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Document 52020AE2821

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021-2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014 (‚Programm EU4Health‘)“ (COM(2020) 405 final — 2020/0102 (COD))

    EESC 2020/02821

    ABl. C 429 vom 11.12.2020, p. 251–258 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    11.12.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 429/251


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021-2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014 (‚Programm EU4Health‘)“

    (COM(2020) 405 final — 2020/0102 (COD))

    (2020/C 429/32)

    Hauptberichterstatter:

    Antonello PEZZINI (IT-I)

    Mit-Hauptberichterstatter:

    Alain COHEUR (BE-III)

    Befassung

    Europäisches Parlament, 17.6.2020

    Rat, 10.6.2020

    Rechts0rundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Beschluss des Plenums

    9.6.2020

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    18.9.2020

    Plenartagung Nr.

    554

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    218/0/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) hat die Coronavirus-Pandemie mehr denn je deutlich gemacht hat, dass die Rolle der Europäischen Union im Gesundheitsbereich, ihre Reaktions-, Management- und Koordinierungsfähigkeiten und ihre Kompetenzen durch eine „Europäische Gesundheitsunion“ gestärkt werden müssen. Es gilt, das Leid der Bürgerinnen und Bürger sowie der Akteure des Gesundheitswesens — allen voran des ärztlichen und medizinischen Personals — zu lindern und ihren Erwartungen an eine wirksame EU-Gesundheitspolitik zu entsprechen, wobei der politischen Gliederung zwischen europäischer, nationaler und regionaler Ebene im Rahmen einer Multilevel-Governance (1) Rechnung zu tragen ist.

    1.2.

    Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein EU-Gesundheitsprogramm vom Mai 2020, den Vorschlag zur Konjunkturbelebung „Next Generation EU“ und den mehrjährigen Haushalt „MFR 2021-2027“. Er bedauert die vom Europäischen Rat im Juli 2020 vorgenommenen Haushaltskürzungen, da das Gesundheitswesen kurz- und langfristig vor komplexen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, digitalen und ökologischen Herausforderungen steht, für die innovative, bereichsübergreifende und integrierte Maßnahmen und umfangreiche strategische Investitionen (in den Bereichen Soziales und Gesundheit) erforderlich sind.

    1.2.1.

    Nach Auffassung des EWSA kann ein Europa „à la carte“ (2) (bzw. ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten) nicht der Weg sein, um die aktuellen, über die nationalen Grenzen hinausgehenden Herausforderungen zu bewältigen. Mit einer solchen Formel ist es nicht möglich, auf ein ehrgeiziges und solidarisches Projekt der europäischen Integration hinzuarbeiten, das auf der „Einheit in Vielfalt“ beruht und von gemeinsamen Kooperationszielen geleitet wird.

    1.3.

    Der EWSA fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Grundwerten der Europäischen Union wie der europäischen Solidarität und den Verpflichtungen auf internationaler Ebene (Ziele für nachhaltige Entwicklung, Förderung der Menschenrechte und internationale Übereinkommen) und europäischer Ebene (Prioritäten des deutschen EU-Ratsvorsitzes, Konkretisierung der europäischen Säule sozialer Rechte), den politischen Willen für einen „Gesundheitspakt für die Zukunft Europas“ zu zeigen.

    1.4.

    Der EWSA fordert das Europäische Parlament in seiner Eigenschaft als Mitgesetzgeber auf, mit dem Rat über eine Aufstockung der Finanzmittel für das Gesundheitsprogramm und andere Instrumente für Synergien im Gesundheitsbereich (grenzüberschreitende Forschung, Kohäsion und Zusammenarbeit) zu verhandeln. Das gilt auch für die spezifische Verwendung der Mittel des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur Überwindung der Sparpolitik.

    1.5.

    Der EWSA betont, dass bei der Umsetzung des Programms besonderes Augenmerk auf folgende Aspekte gelegt werden sollte: Bekämpfung sozialer Ungleichheiten im Gesundheitswesen, Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung, Kontinuität der Versorgung unter allen Umständen (auch grenzüberschreitend), Unterstützung und Konsolidierung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung für alle sowie die Entwicklung multidimensionaler EU-Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Verbindung mit den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte wie „Gesundheitsversorgung“, „Inklusion von Menschen mit Behinderungen“ und „Langzeitpflege“.

    1.5.1.

    Der EWSA fordert vor allem die Annahme europäischer Leitlinien, um den Bedürfnissen der am stärksten gefährdeten Menschen gerecht zu werden, d. h. von Personen in prekären Lebensverhältnissen, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen, vor allem, wenn sie zusammen mit vielen anderen in Heimen leben müssen, die in ganz Europa von der Pandemie und ihren Folgen hart getroffen wurden.

    1.5.2.

