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Document 52020AE1918

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Digitalisierung und Nachhaltigkeit — Status quo und Handlungsbedarf aus Sicht der Zivilgesellschaft“ (Sondierungsstellungnahme)

    EESC 2020/01918

    ABl. C 429 vom 11.12.2020, p. 187–196 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    11.12.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 429/187


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Digitalisierung und Nachhaltigkeit — Status quo und Handlungsbedarf aus Sicht der Zivilgesellschaft“

    (Sondierungsstellungnahme)

    (2020/C 429/24)

    Berichterstatter:

    Peter SCHMIDT (DE-II)

    Mitberichterstatter:

    István KOMORÓCZKI (HU-I)

    Befassung

    Deutscher EU-Ratsvorsitz, 7.4.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

    Annahme in der Fachgruppe

    31.8.2020

    Verabschiedung im Plenum

    17.9.2020

    Plenartagung Nr.

    554

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    216/2/3

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) plädiert für geeignete politische Maßnahmen, um die digitale Wirtschaft verstärkt auf unsere gesellschaftlichen Werte auszurichten und so eine möglichst inklusive digitale Ökonomie des Wohlergehens zu schaffen, die Arbeitnehmern, Verbrauchern, KMU, Großunternehmen und gemeinnützigen wirtschaftlichen Akteuren, vor allem auch in ländlichen Gebieten, gleichermaßen zugute kommt. Solche Maßnahmen umfassen:

    Die Einführung steuerpolitischer Maßnahmen, um sicherzustellen, dass digitale Unternehmen ihren gerechten Anteil an Steuern bezahlen;

    die Einführung eines spezifischen Gesetzes über Datenschutz am Arbeitsplatz, in den sozialen Medien und im elektronischen Geschäftsverkehr auf der Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO);

    die Anpassung des geltenden Wettbewerbs- und Monopolrechts zwecks Regulierung der digitalen Plattformmärkte;

    die Förderung quelloffener Software und Anwendungen;

    die Anwendung des Ansatzes „öffentliches Geld — öffentliche Daten“, sodass öffentlich finanzierte Forschungsdaten frei zur Verfügung stehen;

    die Entwicklung einer EU-Strategie für Daten-Governance und in diesem Zusammenhang neuer Rechtsvorschriften für „öffentliche Datentrusts“.

    1.2.

    Der EWSA appelliert an die nationalen Regierungen und die Gebietskörperschaften, genossenschaftliche und kollaborative Plattformmodelle zu unterstützen. Er plädiert ferner für transparente, faire und auf dem Einsatz grüner IKT beruhende Produktionsketten, ehrgeizige Energiestandards sowie eine Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie der EU und fordert die Europäische Kommission auf,

    die EU-Rechtsvorschriften anzupassen, um die Nachhaltigkeit von Online-Einkäufen zu verbessern, und Konzepte für verantwortungsvolle Verpackung, Versendung und Rückgabe zu entwickeln;

    kleine Marktteilnehmer gegenüber monopolistischen Plattformen zu schützen;

    ein umfassendes Bündel von Kriterien und Indikatoren für nachhaltige Softwareprodukte sowie einen digitalen Produktpass zu entwickeln;

    die DSGVO mit Blick auf Datensuffizienz und Datenkopplung zu verbessern;

    Online-Werbung einzuschränken, um werbefreie Räume zu schaffen.

    1.3.

    Die COVID-19-Pandemie hat zu einem abrupten und erheblichen Rückgang des Verkehrsaufkommens, der Produktion und des Verbrauchs geführt; energieintensive Arbeitsabläufe und Lebensgewohnheiten wurden durch eine verstärkte IKT-Nutzung zurückgedrängt. Der EWSA fordert geeignete politische Maßnahmen, um diese positiven Auswirkungen nach Abklingen der Pandemie zu festigen. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich generell die Frage nach der Energieeffizienz der „Cloud“ und ihrer Rechenzentren. Mögliche Maßnahmen wären:

    Aufstellung eines EU-Inventars von Rechenzentren (mit Angaben zu Energieeffizienz, Umweltbilanz, Baumaterialien usw.) und Auflage eines Top-Runner-Programms, um sicherzustellen, dass die energieeffizientesten Rechenzentren zur Norm werden;

    die Anforderung, neue Rechenzentren vollständig mit erneuerbarer Energie zu betreiben;

    die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) zur Unterstützung der Klima- und Energiewende;

    Empfehlung von Maßnahmen für nachhaltige KI-Konzepte.

    1.4.

