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Document 62023CJ0183

Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 11. April 2024.
Credit Agricole Bank Polska SA gegen AB.
Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy dla Warszawy - Śródmieścia w Warszawie.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Art. 6 Abs. 1 – Anwendungsbereich – Vertrag, den ein Verbraucher, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, mit einer Bank mit Sitz in einem Mitgliedstaat geschlossen hat – Klage gegen diesen Verbraucher – Gericht des letzten bekannten Wohnsitzes dieses Verbrauchers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats.
Rechtssache C-183/23.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:297

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

11. April 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Art. 6 Abs. 1 – Anwendungsbereich – Vertrag, den ein Verbraucher, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, mit einer Bank mit Sitz in einem Mitgliedstaat geschlossen hat – Klage gegen diesen Verbraucher – Gericht des letzten bekannten Wohnsitzes dieses Verbrauchers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“

In der Rechtssache C‑183/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen) mit Entscheidung vom 27. Februar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 22. März 2023, in dem Verfahren

Credit Agricole Bank Polska S.A.

gegen

AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin), des Richters J.‑C. Bonichot und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und M. Hellmann als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und S. Noë als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Credit Agricole Bank Polska S.A. mit Sitz in Polen und AB, einem Verbraucher, dessen aktuelle Anschrift unbekannt ist, wegen der Zahlung eines Geldbetrags, den diese Bank aufgrund eines Verbraucherkreditvertrags von AB fordert.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 6, 15 und 18 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(6)

Um den angestrebten freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu verwirklichen, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Unionsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.

(15)

Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. …

(18)

Bei Versicherungs‑, Verbraucher- und Arbeitsverträgen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

4

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

5

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“

6

In Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1, des Artikels 21 Absatz 2 und der Artikel 24 und 25 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht.“

7

Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Artikels 7 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

a)

wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,

b)

wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder

c)

in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“

8

Art. 18 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht vor:

„(1)   Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

(2)   Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.“

9

Art. 26 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„(1)   Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Artikels 24 ausschließlich zuständig ist.

(2)   In Streitigkeiten nach den Abschnitten 3, 4 oder 5, in denen der Beklagte Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter eines Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, stellt das Gericht, bevor es sich nach Absatz 1 für zuständig erklärt, sicher, dass der Beklagte über sein Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen der Einlassung oder Nichteinlassung auf das Verfahren belehrt wird.“

10

In Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(1)   Lässt sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und der vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verklagt wird, auf das Verfahren nicht ein, so hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach dieser Verordnung begründet ist.

(2)   Das Gericht hat das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind.“

11

Art. 62 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„(1)   Ist zu entscheiden, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, so wendet das Gericht sein Recht an.

(2)   Hat eine Partei keinen Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Gerichte angerufen sind, so wendet das Gericht, wenn es zu entscheiden hat, ob die Partei einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, das Recht dieses Mitgliedstaats an.“

Polnisches Recht

12

In Art. 144 § 1 der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. Nr. 43, Pos. 296) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung) heißt es:

„Der vorsitzende Richter bestellt einen Prozesspfleger, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass der Aufenthaltsort der Partei unbekannt ist. …“

13

Art. 69 § 3 der Zivilprozessordnung, der auf den nach Art. 144 der Zivilprozessordnung bestellten Prozesspfleger entsprechend anwendbar ist, bestimmt:

„Der nach § 1 bestellte Prozesspfleger ist befugt, alle Handlungen im Zusammenhang mit der betreffenden Rechtssache vorzunehmen.“

14

Art. 1391 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„§ 1.   Hat der Beklagte trotz einer erneuten Benachrichtigung nach Art. 139 § 1 Satz 2 die Klage oder ein anderes Verfahrensschriftstück, aus dem sich die Notwendigkeit, seine Rechte zu verteidigen, ergibt, nicht abgeholt und ist ihm in der Rechtssache vorher kein Schriftstück nach Maßgabe der vorstehenden Artikel zugestellt worden und ist Art. 139 §§ 2 bis 31 oder eine andere besondere, die Wirkung einer Zustellung vorsehende Vorschrift nicht anwendbar, so setzt der vorsitzende Richter den Kläger davon in Kenntnis und übermittelt ihm eine Abschrift des an den Beklagten gerichteten Schriftstücks; er gibt dem Kläger auf, dieses Schriftstück dem Beklagten durch einen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen.