    Besonderes Augenmerk muss der Stärkung der Rechte älterer Menschen und von Menschen mit Behinderungen gelten. Hier muss insbesondere ein gemeinsamer Bewertungsrahmen festgelegt werden, mit maßgeschneiderter Planung und einer Schwerpunktsetzung auf die Pflege im häuslichen Umfeld oder in kleinen Heimen und auf Qualitäts- und Zugangskriterien für die Übernahme der Kosten für die Heimunterbringung und für die nötige Langzeitpflege. Die in vielen Pflegeeinrichtungen festgestellte sehr hohe Mortalität bei älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen sollte uns aufhorchen lassen und muss eine Verbesserung in der Art und Weise bewirken, wie diese Pflegeeinrichtungen geführt werden, die in vielen EU-Ländern nun kritisiert wird. Alle politischen Maßnahmen zur Unterstützung älterer Menschen müssen grundsätzlich auf den Prüfstand und u. a. im Rahmen der Arbeiten der Europäischen Kommission zu den Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa überprüft werden. Der EWSA fordert klare und innovative Leitlinien, bei denen der Mensch und die Menschenrechte der älteren und am stärksten benachteiligten Personen in den Mittelpunkt gestellt werden, so wie das bereits in Bezug auf spezifische Gesundheitsfaktoren erfolgt ist.

    1.6.

    Der EWSA hält eine kohärente europäische Gesundheitspolitik für vorrangig, die auch Modalitäten für die Umsetzung des Gesundheitsprogramms umfasst und mit angemessenen Finanzmitteln und Initiativen zur Verwirklichung einer „Europäischen Gesundheitsunion“ einhergeht. Er plädiert für einen operativen Ansatz der Berücksichtigung der Gesundheit in allen Politikbereichen.

    1.7.

    Der EWSA schlägt angesichts der dringlichen Lage, der Risiken eines Wiederauftretens von Pandemien und der inspirierenden Erfahrungen mit der „Energieunion“ und den Instrumenten für Verteidigung und Katastrophenschutz vor, so bald wie möglich einen europäischen Koordinierungs- und Krisenreaktionsmechanismus einzurichten.

    1.8.

    Es muss sofort eine mit Fachleuten besetzte Taskforce eingesetzt werden, die Wissen und Ressourcen koordiniert, um die führenden Einrichtungen in den Bereichen Virologie, Epidemiologie und Diagnostik zu vernetzen.

    1.9.

    Dem EWSA zufolge muss diese Taskforce, auch in Zusammenarbeit mit militärischen Kriseninterventionseinheiten, eine Bestandsaufnahme der verfügbaren und leicht einsetzbaren Ressourcen einschließlich der Notfallabteilungen vornehmen und den Einsatz mobiler Einheiten vorsehen. Die besten verfügbaren Ressourcen in Bezug auf künstliche Intelligenz und IT-Unterstützung müssen für die Entwicklung von Simulationen und Strategien vernetzt werden.

    1.9.1.

    Das Team sollte auch Aspekte bezüglich des Gesundheitszustands des gesamten Gesundheitspersonals vertiefen. Das ist von grundlegender Bedeutung nicht nur für das Recht auf Gesundheit, sondern auch für eine wirksame Reaktion auf eine eventuelle neue Krise. Außerdem könnte das Team die Grundlagen legen für eine im Kommissionsdokument empfohlene neue europäische Fachrichtung „Krisen- und Notfallmedizin“.

    1.9.2.

    Der Aufwand für diese grundlegende Neuerung scheint sehr begrenzt, weil der Hauptteil der Mitglieder bereits Hochschulen, Forschungszentren oder militärischen Sanitätseinheiten angehört.

    1.9.3.

    Nach Auffassung des EWSA muss diese Taskforce unbedingt unverzüglich einsatzbereit sein.

    1.9.4.

    Der EWSA bedauert, dass sich die Europäische Kommission während der aktiven Phase der Pandemie, die immer noch anhält, nicht mit der nötigen Autorität öffentlich zu Wort gemeldet hat. Die Kommission hätte mit Unterstützung der besten Fachleute in Europa für mehr Klarheit über die örtliche Gesundheitslage und die Auswirkungen des Virus auf den Menschen sorgen und damit häufig widersprüchliche Thesen zu den Aspekten und der Entwicklung der Krankheit entkräften können. Auf frühere Epidemien haben die EU-Institutionen mit konkreten Maßnahmen reagiert, z. B. durch die Einrichtung der Generaldirektion Gesundheit (GD SANTE) oder durch Schaffung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Nach Ansicht des EWSA sollte dieser Kurs fortgesetzt werden.

