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Dette dokument er et uddrag fra EUR-Lex

Dokument 62023CC0313

Schlussanträge des Generalanwalts P. Pikamäe vom 4. Oktober 2024.


ECLI-indikator: ECLI:EU:C:2024:859

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 4. Oktober 2024 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑313/23, C‑316/23 und C‑332/23

Inspektorat kam Visshia sadeben savet

(Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad [Rayongericht Sofia, Bulgarien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV – Justizaufsicht mit der Befugnis, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Richter und Staatsanwälte vorzuschlagen – Fortführung des Amtes von Mitgliedern der Justizaufsicht über ihre gesetzlich vorgesehene Amtszeit hinaus – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Begriff des ‚Verantwortlichen‘ – Bestimmung der Zwecke und Mittel der Verarbeitung durch das nationale Recht – Sicherheit personenbezogener Daten – Justizbehörde, die der Justizaufsicht den Zugang zu personenbezogenen Daten über die Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen gestattet“

I. Einführung

1.

Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, sich erstmals dazu zu äußern, ob eine nationale Regelung, die es den Mitgliedern einer Justizaufsichtsbehörde mit disziplinarischen Befugnissen gegenüber Richtern und Staatsanwälten gestattet, ihr Amt de facto und auf unbestimmte Zeit über die gesetzlich festgelegte Dauer ihrer Amtszeit hinaus weiter auszuüben, mit Art. 19 EUV vereinbar ist.

2.

Sie wird dem Gerichtshof auch die Fortführung seiner Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 ( 2 ) ermöglichen, indem er zum einen seine Rechtsprechung zur Benennung des für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlichen im nationalen Recht und zum anderen den Zweck des in Art. 79 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen gerichtlichen Rechtsbehelfs präzisiert.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

3.

In der vorliegenden Rechtssache sind Art. 19 EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie die Art. 4, 5, 32, 33 und 79 DSGVO relevant.

B.   Bulgarisches Recht

1. Bulgarische Verfassung

4.

Art. 117 Abs. 2 der Konstitutsiya na Republika Bulgaria (Verfassung der Republik Bulgarien, im Folgenden: bulgarische Verfassung) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:

„Die Justiz ist unabhängig. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sind Richter, Schöffen, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter nur dem Gesetz unterworfen.“

5.

Art. 132a dieser Verfassung in seiner auf den Ausgangssachverhalt anwendbaren Fassung sieht vor:

„(1)   Beim Obersten Justizrat wird eine Aufsichtsbehörde eingerichtet. Sie besteht aus einem Chefinspektor und zehn Inspektoren.

(2)   Der Chefinspektor wird von der Nationalversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder für einen Zeitraum von fünf Jahren gewählt.

(3)   Die Inspektoren werden von der Nationalversammlung nach dem in Abs. 2 festgelegten Verfahren für einen Zeitraum von vier Jahren gewählt.

(4)   Der Chefinspektor und die Inspektoren können wiedergewählt werden, jedoch nicht für zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten.

(6)   Die Aufsichtsbehörde überwacht die Tätigkeit der Justizbehörden, ohne die Unabhängigkeit der Richter, Schöffen, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter bei der Ausübung ihres Amtes zu beeinträchtigen. Die Aufsichtsbehörde führt Kontrollen durch, die sich beziehen auf[:] die Integrität und Interessenkonflikte von Richtern, Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern, ihre Vermögenserklärungen und die Ermittlung von Handlungen, die den Ruf der Justiz schädigen und mit der Verletzung der Unabhängigkeit von Richtern, Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern verbunden sind. Der Chefinspektor und die Inspektoren sind unabhängig und bei der Ausübung ihres Amtes nur dem Gesetz verpflichtet.

(7)   Die Aufsichtsbehörde handelt von Amts wegen, auf Veranlassung von Bürgern, juristischen Personen und staatlichen Stellen, einschließlich von Richtern, Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern.

(10)   Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Wahl und die Entlassung des Chefinspektors und der Inspektoren sowie die Organisation und die Arbeitsweise der Aufsichtsbehörde werden durch Gesetz festgelegt.“

2. Gerichtsverfassungsgesetz

6.

Art. 46 des Zakon za sadebnata vlast (Gerichtsverfassungsgesetz) (DV Nr. 64 vom 7. August 2007) lautet:

„Die Nationalversammlung wählt den Chefinspektor und jeden der Inspektoren einzeln mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten.“

7.

Art. 54 des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht vor:

„(1)   Die Aufsichtsbehörde

2.

kontrolliert die Organisation der Eröffnung und des Ablaufs von Gerichtsverfahren, von Verfolgungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft und von Ermittlungen sowie den fristgerechten Abschluss von Verfahren;

6.

schlägt Disziplinarmaßnahmen gegenüber Richtern, Staatsanwälten, Ermittlungsrichtern und Verwaltungsbeamten der Justiz vor;

7.

richtet Warnungen, Vorschläge und Berichte an andere staatliche Stellen, einschließlich der Behörden des Justizsystems;

8.

führt Kontrollen durch, die sich beziehen auf[:] die Integrität und Interessenkonflikte von Richtern, Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern, ihre Vermögenserklärungen und die Ermittlung von Handlungen, die den Ruf der Justiz schädigen und mit der Verletzung der Unabhängigkeit von Richtern, Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern verbunden sind;

15.

überwacht die Verarbeitung personenbezogener Daten in den in Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz personenbezogener Daten genannten Fällen.

(2)   Bei der Ausübung der Überwachung nach Abs. 1 Nr. 15 nimmt die Aufsichtsbehörde die Aufgaben und Befugnisse wahr, die im Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten vorgesehen sind.

…“

8.

Art. 175a Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt:

„Richter, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter reichen folgende Erklärungen bei der [Aufsichtsbehörde] ein:

1.

eine zweiteilige Vermögens- und Interessenerklärung;

2.

eine Erklärung über Änderungen der in der Erklärung unter Nr. 1 angegebenen Umstände in dem Abschnitt, der sich auf die in Art. 175b Abs. 1 Nrn. 11 bis 13 genannten Interessen und auf die Herkunft der Mittel im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung von Schulden und Krediten bezieht.

…“

9.

Art. 175b Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes lautet:

„Richter, Staatsanwälte und Ermittlungsrichter geben eine Erklärung über das Vermögen und Einkommen ihres Ehepartners oder der Personen, mit denen sie faktisch als Ehegatten zusammenleben, und ihrer minderjährigen Kinder ab.“

10.

Art. 175e des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt:

„(1)   Innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Erklärung überprüft die [Aufsichtsbehörde] die Richtigkeit der erklärten Tatsachen.

(6)   Die [Aufsichtsbehörde] kann Informationen aus den in den Art. 56 und 56a des Gesetzes über die Kreditinstitute genannten Informationssystemen einholen. Der Chefinspektor und die Inspektoren [der Aufsichtsbehörde] können die Aufhebung des Bankgeheimnisses beim Rayonen sad [(Rayongericht)], in dessen Bezirk die betreffende Person ihren Wohnsitz hat, beantragen, es sei denn, die Zustimmung wurde gemäß Art. 62 Abs. 5 Nr. 1 des Gesetzes über die Kreditinstitute erteilt. Die Zustimmung wird erteilt[:] vor der [Aufsichtsbehörde], schriftlich, ohne notarielle Beglaubigung der Unterschrift, auf einem vom Generalinspektor genehmigten Formular.“

3. Gesetz über die Kreditinstitute

11.

Das Zakon za kreditnite institutsii (Gesetz über die Kreditinstitute) (DV Nr. 59 vom 21. Juli 2006) sieht in Art. 62 in seiner auf den Sachverhalt der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung vor:

„(1)   Bankangestellten, Mitgliedern der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane von Banken, Mitarbeitern der Bulgarischen Nationalbank (BNB), Angestellten und Mitgliedern des Verwaltungsrats des Einlagensicherungsfonds, Liquidatoren, vorläufigen Verwaltern und Treuhändern sowie allen anderen Personen, die für eine Bank arbeiten, ist es untersagt, Informationen, die ein Bankgeheimnis darstellen, zu ihrem persönlichen Vorteil oder zum Vorteil ihrer Familienmitglieder zu offenbaren oder zu verwenden.

(2)   Das Bankgeheimnis bezieht sich auf Tatsachen und Umstände, die die Guthaben und Transaktionen der Konten und Depots der Bankkunden betreffen.

(5)   Außer gegenüber der BNB, für die Zwecke und unter den Voraussetzungen von Art. 56 darf die Bank die in Abs. 2 genannten Informationen über einzelne Kunden nur erteilen

1.

mit deren Zustimmung;

2.

aufgrund einer Entscheidung eines Gerichts gemäß den Abs. 6 und 7;

(6)   Das Gericht kann die Herausgabe der in Abs. 2 genannten Informationen auch auf Antrag der folgenden Personen anordnen:

12.

des Chefinspektors oder eines Inspektors der [Aufsichtsbehörde].

(7)   Der Richter des Rayonen sad [(Rayongericht)] entscheidet über den Antrag nach Abs. 6 spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Eingang des Antrags unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch eine mit Gründen versehene Entscheidung unter Angabe des Zeitraums, auf den sich die in Abs. 1 genannten Informationen beziehen. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

…“

4. Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten

12.

Art. 17 des Zakon za zashtita na lichnite danni (Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten) (DV Nr. 1, 4. Januar 2002) sieht vor:

„(1)   Die [Aufsichtsbehörde] überwacht und kontrolliert die Einhaltung der [DSGVO], dieses Gesetzes und der Rechtsakte zum Schutz personenbezogener Daten bei deren Verarbeitung durch

1.

die Gerichte in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Organe der Rechtspflege und

2.

die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsbehörden in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Organe der Rechtspflege zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung.

…“

13.

Art. 39 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:

„Im Fall einer Verletzung ihrer Rechte nach der [DSGVO] und nach diesem Gesetz kann die betroffene Person die Handlungen und Maßnahmen des für die Verarbeitung Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters vor einem Gericht nach dem in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Verfahren anfechten.“

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14.

Das Inspektorat kam Visshia sadeben savet (Aufsichtsbehörde beim Obersten Justizrat, Bulgarien, im Folgenden: Aufsichtsbehörde) reichte am 15. Mai 2023 beim Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia, Bulgarien) einen Antrag auf Aufhebung des Bankgeheimnisses in Bezug auf das Vermögen mehrerer Richter und Staatsanwälte sowie deren Familienangehörigen ein.

15.

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass erstens zu prüfen sei, ob die Aufsichtsbehörde über die Befugnis verfüge, bei ihm einen Antrag auf Aufhebung des Bankgeheimnisses zu stellen. Hierzu führt es aus, dass diese Behörde, die 2007 durch eine Änderung der bulgarischen Verfassung geschaffen worden sei, aus einem Chefinspektor der Justiz und zehn Inspektoren bestehe, die vom bulgarischen Parlament für eine Amtszeit von fünf bzw. vier Jahren gewählt würden. Im vorliegenden Fall habe die Amtszeit des Chefinspektors und aller Inspektoren im Jahr 2020 geendet, ohne dass das Parlament neue Mitglieder gewählt hätte.

16.

Der Konstitutsionen sad (Verfassungsgericht, Bulgarien) habe mit Urteil vom 27. September 2022 entschieden, dass, wenn die Amtszeit der Mitglieder der Aufsichtsbehörde ablaufe, diese ihre Tätigkeit nicht einstellten, bis neue Mitglieder gewählt seien. Vor diesem Hintergrund möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verlängerung der Amtszeit dieser Mitglieder die Unabhängigkeit dieser Behörde mit Blick auf das Unionsrecht beeinträchtigen kann, da sie befugt ist, Disziplinarverfahren gegen Richter einzuleiten. Für den Fall, dass dies bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht die Kriterien erfahren, anhand derer bestimmt werden kann, ob eine solche Verlängerung zulässig ist.

17.

Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Rolle und welche Pflichten die nationalen Gerichte haben, die gegenüber der Aufsichtsbehörde den Zugang zu den personenbezogenen Daten von Richtern und Staatsanwälten genehmigen.

18.

Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, dass im Jahr 2019 personenbezogene Daten betreffend die Adresse mehrerer Richter und Staatsanwälte und die Identität ihrer Familienmitglieder auf der Website der Aufsichtsbehörde veröffentlicht worden seien. Nachdem die Komisia za zashtita na lichnite danni (Kommission für den Schutz personenbezogener Daten, Bulgarien) festgestellt habe, dass diese Daten unrechtmäßig veröffentlicht worden seien, habe sie gegen die Aufsichtsbehörde ein Bußgeld verhängt.

19.

In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht, ob es unter der Annahme, dass die DSGVO anwendbar ist, als Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 dieser Verordnung einzustufen ist. Das vorlegende Gericht weist insbesondere darauf hin, dass nach der in Bulgarien vorherrschenden Auslegung des nationalen Rechts seine Kontrolle darauf beschränkt sei, festzustellen, ob die Personen, deren Aufhebung des Bankgeheimnisses beantragt werde, der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Erklärungspflicht unterlägen. Es betont, dass, wenn die Einstufung als Verantwortlicher auf das mit einem solchen Antrag befasste Gericht angewandt würde, dieses die Datensicherheit gemäß den Art. 32 bis 34 DSGVO gewährleisten müsste.

20.

Des Weiteren möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Justizbehörde, die einer staatlichen Einrichtung Zugang zu Daten gewährt, die unter das Bankgeheimnis fallen, als Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 51 DSGVO angesehen werden kann.

21.

Schließlich ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zu klären, ob sich das Gericht, bevor es den Datenzugriff genehmigt, davon überzeugen muss, dass die von der Aufsichtsbehörde getroffenen Maßnahmen ausreichen, um eine gesetzeskonforme Datenverarbeitung sicherzustellen. Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob es unabhängig von seiner Einstufung als Verantwortlicher oder als Aufsichtsbehörde verpflichtet ist, solche Kontrollen von Amts wegen durchzuführen, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gemäß Art. 79 DSGVO zu gewährleisten.

22.

Unter diesen Umständen hat der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass es an sich oder unter bestimmten Voraussetzungen eine Verletzung der Pflicht der Mitgliedstaaten, wirksame Rechtsbehelfe für eine unabhängige gerichtliche Überprüfung zu gewährleisten, darstellt, wenn die Funktionen einer Behörde, die Disziplinarstrafen gegen Richter verhängen kann und Befugnisse zur Erhebung von Daten in Bezug auf deren Vermögen hat, nach dem Ende der in der Verfassung festgelegten Amtszeit dieser Stelle auf unbestimmte Zeit verlängert werden? Wenn eine derartige Verlängerung dieser Befugnisse zulässig ist, dann unter welchen Voraussetzungen?

2.

Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO dahin auszulegen, dass es sich bei der Offenlegung des Bankgeheimnisses zum Zweck der Überprüfung des Vermögens von Richtern und Staatsanwälten, welches anschließend öffentlich gemacht wird, um eine Tätigkeit handelt, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt? Ist die Antwort eine andere, wenn diese Tätigkeit auch die Offenlegung von Daten der Familienangehörigen von Richtern und Staatsanwälten umfasst, die selbst keine Richter und Staatsanwälte sind?

3.

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt – Art. 4 Nr. 7 DSGVO dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten und deren Familienangehörigen gestattet, über die Zwecke oder Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet und deshalb „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist?

4.

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und die dritte Frage verneint wird – Art. 51 DSGVO dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten und deren Familienangehörigen gestattet, für die Überwachung der Anwendung der DSGVO verantwortlich ist und deshalb als „Aufsichtsbehörde“ in Bezug auf diese Daten zu qualifizieren ist?

5.

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und eine der Fragen 3 oder 4 bejaht wird – Art. 32 Abs. 1 Buchst. b DSGVO bzw. Art. 57 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten und deren Familienangehörigen gestattet, verpflichtet ist, wenn Angaben über eine von der Behörde, der dieser Zugang gewährt werden soll, in der Vergangenheit begangene Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten vorliegen, Informationen über die für den Schutz der Daten getroffenen Maßnahmen einzuholen und bei seiner Entscheidung über die Gestattung des Zugangs die Angemessenheit dieser Maßnahmen zu berücksichtigen?

6.

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und unabhängig von den Antworten auf die dritte und die vierte Frage – Art. 79 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass, wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaats vorsieht, dass bestimmte Kategorien von Daten nur nach einer Gestattung durch ein Gericht offengelegt werden können, das hierfür zuständige Gericht den Personen, deren Daten offengelegt werden, von Amts wegen Rechtsschutz gewähren muss, indem es die Behörde, die den Zugang zu den Daten beantragt hat und von der bekannt ist, dass sie in der Vergangenheit Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten begangen hat, verpflichtet, Informationen zu den gemäß Art. 33 Abs. 3 Buchst. d DSGVO getroffenen Maßnahmen und deren wirksamer Anwendung zur Verfügung zu stellen?

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

23.

Die Aufsichtsbehörde, die bulgarische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

V. Würdigung

24.

Dem Wunsch des Gerichtshofs entsprechend befassen sich die vorliegenden Schlussanträge mit der ersten, der dritten und der sechsten Vorlagefrage.

A.   Zur ersten Vorlagefrage

25.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die die Fortsetzung der Tätigkeit der Mitglieder der Aufsichtsbehörde, die über disziplinarische Befugnisse gegenüber Richtern und Staatsanwälten verfügen, über die gesetzlich vorgesehene Dauer ihrer Amtszeit hinaus zulässt. In ihren schriftlichen Erklärungen haben die bulgarische und die polnische Regierung sowie die Aufsichtsbehörde geltend gemacht, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über diese Frage nicht zuständig sei und die Vorabentscheidungsersuchen unzulässig seien. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung Sache des Gerichtshofs selbst ist, die Umstände, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wurde, zu untersuchen, um seine eigene Zuständigkeit oder die Zulässigkeit des ihm vorgelegten Ersuchens zu überprüfen ( 3 ).

1. Zur Zuständigkeit

26.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Gerichtshof für die Beantwortung einer Vorlagefrage nicht zuständig, wenn die Vorschrift des Unionsrechts, um deren Auslegung er ersucht wird, offensichtlich nicht anwendbar ist ( 4 ). Wird eine rechtliche Situation nicht vom Unionsrecht erfasst, ist der Gerichtshof nicht zuständig, um über sie zu entscheiden, und die möglicherweise angeführten Bestimmungen der Charta können als solche keine entsprechende Zuständigkeit begründen ( 5 ).

27.

Hinsichtlich der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung die erforderlichen Rechtsbehelfe schaffen, damit den Einzelnen die Wahrung ihres Anspruchs auf einen wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet wird. Die Mitgliedstaaten müssen daher ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorsehen, mit dem in diesen Bereichen eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet ist. Was den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV anbelangt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass diese Bestimmung die „vom Unionsrecht erfassten Bereiche“ betrifft, ohne dass es insoweit darauf ankäme, in welchem Kontext die Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Recht der Union durchführen ( 6 ).

28.

Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist u. a. auf jede nationale Einrichtung anwendbar, die als Gericht über Fragen der Anwendung oder der Auslegung des Unionsrechts und somit über Fragen aus den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu entscheiden hat. Dies scheint auf das vorlegende Gericht zuzutreffen, das nämlich in seiner Eigenschaft als bulgarisches ordentliches Gericht zur Entscheidung über Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung oder Auslegung des Unionsrechts berufen sein kann und als „Gericht“ im Sinne dieses Rechts Bestandteil des bulgarischen Rechtsbehelfssystems in den „vom Unionsrecht erfassten Bereichen“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist, so dass dieses Gericht den Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gerecht werden muss. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zwar, wie die polnische Regierung hervorhebt, die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten in deren Zuständigkeit fällt, die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit jedoch die Verpflichtungen einzuhalten haben, die sich für sie aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, ergeben ( 7 ).

29.

Aus den Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht von Mitgliedern der Aufsichtsbehörde, deren Amtszeit seit mehreren Jahren abgelaufen war, mit einem Antrag auf Genehmigung der Aufhebung des Bankgeheimnisses in Bezug auf die Daten der Bankkonten mehrerer Richter und Staatsanwälte sowie deren Familienangehörigen befasst wurde. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass eine solche Situation, deren Rechtmäßigkeit vom Konstitutsionen sad (Verfassungsgericht) bestätigt worden sei, angesichts der Aufgaben und Befugnisse dieses Organs in Disziplinarangelegenheiten Fragen im Hinblick auf das vom Unionsrecht aufgestellte Erfordernis der Unabhängigkeit der Justizsysteme der Mitgliedstaaten, aufwerfen könne, was die an den Gerichtshof gerichteten Fragen rechtfertige. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist im Zusammenhang mit einem Verfahren anwendbar, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob eine nationale Regelung oder Praxis, die geeignet ist, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es nach dem genannten Artikel Sache jedes Mitgliedstaats ist, dafür zu sorgen, dass die Disziplinarordnung für Richter der nationalen Gerichte, die Bestandteil ihrer Rechtsbehelfssysteme in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen sind, dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gerecht wird, indem sie insbesondere die Beteiligung von Einrichtungen vorsieht, die ihrerseits die Garantien eines wirksamen Rechtsschutzes erfüllen ( 8 ).

30.

Ich stelle fest, dass die Aufsichtsbehörde geltend macht, dass die Daten über die Bankkonten der betroffenen Richter und Staatsanwälte, auf die sich die Ausgangsverfahren beziehen, entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts nicht im Rahmen ihrer Meldungsbefugnisse zwecks disziplinarischer Verantwortlichkeit dieser Richter verwendet würden und dass sie weder über die Befugnis zur Verhängung einer Disziplinarstrafe noch über die Befugnis zur Einleitung eines Verfahrens dieser Art verfüge, wobei diese letztgenannte Erklärung auch von der bulgarischen Regierung und der Kommission vorgetragen worden ist. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in den Vorlageentscheidungen auszugehen hat. Somit kann die Prüfung einer Vorlage zur Vorabentscheidung nicht anhand der von einer Partei des Ausgangsverfahrens oder der Regierung eines Mitgliedstaats vorgebrachten Auslegung des nationalen Rechts erfolgen ( 9 ).

31.

Es steht jedoch fest, dass die Vorlageentscheidungen in Bezug auf den Umfang der disziplinarischen Befugnisse der Aufsichtsbehörde gegenüber Richtern und Staatsanwälten – und nur in Bezug auf diesen Punkt – widersprüchlich sind. Während der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia) in der ersten Vorlagefrage die Befugnis der Aufsichtsbehörde zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Richter anspricht, zitiert er auch Art. 54 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach die Aufsichtsbehörde bei Verstößen das zuständige Kollegium des Obersten Justizrats (im Folgenden: Oberster Justizrat) „verständigt“ und solche Sanktionen „vorschlägt“, und erwähnt ihre „Meldungsbefugnis in Disziplinarangelegenheiten“ ( 10 ), eine Befugnis, die von diesem Organ und der bulgarischen Regierung in ihren jeweiligen Erklärungen tatsächlich beschrieben worden ist. Es kann daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Aufsichtsbehörde über die Befugnis verfügt, bulgarische Richter und Staatsanwälte disziplinarisch zu verfolgen, d. h. zumindest über die Befugnis, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens aufgrund von Tatsachen vorzuschlagen, die bei den von ihr durchgeführten Kontrollen festgestellt werden, wobei sich der Gerichtshof im Übrigen hinsichtlich der etwaigen disziplinarischen Folgen ( 11 ) der Überprüfung von Bankdaten, die nach der Aufhebung des Bankgeheimnisses erlangt werden, an den Inhalt der Vorlageentscheidungen halten muss ( 12 ).

32.

