten einfließt. |
4.8 Stärkung der wissenschaftlichen Grundlagen der EU
4.8.1 |
Der Ausschuss erkennt an, wie wichtig die Stärkung und Förderung einer dynamischen Basis für Forschung und Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie ist, die sich sowohl aus der Industrie als auch aus verwandten wissenschaftlichen Einrichtungen speist. |
4.8.2 |
Der Ausschuss unterstützt das Ziel der Schaffung virtueller Gesundheitsinstitute zur Anregung und Organisation der Gesundheits- und Biotechnologieforschung in Europa, damit Forscher mit gemeinsamen Forschungsschwerpunkten zusammengebracht werden können. Nach Auffassung des Ausschusses sollte eine kohärente Struktur geschaffen werden, um das Wissen und die Sachkenntnis von Fachkräften mit geeigneten Methoden der Verbreitung zu kombinieren, wenn Europa die wissenschaftliche Kompetenz seiner Fachkräfte beibehalten und in den Bereichen FuE und Innovation ernst zu nehmender Konkurrent der USA sein will. Das 6. Forschungsrahmenprogramm ist hier ein willkommener erster Schritt. |
4.8.3 |
In einer früheren Stellungnahme unterstützte der Ausschuss die Einführung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen (12), um die wissenschaftliche Basis der öffentlichen Gesundheit in Europa zu stärken. |
4.8.4 |
Im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Forschung und Innovation möchte der Ausschuss hervorheben, dass es neue Investitionsquellen zu ermitteln gilt. Zu diesem Zweck begrüßt er den Vorschlag, verschiedene Ideen zur Finanzierung von Forschungsvorhaben, wie Risikokapital, zinsgünstige Darlehen, Steuergutschriften, Absatzgarantien und die Erweiterung des Patentschutzes/Alleinvertriebsrechts zu prüfen. Es ist wichtig, dass die Synergie zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie stärker anerkannt und genutzt wird. |
4.9 Forschungsanreize
4.9.1 |
Der Ausschuss begrüßt die Richtlinie über klinische Prüfungen (13), in der betont wird, dass der Schutz der Teilnehmer von allergrößter Bedeutung für die Planung von klinischen Prüfungen ist. In der Richtlinie wird auch auf die Notwendigkeit verwiesen, die Verwaltungsvorschriften über diese Prüfungen zu vereinfachen und zu harmonisieren, um eine bessere Koordinierung der Prüfungen innerhalb der Union zu ermöglichen. Die Bestimmung zur Schaffung einer europäischen Datenbank für klinische Studien wird ebenfalls begrüßt. |
4.9.2 |
Der Ausschuss möchte unterstreichen, dass wirkliche Innovation auch von kleinen, individuellen Unternehmen bzw. von Einzelpersonen mit einer „zündenden Idee“ ausgeht. Es besteht das Risiko, dass die komplexen Verwaltungsverfahren innerhalb der EU und den Mitgliedstaaten oder das Erfordernis innerhalb größerer Unternehmen, eine Auswahl an Forschungsprojekten zu treffen, die gleichzeitig behandelt werden können, das Aufkeimen innovativer Ideen aus diesem Reservoir verhindern. Es muss dafür gesorgt werden, dass dieses Potenzial entsprechend unterstützt und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen gefördert wird, damit solche Ideen in neue Behandlungsformen münden können, die die Marktfähigkeit erreichen. |
4.9.3 |
Im Vergleich zu den USA richten die EU und auf nationaler Ebene ihre Mitgliedstaaten den Blick häufig darauf, „ein Scheitern zu verhindern“, anstatt Risiken einzugehen, um zum Erfolg zu gelangen, und dabei unter Umständen auch Misserfolge in Kauf zu nehmen. Hier wäre es angebracht, sich weiter vorzuwagen. Der Ausschuss unterstützt die rasche Umsetzung der Richtlinie über den Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen durch die Mitgliedstaaten, da die Nichtübereinstimmung die Entwicklung der europäischen Biotechnologieindustrie behindern wird. |