    1.10.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass das Gesundheitsprogramm nur mit einem inklusiven Ansatz greifbare Ergebnisse erzielen kann. Dabei werden die internationalen Organisationen (wie die Weltgesundheitsorganisation, mit der die Zusammenarbeit und die Synergien vertieft werden müssen), das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) und die Akteure des Gesundheitswesens mit unmittelbarem Bezug zum Alltag der Bürger einbezogen. Zudem sollen die Ziele regelmäßig überprüft werden.

    1.11.

    Der EWSA unterstreicht den wertvollen Beitrag der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die in einem besonders sensiblen und schwierigen Sektor arbeiten. Er fordert ständige Aufmerksamkeit für diesen Sektor, um dessen Bedürfnisse in puncto Ausbildung, Strukturen, Schutzausrüstungen und wirtschaftliches und soziales Wohlergehen abzusehen.

    1.12.

    Der EWSA unterstützt nachdrücklich die europäischen öffentlich-privaten Partnerschaften im Gesundheitsbereich nach dem Vorbild der Gemeinsamen Initiative IMI 2 und unterstützt gemeinsame Anstrengungen zur Stärkung der technologischen und produktiven Kapazitäten in Europa. Möglich wird dies durch ein stärkeres Engagement der europäischen Wissenschafts- und Gesundheitsgemeinschaften mit dem Ziel eines vollwertigen europäischen Gesundheitsraums.

    2.   Lehren aus der durch die Coronavirus-Pandemie verursachten multidimensionalen Krise

    2.1.

    Die Covid-19-Pandemie hat die Fragilität der Gesundheitssysteme zahlreicher Länder der Welt offengelegt, auch derjenigen EU-Mitgliedstaaten, die aufgrund der unmittelbaren Zwänge der wirtschaftspolitischen Steuerung und der Haushaltseinsparungen durch ein niedriges Niveau öffentlicher Investitionen geschwächt wurden. Daher weisen die Mitgliedstaaten bezüglich der für die Gesundheitssysteme zur Verfügung stehenden Mittel erhebliche Unterschiede auf, was auch für die von den einzelnen Mitgliedstaaten für die Bekämpfung der Corona Virus-Pandemie bereitgestellten Beträge gilt.

    2.2.

    Europa ist einem dreifachen Risiko ausgesetzt: unkontrollierte Pandemien und steigende soziale Ungleichheit im Gesundheitsbereich; unzureichende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und geopolitische „schwarze Schwäne“. Diese Risiken können die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger ernsthaft gefährden und zu einer dauerhaften Weltwirtschaftskrise und zu Zusammenbrüchen der Finanzmärkte bzw. zu Kapitalflucht führen.

    2.3.

    Die Coronakrise hat erneut gezeigt, dass das Gleichgewicht zwischen menschlichem Handeln und der Natur wiederhergestellt werden muss. Die Auswirkungen der Umwelt auf die Gesundheit (Klimawandel, Luftqualität, biologische Vielfalt, Lebensmittelsysteme) liegen auf der Hand.

    2.3.1.

    Es wäre sehr nützlich, wenn die Kommission und das Europäische Parlament, die sich ja sehr für die nachhaltige Entwicklung, Umwelt und biologische Vielfalt einsetzen, sich hier deutlicher und lauter zu Wort meldeten und vor allem den europäischen Bürgerinnen und Bürgern in diesen schwierigen Zeiten Hinweise und mögliche Lösungen auf wissenschaftlicher Grundlage — unter Hinzuziehung der besten europäischen Fachleute — an die Hand gäben, wie die schwierige Gesundheitslage, die so viel Leid und Schrecken verursacht, bewältigt werden kann.

    2.4.

    Nicht übertragbare Krankheiten nehmen in Europa zu und sind hier die Hauptursache für Invalidität und Tod: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und Atemwegserkrankungen machen 77 % der Krankheitsfälle und 86 % der Ursachen für vorzeitige Mortalität aus. Viele dieser Krankheiten sind auf das Zusammenwirken mehrerer Faktoren, darunter auch Umweltfaktoren, zurückzuführen.

    2.5.

    Der von der Europäischen Kommission vorgestellte Grüne Deal bildet die Grundlage für eine neue Strategie für nachhaltiges und inklusives Wachstum mit dem Ziel, die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen zu verbessern, die Natur zu erhalten und niemanden zurückzulassen.

    2.6.

    Grenzgebiete eignen sich besonders für gesundheitspolitische Maßnahmen der EU. In den meisten Fällen weisen sie eine hohe Mobilität auf. Sie gehörten zu den ersten Gebieten, die von Abkommen oder Vereinbarungen zwischen Nachbarländern zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung profitierten.

    2.7.

    Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich wurde vor mehr als 20 Jahren mit den Interreg-Programmen begonnen. Sie sieht Koordinierung, Aufbau, Organisation und z. T. komplexe Lösungen zwischen den verschiedenen Akteuren vor. Innerhalb weniger Stunden nach dem Ausbruch der Covid-19-Krise wurde diese Kooperation mit der einseitigen Schließung der Grenzen jedoch jäh unterbrochen, ohne den Alltag in den Grenzregionen zu berücksichtigen und ohne den Willen, den Geist der Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten.

    3.   Stärkung der Gesundheitssysteme und der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union

    3.1.

    Die Covid-19-Pandemie hatte und hat auf globaler, europäischer und grenzüberschreitender Ebene erhebliche Auswirkungen, vor allem auf die Bürger und die Gesellschaft und auf die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Strukturen. Das macht deutlich, dass die Gesundheits- und Krisenmanagementsysteme gestärkt werden müssen.

    3.2.

    Gesundheitsförderung, Schutz vor Gesundheitsrisiken und politische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten sind die Ziele der EU-Gesundheitspolitik. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten für die Bewältigung von Krisen unerlässlich sind.

    3.3.

    Um wirksam gegen mögliche neue grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen vorgehen zu können, muss die Reaktionsfähigkeit der EU in Krisensituationen gestärkt werden. Im Allgemeinen sollte dies im Rahmen der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte (insbesondere Grundsatz 16) und der Ausweitung der Zuständigkeiten der EU im Gesundheitsbereich — auch mittels Überarbeitung der EU-Verträge — erfolgen.

    3.4.

    Wenngleich die EU derzeit nur über unterstützende Zuständigkeiten im Bereich der öffentlichen Gesundheit verfügt, was ihren Handelsspielraum einschränkt, kann sie auf diese im Rahmen ihrer anderen Politikbereiche — insbesondere durch den Zyklus zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik und den Binnenmarkt — einwirken.

    3.5.

    Im Rahmen der „Zukunft Europas“ muss ein Europa der Gesundheit Vorrang haben: EU4Health ist ein erster Schritt in diese Richtung.

    3.6.

    In diesem Zusammenhang hat die EU eine Reihe von Initiativen ergriffen, die fortgeführt und konsolidiert werden müssen. Zwei Arten dieser Initiativen sind besonders zu erwähnen: die Europäischen Referenznetze (ERN) und die europäischen Programme.

    3.7.

    Die seit 2017 operativen ERN wurden zur Vernetzung europäischer Fachleute im Bereich seltener Krankheiten konzipiert. Sie stellen sicher, dass nicht die Patienten zirkulieren, sondern ein Informationsaustausch erfolgt, um die bestmögliche Hilfe ohne die Unannehmlichkeiten des Krankentransports zu gewährleisten. Gegenwärtig sind über 900 hochspezialisierte Pflegeeinheiten in mehr als 300 Krankenhäusern beteiligt. Dieses Modell könnte auch auf andere Krankheiten angewandt werden.

    3.8.

    In Bezug auf die Steuerung und Wirkungsweise verfügt die EU über fünf Agenturen, um rasch auf Notlagen zu reagieren — zusätzlich zu anderen Strukturen wie dem „Europäischen Medizinischen Korps“ oder den italienischen „Caschi bianchi“.

    3.9.

    Was Gesundheitsfragen betrifft, werden die nationalen Regierungen von zwei diesbezüglichen Agenturen unterstützt. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) (3) bewertet und überwacht die Gefahr aufkommender Krankheiten, um die Bekämpfung zu koordinieren. Gleichzeitig steuert die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) (4) die wissenschaftliche Bewertung der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit aller Arzneimittel in der EU. Weitere Agenturen haben wichtige ergänzende Funktionen.

    3.10.

    Die aktuelle Covid-19-Krise belegt, dass der Zuweisung von Mitteln für das Gesundheitswesen im künftigen mehrjährigen Finanzrahmen mehr denn je Priorität eingeräumt werden muss.

    3.11.

    Den Erfahrungen aus der Krise zufolge muss mehr getan werden, um die Gesundheitssysteme für die Bereitstellung von dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Diensten, Arzneimitteln, medizinischen Spitzentechnologien und -produkten zu ertüchtigen und auf Epidemien und andere unvorhersehbare Krisen oder Herausforderungen vorzubereiten.

    3.12.

    Es bedarf eines zukunfts- und krisensicheren Systems, damit unter allen Umständen der zeitnahe Zugang zu sicheren, hochwertigen und wirksamen Arzneimitteln gewährleistet ist und Lieferengpässe ebenso wie die Abhängigkeit von Importen von Arzneimitteln und pharmazeutischen Wirkstoffen aufgrund der Herstellung außerhalb der EU behoben werden. Außerdem ist eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Regulierungsbehörden im Falle neu auftretender Gesundheitsgefahren erforderlich.

    3.13.