Zweitens ist in Bezug auf Art. 47 der Charta darauf hinzuweisen, dass die Anerkennung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in einem bestimmten Einzelfall voraussetzt, dass sich die Person, die es geltend macht, auf durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten beruft oder dass diese Person Gegenstand von Verfolgungsmaßnahmen ist, die eine Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta darstellen. Es steht jedoch fest, dass das Ausgangsverfahren zum einen kein streitiges Verfahren ist, da die Personen, deren Daten Gegenstand des Antrags auf Zugangsgenehmigung sind, nicht daran teilnehmen und sich daher nicht auf die Verletzung irgendeines Rechts berufen können, und zum anderen nicht der Durchführung von Verfolgungsmaßnahmen gegen diese Personen entspricht, die eine Durchführung des Unionsrechts darstellen. Unter diesen Umständen ist Art. 47 der Charta als solcher nicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar. Da Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV jedoch alle Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen ein wirksamer Rechtsschutz insbesondere im Sinne von Art. 47 der Charta gewährleistet ist, ist letztere Bestimmung bei der Auslegung dieses Artikels gebührend zu berücksichtigen ( 13 ).

2. Zur Zulässigkeit

33.

Es ist festzustellen, dass entgegen den Behauptungen der Aufsichtsbehörde die Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, insbesondere die in Buchst. c dieses Artikels vorgesehenen Anforderungen, im vorliegenden Fall erfüllt sind. Die Vorlageentscheidungen enthalten nämlich ausreichende Angaben, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, die Gründe zu verstehen, aus denen das vorlegende Gericht für die Zwecke des Ausgangsverfahrens um eine Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta ersucht. Mit seiner ersten Frage möchte das Gericht im Wesentlichen wissen, ob diese Bestimmungen einer nationalen Regelung mit Verfassungsrang in der Auslegung durch den Konstitutsionen sad (Verfassungsgericht) entgegenstehen, nach der die Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die gesetzlich festgelegte Dauer ihrer Amtszeit hinaus im Amt verbleiben. Das vorlegende Gericht möchte dabei ein verfahrensrechtliches Problem, das von ihm vorab zu entscheiden ist, klären lassen, da es die Rechtmäßigkeit der Anrufung des vorlegenden Gerichts durch eine Einrichtung betrifft, die außerhalb des gesetzlichen Rahmens handelt, der ihre Tätigkeit definiert, und sich somit auf die eigene Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts für die Entscheidung über das von dieser Einrichtung eingereichte Ersuchen bezieht. Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, sind Vorlagefragen, die es einem vorlegenden Gericht so ermöglichen sollen, vorab über verfahrensrechtliche Schwierigkeiten zu entscheiden, etwa im Zusammenhang mit seiner eigenen Zuständigkeit für die Entscheidung einer bei ihm anhängigen Rechtssache oder auch mit den Rechtswirkungen, die einer gerichtlichen Entscheidung, die der Fortsetzung der Prüfung einer solchen Rechtssache durch dieses Gericht potenziell entgegensteht, gegebenenfalls zuzuerkennen sind, nach Art. 267 AEUV zulässig ( 14 ).

34.

Gleichwohl setzt die Erforderlichkeit der ersuchten Auslegung im Sinne von Art. 267 AEUV voraus, dass das vorlegende Gericht die Konsequenzen aus dieser Auslegung ziehen kann, indem es im Licht dieser Auslegung die Rechtmäßigkeit seiner Anrufung beurteilt und diese gegebenenfalls für rechtswidrig erklärt. Im vorliegenden Fall geht aus den Vorlageentscheidungen zwar nicht hervor, dass dieses Gericht nach den Vorschriften des nationalen Rechts so handeln könnte, doch lässt der Wortlaut der Erklärungen der bulgarischen Regierung darauf schließen, dass dies der Fall sein könnte. Darin heißt es nämlich konkret, dass das zuständige Gericht im Rahmen der Kontrolle, die ihm nach dem Gesetz über die Kreditinstitute obliege, prüfen müsse, ob der Antrag auf Aufhebung des Bankgeheimnisses von einer Behörde oder einer hierzu befugten öffentlichen Stelle gestellt werde, und somit im Ausgangsverfahren, ob der Antrag vom Chefinspektor oder von den Inspektoren der Aufsichtsbehörde stamme. Eine solche Präzisierung der Art der Befugnisse des zuständigen Gerichts ist geeignet, zu bestätigen, dass dieses Gericht die etwaige Antwort des Gerichtshofs auf seine erste Vorlagefrage berücksichtigen könnte und dass die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts, um die mit dieser Frage ersucht wird, einem objektiven Erfordernis für eine Entscheidung entspricht, die das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren erlassen könnte ( 15 ).

3. Zur Begründetheit

a) Vorbemerkungen

35.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt das Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte, das sich aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ergibt, dass die Regelungen für das Disziplinarrecht von Richtern die erforderlichen Garantien aufweisen, damit jegliche Gefahr verhindert wird, dass eine solche Regelung als System zur politischen Kontrolle des Inhalts justizieller Entscheidungen eingesetzt wird. Insoweit bilden Regeln, die insbesondere festlegen, welche Verhaltensweisen Disziplinarvergehen begründen und welche Sanktionen konkret anwendbar sind, die die Einschaltung einer unabhängigen Instanz gemäß einem Verfahren vorsehen, das die in den Art. 47 und 48 der Charta niedergelegten Rechte, namentlich die Verteidigungsrechte, in vollem Umfang sicherstellt, und die die Möglichkeit festschreiben, die Entscheidungen der Disziplinarorgane vor Gericht anzufechten, eine Reihe von Garantien, die wesentlich sind, um die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren. Da zudem die Aussicht auf die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung als solche geeignet ist, Druck auf diejenigen auszuüben, deren Aufgabe es ist, zu entscheiden, ist es wesentlich, dass eine für die Durchführung von Untersuchungen und die Erhebung von Disziplinarklagen – einschließlich des Vorschlags der Eröffnung eines Verfahrens dieser Art – zuständige Einrichtung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben objektiv und unparteiisch handelt und zu diesem Zweck frei von jeder äußeren Beeinflussung ist ( 16 ).

36.

Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht Zweifel daran, ob die nationalen Vorschriften und eine nationale Praxis, die die Fortsetzung der Tätigkeit der Mitglieder der Aufsichtsbehörde über die in der bulgarischen Verfassung vorgesehene Amtszeit hinaus erlauben, in Anbetracht des Umfangs der Aufgaben und Befugnisse dieses Organs mit dem in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verankerten Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar sind. Wie aus den Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in einer solchen Situation die Gefahr einer äußeren Einflussnahme auf die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde oder der Ausübung unzulässigen Drucks auf die Justiz seitens der Aufsichtsbehörde besteht.

37.

Wie bei der Verlängerung der Ausübung des Richteramts über das Regelruhestandsalter hinaus ( 17 ) ist es meines Erachtens allein Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie eine Verlängerung der abgelaufenen Amtszeit der Mitglieder eines Verfassungsorgans zulassen, das damit beauftragt ist, die Tätigkeit der Justiz zu überwachen, die Integrität der Richter und Staatsanwälte und ihre etwaigen Interessenkonflikte zu beurteilen sowie gegebenenfalls dem Obersten Justizrat die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen diese Richter und Staatsanwälte vorzuschlagen. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Wahl ihres jeweiligen verfassungsrechtlichen Modells insbesondere das Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte beachten, das sich aus Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ergibt. Sie müssen somit insbesondere dafür Sorge tragen, dass sie jeden im Hinblick auf den Wert der Rechtsstaatlichkeit eintretenden Rückschritt in ihren Rechtsvorschriften über die Organisation der Justiz vermeiden, indem sie davon absehen, Regeln zu erlassen, die die richterliche Unabhängigkeit untergraben würden ( 18 ).

38.

Ich bin insoweit der Ansicht, dass eine Verlängerung der Amtszeit der Mitglieder einer Justizaufsichtsbehörde, die durch einen Grund des Allgemeininteresses bedingt ist, der sich aus der notwendigen institutionellen Kontinuität ergibt, als solche nicht ausreicht, um auf das Vorliegen einer Beeinträchtigung des oben genannten Grundsatzes der Unabhängigkeit zu schließen ( 19 ), zumal die Bediensteten eines solchen Organs nicht dazu berufen sind, als Richter über Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, sondern dazu, Untersuchungen durchzuführen und die Einleitung von Disziplinarverfahren vorzuschlagen, so dass sie nicht unbedingt alle der für Richter geltenden Erfordernisse der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfüllen müssen ( 20 ).

39.

Zudem ist festzuhalten, dass die Verlängerung der abgelaufenen Amtszeiten der Mitglieder der Aufsichtsbehörde infolge einer Blockade des Wahlverfahrens zur Ernennung ihrer Nachfolger in einem besonderen normativen Rahmen stattfand. Neben dem Fehlen jeglicher Rechtsgrundlage (sowohl für den Grundsatz der Verlängerung als auch für ihre Dauer ( 21 )) ist die Tatsache hervorzuheben, dass der Chefinspektor und die Inspektoren wiedergewählt werden können, „jedoch nicht für zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten“, und dass sie bei der Ausübung ihres Amtes „nur dem Gesetz unterworfen [sind]“. Es scheint also, dass eine Verlängerung der Mandate der Mitglieder eines Verfassungsorgans stattgefunden hat, dessen Rechtmäßigkeit, die aus einer vorangegangenen Wahl für zeitlich begrenzte Mandate abgeleitet wird, nur noch auf einem satzungsmäßigen Rahmen und der Einhaltung des Legalitätsprinzips beruht, obwohl weder eine Amtskontinuität bis zur Beendigung des Hindernisses noch eine sofortige Verlängerung dieser Mandate vorgesehen sind. Im Übrigen ist die damit aufgeworfene Frage der Rechtmäßigkeit der Aufsichtsbehörde, die in Zusammenhang mit dem Vertrauen der Gesellschaft in die Tätigkeit des in Rede stehenden Organs und der Akzeptanz seiner Entscheidungen steht, angesichts der Art ihrer Einsetzung von besonderer Bedeutung, da die Aufsichtsbehörde von Amts wegen, aber auch auf „Veranlassung von Bürgern“ oder staatlichen Stellen, „einschließlich von Richtern“ ( 22 ), tätig werden kann. Unter diesen Umständen ist die faktische und auf unbestimmte Zeit erfolgende Verlängerung der Mandate der Mitglieder der Aufsichtsbehörde meiner Meinung nach geeignet, berechtigte Bedenken hinsichtlich der Nutzung der Befugnisse und Aufgaben dieses Organs als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Rechtsprechungstätigkeit oder zur Ausübung politischer Kontrolle über diese Tätigkeit zu begründen ( 23 ).

40.

Die Entscheidung hierüber ist letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, nachdem es die dafür erforderliche Würdigung vorgenommen hat. Art. 267 AEUV gibt dem Gerichtshof nämlich nicht die Befugnis, die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern nur die, sich zur Auslegung der Verträge und der Rechtsakte der Organe der Europäischen Union zu äußern. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof das Unionsrecht im Rahmen der durch Art. 267 AEUV begründeten Zusammenarbeit zwischen den Gerichten aber unter Berücksichtigung der Akte auslegen, soweit dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen einer unionsrechtlichen Bestimmung dienlich sein könnte. Insoweit wird das vorlegende Gericht die mit einer Verlängerung der Amtszeiten der Mitglieder der Aufsichtsbehörde verbundenen Risiken im Hinblick auf das Erfordernis der Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten unter Berücksichtigung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung als solcher und in ihrem nationalen rechtlich-faktischen Kontext zu beurteilen haben ( 24 ).

41.

In Bezug auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung ( 25 ) und soweit das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach den Auswirkungen der Fortführung der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde über das Ende der Amtszeit ihrer Mitglieder hinaus auf das Erfordernis der richterlichen Unabhängigkeit fragt, ist zu prüfen, ob die Regeln für die Organisation und die Tätigkeit dieses Organs so gestaltet sind, dass sie bei den Rechtsunterworfenen keinen berechtigten Verdacht aufkommen lassen können, dass die Befugnisse und Aufgaben dieser Einrichtung als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Rechtsprechungstätigkeit oder zur Ausübung politischer Kontrolle über diese Tätigkeit benutzt werden. Diese Vorschriften können sich nämlich ganz allgemein direkt auf die Praxis dieses Organs auswirken und somit verhindern oder im Gegenteil fördern, dass Disziplinarklagen erhoben werden, mit denen bezweckt oder bewirkt wird, Druck auf diejenigen auszuüben, deren Aufgabe es ist, Recht zu sprechen, oder eine politische Kontrolle ihrer Tätigkeit sicherzustellen ( 26 ).

b) Zur Methode der Ernennung und zu den Befugnissen der Mitglieder der Aufsichtsbehörde

42.