4.9.4 |
Der Ausschuss unterstützt ferner die Verabschiedung der Rechtsvorschriften zum Gemeinschaftspatent; dadurch werden die in den einzelnen Mitgliedstaaten anfallenden Kosten reduziert. |
4.9.5 |
Der Ausschuss betont, dass derzeit 40-50 % der bei Kindern eingesetzten Arzneimittel nicht für Kinder zugelassen sind und keine Zulassung für die pädiatrische Anwendung beantragt wurde. Der Ausschuss empfiehlt, gezielte Forschungsarbeiten zur Festsetzung angemessener Arzneimitteldosen für Kinder, ältere Mensche, Männer und Frauen durchzuführen. Das zentrale Problem ist die angemessene sichere und wirksame Dosis eines Arzneimittels für die jeweilige Situation. |
4.9.6 |
Die richtige Dosierung ist besonders für ältere Menschen von Belang, die unter Umständen mehrere verschiedene Medikamente für unterschiedliche Indikationen einnehmen müssen und gleichzeitig unter leichter Organinsuffizienz (z.B. der Nieren oder Leber) leiden; es stellt sich daher die Frage, inwiefern eine Medikation im Verhältnis zu einer für andere Leiden verschriebenen angemessen ist. |
4.9.7 |
Der Ausschuss hebt darüber hinaus hervor, dass es zwar Leiden gibt, die in Europa derzeit sehr selten vorkommen, in Entwicklungsländern aber durchaus verbreitet sein können, und dass die Zunahme der Reisebewegungen in Kombination mit der globalen Erwärmung dazu führen könnte, dass einige seltene Leiden („orphan diseases“) (14) immer häufiger auftreten und sich immer schwerer eindämmen lassen. |
4.10 Arzneimittel in einem erweiterten Europa
4.10.1 |
Der Ausschuss teilt die Auffassung, dass eine der großen Herausforderungen die Integration der Wirtschafts- und Gesundheitsversorgungssysteme der neuen Mitgliedstaaten in die bestehende Union sein wird. Den meisten der beitretenden Länder stehen weniger Mittel in der Gesundheitsversorgung zur Verfügung als den derzeitigen Mitgliedstaaten, und deshalb sind die Verfügbarkeit und die Erschwinglichkeit von Arzneimitteln im Kontext ihrer Gesundheitsversorgungssysteme von großer Bedeutung. Dies muss vor dem Hintergrund steigender Gesundheitsversorgungskosten, einer alternden Bevölkerung und einem neuen Bedarf an sozialen und Gesundheitsversorgungsleistungen gesehen werden. |
4.10.2 |
Die Herausforderung wird auch darin bestehen, die Rechte an geistigem Eigentum zu harmonisieren, die beträchtliche Preisunterschiede verursachen und folglich Anlass zu verstärkten Parallelimporten sind. Hierzu kommt es, wenn es systematische Preisdifferenzen zwischen den Mitgliedstaaten gibt. Dann können andere Einzelpersonen oder Organisationen als der Zulassungsinhaber ein Arzneimittel in großen Mengen in einem weniger teuren Land kaufen, es in ein teureres Land importieren und mit einer Gewinnspanne verkaufen, die sich einzig und allein aus der Preisdifferenz ergibt. Der Ausschuss unterstützt die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems im Wege einer Vorschrift, den Zulassungsinhaber, die zuständige Behörde des Mitgliedstaats und die EMEA von einer Absicht in Kenntnis zu setzen, Parallelimporte in einen bestimmten Mitgliedstaat vorzunehmen. |
4.10.3 |
Die rechtliche Verantwortung für die Durchsetzung des Rechts am geistigen Eigentum wird jedoch weiterhin dem Patentinhaber obliegen. |
4.10.4 |
