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Document 52020AE2808

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Fazilität für Wiederaufbau und Resilienz“ (COM (2020) 408 final — 2020/0104 (COD)) — „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Instruments für technische Unterstützung“ (COM (2020) 409 final — 2020/0103 (COD))

EESC 2020/02808

ABl. C 364 vom 28.10.2020, p. 132–138 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 364/132


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Fazilität für Wiederaufbau und Resilienz“

(COM (2020) 408 final — 2020/0104 (COD))

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Instruments für technische Unterstützung“

(COM (2020) 409 final — 2020/0103 (COD))

(2020/C 364/18)

Hauptberichterstatter:

Dimitris DIMITRIADIS

Befassung

Rat der Europäischen Union, 10.6.2020

Europäisches Parlament, 17.6.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 175 Absatz 3 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

 

 

Verabschiedung im Plenum

16.7.2020

Plenartagung Nr.

553

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

208/4/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die vorgeschlagene Aufbau- und Resilienzfazilität („Fazilität“) (1).

1.2.

Über seine wirtschaftliche Dimension hinaus trägt der Vorschlag der Europäischen Kommission auch wesentlich zur Vertiefung und Einigung der europäischen Familie bei, da er die Solidarität und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten stärkt.

1.3.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission beweist unter anderem, dass die EU — sofern der entsprechende politische Wille vorhanden ist — in der Lage ist, große Krisen wirksam zu bewältigen, ernsthafte und glaubhafte Lösungen zu finden und die notwendigen und realistischen Kompromisse zu machen. Dies wird letztlich zu einer substanziellen Förderung des europäischen Ideals beitragen.

1.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Fazilität den Übergang zur Klimaneutralität und zur digitalen Wirtschaft mithilfe von Geldern aus dem Aufbauinstrument der EU (2) unterstützen sollte. So könnten die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs in den am stärksten betroffenen Regionen abgemildert werden.

1.5.

Durch die COVID-19-Krise sind der auf Nachhaltigkeit, Ökologisierung und Digitalisierung ausgerichtete Aufbau sowie die Notwendigkeit, die schwächsten Regionen zu unterstützen, noch dringlicher geworden.

1.6.

Der EWSA hat sich bereits für eine enge Verknüpfung des Reformhilfeprogramms (3) mit dem Europäischen Semester ausgesprochen (4). Daher sollten in den von den Mitgliedstaaten vorgelegten Plänen die wichtigsten im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelten Problemfelder behandelt und mit den Grundsätzen des europäischen Grünen Deals und der Digitalen Agenda in Einklang gebracht werden.

1.7.

Die Maßnahmen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats müssen rasch und wirksam koordiniert werden, um Verzögerungen zu vermeiden, die das Erreichen der Ziele der Fazilität gefährden würden.

1.8.

Angesichts der kurzen Zeit, in der die verschiedenen Projektpläne erarbeitet und abgeschlossen werden müssen, ist eine sofortige und umfassende Reaktion der Mitgliedstaaten erforderlich.

1.9.

Der EWSA hält es für wichtig, dass die Mitgliedstaaten eng mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, um die im Rahmen der Fazilität vorzulegenden Projektpläne zu genehmigen, zu überwachen und erfolgreich umzusetzen.

1.10.

In den Plänen sollte eine direkte finanzielle Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen vorgesehen werden.

1.11.

Der EWSA hält es für sehr wichtig, dass jede angekündigte Maßnahme und insbesondere solche zur finanziellen Unterstützung mit klaren, unternehmensfreundlichen Informationen darüber einhergehen, welche Art von Unterstützung gewährt wird, wie KMU Zugang zu den bestehenden EU-Finanzierungsinstrumenten erhalten, wen sie im Falle von Fragen auf EU-Ebene kontaktieren können, welche nationalen Stellen an der Weiterleitung der Mittel beteiligt sind, an wen sich die KMU auf nationaler Ebene wenden können, welche Rolle die nationalen Banken spielen und welche Pflichten sie haben.

1.12.

Die Einreichung, Genehmigung, Überwachung und Fertigstellung der Projekte könnte dadurch beschleunigt werden, dass private Beratungsunternehmen mit globaler Erfahrung in den betreffenden Bereichen aktiv zurate gezogen werden.