    Der EWSA ist sich der wesentlichen Bedeutung einer nachhaltigen intelligenten Stadtentwicklung und innovativer Ansätze für integrierte Mobilität, Energie und Fremdenverkehr bewusst.

    2.   Hintergrund

    2.1.

    Die Stellungnahme geht auf ein Ersuchen des deutschen Ratsvorsitzes zurück und hat zum Ziel, die beiden globalen Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit aus dem Blickwinkel der europäischen organisierten Zivilgesellschaft zu erörtern. Der EWSA begrüßt diesen Brückenschlag zwischen dem ökologischen und dem digitalen Wandel als entscheidende Voraussetzung für den künftigen Wohlstand und die künftige Widerstandsfähigkeit Europas.

    2.2.

    Die EU hat sich umfassend auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen (1) und ihren 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) verpflichtet und ihr Handeln in den Rahmen internationaler Klimavereinbarungen wie des Übereinkommens von Paris (2) gestellt. Zur Gewährleistung ihrer ordnungsgemäßen Umsetzung muss die EU eine übergreifende Strategie für nachhaltige Entwicklung aufstellen.

    2.3.

    Der EWSA begrüßt den europäischen Grünen — und Sozialen — Deal (3) (EGD) und im Zusammenhang damit den Fonds für einen gerechten Übergang. Denn mit deren Hilfe sollte es möglich sein, die für einen gerechten Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft erforderlichen umfangreichen Investitionen zu mobilisieren. Der EWSA ist der Meinung, dass die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft (4) maßgeblich zur Umsetzung der Ziele des neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (5) beitragen wird, und sieht der Fortsetzung der Zusammenarbeit auf dieser Plattform erwartungsvoll entgegen. Er betont, dass die EU dafür sorgen muss, dass die Digitalisierung die Umsetzung des EGD erleichtert.

    2.4.

    Der EWSA begrüßt den „Next Generation EU“ (6)-Plan für wirtschaftliche Erholung und Wiederaufbau zur Unterstützung derjenigen, die wirtschaftlich am stärksten von der COVID-19-Krise betroffen sind.

    2.5.

    Die COVID-19-Pandemie gibt Anlass zu Überlegungen, wie wir unser Wirtschaftsmodell innovativ ökologisch und sozial nachhaltiger umgestalten können. Die EU sollte aufgrund der Krise nicht von ihren Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen abrücken.

    2.6.

    Der EWSA hat sich wiederholt für eine nachhaltige und inklusive Ökonomie des Wohlergehens (7) ausgesprochen, die sowohl für die Menschen als auch für den Planeten vorteilhaft ist; eine Voraussetzung hierfür ist die geeignete Nutzung der Digitalisierung.

    2.7.

    Der EWSA erachtet einen systemischen Ansatz der EU für einen nachhaltigen Konsum (8) als einen der Eckpfeiler seiner strategischen Vision für eine nachhaltige Ökonomie des Wohlergehens, in der niemand zurückgelassen wird.

    2.8.

    Der EWSA plädiert für einen europäischen Weg der Digitalisierung (9) auf der Grundlage der europäischen sozialen Werte und ethischen Regeln, der die Nutzung der digitalen Chancen für die Wirtschaft mit der Wahrung der Privatsphäre und Selbstbestimmung verbindet und den Belastungsgrenzen unseres Planeten gerecht wird.

    2.9.

    In ihrem neuen Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz (10) schlägt die Kommission eine Strategie vor, um die Nutzung der KI in der EU zu fördern. Der EWSA befürwortet das Ziel, der EU eine weltweit führende Rolle bei der Erforschung und Entwicklung von KI zu sichern und damit ihre globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken (11). Gleichzeitig würde er es begrüßen, wenn die KI-Strategie und die gegenwärtigen Nachhaltigkeitsstrategien der EU enger ineinandergreifen würden.

    2.10.

    Der EWSA fordert alle Interessenträger auf, die Auswirkungen der Digitalisierung über alle Bereiche und Nachhaltigkeitsziele hinweg in Bezug auf die grundlegende Infrastruktur, die gesellschaftliche Teilhabe und den Wandel zu berücksichtigen.

    3.   Kurs auf eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Digitalisierung

    3.1.