    Notwendig sind Investitionen vor Ort sowie die Stärkung der Pflegekapazitäten auf Gebietsebene und bei der häuslichen Pflege durch Fernüberwachungstechnologien, Telemedizin, Apps oder personalisierte Medizinprodukte, die auf die 4-P-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert und partizipativ) zurückgehen. Erforderlich sind auch Investitionen zur Stärkung der obligatorischen Krankenversicherung, zunächst auf nationaler Ebene und danach in breiter Abstimmung auf EU-Ebene) (5).

    4.   Europa braucht seinen Zielen angemessene Mittel

    4.1.

    Die Investitionen im Gesundheitsbereich und die verschiedenen Finanzierungsprogramme müssen bereichsübergreifend miteinander verknüpft werden. Es gilt, sowohl die Aspekte der Pflege als auch der Krankheitsprävention und der Gesundheitsförderung zu berücksichtigen.

    4.2.

    Horizont Europa sieht auch eine Reihe von „Missionen“ vor — eine Neuerung im Vergleich zu den früheren Forschungspartnerschaften. Sie verfolgen ehrgeizige Ziele zur Lösung dringender Probleme mit Auswirkungen auf den Alltag der Bürger.

    4.3.

    Ein wichtiger Bereich der europäischen Förderpolitik ist die Digitalisierung des Gesundheitssektors. Diesbezüglich sieht Horizont Europa im Rahmen des Clusters „Gesundheit“ eine ganze Milliarde EUR allein für die Entwicklung von Lösungen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) für Prävention, Diagnose, Behandlung und Pflege vor.

    4.4.

    Im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ sind ca. 80 Mio. EUR für die Entwicklung und Interoperabilität elektronischer Gesundheitsdienste vorgesehen. Auch das künftige Programm „Digitales Europa“ unterstützt die Schaffung und Konsolidierung eines gemeinsamen europäischen Raums für Gesundheitsdaten, u. a. durch Vereinheitlichung der gemeinsam genutzten Datentypen, die Festlegung gemeinsamer Indikatoren und die aktive Einbindung von Eurostat in den zuletzt genannten Aspekt.

    4.5.

    Das Soforthilfeinstrument der EU wurde für den Gesundheitssektor gestärkt. Die RescEU-Reserve, die zum Katastrophenschutzverfahren der Union (6) gehört, konzentriert sich auf schnelle und direkte Antworten auf die Gesundheitskrise.

    4.6.

    Im Rahmen der Interreg-Programme der grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit dezentraler Verwaltung muss der Gesundheitsbereich vorrangig gefördert werden.

    5.   Eine ehrgeizige gemeinsame europäische Initiative für den Aufschwung

    5.1.

    Das Europäische Parlament forderte in seiner Entschließung vom 17. April 2020 (7) einen spezifischen Fonds zur Unterstützung der nationalen Gesundheitssysteme während der Krise mittels höherer Investitionen, um die Gesundheitssysteme der EU widerstandsfähiger zu machen und bedürftigen Ländern zu helfen. Ferner wurde die Schaffung eines neuen eigenständigen europäischen Gesundheitsprogramms gefordert.

    5.2.

    Der EWSA hat sich wiederholt zur europäischen Gesundheitspolitik geäußert (8). Der EWSA und seine Mitglieder haben bereits am 17. März 2020 mehr Solidarität und ein gemeinsames europäisches Vorgehen gefordert, um die Pandemie wirksam zu bewältigen.

    5.3.

    Genauso wie für die wirtschaftliche Erholung müssen die verschiedenen, von den EU-Organen im Rahmen von EU4Health ergriffenen Maßnahmen inklusiv sein und alle Akteure des Gesundheitswesens (Krankenkassen, Gegenseitigkeitsgesellschaften usw.) einbeziehen.

    6.   Ein integriertes und sektorübergreifendes Gesundheitsprogramm

    6.1.

    Der EWSA begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission für eine koordinierte und integrierte europäische Reaktion bei Gesundheitskrisen infolge von Pandemien. Sie verleiht folgenden Bereichen eine umfassende europäische Dimension: Gesundheitspolitik, Präventions- und Frühwarnnetze (Ferndiagnostik), Stärkung von Innovation und Forschung im Gesundheitsbereich sowie Stärkung digitaler Gesundheitstechnologien.

    6.2.

    Der EWSA unterstreicht ferner, dass auch bei den Zielen bezüglich nicht übertragbarer Krankheiten sowie chronischer, zu Invalidität führender Erkrankungen eine bessere europäische Koordinierung nötig ist. Er verweist auf den Schutz schwächerer Bevölkerungsgruppen, die Aspekte der psychischen Gesundheit und Maßnahmen zur Erhaltung einer autonomen Lebensführung älterer Menschen.

    6.3.