Es steht erstens fest, dass die Bedingungen für die Ernennung der Mitglieder der Aufsichtsbehörde eine direkte Verbindung zur Legislative aufweisen, da diese von den Parlamentariern mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Dieses Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit soll das Risiko einer Politisierung der Ernennungen und damit der Aufsichtsbehörde mindern, da eine solche Mehrheit grundsätzlich eine Überwindung von Parteiinteressen und damit eine einvernehmliche Auswahl von beruflich anerkannten Persönlichkeiten erfordert. Eine lebensnähere Betrachtungsweise führt zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit dieses Mechanismus, der die politische Neutralität der Inhaber öffentlicher Ämter gewährleisten soll, relativ ist, da sie vom politischen Kontext des jeweiligen Landes abhängt.

43.

Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen hervor, dass das Verfahren der Ernennung der Inspektoren in Verbindung mit ihren Befugnissen gegenüber der Justiz sowohl der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (sogenannte Venedig-Kommission) als auch der Kommission Anlass zur Sorge gibt ( 27 ). So weist die Erstgenannte darauf hin, dass die Zweidrittelmehrheit im Falle Bulgariens häufig durch die Verteilung von „Quoten“ im Rahmen geheimer politischer Verhandlungen erreicht werde, was bedeute, dass jeder Inspektor letztendlich wahrscheinlich bestimmte politische Verpflichtungen gegenüber der einen oder anderen Partei habe ( 28 ). Was die Kommission betrifft, so hat sie auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Auswahl der Kandidaten hingewiesen und in ihrem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien für das Jahr 2020 die Tatsache hervorgehoben, dass die Aufsichtsbehörde selbst einen Vorschlag zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgelegt habe, nach dem der Chefinspektor und die Inspektoren statt von den Mitgliedern des Parlaments von anderen Organen wie den Vollversammlungen des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht, Bulgarien) und des Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) oder den Generalversammlungen der Richter und Staatsanwälte und der Berufsverbände vorgeschlagen werden sollten ( 29 ). In ihrem Bericht für das Jahr 2023 stellte die Kommission fest, dass es keine Fortschritte bei der Verabschiedung von Gesetzesreformen gebe, die das Funktionieren der Aufsichtsbehörde verbessern und die Gefahr einer politischen Einflussnahme vermeiden sollten, insbesondere durch eine Einbeziehung der Justizorgane bei der Auswahl der Mitglieder der Aufsichtsbehörde.

44.

Zweitens ergibt sich aus Art. 132a Abs. 6 der bulgarischen Verfassung, dass die Aufgaben der Aufsichtsbehörde, die auf Hinweis, aber auch von Amts wegen tätig wird, objektiv sehr weit gefasst sind ( 30 ). Die Venedig-Kommission weist darauf hin, dass die Befugnisse der Aufsichtsbehörde in einem Kontext, der durch die Existenz zahlreicher Kontrollmechanismen für bulgarische Richter geprägt sei, allgemein und ungenau definiert seien und sich häufig mit denen des Obersten Justizrats überschnitten, was die Gefahr eines Übergriffs und einer Verschiebung der tatsächlichen Macht von dem zweitgenannten Organ auf das erstgenannte berge. Sie betont, dass die Aufsichtsbehörde neben ihren Ermittlungsbefugnissen auch die Möglichkeit habe, Disziplinarfälle zu filtern, indem sie „Hinweise“, die im Zusammenhang mit einem angeblichen Fehlverhalten eines Richters oder Staatsanwalts an sie gerichtet würden, ohne weitere Maßnahmen zu den Akten lege ( 31 ).

c) Zur Gefahr einer Einflussnahme von außen

45.

Es stellt sich die Frage, welche Garantien die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung gegebenenfalls vorsieht, um zu gewährleisten, dass die Mitglieder der Aufsichtsbehörde gegenüber äußeren Faktoren, insbesondere gegenüber unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahmen der Legislative und der Exekutive, die ihre Entscheidungen beeinflussen könnten, geschützt sind. Wie bereits erwähnt wurde, sind der Chefinspektor und die Inspektoren bei der Ausübung ihrer Funktionen gemäß Art. 132a der bulgarischen Verfassung „unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“. Es kann ferner festgestellt werden, dass die Aufsichtsbehörde den sie betreffenden Abschnitt des Haushaltsentwurfs für die Justiz prüft und ihn dem Obersten Justizrat vorlegt ( 32 ). Die bulgarische Regierung und die Aufsichtsbehörde betonen übereinstimmend, dass es keinen rechtlichen Mechanismus gebe, der es irgendeiner staatlichen Macht, insbesondere der gesetzgebenden Gewalt, die die Ernennungen vornehme, erlaube, die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde und insbesondere die Prüfung der Vermögenserklärungen von Richtern zu beeinflussen. Gemäß Art. 57 des Gerichtsverfassungsgesetzes werden die Kontrollen, die im Rahmen eines Jahresprogramms vorgesehen sind, von Teams durchgeführt, die durch Losentscheid bestimmt werden; bei den Kontrollen, die aufgrund von Hinweisen stattfinden, werden der Inspektor und die ihn unterstützenden Experten ebenfalls nach dem Zufallsprinzip bestimmt. Vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht scheint die Aufsichtsbehörde innerhalb der bulgarischen Verfassungsorganisation einen gewissen Grad an organisatorischer, funktionaler und finanzieller Autonomie zu genießen, der geeignet ist, unmittelbare oder mittelbare politische Einflussnahmen auf ihre Mitglieder zu unterbinden.

46.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass laut den Angaben in den Vorlageentscheidungen die Mitglieder der Aufsichtsbehörde abberufen werden können ( 33 ). In der Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nrn. 58-60) wird erwähnt, dass die nationalen Vorschriften vorsähen, dass Inspektoren, ebenso wie Richter, vor Ablauf ihrer Amtszeit wegen „schwerer oder systematischer Verletzung der Amtspflichten sowie Handlungen, die dem Ansehen der Justiz schaden“, abberufen werden könnten. Der Vorschlag zur Entlassung könne von einem Fünftel der Abgeordneten der bulgarischen Nationalversammlung oder vom Plenum des Obersten Justizrats eingebracht werden. Die Venedig-Kommission ist der Ansicht, dass diese Regelung zwar so verstanden werden könne, dass sie die endgültige Entscheidung der bulgarischen Nationalversammlung übertrage, eine solche Entscheidung jedoch unter die Befugnisse dieses Rates fallen sollte ( 34 ).

d) Zur Gefahr eines Befugnismissbrauchs

47.

Es sind die Garantien zu berücksichtigen, die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung gegebenenfalls vorsieht, um dem Auftreten oder der Fortdauer von Befugnismissbrauch durch die Mitglieder der Aufsichtsbehörde vorzubeugen ( 35 ). Insoweit macht die vorherige Feststellung einer gewissen institutionellen Autonomie der Aufsichtsbehörde, so positiv diese im Hinblick auf den Schutz vor unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahmen auch sein mag, angesichts ihres Wesens, des Umfangs ihrer Aufgaben und ihrer Befugnisse das Vorhandensein eines Rahmens für die Tätigkeit dieses Organs erforderlich.

48.

Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass die Aufsichtsbehörde nach der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung einer Transparenzpflicht unterliegt ( 36 ) und dass, was insbesondere die Tätigkeit der Kontrolle des Vermögens der Richter betrifft, vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht mehrere Bestimmungen die Ausübung dieser Tätigkeit zu regeln scheinen. Die nationalen Vorschriften verpflichten die Aufsichtsbehörde, auf ihrer Website die Erklärungen aller Richter und Staatsanwälte sowie eine Liste der Personen zu veröffentlichen, die ihre Erklärungen nicht fristgerecht abgegeben haben, wobei diese Liste am Ende des Kalenderjahrs, auf das sie sich bezieht, von der Website entfernt werden muss ( 37 ). Was die Kontrolle der Integrität und möglicher Interessenkonflikte betrifft, so ist das Verfahren zur Überprüfung der Vermögenserklärungen von Richtern auf einen Zeitraum von sechs Monaten beschränkt. Die Aufsichtsbehörde ist zwar tatsächlich befugt, beim zuständigen Gericht die Aufhebung des Bankgeheimnisses zu beantragen, um Informationen über das Vermögen und die Bewegungen auf den Bankkonten von Richtern und Staatsanwälten zu erhalten, aber nur, wenn diese den Zugang zu diesen Daten verweigert haben, und das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass die Überprüfung durch den Vergleich der erklärten Tatsachen mit den erhaltenen Informationen erfolgt ( 38 ).

49.

Dennoch bedauerte die Venedig-Kommission einerseits, dass die Vorschriften über den Ablauf der Kontrollen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nicht präzise genug seien, was, wie festgestellt wurde, zu einer Überschneidung der Zuständigkeiten mit dem Obersten Justizrat führe, und empfahl andererseits, dass die Ermittlungsbefugnisse der Inspektoren nicht unbegrenzt sein sollten, sondern der Kontrolle einer unabhängigen Behörde, z. B. des Obersten Justizrats, unterliegen sollten ( 39 ). Sie hob speziell die wichtige Rolle des Chefinspektors hervor, der eine Anordnung zur Festlegung des Inspektionsverfahrens erlasse und allgemeine organisatorische und methodische Leitlinien für die Arbeitsweise der Inspektion vorgebe, was eine Befugnis zum Erlass von Vorschriften allgemeiner Art darstelle, die nach der Empfehlung der Venedig-Kommission einer anderen Stelle übertragen werden sollte. Es wird betont, dass der Chefinspektor das Recht habe, außerordentliche Inspektionen anzuordnen, die auf Beschwerden von Einzelpersonen über Richter beruhten und zu den jährlich vorgesehenen Inspektionen hinzukämen, sowie deren Gegenstand und Fristen festzulegen. Darüber hinaus könne der Chefinspektor in bestimmten Fällen „die Tätigkeit der Inspektoren kontrollieren“, und es scheine, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, dass er eine Berufungsinstanz gegenüber den Inspektoren darstelle, mit der Befugnis, die „Inspektionsberichte“ aufgrund von an ihn gerichteten Einwänden des kontrollierten Richters zu verwerfen oder zu ändern ( 40 ).

50.

Insoweit weise ich darauf hin, dass die Konzentration bedeutender Befugnisse beim Verantwortlichen eines für die Durchführung von Untersuchungen und der Beteiligung an der Erhebung von Disziplinarklagen zuständigen Organs es dem Verantwortlichen vereinfachen kann, die Disziplinarordnung für Richter in Anspruch zu nehmen, um deren Tätigkeit zu beeinflussen, da ihm diese Konzentration in der Praxis bei der Erhebung von Disziplinarklagen gegen Richter ein weites Ermessen bei der Frage einräumt, ob Disziplinarmaßnahmen gegen Richter eingeleitet werden oder hierauf verzichtet wird, indem erhaltene Hinweise ignoriert werden. Daher könnte eine Regelung, die dem Verantwortlichen dieses Organs Befugnisse verleiht, wie sie dem Chefinspekteur durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung übertragen werden, bei den Rechtsunterworfenen den berechtigten Verdacht aufkommen lassen, dass die Befugnisse und Aufgaben dieses Organs als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Rechtsprechungstätigkeit oder zur Ausübung politischer Kontrolle über diese Tätigkeit benutzt werden ( 41 ).

51.