§ 2.   Der Kläger hat binnen zwei Monaten nach Zustellung der Verpflichtung nach § 1 entweder eine Bestätigung der Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten durch einen Gerichtsvollzieher zu den Akten zu reichen oder das Schriftstück zurückzusenden und die aktuelle Anschrift des Beklagten anzugeben oder nachzuweisen, dass der Beklagte sich unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift aufhält. Nach erfolglosem Ablauf der Frist findet Art. 177 § 1 Nr. 6 Anwendung.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15

Mit einer am 22. Dezember 2021 beim Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen), dem vorlegenden Gericht, erhobenen Klage begehrt die Credit Agricole Bank Polska, AB, einen Drittstaatsangehörigen, der Verbraucher ist, dazu zu verurteilen, an sie einen Geldbetrag in Höhe von 10591,64 Złoty (PLN) (etwa 2250 Euro) zuzüglich aufgelaufener Zinsen sowie Prozesskosten zu zahlen.

16

Diese Klage ist auf einen Verbraucherkreditvertrag gestützt, der am 16. Juli 2020 zwischen der Klägerin und dem Beklagten des Ausgangsverfahrens über den Kauf eines Mobiltelefons durch den Beklagten des Ausgangsverfahrens geschlossen wurde. Die in der Klageschrift angegebene Anschrift dieses Beklagten entsprach der in diesem Vertrag genannten Anschrift.

17

Am 30. März 2022 erließ der Rechtspfleger beim vorlegenden Gericht (im Folgenden: Rechtspfleger) einen Zahlungsbefehl gegen AB, mit dem er diesen aufforderte, an die Klägerin des Ausgangsverfahrens 10591,64 PLN zuzüglich der vertraglichen Verzugszinsen sowie die Prozesskosten zuzüglich der gesetzlichen, ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft dieses Zahlungsbefehls bis zum Zeitpunkt der geforderten Zahlung berechneten Verzugszinsen zu zahlen.

18

Eine Kopie der Klageschrift und des Zahlungsbefehls sowie weitere Informationen für den Beklagten des Ausgangsverfahrens wurden per Post an die in der Klageschrift angegebene Anschrift des Beklagten geschickt. Am 5. Mai 2022 ging dieses Schreiben zurück, da es vom Adressaten nicht abgeholt worden war.

19

Der Rechtspfleger beauftragte den Bevollmächtigten der Klägerin des Ausgangsverfahrens unter Androhung der Aussetzung des Verfahrens, dem Beklagten des Ausgangsverfahrens im Einklang mit dem polnischen Recht eine Kopie der Klageschrift und des Zahlungsbefehls über einen Gerichtsvollzieher zuzustellen. Mit Schreiben vom 15. September 2022 teilte dieser Bevollmächtigte dem vorlegenden Gericht mit, dass die betreffende Zustellung nicht erfolgreich gewesen sei, da der Beklagte unter der angegebenen Anschrift nicht bekannt sei.

20

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 bestellte der Rechtspfleger zugunsten dieses Beklagten einen Prozesspfleger.

21

Am 26. Oktober 2022 legte dieser Prozesspfleger Widerspruch gegen den am 30. März 2022 erlassenen Zahlungsbefehl mit der Begründung ein, die Klägerin des Ausgangsverfahrens habe nicht nachgewiesen, dass sie Gläubigerin des Betrags in der Höhe sei, die sie in ihren Forderungen geltend gemacht habe. Der Prozesspfleger wies auch darauf hin, dass er nicht in der Lage sei, den Aufenthaltsort des Beklagten des Ausgangsverfahrens festzustellen, erhob aber keine Einrede hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nach den Art. 17 und 18 der Verordnung Nr. 1215/2012.