    Der EWSA betont die Bedeutung des Konzepts „Eine Gesundheit“. Dieses wurde angenommen in dem Bewusstsein, dass es im Allgemeinen keine Antwort geben kann, die sich nur mit einem einzigen Bereich befasst und dass die Lösung nur in besseren Behandlungen liegt. Vielmehr ist es klar, dass die Probleme der öffentlichen Gesundheit mit einem komplexen und integrierten Ansatz angegangen werden müssen.

    6.4.

    Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Koordinierung von entscheidender Bedeutung ist und nicht nur eine unter den über 70 möglichen Maßnahmen sein darf. Dazu muss die „Schaffung und Anwendung eines Mechanismus für die sektorübergreifende Koordination des Konzepts ‚Eine Gesundheit‘“ erwogen werden. Nach Auffassung des EWSA muss dieser Aspekt Vorrang haben, da ein Mechanismus für die sektorübergreifende Koordination ein Schlüsselelement für die Bewältigung der Krise ist.

    6.5.

    Der EWSA hält es für wichtig, dass mit dem vorgeschlagenen Ansatz das Gleichgewicht zwischen menschlicher und tierischer Gesundheit (siehe die mögliche Rolle von Tieren als Reservoirwirte für Erreger übertragbarer Krankheiten) sowie die Ökosysteme (z. B. Beachtung der Auswirkungen der Entsorgung sensibler Abfälle in einer Krise) nicht außer Acht gelassen werden, und dass der Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen im Rahmen von Strategien zur Stärkung der Krisenresilienz zentrale Bedeutung hat.

    6.6.

    Der EWSA ist jedoch darüber besorgt, dass dieser koordinierte Ansatz zum Schutz vor und zur Verhütung von schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und Pandemien auf der Koordinierung so vieler verschiedener Agenturen (9) basiert. Diese haben unterschiedliche Hintergründe, Aufgaben und spezifische Kompetenzen und scheinen nicht in der Lage, sich im Falle einer Mobilisierung und einer integrierten Sofortreaktion eigenständig und wirksam zu koordinieren.

    6.7.

    Der EWSA betont, dass die Agenturen mithilfe eines sektorübergreifenden Koordinierungsmechanismus konzertiert handeln und als treibende Kraft für EU-Vorschläge zusammenarbeiten sollten.

    6.8.

    In Bezug auf die Governance und die Rolle der Agenturen müssen die Handlungsfähigkeit der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission, ihre Verbindungen zur Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration und ihre bereichsübergreifende Überwachung von Gesundheits- und Sozialfragen in allen europäischen Politikbereichen gestärkt werden.

    6.9.

    Nach Ansicht des EWSA muss angemessen berücksichtigt werden, dass in den drei durch Coronaviren verursachten Epidemien folgende Schwachstellen deren Ausbreitung begünstigt haben, die andernfalls viel geringere Auswirkungen gehabt hätten (gilt weltweit, im aktuellen Fall auch in Europa): mangelnde integrierte Sofortmaßnahmen; unzureichendes Informationsmanagement; Unfähigkeit und auch mangelnder Wille zur Koordinierung der Maßnahmen; mangelnde Ressourcen; nicht zuletzt Unzulänglichkeiten bei der Mobilisierung und dem strategischen Management potenziell verfügbarer Ressourcen.

    6.10.

    Der EWSA betont, dass das größte Problem bei der Reaktion auf Covid-19 in vielen Ländern der Welt, aber auch zum Teil in Europa, die mangelnden Kapazitäten für Frühwarnung und für eine integrierte Reaktion waren. Vor dem Hintergrund des dringenden Handlungsbedarfs wurde die Lage auch dadurch verschärft, dass die rechtlichen Befugnisse zur raschen Umsetzung der Übergangsregelungen für Notfälle fehlten. Daher sollte die Möglichkeit eines europäischen Frühwarnmechanismus geprüft werden.

    6.11.

    Nach Auffassung des EWSA müssen Grenzschließungen aus Gesundheitsgründen ausgeschlossen werden. Der Grundsatz „Gesundheit kennt keine Grenzen“ muss in den europäischen Verträgen verankert werden. Diesbezüglich empfiehlt der EWSA, die Freizügigkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe und von Patienten zu gewährleisten.

    6.12.

    Der Europäische Rechnungshof hat mehrfach erklärt, dass die Präsenz und die Maßnahmen der EU im Bereich der Gesundheitssysteme im Hinblick auf eine bürgernahe, grenzüberschreitende und vor allem bessere medizinische Versorgung, insbesondere für die besonders schutzbedürftigen und wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungsgruppen, verbessert werden müssen. Auch der EWSA fordert die Kommission auf, die in den Verträgen klar verankerten sozialen Werte deutlicher zu machen und konkret der Kultur und dem Handeln der Union mit dem Ziel einer europäischen Gesundheitsunion zugrundezulegen.