Die Frage nach dem Rahmen für die Tätigkeiten der Aufsichtsbehörde erfordert die Prüfung, ob es etwaige Garantien für einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zugunsten der betroffenen Richter gibt. Im vorliegenden Fall ist zu konstatieren, dass das in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Verfahren zur Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht streitiger Natur ist, dass die vom zuständigen Gericht ausgeübte Kontrolle zumindest eingeschränkt ist und dass gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt werden kann ( 42 ). Gleichwohl kann festgehalten werden, dass die Vorlageentscheidungen auf Art. 175h des Gerichtsverfassungsgesetzes verweisen, der für die betroffenen Personen die Möglichkeit vorsieht, schriftliche Erklärungen und Beweismittel bei der Überprüfung der erklärten Tatsachen vorzulegen, die von der Aufsichtsbehörde nach Übermittlung der Daten über die Guthaben und Geldbewegungen auf den Bankkonten dieser Personen vorgenommen wird. Die Venedig-Kommission stellt fest, dass die Ergebnisse einer Inspektion schriftlich festgehalten und dem betroffenen Richter vorgelegt würden, der dem Chefinspektor Einwände unterbreiten könne, worauf dieser eine mit Gründen versehene Antwort erteilen müsse ( 43 ).

e) Zur Praxis der Aufsichtsbehörde

52.

Das vorlegende Gericht darf auch die Art und Weise berücksichtigen, in der dieses Organ seinen verfassungsmäßigen Auftrag erfüllt und seine verschiedenen Befugnisse wahrnimmt, insbesondere wenn es dies, seit dem Ende der Amtszeit seiner Mitglieder, in einer Weise tut, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive aufkommen lassen kann ( 44 ).

53.

Aus den Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass der einzige Vorfall, den das vorlegende Gericht im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde anführt, die 2019 erfolgte unrechtmäßige Veröffentlichung personenbezogener Daten mehrerer Richter und Staatsanwälte auf der Website der Aufsichtsbehörde ist, aufgrund deren gegen dieses Organ eine Geldbuße verhängt wurde. Abgesehen davon, dass dieser Vorfall sich vor der Verlängerung der in Rede stehenden Mandate ereignete, kann er nicht als Beispiel für eine unmittelbare oder mittelbare äußere Einflussnahme der Exekutive oder der Legislative oder als Auftreten oder Fortbestehen eines Befugnismissbrauchs durch die Mitglieder der Aufsichtsbehörde betrachtet werden, der bezweckt oder bewirkt, Druck auf diejenigen auszuüben, deren Aufgabe es ist, Recht zu sprechen, oder eine politische Kontrolle ihrer Tätigkeit sicherzustellen. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat die beanstandete Veröffentlichung ihren Ursprung nämlich in einem individuellen Fehlverhalten eines Inspektionsmitarbeiters, der weder der Chefinspektor noch ein Inspektor ist, wobei die betreffende Person, die es versäumt hatte, die Daten vorher zu anonymisieren, deshalb entlassen wurde.

f) Zur Dauer der Verlängerung der Amtszeiten

54.

Zu den relevanten Gesichtspunkten des nationalen rechtlichen und tatsächlichen Kontexts, die das vorlegende Gericht zu berücksichtigen hat, gehört die Dauer der Verlängerung der Amtszeiten, die im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Anrufung des vorlegenden Gerichts mehr als drei Jahre beträgt. Insoweit haben die bulgarische Regierung und die Aufsichtsbehörde in Reaktion auf die Behauptung des vorlegenden Gerichts, die Aufsichtsbehörde übe ihre Tätigkeit „ohne klar definiertes Enddatum“ weiter aus, darauf hingewiesen, dass der Konstitutsionen sad (Verfassungsgericht) in seinem Urteil im Jahr 2022 eindeutig festgestellt habe, dass die Dauer der Amtsausübung vom Eintritt eines sicheren zukünftigen Ereignisses abhänge, nämlich „bis zur Wahl des Chefinspektors oder der Inspektoren durch die Nationalversammlung“.

55.

Es steht fest, dass die Mitglieder der Aufsichtsbehörde auch nach Ablauf ihrer Amtszeit weiter tätig sind, da die Nationalversammlung im Jahr 2020 nicht in der Lage war, ihre Nachfolger zu wählen. Die dem Gerichtshof vorgelegten Akten enthalten jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Situation in absehbarer Zeit behoben wird. Abgesehen davon, dass es keinen gesetzlichen Mechanismus zur Verhinderung einer Blockade gibt, der in einer Herabsetzung der erforderlichen qualifizierten Mehrheit oder einer Übertragung der Ernennungskompetenz auf eine neutrale Stelle bestünde, ist es bezeichnend, dass nicht weniger als fünf andere unabhängige Kontrollbehörden ebenfalls auf der Grundlage eines abgelaufenen Mandats tätig sind ( 45 ). Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint es somit, dass die Dauer der Ausübung der Ämter der Inspektoren nach Ablauf ihrer Amtszeit vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses ohne sicheres Datum abhängt, was es erlaubt, die Dauer der Verlängerung dieser Amtszeiten als unbestimmt zu qualifizieren. Zwar ist die Aussetzung der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde für einen solchen Zeitraum infolge der Blockade des Ernennungsverfahrens zweifellos problematisch, doch eine unbefristete Verlängerung der Mandate ihrer Mitglieder ist es ebenso.

56.

Denn mir scheint, dass die oben festgestellten legitimen Bedenken hinsichtlich der Auswahl der Kandidaten für die Inspektorenposten, der Art der Ernennung der betreffenden Personen, ihrer möglichen Entlassung durch ein Fünftel der Parlamentsmitglieder, der Überschneidung der Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde und des Obersten Justizrats aufgrund einer Ungenauigkeit der anwendbaren Vorschriften und des Umfangs der Befugnisse des Chefinspektors durch die Tatsache verschärft werden, dass die Mitglieder der Aufsichtsbehörde ihre Tätigkeit auf der Grundlage von Mandaten fortsetzen, die seit Januar oder Februar 2020 abgelaufen sind ( 46 ). Unabhängig davon, dass es in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten kein konkretes Beispiel für eine Kontrolle oder einen Vorschlag für ein Disziplinarverfahren gibt, das einen äußeren Einfluss oder einen Befugnismissbrauch durch die Aufsichtsbehörde befürchten lässt, erhöht die Fortdauer der Tätigkeit eines solchen Organs ohne genaue und bestimmbare zeitliche Begrenzung nur das Risiko des Eintretens eines solchen Geschehens ( 47 ).

57.

Abgesehen von der Ungewissheit hinsichtlich der Entwicklung der individuellen Situation der Mitglieder der Aufsichtsbehörde führt eine von vornherein unbefristete Verlängerung der Amtszeiten der betreffenden Personen ohne die Beschreibung von Maßnahmen, die die Blockade des Erneuerungsvorgangs dieses Organs kurzfristig beheben könnten, dazu, dass die hierauf bezogenen Verfassungsbestimmungen bedeutungslos werden und dass angesichts der Zusammensetzung und der Funktionsweise der Aufsichtsbehörde bei den Rechtsunterworfenen berechtigte Zweifel an ihrer Unempfänglichkeit für äußere Faktoren, insbesondere für unmittelbare oder mittelbare Einflussnahmen durch die Legislative, aber auch an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen aufkommen, und kann somit dazu führen, dass dieses Organ nicht den Eindruck vermittelt, unabhängig und unparteiisch zu sein, wodurch das Vertrauen beeinträchtigt werden kann, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsunterworfenen schaffen muss ( 48 ). In einer solchen Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufsichtsbehörde bei ihrer Tätigkeit in jedem Fall über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben ist ( 49 ).

58.

Die Verlängerung der Amtszeiten der Mitglieder eines Organs wie der Aufsichtsbehörde sollte meiner Ansicht nach nur in Ausnahme- und Übergangssituationen zulässig sein, was voraussetzt, dass so schnell wie möglich eine Rückkehr zur Normalität erreicht wird, und ist daher kaum mit der strikten Anwendung des Grundsatzes der Kontinuität zu vereinbaren, die nicht – unter Missachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – zu der Möglichkeit führen darf, dass eine abgelaufene und im vorliegenden Fall nicht sofort verlängerbare Amtszeit endlos ausgedehnt wird. Eine nachweisliche Verlängerung der Mandate der Mitglieder der Aufsichtsbehörde um mehr als drei Jahre ohne jede vernünftige Aussicht auf eine baldige Auflösung der Blockade des Ernennungsverfahrens hat keinen Ausnahme- und Übergangscharakter. Schließlich möchte ich noch hinzufügen, dass der funktionale Status quo keinesfalls dazu geeignet ist, das Verantwortungsbewusstsein einer geschwächten politischen Einrichtung zu fördern, die gegebenenfalls Persönlichkeiten mit kompatiblen politischen Affinitäten im Amt halten und eine Erneuerung der Aufsichtsbehörde auf der Grundlage eines offeneren Auswahlverfahrens für die Kandidaten vermeiden möchte.

59.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die es den Mitgliedern eines Organs, die vom Parlament für im Voraus festgelegte, nicht aufeinanderfolgend verlängerbare Amtszeiten gewählt werden und befugt sind, die Tätigkeit und die Integrität von Richtern und Staatsanwälten zu überwachen sowie die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen diese vorzuschlagen, gestattet, de facto über den Ablauf ihrer Amtszeit hinaus für eine unbestimmte Zeit ihre Ämter weiter ausüben, ohne dass geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Behebung der Blockade des Erneuerungsvorgangs der Mitglieder dieses Organs beschrieben sind, wenn diese Regelung nicht so gestaltet ist, dass sie bei den Rechtsunterworfenen keinen berechtigten Zweifel aufkommen lässt, dass die Vorrechte und Funktionen dieses Organs als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Tätigkeit dieser Richter und Staatsanwälte oder zur politischen Kontrolle dieser Tätigkeit benutzt werden.

B.   Zur dritten Vorlagefrage

60.

Mit der dritten Vorlagefrage wird der Gerichtshof ersucht, festzustellen, ob ein Gericht, das einer staatlichen Behörde den Zugriff auf personenbezogene Daten über die Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie von ihren Familien gestattet, die Mittel oder Zwecke der Verarbeitung festlegt und somit als „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO eingestuft werden kann.

61.

Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, die Umrisse und den Stellenwert des Vorgangs der „Verarbeitung“ der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden personenbezogenen Daten zu bestimmen ( 50 ).

62.

Insoweit ist zu hervorzuheben, dass der Begriff „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie u. a. das „Erheben“, das „Abfragen“, das „Verwenden“ sowie die „Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“ beinhaltet. Darüber hinaus kann eine Verarbeitung personenbezogener Daten aus einem oder mehreren Vorgängen bestehen, von denen jeder eine der verschiedenen Phasen betrifft, die eine Verarbeitung personenbezogener Daten umfassen kann ( 51 ).

63.

Aus den Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die Justizbehörde die Genehmigung erteilt, Informationen, die sich auf die Konten und Einlagen von Richtern und Staatsanwälten sowie von ihren Familienmitgliedern beziehen, von einer Bank an die Aufsichtsbehörde zu übermitteln. Diese Informationen, die von der Bank verwahrt wurden, werden anschließend von der Aufsichtsbehörde gesammelt, eingesehen und zum Zweck der Aufdeckung eines möglichen Interessenkonflikts verwendet. Daraus folgt, dass die von der Justizbehörde gewährte Bereitstellung der unter das Bankgeheimnis fallenden Informationen als ein Verarbeitungsvorgang zu verstehen ist, der sich in ein Verfahren einfügt, das aus mehreren Schritten besteht, an denen nacheinander die Bank, die Justizbehörde und die Aufsichtsbehörde beteiligt sind.

64.

Nachdem dies geklärt ist, muss festgestellt werden, ob das Gericht, das diese Offenlegung erlaubt, als „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO eingestuft werden kann.

65.

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der DSGVO, wie sich aus ihrem Art. 1 und ihren Erwägungsgründen 1 und 10 ergibt, insbesondere darin besteht, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen – speziell ihres in Art. 8 Abs. 1 der Charta und in Art. 16 Abs. 1 AEUV verankerten Rechts auf Privatleben – bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Zu diesem Zweck hat der Unionsgesetzgeber eine weite Definition ( 52 ) des Begriffs „Verantwortlicher“ vorgenommen, deren Ziel es ist, einen wirksamen und umfassenden Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten ( 53 ).

66.