22

Die Schritte, die das vorlegende Gericht, der Bevollmächtigte der Klägerin des Ausgangsverfahrens und der Prozesspfleger des Beklagten des Ausgangsverfahrens unternommen hatten, ermöglichten es nicht, dessen Aufenthaltsort oder Wohnsitz zu ermitteln. Sie ließen lediglich die Feststellung zu, dass der Beklagte am 29. September 2017 nach Polen eingereist war, dass er unter der Anschrift, unter der er in diesem Mitgliedstaat gemeldet war, im Jahr 2018 nicht mehr erreichbar war und dass er zum Zeitpunkt der insoweit durchgeführten Überprüfungen nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats in Haft war.

23

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist es nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens das polnische Hoheitsgebiet verlassen habe, ohne dass dieser Umstand mit Sicherheit festgestellt werden könne, da an bestimmten Landgrenzen der Republik Polen keine Kontrollen durchgeführt würden.

24

Das vorlegende Gericht fragt sich zunächst, ob es im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 verpflichtet sei, seine Zuständigkeit nach seinem innerstaatlichen Recht oder den in dieser Verordnung festgelegten einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften zu begründen.

25

Aus der Rechtsprechung, die auf die Urteile vom 17. November 2011, Hypoteční banka (C‑327/10, EU:C:2011:745), und vom 15 März 2012, G (C‑292/10, EU:C:2012:142), zurückgehe, ergebe sich, dass die Anwendung der innerstaatlichen anstelle der einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften nur dann zulässig sei, wenn das angerufene Gericht über beweiskräftige Indizien verfüge, die den Schluss zuließen, dass der Beklagte, ein Unionsbürger, der im Mitgliedstaat dieses Gerichts keinen Wohnsitz habe, einen solchen tatsächlich außerhalb des Gebiets der Europäischen Union habe.

26

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob diese Rechtsprechung auch auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens anzuwenden sei, in der der betroffene Beklagte eine Person sei, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitze, aber wahrscheinlich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohne Es weist darauf hin, dass die Achtung des im Unionsrecht verankerten Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, insbesondere wenn es sich um Verbraucher handele, für eine Bejahung dieser Frage sprechen könnte.

27

Das vorlegende Gericht fragt sich sodann, ob im Hinblick auf Art. 26 der Verordnung Nr. 1215/2012 davon ausgegangen werden könne, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens sich auf das Verfahren eingelassen und folglich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts anerkannt habe, wenn das Verfahren in Anwesenheit des Prozesspflegers dieses Beklagten stattfinde.

28

Das vorlegende Gericht führt aus, dass das Rechtsinstitut des curator absentis das Recht eines Klägers auf ein Gericht gewährleisten solle, der aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht in der Lage sei, den Wohnsitz des betreffenden Beklagten festzustellen. Wie sich aus der Rechtsprechung aus den Urteilen vom 2. April 2009, Gambazzi (C‑394/07, EU:C:2009:219), und vom 17. November 2011, Hypoteční banka (C‑327/10, EU:C:2011:745), ergebe, beeinträchtige die Möglichkeit, das Verfahren ohne Wissen des Beklagten – wie im Ausgangsverfahren – mittels der Zustellung der Klage an einen vom angerufenen Gericht bestellten Prozesspfleger fortzusetzen, zwar die Verteidigungsrechte dieses Beklagten, eine solche Beeinträchtigung sei jedoch im Hinblick auf das Recht des Klägers auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerechtfertigt.

29

Das vorlegende Gericht hegt jedoch Zweifel daran, ob es möglich sei, dass der Prozesspfleger eines abwesenden Verbrauchers, dessen Aufenthaltsort unbekannt sei, die Zuständigkeit eines Gerichts, das nach der Verordnung Nr. 1215/2012 in Wirklichkeit nicht zuständig sei, durch Einlassung vor diesem Gericht anerkenne.

30

Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich das Ausgangsverfahren von jenem Ausgangsverfahren unterscheide, in dem das Urteil vom 10. Oktober 1996, Hendrikman und Feyen (C‑78/95, EU:C:1996:380), ergangen sei und in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Einlassung eines rechtswidrig bestellten Vertreters auf das Verfahren für einen Beklagten nicht als Einlassung dieses Beklagten angesehen werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Prozesspfleger des Beklagten des Ausgangsverfahrens nämlich im Einklang mit dem polnischen Recht bestellt worden, da dieser Prozesspfleger dazu befugt gewesen sei, alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren im Namen der Person vorzunehmen, deren Aufenthaltsort während des Verfahrens unbekannt geblieben sei.