    6.13.

    Der EWSA schließt sich dem Europäischen Rechnungshof an, der mehrfach erklärt hat, dass die Maßnahmen der EU im Gesundheitsbereich verbessert, eine grenzüberschreitende Konvergenz der Gesundheitssysteme zum Wohle der Menschen in Europa herbeigeführt und der Zugang zur medizinischen Versorgung insbesondere für die besonders schutzbedürftigen und wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungsgruppen gestärkt werden müssen.

    7.   Anpassung operativer, funktioneller und strategischer Maßnahmen

    7.1.

    Eine Aufstockung der personellen und finanziellen Ressourcen ist sicherlich sinnvoll. Jedoch wäre es mit einem integrierten Ansatz und mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit bereits mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Mitteln möglich gewesen, die Infektionsherde zu stoppen.

    7.2.

    Koordinierung und Zusammenarbeit sind daher grundlegend, um gesundheitliche Notlagen zu bewältigen, die Wirtschaftstätigkeit zu unterstützen und den Weg für die Erholung zu ebnen.

    7.3.

    Nach Dafürhalten des EWSA ist es unerlässlich, im Rahmen des ECDC eine Stelle für Analysen, Prävention und Krisenreaktionssimulationen einzurichten. Diese sollte die grundlegenden Daten für die Planung der Strategien bereitstellen und die besten verfügbaren Ressourcen sehr kurzfristig mobilisieren.

    7.4.

    Werden die Erfahrungen der ERN (10) in anderen Sektoren genutzt, können Konsortien geschaffen werden, die in der Lage sind, europäische Spitzenkräfte für krisenrelevante Fragen zu rekrutieren und die Grundlagen für Synergien zu legen.

    7.5.

    Der EWSA hält diese Erfahrungen jedoch für unzureichend. Denn das wahre Problem ist die Frage, wer die Koordinierung und Vollendung der Arbeit dieser Netzwerke in der Hand halten (bzw. Netzwerke aufbauen und verwalten) kann.

    7.6.

    Es müssen europäische Kampagnen und Pläne konzipiert werden, die besser auf die am stärksten gefährdeten Gruppen ausgerichtet sind. Diese Initiativen müssen insbesondere die Förderung gesunder Lebensweisen, die Prävention und die medizinische Früherkennung, die Einrichtung integrierter Betreuungs- und Fürsorgemöglichkeiten sowie die Bekämpfung sozialer Ungleichheiten zum Ziel haben.

    8.   Zielkontrolle durch kontinuierliche Überwachung und mit einem inklusiven Ansatz

    8.1.

    Der EWSA unterstreicht, dass den Indikatoren für die Kontrolle und Qualitätsüberprüfung der Programmziele besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Die allgemeinen Makroindikatoren des Programms sind von zentraler Bedeutung. Doch das Ziel, die europäischen Ressourcen angesichts aktueller und künftiger Krisen zu fördern und einzusetzen, erfordert ein flexibles System, das in der Lage sein muss, mithilfe punktueller „Mikroindikatoren“ auf Ad-hoc-Basis auf die ständigen Unwägbarkeiten, für die es konzipiert wurde, zu reagieren.

    8.2.

    Nach Auffassung des EWSA sollte ein Pool von Angehörigen der Gesundheitsberufe der Mitgliedstaaten und Experten der verschiedenen Fachrichtungen eingerichtet werden. Zumindest einige der Beteiligten sollten spezifisches Fachwissen über die Bekämpfung gesundheitlicher Notlagen haben, und einige sollten Erfahrungen mit integrierten Tätigkeiten haben, wie dies in den Bereichen Forschung, Zivilschutz und Sanitätsdiensten im Militärbereich der Fall ist.

    8.3.

    Der EWSA begrüßt das Gesundheitsprogramm der Kommission, mit dem die Notwendigkeit eines Mechanismus zur Überwachung von Krisen hervorgehoben wird. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass über die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Herstellung von Ausrüstung und Technologien hinaus ein System zur Koordinierung, Planung, Überwachung und strategischen Steuerung im Bereich Prävention und frühzeitiges Eingreifen eingerichtet werden muss.

    8.4.

    Im Gesundheitsbereich hat die Union die Aufgabe, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, bei der Aus- und Fortbildung dagegen kommt ihr eine zentrale Rolle zu. Unter diesem Gesichtspunkt sollte die Überprüfung durch EU-Einrichtungen im Bereich der Gesundheitsausbildung ausgebaut werden. Die EU muss aufgrund ihrer Aufgaben bei der Ausbildung auch im Gesundheitsbereich eine zentrale Rolle übernehmen, gerade für Universitätskliniken.