1.13.

Der EWSA betont erneut die Notwendigkeit, bewährte Vorgehensweisen innerhalb der EU auszutauschen und Verwaltungsverfahren für die Zuweisung und Auszahlung der verfügbaren Mittel zu beschleunigen, wobei es an der Europäischen Kommission ist, die notwendige technische Unterstützung zu leisten (5).

1.14.

Die Rolle und Standpunkte der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft sollten in den von den Mitgliedstaaten vorgelegten Plänen berücksichtigt werden. Der EWSA hat insbesondere bereits darauf hingewiesen, dass „die organisierte Zivilgesellschaft maßgeblich dazu beitragen kann, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten zu einer einheitlichen Auffassung über den Inhalt der Reformprogramme kommen“ (6).

1.15.

Das Instrument für technische Unterstützung kann die vorgeschlagenen Maßnahmenpakete der Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie wirksam ergänzen.

2.   Einleitung und allgemeine Bemerkungen

2.1.

Ziel der vorgeschlagenen Fazilität ist es, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern, indem die Resilienz und die Anpassungsfähigkeit der Mitgliedstaaten verbessert, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abgemildert und der ökologische und digitale Wandel unterstützt werden, die auf die Klimaneutralität Europas bis 2050 abzielen, um so das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten nach der COVID-19-Krise wiederherzustellen, Arbeitsplätze zu schaffen und nachhaltiges Wachstum zu fördern.

2.2.

Die Fazilität dient der Bereitstellung nicht zurückzuzahlender finanzieller Unterstützung und Darlehen. Sie sollen den Ländern — insbesondere denjenigen mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit — dabei helfen, die schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie angemessen zu bewältigen.

2.3.

Ergänzend zu der nicht zurückzuzahlenden Unterstützung sind Darlehen mit langen Laufzeiten und zu den günstigen Zinssätzen vorgesehen, die der Union gewährt werden.

2.4.

Die COVID-19-Pandemie ist die globale Gesundheitskrise unserer Zeit. Sie hat bisher (mit Stand vom 12. Juni 2020) mehr als 420 000 Menschen das Leben gekostet (7). COVID-19 ist viel mehr als eine Gesundheitskrise, denn sie hat auch weltweit enorme sozioökonomische Folgen, deren Tragweite noch gar nicht abzusehen ist. Laut dem jüngsten Bericht der Weltbank über die Weltwirtschaft (Juni 2020) wird der Corona-Schock die tiefste weltweite Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg verursachen.

2.5.

Die Weltwirtschaft dürfte 2020 um 5,2 % schrumpfen, was etwa dem Dreifachen der Weltfinanzkrise von 2008-2009 entspricht. Für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird für 2020 ein reales BIP-Wachstum von -6,1 % in den USA bzw. -9,1 % im Euro-Währungsgebiet erwartet. Im Bericht der Weltbank vom Juni 2020 heißt es ausdrücklich: „Da in mehr als 90 % der Schwellen- und Entwicklungsländer in diesem Jahr ein Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens zu erwarten ist, dürften viele Millionen Menschen wieder in die Armut zurückfallen“ (8).

Der COVID-19-Schock zeitigt folgende wirtschaftliche Auswirkungen (9):

1)

Die gestiegene Unsicherheit führt zu Angstsparen.

2)

Der Verbrauch sinkt.

3)

Die Bereitschaft zu Realinvestitionen geht zurück.

4)

Die Arbeitslosigkeit steigt an und wird sich wahrscheinlich auf einem zum Teil dauerhaft höheren Niveau einpendeln.

5)

Das Welthandelsvolumen schrumpft und die globalen Lieferketten werden mitunter erheblich gestört.

6)

Die Rohstoffpreise (v. a. der Ölpreis) brechen ein, was die Finanzierung der Haushalte traditioneller Rohstoffexporteure besonders schwierig macht.

7)

Die Risikoprämien für risikobehaftete Vermögenswerte schnellen in die Höhe.

2.6.

Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass die Maßnahmen gegen die Gesundheitskrise die Wirtschaftskrise verschlimmern und umgekehrt. Was zur Abflachung der Pandemiekurve unternommen wird, verschärft zwangsläufig die makroökonomische Rezession und gefährdet alle Lieferketten, auch diejenigen, die für Menschen überlebenswichtig sind (Lebensmittel und medizinische Güter). Sollten sich die Folgeerscheinungen der Pandemie weiter verschlimmern, könnten sie Finanzkrisen auslösen, die zu einem Einbruch der Kreditvergabe, einer längeren weltweiten Rezession und einer langsameren Erholung führen könnten. Im Weltbankbericht „Global Economic Prospects Report“ vom Juni 2020 wird darauf hingewiesen, dass die steigende Verschuldung das Weltfinanzsystem anfälliger für Spannungen auf den Finanzmärkten macht.

2.7.

Folglich muss unverzüglich und umfangreich finanziell interveniert werden, um die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten Krise einzudämmen und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten widerstandsfähiger und zukunftstauglicher zu machen.

2.8.

Es sind folgende wirtschaftlichen Prioritäten zu setzen:

1)

Die Menschen müssen auch dann ihren Arbeitsplatz behalten, wenn sie unter Quarantäne stehen oder gezwungen sind, zu Hause zu bleiben.

2)

Öffentliche und private Einrichtungen, die besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen unterstützen, müssen von den Regierungen finanziell gefördert werden.

3)

KMU sind vor Insolvenz zu schützen (die Notwendigkeit einer Unterstützung großer, nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften aus Steuergeldern ist deutlich weniger unstrittig).

4)

Angesichts der Zunahme notleidender Kredite wird es politischer Maßnahmen bedürfen, um das Finanzsystem zu unterstützen.

5)

Konjunkturpakete in Höhe der krisenbedingten BIP-Ausfälle sollten angenommen werden.

2.9.

Nun schlägt die Kommission vor, den EU-Haushalt aufzustocken, um die unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Schäden der COVID-19-Pandemie aufzufangen, den Aufschwung anzukurbeln und die Weichen für eine bessere Zukunft für die nächste Generation zu stellen. Um sicherzustellen, dass der Aufschwung nachhaltig und überdies inklusiv und fair für alle Mitgliedstaaten verläuft, schlägt die Europäische Kommission das neue Aufbauinstrument der Europäischen Union vor. Es soll in einen wirkungsvollen, modernen und umgestalteten langfristigen EU-Haushalt eingebettet werden. Die Leitinitiative des Aufbauinstruments ist die Aufbau- und Resilienzfazilität (10).

3.   Allgemeine Prinzipien der Aufbau- und Resilienzfazilität und des Instruments für technische Unterstützung

3.1.

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagene Aufbau- und Resilienzfazilität („Fazilität“) und das Instrument für technische Unterstützung („Instrument“), die er nachdrücklich unterstützt. Sie bieten eine umfassende finanzielle Unterstützung für öffentliche Investitionen und Reformen, insbesondere in den Bereichen grüner und digitaler Wandel. Sie sollen zum einen die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten widerstandsfähiger machen und besser auf die Zukunft vorbereiten, zum anderen sollen sie helfen, die Folgen der Pandemie schneller und wirkungsvoller zu überwinden.

3.2.

Der EWSA ist zutiefst besorgt über die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Mitgliedstaaten, insbesondere in Bezug auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit, die in einigen südlichen Mitgliedstaaten einen Höchstwert von 33 % unter den jungen Menschen erreicht hat, und den Anstieg der Armutsquoten.

3.3.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Pandemie den schlimmsten wirtschaftlichen Schock seit der Großen Depression mit verheerenden Folgen für Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen darstellt, natürlich auch mit dem Potenzial zur Vertiefung der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede und der Gefahr einer „Großen Fragmentierung“ (11).

3.4.

Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass „diese wirtschaftliche Entwicklung nicht überall in der EU und im Euroraum einheitlich war und dass der Konvergenzprozess nach wie vor zu wünschen übrig lässt. Auch die Frage der Nachhaltigkeit ist für die EU eine immer komplexere Herausforderung“ (12).

3.5.