Der Begriff „Verantwortlicher“ ist untrennbar mit der Kontrolle verbunden, die eine Person oder Einrichtung über die Verarbeitung personenbezogener Daten ausübt ( 54 ). Konkret definiert Art. 4 Nr. 7 DSGVO den „Verantwortlichen“ als die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten ( 55 ) entscheidet. Dieser Artikel besagt auch, dass, wenn die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung insbesondere durch das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben sind, der Verantwortliche beziehungsweise die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach diesem Recht vorgesehen werden können.

67.

Aus dem Wortlaut dieses Artikels ergibt sich also, dass die Identifizierung des Verantwortlichen auf zwei Ansätzen beruht. So muss untersucht werden, ob eine juristische Person oder eine Einrichtung allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der betreffenden Verarbeitung entscheidet oder ob diese durch das nationale Recht vorgegeben werden.

68.

Erfolgt eine Vorgabe der Zwecke und Mittel der Verarbeitung durch das nationale Recht, ist nach der jüngsten Rechtsprechung zu prüfen, ob dieses Recht den Verantwortlichen bzw. die bestimmten Kriterien seiner Benennung vorsieht. Die Benennung des für die Verarbeitung Verantwortlichen durch das nationale Recht kann nicht nur explizit, sondern auch implizit erfolgen. Im letzteren Fall ist es jedoch erforderlich, dass sich diese Vorgabe mit hinreichender Bestimmtheit aus der Rolle, dem Auftrag oder den Aufgaben der betroffenen Person oder Einrichtung ergibt ( 56 ).

69.

Im vorliegenden Fall geht aus den Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Aufsichtsbehörde nach Art. 132a Abs. 6 der bulgarischen Verfassung u. a. damit betraut ist, Kontrollen durchzuführen, die sich auf die Integrität und Interessenkonflikte von Richtern und Staatsanwälten beziehen. Hierzu überprüft sie gemäß dem Gerichtsverfassungsgesetz ( 57 ) die Vermögens- und Interessenerklärungen, die die Richter und Staatsanwälte bei ihr einreichen müssen. Die Aufsichtsbehörde veröffentlicht diese Erklärungen auf ihrer Website und bewahrt sie in einem öffentlichen elektronischen Register auf ( 58 ). Darüber hinaus geht aus Art. 20 des Gesetzes über den Schutz personenbezogener Daten hervor, dass die Mitglieder der Aufsichtsbehörde verpflichtet sind, Informationen, die gesetzlich geschützte Geheimnisse darstellen und von denen sie bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangt haben, nicht weiterzugeben.

70.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Aufsichtsbehörde von einem Bankinstitut Informationen über die Konten und Einlagen von Richtern und Staatsanwälten und ihren Familienmitgliedern erhalten. Das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht fällt in diesen Rahmen. Denn wenn die betroffenen Personen dieser Weitergabe nicht zugestimmt haben, kann die Aufsichtsbehörde gemäß Art. 175e Abs. 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes und Art. 62 Abs. 6 des Gesetzes über die Kreditinstitute beim Rayonen sad (Rayongericht) die Anordnung der Offenlegung der unter das Bankgeheimnis fallenden Daten durch die Bank beantragen.

71.

Nach Art. 62 Abs. 7 des letztgenannten Gesetzes entscheidet dieses Gericht spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Eingang dieses Antrags und gibt dabei den Zeitraum an, auf den sich die unter das Bankgeheimnis fallenden Informationen beziehen. Aus den vom vorlegenden Gericht mitgeteilten Informationen ( 59 ) und den von der bulgarischen Regierung eingereichten Erklärungen ( 60 ) geht hervor, dass sich der Rayonen sad (Rayongericht) darauf beschränkt, zum einen zu prüfen, ob der Antrag von einer in Art. 62 Abs. 6 des Gesetzes über die Kreditinstitute genannten Behörde oder öffentlichen Einrichtung stammt, und zum anderen, ob die Personen, deren Konten Gegenstand eines Antrags auf Aufhebung des Bankgeheimnisses sind, der Meldepflicht nach dem Gerichtsverfassungsgesetz unterliegen.

72.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der Rayonen sad (Rayongericht) im Rahmen des nach bulgarischem Recht eingeführten Verfahrens, wie das vorlegende Gericht betont, nur eine formale Kontrolle über die Anträge auf Offenlegung von unter das Bankgeheimnis fallenden Informationen ausübt, die ihm von der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden.

73.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass dieses Gericht, das von der Aufsichtsbehörde angerufen wird, innerhalb einer besonders kurzen Frist über diese Anträge entscheiden muss, ohne eine Beurteilung sowohl der Relevanz dieser Offenlegung im Hinblick auf das Ziel der Aufdeckung von Interessenkonflikten als auch der Modalitäten der Bereitstellung dieser Daten und der anschließenden Verwendung durch die Aufsichtsbehörde vornehmen zu können. Außerdem werden diese Informationen direkt von der Bank an die Aufsichtsbehörde übermittelt, die deren vertrauliche Behandlung sicherstellen muss. Diese Behörde untersucht die Konten von Richtern und Staatsanwälten sowie ihren Familienmitgliedern, um die Beschaffenheit ihres Vermögens zu überprüfen und um gemäß ihrem Auftrag nach der bulgarischen Verfassung die Integrität der Richter und Staatsanwälte zu kontrollieren und zu prüfen, ob Interessenkonflikte vorliegen.

74.

Aus diesen Aspekten schließe ich, dass das Gericht nicht die Befugnis hat, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten, die unter das Bankgeheimnis fallen, zu bestimmen.

75.

Es ist hingegen offensichtlich, dass das bulgarische Recht zumindest implizit die Zwecke und Mittel der Verarbeitung dieser Daten vorgegeben hat und die Aufsichtsbehörde als Verantwortlichen für diese Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO benannt hat.

76.

Entsprechend folgt aus dieser Vorgabe der Zwecke und Mittel der Verarbeitung, dass das Gericht, das die Weitergabe dieser Informationen an die Aufsichtsbehörde genehmigt, in Anbetracht der Rolle, des Auftrags und der Aufgaben, die ihm durch das nationale Recht übertragen wurden, vom bulgarischen Gesetzgeber nicht dazu bestimmt wurde, eine solche Verantwortung wahrzunehmen. Im Übrigen scheint mir, dass der bloße Umstand, dass die Weitergabe der genannten Informationen von der Genehmigung eines Gerichts abhängt, nicht ausreicht, um diesem Gericht die Qualifikation als „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung dieser Daten zu verleihen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich nämlich, dass diese Genehmigung nur den Zweck hat, der Aufsichtsbehörde die Verarbeitung der ihr von der Bank übermittelten personenbezogenen Daten gemäß den im bulgarischen Recht festgelegten Zwecken und Mitteln zu ermöglichen.

77.

Nach alledem scheint mir, dass das Gericht, das einer Behörde Zugang zu den Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen unter den einzigen Bedingungen gewährt, dass es vorab prüft, ob der Antrag von einer solchen Behörde gestellt wurde und ob er Personen betrifft, die zur Offenlegung ihres Vermögens verpflichtet sind, angesichts der Rolle, des Auftrags und der Aufgaben, die ihm durch das nationale Recht übertragen sind, nicht als Verantwortlicher für die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO eingestuft werden kann.

C.   Zur sechsten Vorlagefrage

78.

Die sechste Vorlagefrage wird unabhängig von der Antwort, die der Gerichtshof auf die dritte und die vierte Frage zu geben hat, gestellt. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 79 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 47 der Charta die Justizbehörde, die über den von einer staatlichen Behörde gestellten Antrag auf Offenlegung personenbezogener Daten entscheidet, dazu verpflichtet, von Amts wegen den Schutz der Personen, deren Daten betroffen sind, zu gewährleisten, indem sie von dieser Behörde Informationen über die gemäß Art. 33 Abs. 3 Buchst. d DSGVO getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und deren wirksame Umsetzung verlangt, wenn bekannt ist, dass die genannte Behörde in der Vergangenheit eine Verletzung der Sicherheit personenbezogener Daten begangen hat.

79.

Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das vor ihm durchgeführte Verfahren nicht streitiger Natur sei, da die Personen, die von dem Antrag auf Offenlegung der Kontoguthaben der Richter und Staatsanwälte sowie deren Familienangehörigen betroffen seien, nicht Partei dieses Verfahrens seien ( 61 ). Es ist der Ansicht, dass, wenn es sich, wie im bulgarischen Recht vorgesehen, auf eine rein formale Prüfung dieser Anträge beschränken müsste, den betroffenen Personen das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf vorenthalten würde, das durch die Bestimmungen von Art. 79 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 47 der Charta garantiert werde.

80.

Folglich muss für die Beantwortung dieser Vorlagefrage geklärt werden, ob diese Bestimmungen dem Gericht, das im Rahmen eines solchen Verfahrens entscheidet, eine Verpflichtung auferlegen, von Amts wegen zu prüfen, ob die Maßnahmen, die eine spätere Verletzung der Sicherheit der personenbezogenen Daten, deren Offenlegung beantragt wird, verhindern sollen, ausreichend sind.

81.

Meiner Ansicht nach ergibt sich aus dem Zweck der Bestimmungen von Art. 79 Abs. 1 DSGVO, dass diese Frage nur verneint werden kann.

82.

Insoweit scheint mir, dass die vom vorlegenden Gericht angesprochene Problematik der Sicherheit von Informationen, die unter das Bankgeheimnis fallen, vor dem Hintergrund der Pflichten des Verantwortlichen betrachtet werden muss, dessen wesentliche Merkmale in Erinnerung gerufen werden sollen.

83.

Erstens ist der Verantwortliche verpflichtet, jegliche Verletzung der Sicherheit personenbezogener Daten zu verhindern. Konkret ist er gemäß Art. 5 Abs. 2 DSGVO für die Einhaltung der in Abs. 1 dieses Artikels genannten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich und muss deren Einhaltung nachweisen können. Insbesondere muss dieser Verantwortliche gemäß dem Grundsatz der Integrität und Vertraulichkeit personenbezogener Daten in Art. 5 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung sicherstellen, dass solche Daten in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit dieser Daten durch geeignete technische oder organisatorische Maßnahmen gewährleistet. Gemäß Art. 32 Abs. 1 der genannten Verordnung müssen diese Maßnahmen ein Schutzniveau gewährleisten, das dem Risiko, das von der Verarbeitung ausgeht, angemessen ist.

84.

Zweitens ist der Verantwortliche verpflichtet, auf jede Verletzung der Sicherheit personenbezogener Daten zu reagieren. Insoweit schreibt Art. 33 Abs. 1 DSGVO vor, dass der Verantwortliche die betreffende Verletzung der zuständigen Aufsichtsbehörde meldet und dabei gemäß Abs. 3 Buchst. d dieses Artikels die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen zur Behebung der Verletzung und gegebenenfalls Maßnahmen zur Abmilderung ihrer möglichen nachteiligen Auswirkungen beschreibt.

85.

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen ist der Gegenstand des in Art. 79 Abs. 1 DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfs zu prüfen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Unionsgesetzgeber in Kapitel VIII („Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“) dieser Verordnung zugunsten der von einer Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen verschiedene Rechtsbehelfe bei Verwaltungsbehörden oder Gerichten eingeführt hat, wobei jeder dieser Rechtsbehelfe unbeschadet der anderen eingelegt werden können muss ( 62 ).

86.

Zunächst hat nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO jede betroffene Person das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten gegen diese Verordnung verstößt. Sodann hat nach Art. 78 Abs. 1 der genannten Verordnung jede natürliche oder juristische Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde.

87.

Schließlich garantiert Art. 79 Abs. 1 DSGVO („Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter“) jeder betroffenen Person das Recht auf einen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs entbindet dieser Artikel die betroffene Person nicht von der ihr nach Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung obliegenden Verpflichtung, nachzuweisen, dass sie tatsächlich einen materiellen oder immateriellen Schaden erlitten hat ( 63 ).

88.

Meiner Ansicht nach ergibt sich aus dem Wortlaut der beiden letztgenannten Artikel eindeutig, dass die Klage gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter darauf gerichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der durch die vorherige Verletzung der durch die DSGVO verliehenen Rechte entstanden ist. Aus dem Wortlaut der genannten Artikel lässt sich hingegen keineswegs ableiten, dass ein Gericht verpflichtet wäre, vorsorglich zu prüfen, ob der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche Maßnahmen ergriffen hat, um eine spätere Verletzung dieser Rechte zu verhindern.