31

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts folgt aus Art. 26 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, dass es für die Annahme, dass ein Verbraucher die Zuständigkeit eines Gerichts anerkannt habe, die sich nicht aus dieser Verordnung, insbesondere aus deren Art. 18 Abs. 2, ergebe, notwendig sei, dass dieser Verbraucher über sein Recht, die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen seiner Einlassung oder Nichteinlassung vor diesem Gericht belehrt werde. Davon auszugehen, dass diese Belehrung durch die Belehrung des Vertreters dieses Verbrauchers ersetzt werde könnte, würde daher das durch Art. 26 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 hauptsächlich verfolgte Ziel, diesen Verbraucher zu schützen, missachten.

32

Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen, dass die Vorschriften dieser Verordnung auf die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit für eine Klage gegen einen Verbraucher anwendbar sind, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und von dem zum einen bekannt ist, dass er seinen letzten bekannten Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat hatte, und bei dem zum anderen zuverlässige Anhaltspunkte vorliegen, die vermuten lassen, dass er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats keinen Wohnsitz mehr hat, aber keine zuverlässigen Anhaltspunkte, die vermuten lassen, dass er das Gebiet der Union verlassen hat und in den Staat zurückgekehrt ist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt?

2.

Ist Art. 26 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen, dass die Einlassung eines im Einklang mit dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats bestellten Prozesspflegers, der diesen Verbraucher, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist, vertritt, die Einlassung dieses Verbrauchers ersetzt und die Annahme der Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats begründet, obwohl es zuverlässige Anhaltspunkte gibt, die vermuten lassen, dass der Verbraucher im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats keinen Wohnsitz mehr hat?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

33

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) aufgehoben und ersetzt hat, die ihrerseits das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen ersetzt hatte, die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Bestimmungen der letztgenannten Rechtsinstrumente auch für die Auslegung der Verordnung Nr. 1215/2012 gilt, soweit die betreffenden Bestimmungen als „gleichwertig“ angesehen werden können (Urteil vom 9. Juli 2020, Verein für Konsumenteninformation,C‑343/19, EU:C:2020:534, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Zweitens ist zu konstatieren, dass sich das vorlegende Gericht sowohl in der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens als auch in den Vorlagefragen selbst alternativ auf den Aufenthaltsort und den Wohnsitz des Beklagten des Ausgangsverfahrens bezieht.

35

Es ist allerdings festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1215/2012 nur auf den Begriff des „Wohnsitzes“ des Beklagten Bezug nimmt, der das allgemeine Anknüpfungskriterium darstellt, das es ermöglicht, die internationale Zuständigkeit eines Gerichts gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung zu begründen.

36

Wie sich insoweit ausdrücklich aus dem Bericht von Herrn Jenard zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1979, C 59, S. 1) ergibt, dessen Ausführungen zur Bestimmung des Wohnsitzes auch für die Auslegung der Verordnung Nr. 1215/2012 gelten, wurde die Entscheidung des Unionsgesetzgebers, das Kriterium des Wohnsitzes des Beklagten und nicht das seines gewöhnlichen Aufenthalts oder diese beiden Kriterien gleichzeitig anzuwenden, mit der Notwendigkeit begründet, eine Vervielfachung der zuständigen Gerichte zu vermeiden.

37

Ebenso wie das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in geänderter Fassung und die Verordnung Nr. 44/2001 definiert auch die Verordnung Nr. 1215/2012 diesen Begriff des „Wohnsitzes“ nicht. So verweist Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 für die Feststellung, ob eine Partei einen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hat, auf das Recht des Mitgliedstaats, dessen Gerichte angerufen worden sind. Art. 62 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt: „Hat eine Partei keinen Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Gerichte angerufen sind, so wendet das Gericht, wenn es zu entscheiden hat, ob die Partei einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, das Recht dieses Mitgliedstaats an.“

38

Nach alledem ist es Sache des vorlegenden Gerichts, seine Zuständigkeit für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens unter Berücksichtigung des Begriffs „Wohnsitz“, wie er im polnischen Recht festgelegt ist, festzustellen.