Der EWSA sieht die europäische Integration am Scheideweg: „Die jüngste, lang anhaltende Wirtschaftskrise und die gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen in mehreren Mitgliedstaaten zeigen, dass fehlende wirtschaftliche und soziale Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen die politische Nachhaltigkeit des europäischen Projekts bedroht. Alle Vorteile dieses Projekts für die Bürgerinnen und Bürger Europas stehen auf dem Spiel“ (13).

3.6.

Nach Auffassung des EWSA sollte „[d]ie nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, also der Fähigkeit, Produktivität und Lebensstandards in Europa zu steigern und gleichzeitig Klimaneutralität zu erreichen, insbesondere durch Forschung, Entwicklung sowie mehr und besser qualifizierte Arbeitskräfte, […] diese Initiativen ergänzen“ (14).

3.7.

Nach Ansicht des EWSA sollte „[d]ie Schaffung eines krisenfesten Wirtschafts- und Arbeitsmarkts im Rahmen wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und institutioneller Nachhaltigkeit […] das Leitmotiv einer Politik sein, die auf Aufwärtskonvergenz und Gerechtigkeit während des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft (d. h. einer Wirtschaft, in der Treibhausgasemissionen und -absorptionen ausgeglichen sind) abzielt und gleichzeitig die Herausforderungen von Digitalisierung und demografischem Wandel bewältigt“ (15). Außerdem schließt sich der EWSA der Forderung an, dass die Europäische Union sich auf die Erreichung von Klimaneutralität bis 2050 festlegen und dementsprechend ihr Emissionssenkungsziel für 2030 anpassen sollte. Laut Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu den globalen Emissionen (Emissions Gap Report) 2019 müssen die weltweiten Emissionen ab sofort um 7,6 % jährlich gesenkt werden, um die globale Erwärmung auf 1,5 oC zu begrenzen. Dies summiert sich zu einem Emissionsreduktionsziel von mindestens 68 % bis 2030.

3.8.

Der EWSA teilt daher die Auffassung, dass die Fazilität folgende Hauptziele haben sollte:

1)

Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union,

2)

Milderung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise und

3)

Unterstützung des ökologischen und digitalen Wandels mit dem Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 unter Wiederherstellung des Wachstumspotenzials der Volkswirtschaften in den Mitgliedstaaten nach der COVID-19-Krise und der Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum.

3.9.

Der EWSA unterstreicht, dass sich diese Investitionen und Reformen auch auf die Herausforderungen und den Investitionsbedarf im Zusammenhang mit dem ökologischen und digitalen Wandel konzentrieren und so einen nachhaltigen Aufschwung gewährleisten sollten.

3.10.

Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass grüne Konjunkturmaßnahmen herkömmlichen Konjunkturanreizen überlegen sind und eine klimafreundliche Politikgestaltung überdies besser für die Wirtschaft ist. Umweltgerechte bauliche Vorhaben wie nachträgliche Wärmedämmungen oder Infrastrukturen für erneuerbare Energien können dank gesenkter langfristiger Energiekosten und indirekter Wirkungen insgesamt zu höheren Multiplikator-Effekten für die Gesamtwirtschaft führen.

3.11.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass Investitionen nicht nur in die Kontrolle der Epidemie, relevante biomedizinische Forschungsvorhaben, Sicherheit der Grenzen, sicheres Reisen und sicheren Handel fließen sollten. Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem sich Finanzinstitutionen und Regierungen die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen (2019) zu eigen zu machen sollten. Es geht darum, die Nutzung fossiler Brennstoffe durch den Einsatz bereits vorhandener Technologien für erneuerbare Energien schrittweise zu verringern, Subventionen für fossile Energieträger in umweltfreundliche und intelligente Klimaschutz- und Anpassungsinfrastrukturprojekte umzulenken, in die kreislauforientierte und CO2-arme Wirtschaft zu investieren, den Übergang von einer industriellen zu einer regenerativen Landwirtschaft zu fördern, in die Ernährungssicherheit zu investieren, europäische Lieferketten zu fördern, den Transportbedarf zu minimieren, das Potenzial der digitalen Revolution auszuschöpfen und dabei gleichzeitig die Sicherheit der IKT-Netze zu gewährleisten (16).