89.

Dies vorausgeschickt ist es notwendig, die Auswirkungen der Bestimmungen von Art. 47 der Charta auf die Auslegung von Art. 79 Abs. 1 DSGVO zu bestimmen.

90.

Wie aus dem 141. Erwägungsgrund der DSGVO hervorgeht ( 64 ), zielen die Bestimmungen von Art. 79 Abs. 1 dieser Verordnung darauf ab, das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf umzusetzen. Mit anderen Worten: Der Unionsgesetzgeber hat dieses Recht bereits bei der Ausarbeitung der Bestimmungen über den Rechtsbehelf, den die betroffene Person gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen einlegen kann, einbezogen.

91.

Daraus folgt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Merkmale der in Art. 77 Abs. 1, Art. 78 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfe im Einklang mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz festgelegt werden müssen. In dieser Hinsicht ist es Sache der Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie sicherzustellen, dass die Modalitäten der Ausübung dieser Rechtsbehelfe den betroffenen Personen die konkrete Möglichkeit verschaffen, den Schutz der ihnen durch diese Verordnung verliehenen Rechte sicherzustellen ( 65 ).

92.

Im Licht all dieser Aspekte ist die Rolle, die dem vorlegenden Gericht vom bulgarischen Gesetzgeber übertragen ist, zu untersuchen.

93.

Es trifft zu, dass das Gericht nach der vom bulgarischen Gesetzgeber getroffenen Entscheidung im Rahmen eines nicht streitigen Verfahrens nur eine rein formale Kontrolle über die ihm von der Aufsichtsbehörde vorgelegten Anträge auf Offenlegung der Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen ausübt. Gleichwohl und trotz seiner begrenzten Befugnisse ergibt sich aus Art. 79 Abs. 1 DSGVO keineswegs, dass dieses Gericht, bevor es über diese Anträge entscheidet, die Befugnis haben sollte, von Amts wegen zu prüfen, ob die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um eine spätere Verletzung der Sicherheit dieser personenbezogenen Daten zu verhindern, ausreichend sind.

94.

Meines Erachtens hat nämlich das nationale Recht aus den von mir zuvor dargelegten Gründen die Aufsichtsbehörde als Verantwortlichen für die Verarbeitung von Informationen bestimmt, die unter das Bankgeheimnis fallen und deren Offenlegung von der Justizbehörde angeordnet wird. Somit ist die Aufsichtsbehörde in dieser Eigenschaft verpflichtet, alle in der DSGVO vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Sicherheit der von ihr erhaltenen Informationen zu gewährleisten.

95.

In dieser Weise betrachtet ist es für die Einhaltung des durch die DSGVO eingeführten Systems ausreichend, wenn die von der Offenlegung betroffenen Personen gemäß Art. 79 Abs. 1 DSGVO die Möglichkeit haben, im Fall einer Verletzung ihrer Rechte aus der DSGVO gegen die Aufsichtsbehörde einen gerichtlichen Rechtsbehelf nach Verfahrensmodalitäten einzulegen, die die Achtung des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts auf wirksamen Rechtsschutz gewährleisten ( 66 ).

96.

In Anbetracht all dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass vorbehaltlich der vorstehenden Ausführungen Art. 79 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 47 der Charta nicht verlangt, dass das Gericht, das nach nationalem Recht nach Durchführung eines nicht streitigen Verfahrens über einen Antrag auf Offenlegung der Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen zu entscheiden hat, von Amts wegen prüft, ob der für die Verarbeitung Verantwortliche Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, jegliche spätere Verletzung der Sicherheit dieser personenbezogenen Daten zu verhindern.

VI. Ergebnis

97.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste, die dritte und die sechste Frage des Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia, Bulgarien) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung in der Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, die es den Mitgliedern eines Organs, die vom Parlament für im Voraus festgelegte, nicht aufeinanderfolgend verlängerbare Amtszeiten gewählt werden und die befugt sind, die Tätigkeit und die Integrität von Richtern und Staatsanwälten zu überwachen sowie die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen diese vorzuschlagen, gestattet, de facto über den Ablauf ihrer Amtszeit hinaus auf unbestimmte Zeit ihre Ämter weiter ausüben, ohne dass geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Behebung der Blockade des Erneuerungsvorgangs der Mitglieder dieses Organs beschrieben werden, wenn diese Regelung nicht so gestaltet ist, dass sie bei den Bürgern keinen berechtigten Zweifel aufkommen lässt, dass die Befugnisse und Aufgaben dieses Organs als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Tätigkeit dieser Richter und Staatsanwälte oder zur Ausübung politischer Kontrolle über diese Tätigkeit genutzt werden.

2.

Art. 4 Nr. 7 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

ist dahin auszulegen, dass

ein Gericht, das einer Behörde den Zugang zu den Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen unter den einzigen Bedingungen gewährt, dass zuvor geprüft wird, ob dieser Antrag von einer solchen Behörde gestellt wurde und ob er Personen betrifft, die einer Pflicht zur Offenlegung ihres Vermögens unterliegen, angesichts der Rolle, des Auftrags und der Aufgaben, die ihm durch das nationale Recht übertragen sind, nicht als für die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten Verantwortlicher eingestuft werden kann.

3.

Art. 79 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte

ist dahin auszulegen, dass

das Gericht, das nach nationalem Recht nach Durchführung eines nicht streitigen Verfahrens über einen Antrag auf Offenlegung der Kontoguthaben von Richtern und Staatsanwälten sowie deren Familienangehörigen zu entscheiden hat, nicht verpflichtet ist, von Amts wegen zu prüfen, ob der Verantwortliche Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, jegliche spätere Verletzung der Sicherheit dieser personenbezogenen Daten zu verhindern. Das nationale Recht muss jedoch vorsehen, dass die Verfahrensmodalitäten des gerichtlichen Rechtsbehelfs, den die von dieser Offenlegung betroffenen Personen gemäß diesem Art. 79 Abs. 1 gegen den Verantwortlichen einlegen können, das in Art. 47 der Charta der Grundrechte verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, im Folgenden: DSGVO).

( 3 ) Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny (Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 59).

( 4 ) Urteil vom 24. Februar 2022, Viva Telecom Bulgaria (C‑257/20, EU:C:2022:125, Rn. 123).

( 5 ) Beschluss vom 18. April 2023, Vantage Logistics (C‑200/22, EU:C:2023:337, Rn. 27).

( 6 ) Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 32 und 33).

( 7 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 34 bis 36). Ich weise darauf hin, dass in mehreren aktuellen Urteilen, in denen die Frage nach der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung einer Frage zu Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Januar 2024, G. u. a. [Ernennung vom Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen], C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 57, vom 11. April 2024, Sapira u.a., C‑114/23, C‑115/23, C‑132/23 und C‑160/23, EU:C:2024:290, Rn. 26, und vom 18. April 2024, OT u. a [Abschaffung eines Gerichts], C‑634/22, EU:C:2024:340, Rn. 24), diese Frage allein auf der Grundlage der vorstehenden Erwägung zur Organisation der Justiz, ohne dass auf den Anwendungsbereich dieser Bestimmung Bezug genommen wird, und unter der Voraussetzung, dass die von der Rechtssache betroffene nationale Einrichtung „als Gericht“ über Fragen der Anwendung oder der Auslegung des Unionsrechts und somit über Fragen aus den vom Unionsrecht erfassten Bereichen zu entscheiden hat, bejaht wird (Urteil vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen [Unabhängigkeit des Obersten Gerichts], C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 51).

( 8 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 39), und vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen (Disziplinarordnung für Richter) (C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 80 und 164).

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2020, Nelson Antunes da Cunha (C‑627/18, EU:C:2020:321, Rn. 38), und vom 8. Mai 2024, Asociaţia Forumul Judecătorilor din România (Verbände von Richtern bzw. Staatsanwälten) (C‑53/23, EU:C:2024:388, Rn. 31).

( 10 ) Vgl. Rn. 20 und 48 der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑332/23.

( 11 ) Im Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien vom 5. Juli 2023 wird erwähnt, dass von den zwölf Integritätsprüfungen, die die Aufsichtsbehörde im Jahr 2022 durchgeführt habe, drei zu einem „Disziplinarverfahren“ geführt hätten.

( 12 ) In jedem Fall und nach den eigenen Angaben der Aufsichtsbehörde fällt die Überprüfung der Vermögenserklärungen von Richtern unter die Politik der Korruptionsbekämpfung, wobei das Ziel der Erhebung von Bankdaten darin besteht, die Übereinstimmung zwischen den von den Richtern und Staatsanwälten erklärten Vermögenswerten und den in öffentlichen Registern eingetragenen, erklärten und bescheinigten Tatsachen zu überprüfen. Gemäß Art. 3 des Zakon za protivodeystvie na koruptsiata i za otnemane na nezakonno pridobitoto imushestvo (Gesetz zur Bekämpfung der Korruption und über die Einziehung illegal erlangten Vermögens) (DV Nr. 7 vom 19. Januar 2018, zuletzt geändert durch DV Nr. 104 vom 30. Dezember 2022) erfolgt diese Bekämpfung unter anderem durch die Erklärung von Vermögen und Interessen, die Kontrolle dieser Erklärung, die Feststellung eines Interessenkonflikts und die Verhängung von „Sanktionen“ sowie die Veröffentlichung der Namen von Personen, die keine Erklärung abgegeben haben oder deren Erklärungen als nicht konform eingestuft wurden, und der Namen von Personen, bei denen ein Interessenkonflikt festgestellt wurde. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die gegebenenfalls festgestellten Verstöße gegen die Interessenerklärung nicht geeignet sind, Disziplinarvergehen gegen die betroffenen Richter und Staatsanwälte zu begründen, wie die Aufsichtsbehörde behauptet, kann die Anwendung solcher Regeln schwerwiegende Auswirkungen sowohl auf die Laufbahn der Richter als auch auf ihre Lebensumstände haben, was die entsprechende Anwendung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV rechtfertigt, aus dem sich das Erfordernis der richterlichen Unabhängigkeit ergibt (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen [Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern], C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 95 bis 97).

( 13 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS (Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts) (C‑430/21, EU:C:2022:99, Rn. 34 bis 37).

( 14 ) Urteil vom 13. Juli 2023, YP u. a. (Aufhebung der Immunität und Suspendierung eines Richters) (C‑615/20 und C‑671/20, EU:C:2023:562, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Januar 2024, G. u. a. (Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen) (C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 69 bis 72).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 48 und 49).

( 17 ) Urteil vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 110).

( 18 ) Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 74).

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 2021, Asociaţia Forumul Judecătorilor din România u. a. (C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19, C‑355/19 und C‑397/19, EU:C:2021:393, Rn. 203). Es ist zu betonen, dass sich die Ausgangsverfahren von dem Fall unterscheiden, der diesem Urteil zugrunde lag und eine einfache individuelle Stellvertretung betraf, die im anwendbaren Recht ausdrücklich vorgesehen war, einschließlich ihrer zeitlichen Begrenzung, ohne Hinweis oder Frage des vorlegenden Gerichts zu den Auswirkungen der Dauer der Verlängerung des in Rede stehenden Mandats im Hinblick auf das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern und Staatsanwälten.

( 20 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 55).

( 21 ) Beispielhaft möchte ich daran erinnern, dass gemäß Art. 5 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union „[m]it Ausnahme der Fälle, in denen Artikel 6 Anwendung findet, … jeder Richter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers im Amt [bleibt]“.

( 22 ) Art. 132a der bulgarischen Verfassung.

( 23 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 78), sowie vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 57).

( 24 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 58 und 59).

( 25 ) Es ist zu betonen, dass sowohl die bulgarische Regierung als auch die Aufsichtsbehörde eindeutig dargelegt haben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung seit dem Ablauf der Amtszeiten der Mitglieder der Aufsichtsbehörde unverändert geblieben ist.

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 50 und 51).

( 27 ) In ihren Erklärungen verweist die Kommission mehrmals auf ihre Jahresberichte über die Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien sowie auf verschiedene Stellungnahmen der Venedig-Kommission.