Zur ersten Frage

39

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass, wenn sich der letzte bekannte Wohnsitz eines Beklagten, der Drittstaatsangehöriger und Verbraucher ist, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts befindet und es diesem Gericht nicht gelingt, den gegenwärtigen Wohnsitz dieses Beklagten festzustellen, und es auch nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder außerhalb des Unionsgebiets hat, sich die Zuständigkeit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nach dem Recht des Mitgliedstaats dieses Gerichts bestimmt.

40

Die Verordnung Nr. 1215/2012 bezweckt, die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen durch Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen, die in hohem Maße vorhersehbar sind. Diese Verordnung verfolgt somit einen Zweck der Rechtssicherheit, der darin besteht, den Rechtsschutz der in der Union ansässigen Personen in der Weise zu verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und ein Beklagter vorhersehen kann, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (Urteil vom 4. Oktober 2018, Feniks,C‑337/17, EU:C:2018:805, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt sich, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vorbehaltlich von Art. 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 sowie der Art. 24 und 25 dieser Verordnung die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht.

42

Da Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 es erlaubt, anstelle der in dieser Verordnung festgelegten einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften die Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats anzuwenden, ist die Prämisse, auf der die Anwendung dieser Bestimmung beruht, nämlich das Fehlen eines Wohnsitzes des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, eng auszulegen.

43

Eine solche enge Auslegung ist umso mehr gerechtfertigt, wenn der Beklagte Verbraucher ist und somit gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1215/2012 durch die Einführung einer besonderen Zuständigkeitsregel zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, einen verstärkten Schutz genießt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Verbraucher Gefahr laufen kann, diesen Schutz bei Anwendung der innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften zu verlieren.

44

Aus diesem Grund hat der Gerichtshof, wenn der Wohnsitz eines beklagten Verbrauchers, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, unbekannt ist, entschieden, dass Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, dessen Wortlaut im Wesentlichen dem von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 entspricht, nur dann Anwendung findet, wenn das nationale Gericht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass dieser Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich außerhalb des Unionsgebiets hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. November 2011, Hypoteční banka,C‑327/10, EU:C:2011:745, Rn. 42, und vom 15. März 2012, G,C‑292/10, EU:C:2012:142, Rn. 42).

45

Dagegen hat der Gerichtshof festgestellt, dass, wenn das nationale Gericht nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass der beklagte Verbraucher seinen Wohnsitz tatsächlich außerhalb des Unionsgebiets hat, und es dem Gericht nicht gelingt, den Wohnsitz dieses Verbrauchers zu ermitteln, die besondere Zuständigkeitsregel in Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, jetzt Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, wonach die Klage des anderen Vertragspartners gegen den betreffenden Verbraucher vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden muss, in dessen Hoheitsgebiet dieser Verbraucher seinen Wohnsitz hat, auch für den letzten bekannten Wohnsitz dieses Verbrauchers gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2011, Hypoteční banka,C‑327/10, EU:C:2011:745, Rn. 42).

46

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung auch auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar ist, in der eine Klage gegen einen Verbraucher erhoben wird, der nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, sondern Drittstaatsangehöriger ist und dessen letzter bekannter Wohnsitz sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts befindet, ohne dass sich mit Sicherheit feststellen ließe, dass dieser Verbraucher dieses Hoheitsgebiet in Richtung eines anderen Mitgliedstaats verlassen oder das Unionsgebiet ganz verlassen hat.

47

Hierzu ist anzumerken, dass, wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Verordnung Nr. 1215/2012 auf dem Kriterium des Wohnsitzes des Beklagten und nicht auf dem Kriterium seiner Staatsangehörigkeit beruht. Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt nämlich, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind.

48

Folglich ist die in Rn. 45 des vorliegenden Urteils genannte Zuständigkeitsregel, die auf dem letzten bekannten Wohnsitz des beklagten Verbrauchers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beruht, unabhängig von der Staatsangehörigkeit dieses Verbrauchers anwendbar.