    Die COVID-19-Krise hat uns eine Auszeit zum Nachdenken beschert, in der die Einsicht gewachsen ist, dass eine nachhaltige digitale Revolution die Einbeziehung menschlicher Faktoren, die Beibehaltung nicht-digitaler Lösungen, die sorgfältige Prüfung der Risiken und eine Schwerpunktsetzung auf Resilienz erfordert. Priorität hat insbesondere die Überwindung der digitalen Kluft zwischen den Ländern weltweit als auch innerhalb der einzelnen Länder, unter besonderer Berücksichtigung der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer. Die Beseitigung der digitalen Kluft innerhalb der Mitgliedstaaten erfordert öffentliche und private Investitionen; durch die Pandemie sind — insbesondere für die Einwohner ländlicher Gebiete — sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der digitalen Kommunikation zu Tage getreten.

    3.2.

    Im Mittelpunkt der Stellungnahme stehen SDG 8 (menschenwürdige Arbeit), SDG 12 (Konsum und Produktion) sowie SDG 13 (Klimaschutz) (12) und damit die Verknüpfung von Faktoren für ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Eine für alle Betroffenen vorteilhafte Digitalisierung setzt voraus, dass diese Anliegen miteinander in Einklang gebracht werden. Besonderes Augenmerk verdienen auch die digitale Bildung (SDG 4), intelligente Städte (SDG 11) und elektronische Gesundheitsdienste (SDG 3). Eine eingehendere Auseinandersetzung mit diesen Themen aus der Sicht der Zivilgesellschaft im Rahmen der künftigen Arbeiten des EWSA wäre empfehlenswert.

    3.3.

    Durch die Pandemie wurden viele unserer täglichen Routinetätigkeiten Gegenstand eines großflächigen Digitalisierungs-Feldversuchs: Regierungen schlossen vorübergehend Schulen und verlangten von den Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Lehrkräften die Umstellung auf digitalen Fernunterricht, und Arbeitgeber mussten schleunigst ihre Home-Office-Konzepte überdenken. Mit dem schrittweise Zurückfahren des Lockdowns ist es geboten, darüber nachzudenken, welches Ausmaß an Digitalisierung wünschenswert und angemessen ist und wie dabei die temporale und intertemporale Generationengerechtigkeit im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen gewährleistet werden kann.

    Der EWSA fordert alle Interessenträger auf, sich die Auswirkungen dieses unerwarteten „Digitalisierungsschubs“ mit Blick auf die folgenden drei Dimensionen der Digitalisierung zu vergegenwärtigen: grundlegende Infrastruktur, gesellschaftliche Teilhabe und Wandel. Als Ansatzpunkt mag unser Bildungs- und Arbeitsumfeld dienen, aber es kann als heuristisches Beispiel für andere Bereiche herangezogen werden, um die sich für diese Dimensionen ergebenden Vorteile und Risiken zu erfassen.

    3.3.1.   Grundlegende digitale Infrastruktur

    Wir nehmen es als selbstverständlich hin, dass das Internet vielen Menschen in Europa einen quasi universellen Wissenszugang ermöglicht. Jedoch müssen wir fortwährend daran arbeiten, die Qualität, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Inklusivität und Zugänglichkeit der Online-Dienste zu verbessern. Auf unserem Weg in ein zunehmend KI-geprägtes Zeitalter ist es unerlässlich, unter Berücksichtigung des Unesco-Berichts über Künstliche Intelligenz von 2019 (13) die in dieser unvorhergesehenen Situation gewonnenen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und pädagogischen Erfahrungen und Erkenntnisse zu analysieren. In diesem Zusammenhang haben sich bereits deutliche soziale Ungleichheiten, u. a. beim Zugang zu elektronischen Geräten, Schulung und Internetanbindung, herauskristallisiert.

    Im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip würden sämtliche mögliche negative Faktoren wie verlängerte Bildschirmzeit, allgemeine Exposition durch Geräte, Haltung, Strahlung, gesundheitliche Bedenken in Verbindung mit 5G, Falschmeldungen, Internetbetrug, Cybermobbing und Überwachungsbedenken weitere umfassende Untersuchungen erfordern.

    3.3.2.   Digitalisierung als Instrument zur Förderung gesellschaftlicher Teilhabe

    Positiv zu bewerten ist, dass uns allen das Potenzial der Digitalisierung zur Förderung der Handlungskompetenz im Alltag deutlich vor Augen geführt worden ist. Die freie Verfügbarkeit von Informationen beispielsweise ermöglicht ein unabhängiges lebensbegleitendes Lernen und flexibles Arbeiten. Das vielseitige und reichhaltige Umfeld bietet Schülern, Studierenden, Arbeitnehmern und all jenen, die sich neues Wissen oder neue Fertigkeiten aneignen wollen, an ihre Alltagsorganisation anpassbare Audio-, Text- und Videomaterialien, Animationen, virtuelle Schulungs-Umgebungen, Live-Chats, Augmented-Reality- und Virtual-Reality-Angebote zu einem breiten Themenspektrum.