3.12.

Der EWSA teilt die Sichtweise der Internationalen Energieagentur, dass der Übergang zu sauberer Energie mithilfe eines ehrgeizigen Plans zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Verwirklichung der Klimaschutzziele durch die Modernisierung der Energiesysteme zur Dynamisierung der europäischen Wirtschaft beitragen kann. Über 70 % der Investitionen im Energiebereich werden weltweit direkt oder indirekt von den Regierungen getätigt, weshalb ihr Agieren in dieser Krise besonders wichtig ist. Durch die politischen Rahmenbedingungen können energiebezogene Investitionen aktiv in Richtung mehr Nachhaltigkeit gelenkt und die Energieeffizienz, erneuerbare Energien und die Batteriespeicherung zu einem Hebel der wirtschaftlichen Erholung gemacht werden. Anreizprogramme in der Energiewirtschaft sollten vorrangig auf die Unterstützung der Beschäftigten, Schaffung neuer Arbeitsplätze und Emissionsminderung abzielen. Die Internationale Energieagentur (17) rät dazu, auf dem bereits Vorhandenen aufzubauen und visionär zu denken. Politische Maßnahmen, die auf bestehenden rechtlichen und institutionellen Strukturen aufbauen, lassen sich am einfachsten ausweiten.

3.13.

Der EWSA schließt sich vorbehaltlos der Auffassung an, dass die durch diese Verordnung geschaffene Fazilität dazu beitragen sollte, Klimaschutzmaßnahmen und ökologische Nachhaltigkeit in allen Politikbereichen Rechnung zu tragen und das allgemeine Ziel, 25 % der EU-Ausgaben in Klimaziele zu investieren, zu erreichen.

3.14.

Der EWSA ist davon überzeugt, dass die Fazilität in erster Linie auf die Bereitstellung nicht zurückzuzahlender finanzieller Unterstützung ausgerichtet sein sollte. So soll insbesondere den Ländern mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit geholfen werden, die schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie angemessen zu bewältigen. Darlehen sollten nur eine Ergänzung zu der nicht zurückzuzahlenden Unterstützung sein und von den langen Laufzeiten und den günstigen Zinssätzen profitieren, die der Union gewährt werden.

3.15.

Der EWSA unterstützt die Absicht der Kommission, das Potenzial des EU-Haushalts voll auszuschöpfen, um insbesondere in den ersten ausschlaggebenden Jahren des Aufschwungs Investitionen zu mobilisieren und finanzielle Unterstützung vorzuziehen. Dies soll durch die kombinierte Annahme eines europäischen Notfall-Aufbauinstruments in Höhe von 808 984,090 Mio. EUR (zu aktuellen Preisen) und des gestärkten mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) für den Zeitraum 2021-2027 geschehen.

3.16.

Der EWSA fordert „[…] die Fortführung wirksamer Strukturreformen, die mit gezielten Investitionsstrategien einhergehen“ (18).

3.17.

Der EWSA begrüßt die Einrichtung eines durch alle Mitgliedstaaten nutzbaren, eigenständigen Instruments für technische Unterstützung als Nachfolger des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSP) (19).

4.   Ausarbeitung Vorlage, Bewertung und Fristen nationaler Aufbau- und Resilienzpläne

4.1.

Der EWSA plädiert dafür, die Mittel der Fazilität den Mitgliedstaaten möglichst umgehend verfügbar zu machen, wobei diese ihrerseits die Mittel effizient einsetzen müssen, damit die Fazilität einen maximalen Nutzen entfalten kann.

4.2.

Die Mitgliedstaaten sollten nationale Aufbau- und Resilienzpläne ausarbeiten, in denen die Reformagenda und die Investitionsagenda für die nächsten vier Jahre festgelegt sind.

4.3.

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Pläne bei den Hauptproblemen ansetzen sollten, die in den Mitgliedstaaten im Zuge des Europäischen Semesters in puncto Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität, Bildung und Kompetenzen, Gesundheit, Beschäftigung sowie wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt aufgezeigt wurden. Sie sollten außerdem sicherstellen, dass diese Investitionen und Reformen angemessen auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem ökologischen und digitalen Wandel ausgerichtet sind, um zur Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum beizutragen und die Union robuster zu machen.