49

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass, wenn sich der letzte bekannte Wohnsitz eines Beklagten, der Drittstaatsangehöriger und Verbraucher ist, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts befindet und es diesem Gericht nicht gelingt, den gegenwärtigen Wohnsitz dieses Beklagten festzustellen, und es auch nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder außerhalb des Gebiets der Europäischen Union hat, sich die Zuständigkeit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht nach dem Recht des Mitgliedstaats dieses Gerichts bestimmt, sondern nach Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung, der dem Gericht die Zuständigkeit für die Entscheidung eines solchen Rechtsstreits zuweist, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der letzte bekannte Wohnsitz dieses Beklagten befindet.

Zur zweiten Frage

50

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 26 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass die Einlassung eines Prozesspflegers vor einem Gericht, der von einem nationalen Gericht zur Vertretung eines beklagten Verbrauchers bestellt wurde, der abwesend ist und dessen gegenwärtiger Wohnsitz unbekannt ist, einer Einlassung dieses Verbrauchers vor diesem Gericht gleichkommt und somit angenommen werden kann, dass dieses Gericht international zuständig ist.

51

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 26 der Verordnung Nr. 1215/2012 zu Abschnitt 7 („Vereinbarung über die Zuständigkeit“) ihres Kapitels II gehört.

52

Art. 26 Abs. 1 dieser Verordnung sieht für alle Rechtsstreitigkeiten, bei denen sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht aus anderen Vorschriften dieser Verordnung ergibt, eine Zuständigkeitsregel vor, die darauf beruht, dass sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt; ausgenommen sind Rechtsstreitigkeiten, die unter eine Regel der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 24 der Verordnung fallen und bei denen die Einlassung des Beklagten keine Zuständigkeitsvereinbarung bewirkt.

53

Art. 26 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 verpflichtet das Gericht, das sich nach Art. 26 Abs. 1 für zuständig hält, bei Versicherungsverträgen, Verbraucherverträgen und individuellen Arbeitsverträgen die schwächere Partei zu informieren, bevor es sich für zuständig erklärt. Wenn ein beklagter Verbraucher sich vor einem anderen Gericht als dem seines Wohnsitzes, das nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 zuständig ist, auf das Verfahren einlässt, muss das angerufene Gericht daher sicherstellen, dass dieser Verbraucher über sein Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen seiner Einlassung belehrt wird.

54

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich die Frage einer Zuständigkeitsvereinbarung durch Einlassung des beklagten Verbrauchers oder gegebenenfalls seines Prozesspflegers auf das Verfahren nur dann stellt, wenn das angerufene Gericht seine Zuständigkeit für die Entscheidung des betreffenden Rechtsstreits nicht aus anderen Bestimmungen als Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ableitet.

55

Wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, leitet das vorlegende Gericht – da es ihm nicht gelingt, den Wohnsitz des betreffenden Verbrauchers zu ermitteln, und da keine beweiskräftigen Indizien dafür vorliegen, dass dieser Verbraucher das Unionsgebiet tatsächlich verlassen hat – als Gericht des letzten bekannten Wohnsitzes dieses Verbrauchers seine Zuständigkeit im vorliegenden Fall aus Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ab.

56

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage folglich nicht beantwortet zu werden.

Kosten

57

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

 

ist dahin auszulegen, dass,

 

wenn sich der letzte bekannte Wohnsitz eines Beklagten, der Drittstaatsangehöriger und Verbraucher ist, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts befindet und es diesem Gericht nicht gelingt, den gegenwärtigen Wohnsitz dieses Beklagten festzustellen, und es auch nicht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz tatsächlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder außerhalb des Gebiets der Europäischen Union hat, sich die Zuständigkeit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht nach dem Recht des Mitgliedstaats dieses Gerichts bestimmt, sondern nach Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung, der dem Gericht die Zuständigkeit für die Entscheidung eines solchen Rechtsstreits zuweist, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der letzte bekannte Wohnsitz dieses Beklagten befindet.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.

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