( 28 ) Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nr. 58). Diese stellt auch klar, dass der Mechanismus der qualifizierten Mehrheit nicht effektiv funktioniere, wenn die Regierungspartei bereits über die erforderliche Anzahl an Stimmen verfüge, um alleine diese Mehrheit zu erreichen.

( 29 ) In ihrer Stellungnahme (CDL-AD [2017] 018, Nr. 59) empfiehlt die Venedig-Kommission, den Kammern des Obersten Justizrates die Befugnis zu geben, eine bestimmte Anzahl von Kandidaten für die Ernennung durch das Parlament vorzuschlagen, um die politische Neutralität der Inspektoren zu stärken.

( 30 ) Wie die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme (CDL-AD [2017] 018, Nr. 55) zusammenfasst, ist dieses Organ dafür zuständig, praktisch alle Aspekte der Tätigkeiten von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Richtern und Staatsanwälten zu überprüfen, d. h. die interne Organisation und die Arbeitsmodalitäten, die Kohärenz der Rechtsprechung, die finanzielle Situation der Richter und Staatsanwälte, ihr Vermögen und ihr Verhalten im privaten Bereich.

( 31 ) Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nrn. 54, 61 bis 66). Darin heißt es, dass die Beurteilungen durch den Obersten Justizrat und die Kontrollen durch die Aufsichtsbehörde praktisch die gleichen Sachverhalte beträfen und nicht Teil eines einzigen fortlaufenden Verfahrens seien. Es gebe eine Überschneidung zwischen Inspektionen, Beurteilungen und Disziplinarverfahren, eine Situation, die eine Gesetzesänderung rechtfertige, damit die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nicht in das verfassungsmäßige Mandat des Obersten Justizrats eingreifen würden.

( 32 ) Art. 54 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

( 33 ) Art. 132a Abs. 10 der bulgarischen Verfassung.

( 34 ) In seinem Urteil vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana (Status der italienischen Friedensrichter) (C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 48 und 49), hat der Gerichtshof entschieden, dass der Grundsatz der Unabsetzbarkeit, dessen zentrale Bedeutung hervorzuheben ist, insbesondere erfordert, dass die Richter im Amt bleiben dürfen, bis sie das obligatorische Ruhestandsalter erreicht haben oder ihre Amtszeit, sofern diese befristet ist, abgelaufen ist. Dieser Grundsatz beansprucht zwar nicht völlig absolute Geltung, doch dürfen Ausnahmen von ihm nur unter der Voraussetzung gemacht werden, dass dies durch legitime und zwingende Gründe gerechtfertigt ist und dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird. Er hat auch festgestellt, dass die Unabsetzbarkeit somit nur dann gewährleistet ist, wenn die Fälle, in denen die Mitglieder eines Gerichts abberufen werden können, in besonderen Regelungen durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen festgelegt sind, die Garantien bieten, die über das hinausgehen, was die allgemeinen Regeln des Verwaltungs- und des Arbeitsrechts im Fall einer missbräuchlichen Abberufung vorsehen. Ohne dass auf den Grundsatz der Unabsetzbarkeit verwiesen werden kann, könnte diese Argumentation gleichwohl in Bezug auf die Mitglieder eines Verfassungsorgans, dessen Tätigkeit mit dem Handeln und der Integrität der Justiz verknüpft ist, geboten sein.

( 35 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 60).

( 36 ) Dieses Organ muss jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht vorlegen, den es dem Plenum des Obersten Justizrats unterbreitet, und öffentlich über seine Tätigkeit informieren, indem es unter anderem seinen jährlichen Tätigkeitsbericht auf seiner Website veröffentlicht (Art. 132a Abs. 8 und 9 der bulgarischen Verfassung und Art. 54 Abs. 12 und 14 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

( 37 ) Art. 175c des Gerichtsverfassungsgesetzes.

( 38 ) Art. 175e Abs. 6 und Art. 175f Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Die auf diese Weise erhaltenen Informationen werden nach den Angaben der Aufsichtsbehörde, deren Mitglieder im Übrigen gemäß Art. 20 des Gesetzes über den Schutz personenbezogener Daten zur Vertraulichkeit verpflichtet sind, nicht veröffentlicht.

( 39 ) Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nrn. 61 bis 72).

( 40 ) Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nrn. 69, 70 und 73).

( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2023, Inspecţia Judiciară (C‑817/21, EU:C:2023:391, Rn. 56 und 57).

( 42 ) Art. 62 Abs. 7 des Gesetzes über die Kreditinstitute.

( 43 ) Stellungnahme der Venedig-Kommission (CDL-AD [2017] 018, Nr. 73).

( 44 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 144).

( 45 ) Vgl. den Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien für die Jahre 2022 und 2023. Es ist erwähnenswert, dass eine ähnliche Situation beim ehemaligen Chefinspektor eintrat, dessen Amtszeit de facto um zwei Jahre verlängert wurde, und dass es im Hinblick auf Gesetzes- oder Verfassungsänderungen, die sich auf eine Änderung der Zusammensetzung der Aufsichtsbehörde beziehen, bislang bei bloßen Überlegungen geblieben ist.

( 46 ) Dies stellt die Kommission im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien für das Jahr 2022 im Wesentlichen fest, wobei diese Feststellung von derjenigen einer erhöhten Besorgnis hinsichtlich der Funktionsweise und Zusammensetzung des Obersten Justizrats, auch im Rahmen von Disziplinarverfahren, begleitet wird.

( 47 ) Im Urteil vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 52 und 53), das eine nationale Regelung betraf, die das Mandat des Leiters einer Datenschutzkontrollstelle vorzeitig beendete, hat der Gerichtshof entschieden, dass die funktionelle Unabhängigkeit für sich allein nicht ausreicht, um die Kontrollstellen vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren, und dass schon die bloße Gefahr einer politischen Einflussnahme auf die Entscheidungen der Kontrollstellen ausreicht, um die unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinträchtigen.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 153).

( 49 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 55).

( 50 ) Es ist klarzustellen, dass der Begriff „Verantwortlicher“ das Vorhandensein einer „Verarbeitung“ personenbezogener Daten voraussetzt. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2024, État belge (Von einem Amtsblatt verarbeitete Daten) (C‑231/22, EU:C:2024:7, Rn. 26).

( 51 ) Urteil vom 29. Juli 2019, Fashion ID (C‑40/17, EU:C:2019:629, Rn. 72). Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass es in diesem Urteil um die Auslegung des Begriffs „Verarbeitung“ geht, wie er in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) definiert war. Obwohl diese Richtlinie nicht mehr in Kraft ist und durch die DSGVO ersetzt wurde, bleibt die vom Gerichtshof gegebene Auslegung im Rahmen der Anwendung der DSGVO maßgeblich. Denn die Definition dieses Begriffs bleibt in beiden Rechtsakten identisch, abgesehen von geringfügigen formalen Änderungen.

( 52 ) Urteil vom 24. Februar 2022, Valsts ieņēmumu dienests (Verarbeitung personenbezogener Daten für steuerliche Zwecke) (C‑175/20, EU:C:2022:124, Rn. 35).

( 53 ) Urteil vom 7. März 2024, IAB Europe (C‑604/22, EU:C:2024:214, Rn. 53 bis 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 54 ) Vgl. zu diesem Punkt die Leitlinien 07/2020 zu den Begriffen „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“ in der DSGVO, angenommen am 7. Juli 2021, abrufbar unter folgender Internetadresse: https://edpb.europa.eu/system/files/2023-10/edpb_guidelines_202007_controllerprocessor_final_de.pdf, Rn. 20, wonach „[sich das Konzept] des Verantwortlichen … auf den Einfluss des Verantwortlichen auf die Verarbeitung im Wege der Ausübung von Entscheidungsbefugnis [bezieht]. Verantwortlicher ist eine Stelle, die über bestimmte Schlüsselelemente der Verarbeitung entscheidet“.

( 55 ) Der Begriff „Zwecke“ bezieht sich auf das „Warum“ der Verarbeitung personenbezogener Daten, d. h. auf die Gründe für diese Verarbeitung und die damit verfolgten Ziele. Der Begriff „Mittel“ bezieht sich auf das „Wie“ dieser Verarbeitung, d. h. auf die Art und Weise, wie sie durchgeführt wird. Die Mittel der Verarbeitung umfassen also deren technische und organisatorische Elemente, wie die Speicherung, die Zugänglichkeit und die Dauer der Aufbewahrung personenbezogener Daten. Vgl. zu diesem Aspekt Bygrave, L. A., und Tosoni, L., „Article 4(7). Controller“, in: Kuner, C., Bygrave, L. A., Docksey, C., und Drechsler, L. (Hrsg.), The EU General Data Protection Regulation (GDPR): A Commentary, Oxford University Press, Oxford, 2020, S. 150.

( 56 ) Urteil vom 11. Januar 2024, État belge (Von einem Amtsblatt verarbeitete Daten) (C‑231/22, EU:C:2024:7, Rn. 29 und 30). Vgl. auch Leitlinien 07/2020 zu den Begriffen „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“ in der DSGVO, angenommen am 7. Juli 2021, Rn. 24, in denen es heißt, dass „[i]n der Regel … jedoch, anstatt den Verantwortlichen direkt zu benennen oder die Kriterien für seine Benennung festzulegen, eine Rechtsvorschrift jemandem die Aufgabe zuweisen oder die Verpflichtung auferlegen [wird], bestimmte Daten zu erheben und zu verarbeiten. In diesen Fällen ist der Zweck der Verarbeitung häufig im Gesetz bestimmt. Verantwortlicher ist normalerweise derjenige, der nach dem Gesetz diesen Zweck zu erreichen, diese öffentliche Aufgabe wahrzunehmen hat“.

( 57 ) Ich beziehe mich auf Art. 54 Abs. 1 Nr. 8, Art. 175a Abs. 1 und Art. 175b Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

( 58 ) Diese Anforderungen sind in Art. 175c Abs. 6 und Art. 175d Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehen.

( 59 ) Vgl. Rn. 63 der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑332/23.

( 60 ) Vgl. Rn. 26 dieser Erklärungen.

( 61 ) Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 62 Abs. 7 des Gesetzes über die Kreditinstitute gegen die Entscheidung des Rayonen sad (Rayongericht) kein Rechtsmittel eingelegt werden kann.

( 62 ) Urteil vom 12. Januar 2023, Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság (C‑132/21, EU:C:2023:2, Rn. 34).

( 63 ) Urteil vom 11. April 2024, juris (C‑741/21, EU:C:2024:288, Rn. 39). Im Gegensatz dazu trägt der für die betreffende Verarbeitung Verantwortliche im Rahmen einer auf Art. 82 DSGVO gestützten Schadenersatzklage die Beweislast dafür, dass die von ihm getroffenen Sicherheitsmaßnahmen im Sinne von Art. 32 DSGVO geeignet sind. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2023, Natsionalna agentsia za prihodite (C‑340/21, EU:C:2023:986).

( 64 ) In diesem Erwägungsgrund heißt es, dass „[j]ede betroffene Persondas Recht haben [sollte], bei einer einzigen Aufsichtsbehörde insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts eine Beschwerde einzureichen und gemäß Artikel 47 der Charta einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen, wenn sie sich in ihren Rechten gemäß dieser Verordnung verletzt sieht oder wenn die Aufsichtsbehörde auf eine Beschwerde hin nicht tätig wird, eine Beschwerde teilweise oder ganz abweist oder ablehnt oder nicht tätig wird, obwohl dies zum Schutz der Rechte der betroffenen Person notwendig ist“ (Hervorhebung nur hier).

( 65 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2023, Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság (C‑132/21, EU:C:2023:2, Rn. 51 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 66 ) Hierzu stelle ich fest, dass Art. 39 des Gesetzes über den Schutz personenbezogener Daten vorsieht, dass die betroffene Person im Fall einer Verletzung ihrer Rechte nach der DSGVO und dem genannten Gesetz die Handlungen und Maßnahmen des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters vor einem Gericht anfechten kann. Im Rahmen dieses Verfahrens kann die betroffene Person Ersatz für den Schaden verlangen, der ihr aufgrund einer unrechtmäßigen Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter entstanden ist.

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