4.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass der vorhandene Rahmen für die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen zu stärken ist. Die KMU müssen durch ein innovatives Instrument direkt finanziell unterstützt werden, um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.

4.5.

Alle angekündigte Maßnahmen und insbesondere solche zur finanziellen Unterstützung sollten mit klaren, unternehmensfreundlichen Informationen darüber einhergehen, welche Art von Unterstützung gewährt wird, wie KMU Zugang zu den bestehenden EU-Finanzierungsinstrumenten erhalten, wen sie im Falle von Fragen auf EU-Ebene kontaktieren können, welche nationalen Stellen an der Weiterleitung der Mittel beteiligt sind, an wen sich die KMU auf nationaler Ebene wenden können, welche Rolle die nationalen Banken spielen und welche Pflichten sie haben usw.

4.6.

Der EWSA dringt darauf, dass in diesem Prozess die Rolle und die Standpunkte der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft ernsthaft berücksichtigt werden.

4.7.

Der EWSA hat bereits „die Einführung einer Regelung [empfohlen], wonach einem Mitgliedstaat Unterstützung versagt werden sollte, wenn bei der Entscheidung über die mehrjährigen Reformzusage-Pakete das Partnerschaftsprinzip unter echter Beteiligung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft nicht umfassend angewandt wurde (20). Die Anwendung des Partnerschaftsprinzips ist maßgeblich für die Umsetzung faktengestützter Reformen, die ein Abbild der wirtschaftlichen Realität des jeweiligen Mitgliedstaats widerspiegeln“ (21).

4.8.

Der EWSA schließt sich der Auffassung an, dass die Kommission die Pläne anhand transparenter Kriterien bewerten und dabei insbesondere prüfen sollte, ob der Plan geeignet ist, die im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelten Probleme zu lösen, ob er das Wachstumspotenzial und die wirtschaftliche und soziale Resilienz des jeweiligen Mitgliedstaates sowie den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt verbessern kann, ob er Maßnahmen in Bezug auf den ökologischen und digitalen Wandel enthält, und ob die vom Mitgliedstaat vorgelegte Kostenschätzung vernünftig und plausibel erscheint und den erwarteten Auswirkungen auf die Wirtschaft entspricht.

4.9.

Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der Zuweisung der Mittel auch die Konvergenzkriterien berücksichtigt werden sollten (22).

4.10.

Der EWSA hält Folgendes für angezeigt:

1)

Die finanzielle Unterstützung und die einschlägigen Aktivitäten der Mitgliedstaaten im Rahmen der Fazilität sollten bis Ende 2024 vorgezogen und, was die nicht zurückzuzahlende finanzielle Unterstützung betrifft, bis 2022 zu mindestens 60 % des Gesamtbetrags gebunden sein.

2)

Die Mitgliedstaaten sollten bis spätestens 30. April Aufbau- und Resilienzpläne in Form eines gesonderten Anhangs zu ihren nationalen Reformprogrammen vorlegen.

3)

Die Mitgliedstaaten sollten am 15. Oktober des Vorjahres einen Entwurf des Plans zusammen mit dem Haushaltsplanentwurf des Folgejahres vorlegen.

4)

Die verbleibenden Jahre von 2024 bis zum Ende des MFR (2027) sollten von der Kommission und den Mitgliedstaaten genutzt werden, um die Umsetzung der einschlägigen Maßnahmen vor Ort zu fördern, den erwarteten Aufschwung in den relevanten Wirtschaftszweigen und im Sozialbereich zu erreichen und die Widerstandsfähigkeit und Konvergenz zu fördern.

4.11.

Der EWSA betont, dass es eine gewisse Zeit erfordert, die Ziele der Fazilität wirksam umzusetzen und zu erreichen. Er warnt davor, dass letztlich ein Verfehlen der gesetzten Ziele zu befürchten ist, wenn sich die Sichtweise durchsetzt, dass ein knapp bemessener Zeitraum zur Umsetzung des geplanten Vorhabens ausreicht.

4.12.