Der Ausschuss begrüßt die von der Kommission unternommenen Schritte, um zu gewährleisten, dass die neuen Mitgliedstaaten die Gelegenheit haben, einen Dialog bezüglich etwaiger Schwierigkeiten zu führen, auf die sie bei der Übernahme des Arzneimittelrechts sowohl vor als auch nach dem Beitritt stoßen könnten. |
4.11 Voneinander lernen
4.11.1 |
Grundlegende Voraussetzung für Fortschritte bei der Entwicklung des pharmazeutischen Sektors in Europa ist die Fähigkeit, voneinander zu lernen. Der Ausschuss befürwortet daher den Vorschlag der Kommission zur Aufstellung einer Reihe von EU-Indikatoren sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie als auch für die Ziele der öffentlichen Gesundheit. Der Ausschuss begrüßt denn auch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Entwicklung dieser Indikatoren. |
4.11.2 |
Die Indikatoren werden sowohl die Leistung des Arzneimittels als auch die der bereitgestellten Gesundheitsleistungen neben folgenden Faktoren umfassen müssen:
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5. Schlussfolgerungen
5.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Mitteilung der Kommission über die Stärkung der pharmazeutischen Industrie Europas zum Wohl der Patienten und unterstützt das darin erläuterte umfassende Programm. Er erkennt an, dass die Mitteilung ehrgeizige Ziele enthält und es eine Herausforderung sein wird, diese zu erfüllen. |
5.2 |
Der Ausschuss ist zwar der Auffassung, dass die Mitteilung ihren Zielen gerecht wird, nämlich den Nutzen für die Patienten abzuwägen, die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben, Schritte zur Stärkung der wissenschaftlichen Grundlagen der EU zu ergreifen, der erweiterten Europäischen Union Rechnung zu tragen sowie zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten voneinander lernen; allerdings sollten dabei die folgenden Bemerkungen beherzigt werden. |
5.3 |
Der Ausschuss betont, dass die Pharmaindustrie aufgrund der Tatsache, dass sie von der Entscheidungsfindung von 25 einzelstaatlichen Regierungen abhängt, verglichen mit dem einheitlichen Vorgehen in Bezug auf Forschung, Innovation, Inverkehrbringen und Preisfestlegung, das in den USA oder Japan möglich ist, schwächer erscheint. Es wird unterstrichen, dass der Prozess, der mit den G-10-Empfehlungen zur Vollendung eines echten Binnenmarktes begann, weiter fortgeführt und die Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgungssysteme und die öffentliche Gesundheit in den Mitgliedstaaten im Rahmen des vorgeschlagenen Benchmarking geprüft werden sollten. |
5.4 |
Der Ausschuss weist auf die zahlreichen Bewertungen, Dokumente und politischen Vorschläge hin, die in den letzten Jahren in Bezug auf den pharmazeutischen Sektor erarbeitet wurden, und äußert seine Besorgnis darüber, wie im Gefolge der Empfehlungen der G10-Arzneimittelgruppe, der Mitteilung und den vom Rat eingegangenen Verpflichtungen raschere Fortschritte erwirkt werden können. |
5.5 |
Der Ausschuss erkennt die Schwierigkeiten an, angesichts der Komplexität des Sektors, seiner Abhängigkeit von einzelstaatlichen Zuständigkeiten und seinem Eingebundensein in verschiedenartige Gesundheitssysteme einen integrierten Binnenmarkt für den pharmazeutischen Sektor zu verwirklichen. Er hebt jedoch hervor, wie wichtig es ist, klare Strategien zur Erreichung dieses Ziels einzusetzen. |
5.6 |
Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, Leistungsindikatoren für die Bewertung und Überwachung des Fortschritts in der Pharmaindustrie festzulegen, und unterstreicht erneut, wie wichtig es ist, konsistente statistische Daten und Belege zu erheben, anhand derer der Verlauf des in der Mitteilung dargelegten Programms beurteilt werden kann. |