    8.5.

    Der EWSA spricht sich für eine gleichberechtigte Einbindung und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei Entscheidungs- und Beschlussfassungsprozessen aus. Neben durchaus erforderlichen Rechtsvorschriften kann ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in den Entscheidungsprozessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auch mit einem Ansatz des sozialen und familiären Gender-Mainstreaming angestrebt werden.

    8.6.

    Nach Ansicht des EWSA sollten diese Gesundheitssektoren ständig durch die Union überwacht werden. Dabei ist auch zu betonen, dass die Mitgliedstaaten angemessene Einrichtungen und Strukturen für eine Ausbildung im Einklang mit den Bedürfnissen der Union sicherstellen müssen.

    8.7.

    Der EWSA bekräftigt, dass der gleichberechtigte Zugang zur Gesundheitsversorgung von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren kann, wenn u. a. folgende Bedingungen erfüllt sind:

    einheitliche territoriale Abdeckung;

    Verringerung der digitalen Kluft;

    Interoperabilität der gesamten digitalen Architektur;

    Schutz der Gesundheitsdaten gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (11).

    9.   Unterstützung der Beschäftigten im Gesundheitswesen

    9.1.

    Der EWSA ist davon überzeugt, dass die unmittelbare Rolle der EU in der Ausbildung des Gesundheitspersonals betont werden muss. Denn der Ausbau der Zivilschutzsysteme erfordert auch ein neues Berufsprofil: den Experten für Krisenkoordinierung und -überwachung. Dieses Berufsprofil sollte auf allen territorialen Ebenen des Zivilschutzes vertreten sein.

    9.2.

    Vorstellbar wäre als Pilotprojekt die Errichtung einer gemeinsam von den europäischen Universitäten aufgebauten europäischen Hochschule.

    9.3.

    Nach Ansicht des EWSA muss sich die EU neben der Ausbildung für gute Arbeitsbedingungen für die Angehörigen der Gesundheitsberufe, den „Helden“ der Krise, einsetzen.

    10.   Die EU muss Vorreiter in der Forschung werden

    10.1.

    Bezüglich der Maßnahmen zur Förderung der Forschung zu Arzneimitteln, die in Krisensituationen nützlich sein können, ist auf Folgendes hinzuweisen: Diese Forschung, insbesondere zu Arzneimitteln, die bereits unter ähnlichen Bedingungen verwendet werden, betrifft z. T. Arzneimittel, die für den Markt von geringem Interesse sind, weil sie patentfrei sind. Deshalb sollte auch im Hinblick auf die technologische und produktive Souveränität Europas die unabhängige Forschung — auch im sensiblen Bereich der Impfstoffe — verstärkt werden.

    10.2.

    Eine neuere Studie hat gezeigt, dass die weltweit bedeutendsten Hochschulen in puncto wissenschaftliche Ergebnisse in der Rangliste Positionen verloren haben (2015-2019), besonders stark in Europa (nur eine europäische Universität unter den ersten 30), während Unternehmen, die auf Internet-, Technologie- und Datenanalysedienste spezialisiert sind, in der Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen haben.

    10.3.

    Nach Auffassung des EWSA müssen Synergien aufgezeigt werden zwischen dem EU-Gesundheitsprogramm 2021-2027 und allen anderen Programmen und Fonds, die auf Forschung und technologische Innovation im Gesundheitswesen ausgerichtet sind. Es gilt, Innovation und Patentierung zu fördern, die eine hochkarätige biomedizinische Produktion begleiten und unterstützen können.

    Brüssel, den 18. September 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Ausschuss der Regionen: Charta der Multi-Level-Governance in Europa.

    (2)  EUR-Lex.

    (3)  https://www.ecdc.europa.eu/en.

    (4)  https://www.ema.europa.eu/en.

    (5)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 1.

    (6)  https://what-europe-does-for-me.eu/de/portal/2/X07_26001

    (7)  https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-04-17-TOC_DE.html.

    (8)  Verordnung über die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise, EESC-2020-01536-00-01-PAC-TRA (ECO/515, in Erarbeitung); ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 11; ABl. C 240 vom 16.7.2019, S. 10; ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 122; ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 52; ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 1; ABl. C 242 vom 23.7.2015, S. 48; ABl. C 116 vom 20.4.2001, S. 75; ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 76; ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 102; ABl. C 234 vom 30.9.2003, S. 36; ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 74; ABl. C 120 vom 20.5.2005, S. 54; ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 36; ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 91; ABl. C 242 vom 23.7.2015, S. 48; ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 10; ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 14; ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 150; ABl. C 283 vom 10.8.2018, S. 28; ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 57.

    (9)  Vgl. Ziffer 2.6.

    (10)  ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45.

    (11)  Siehe Fußnote 5.


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