Der EWSA hebt hervor, dass eine rasche und wirksame Koordinierung der Maßnahmen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats erforderlich ist, um Verzögerungen zu vermeiden, die das Erreichen der Ziele der Fazilität gefährden würden. Angesichts der kurzen Zeit, in der die verschiedenen Projektpläne erstellt und abgeschlossen werden müssen, ist eine sofortige und umfassende Reaktion der Mitgliedstaaten erforderlich. Die Mitgliedstaaten sollten eng mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, um die im Rahmen der Fazilität vorzulegenden Projektpläne zu genehmigen, zu überwachen und erfolgreich umzusetzen. Die Einreichung, Genehmigung, Überwachung und Fertigstellung der Projekte könnte dadurch beschleunigt werden, dass private Beratungsunternehmen mit globaler Erfahrung in den betreffenden Bereichen aktiv zurate gezogen werden.

4.13.

Der EWSA betont erneut die Notwendigkeit, bewährte Vorgehensweisen innerhalb der EU auszutauschen und Verwaltungsverfahren für die Zuweisung und Auszahlung der verfügbaren Mittel zu beschleunigen, wobei es an der Europäischen Kommission ist, die notwendige technische Unterstützung zu leisten (23).

5.   Instrument für technische Unterstützung

5.1.

Der EWSA befürwortet stetige Strukturreformen, die auf die Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung und den Aufbau institutioneller Kapazitäten ausgerichtet sind, um so die Verwaltung qualitativ zu verbessern. Solche Reformen sollten länderspezifisch sein und Rückhalt durch demokratische Unterstützung haben. Eine Einheitslösung für alle Mitgliedstaaten sollte vermieden werden (24).

5.2.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass das Instrument für technische Unterstützung darauf abzielen sollte, die nationalen Behörden der antragstellenden Mitgliedstaaten in allen oder bestimmten Phasen des Reformprozesses zu begleiten.

5.3.

Der EWSA unterstreicht, dass das Instrument für technische Unterstützung dringend gebraucht wird, um die Behörden der Mitgliedstaaten bei der Konzeption von Reformen entsprechend ihren eigenen Prioritäten zu unterstützen und ihre Kapazität zur Entwicklung und Umsetzung von Reformvorhaben und -strategien zu stärken und dabei bewährte Verfahren und den zwischenstaatlichen Erfahrungsaustausch zu nutzen.

5.4.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass das Instrument für technische Unterstützung als wirksame Ergänzung der Maßnahmenpakete dienen kann, welche die Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie vorgeschlagen hat.

Brüssel, den 16. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität, COM(2020) 408 final, 28.5.2020.

(2)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan“, COM(2020) 442 final.

(3)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer Europäischen Investitionsstabilisierungsfunktion, COM(2018) 387 final.

(4)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 121.

(5)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 53.

(6)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 121.

(7)  https://ourworldindata.org/grapher/total-deaths-covid-19.

(8)  Weltbank, Global Economic Prospects, Juni 2020.

(9)  Koundouri, P., Athens University of Economics and Business Working Paper, 2020.

(10)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität, COM(2020) 408 final, 28.5.2020.

(11)  Ausführungen von Kommissionsmitglied Gentiloni auf der Pressekonferenz zur Aufbau- und Resilienzfazilität‚ Pressemitteilung der Europäischen Kommission, 28. Mai 2020 [nur in EN verfügbar].

(12)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 106.

(13)  ABl. C 353 vom 18.10.2019, S. 23.

(14)  Ebenda.

(15)  Ebenda.

(16)  Koundouri, P., Never Waste a Good Crisis: For a Sustainable Recovery from COVID-19, April 2020.

(17)  Internationale Energie-Agentur: https://www.iea.org/.

(18)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 106.

(19)  Verordnung (EU) 2017/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 über die Auflegung des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen für den Zeitraum 2017-2020 und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1303/2013 und (EU) Nr. 1305/2013 (ABl. L 129 vom 19.5.2017, S. 1).

(20)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 240/2014 der Kommission vom 7. Januar 2014 zum Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ABl. L 74 vom 14.3.2014, S. 1).

(21)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 53.

(22)  Ebenda.

(23)  Ebenda.

(24)  Ebenda.


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