5.7 |
Der Ausschuss betont erneut, dass er großen Wert auf den Schutz der menschlichen Gesundheit legt und dieser in allen anderen Regelungsbereichen Vorrang haben muss. |
5.8 |
Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag zur Entwicklung eines Gütesiegels zur Festlegung von Qualitätskriterien für Websites im Gesundheitswesen und alle andere Arten von Informationen und weist darauf hin, wie wichtig es ist, Menschen dazu ermutigen, die Fachkräfte des Gesundheitswesens um Rat zu ersuchen. |
5.9 |
Der Ausschuss unterstützt ein wirkungsvolles Pharmakovigilanzsystem, das weiter gestärkt werden muss, und fordert, eine effizientere Nutzung epidemiologischer Studien zu integrieren. |
5.10 |
Nach Auffassung des Ausschusses besteht eine wirkliche Chance, ein besser koordiniertes Konzept für die Forschungsagenda mit einfacheren und besser harmonisierten Verwaltungsverfahren zu entwickeln. Das Potenzial für neue Investitionsquellen, darunter Risikokapital, zinsgünstige Darlehen und Steuergutschriften, wird begrüßt und sollte dringend weiterverfolgt werden. |
5.11 |
Der Ausschuss empfiehlt, den Dialog fortzuführen und die Systeme zu vereinfachen, um Innovation und Kenntnisaustausch zu erleichtern und so zum einen die Industrie zu stärken und zum anderen das Qualifizierungs- und Beschäftigungspotenzial einer wettbewerbsfähigen Pharmaindustrie zu festigen und zu fördern. |
5.12 |
Der Ausschuss empfiehlt darüber hinaus Investitionen durch die EU und ihre Mitgliedstaaten, um europäische Spitzenforschungsnetze zu schaffen und eine Finanzierung über einen ausreichend langen Zeitraum zu sichern, so dass durch ein hohes Maß an Stabilität und Sicherheit eine kontinuierliche, innovationsfreundliche Forschungsteamarbeit ermöglicht wird. |
Brüssel, den 2. Juni 2004
Der Präsident
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Roger BRIESCH
(1) Enterprise Papers Nr. 1/2001.
(2) Aus dem Bericht der Arbeitsgruppe für Arzneimittel und öffentliche Gesundheit.
(3) Schlussfolgerungen des Rates (Binnenmarkt) vom 18. Mai 1998.
(4) Hochrangige Gruppe der Europäischen Kommission „Innovation und Bereitstellung von Arzneimitteln“: Empfehlungen für Maßnahmen. Bericht der G-10-Arzneimittelgruppe, 7. Mai 2002.
(5) Entschließung des Rates vom 2. Dezember 2003.
(6) Stellungnahme des EWSA zu dem Vorschlag für eine Verordnung, ABl. C 61/1 vom 14.3.2003.
(7) Stellungnahme des EWSA zu dem Vorschlag für eine Verordnung, ABl. C 116/18 vom 20.4.2001.
(8) ebd.
(9) ebd.
(10) „Benchmarking Pharmaceutical Expenditure“, Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen, 2001.
(11) Richtlinie des Rates 89/105/EWG, ABl. L 40 vom 11.2.1989.
(12) Stellungnahme des EWSA: Europäisches Zentrum für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen, Berichterstatter: Herr Bedossa (ABl. C 32 vom 5.2.2004).
(13) Richtlinie 2001/20/EG, ABl. L 121 vom 1.5.2001.
(14) Eine „orphan disease“ ist eine Erkrankung, die in Europa sehr selten auftritt, weltweiter aber zu den häufigsten Krankheiten zählen kann, die in tropischen Ländern, in denen große Armut herrscht, weit verbreitet — wenn nicht sogar ausschließlich auf diese beschränkt — sind. Für solche Leiden existiert kein gut entwickelter Markt für Arzneimittel zu wettbewerbsfähigen Preisen; daher auch die geringen Investitionen der Pharmaindustrie in die Bekämpfung dieser Krankheiten, z.B. Malaria, Schistosomiasis und Lepra.