    Das Internet katalysiert auch zivilgesellschaftliche Bewegungen und hat es insbesondere erheblich erleichtert, Menschen für politische oder umweltpolitische Aktionen wie bspw. „Fridays for Future“ oder die Demonstrationen in Hongkong zu mobilisieren.

    Gleichzeitig ist zu bedenken, dass digitale High-Tech-Anwendungen nicht notwendigerweise zu mehr Nachhaltigkeit führen — indigene Gemeinschaften oder ältere Menschen bspw., die eher Low-Tech-Pfade einschlagen, gelangen häufig zu nachhaltigen nicht-digitalen Lösungen.

    3.3.3.   Digitalisierung als Instrument für den Wandel

    Aus den im globalen Testumfeld gewonnenen Erfahrungen lassen sich sehr gut Erkenntnisse über künftige Entwicklungen ableiten, bspw. wie die optimale Kombination aus Fern- und Präsenzunterricht aussehen muss. Die weltweit führenden Bildungseinrichtungen bieten bereits über Plattformen wie Coursera offene Online-Lehrveranstaltungen (MOOCs) an und bieten damit allen die Gelegenheit, Kurse an einer Traum-Uni zu belegen.

    Die ökologischen und sozialen Auswirkungen sind bestechend. Es haben deutlich weniger Geschäftsreisen stattgefunden, was zu einem Rückgang der Luftverschmutzung und der allgemeinen Umweltverschmutzung, des Lärms und des menschlichen Stresses geführt hat. Es steht zu erwarten, dass einige dieser neuen Muster sogar den Wiederaufbau überdauern. Viele haben mehr Zeit zu Hause bzw. mit der Familie verbracht und lokale Anbieter wie Hofläden schätzen gelernt, einige haben aber ganz klar große Härten erlitten.

    Letztlich bietet sich die unwiederbringliche Gelegenheit, Community Investment und Kosteneffizienz im Infrastrukturbereich zu erörtern und analysieren.

    3.4.   SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und die Ökonomie des Wohlergehens

    Die Digitalisierung birgt großes Potenzial für die Ökonomie des Wohlergehens. Die Vorteile sind indes ungleich verteilt, und es besteht die Gefahr zunehmender Konzentration von Kapital und Vermögenswerten in den Händen weniger. Digitale Plattformen und Softwareunternehmen sind meist in den USA und in Asien beheimatet (14). Europäische KMU sind auf ihre Dienste angewiesen und verlieren bspw. bei „Fulfilment by Amazon“ durch die Zahlung von Lizenzgebühren einen Teil des Verkaufswerts. Um dieser Oligopolisierung entgegenzuwirken, müssen wir eine inklusive Ökonomie des Wohlergehens in Europa aufbauen. Der EWSA befürwortet die Einführung steuerpolitischer Maßnahmen, um sicherzustellen, dass digitale Unternehmen ihren gerechten Anteil an Steuern bezahlen (15).

    3.4.1.   Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigung

    Am Arbeitsplatz bietet die Digitalisierung zahlreiche Möglichkeiten für eine wünschenswerte Rationalisierung von Arbeitsabläufen (16), bspw. durch den Einsatz von „Cobots“ (17), sie birgt jedoch auch gewisse Risiken, wenn ihr nicht über einen „Human-in-Command“-Ansatz (Steuerung durch den Menschen) unverrückbar die europäischen sozialen Werte und ethischen Leitlinien zugrunde gelegt werden. Als besondere Herausforderungen stellen sich in diesem Zusammenhang:

    Die Verschiebung des Verhältnisses von Umsatz und Beschäftigtenanzahl in den neuen Geschäftsbereichen, da Online-Unternehmen mit weniger Mitarbeitern höhere Umsätze erzielen. Die meisten wissenschaftlichen Studien gelangen zu dem Schluss, dass der Netto-Effekt der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt in einer Zunahme der Arbeitslosenzahlen besteht (18)(19)(20)(21)(22)(23).

    Die Prekarisierung der Arbeit, d. h., immer weniger Menschen können einer befriedigenden und gut bezahlten Beschäftigung nachgehen und immer mehr Menschen müssen unsichere Arbeitsbedingungen in der sog. „Gig Economy“ mit Teilzeitverträgen, kurz befristeten Arbeitsverträgen oder Null-Stunden-Verträgen hinnehmen (24) (25) (26) (27) (28).

    Die Polarisierung der Einkommensverteilung, da der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinkt, während der Anteil der Kapitalerträge (29) steigt (30)(31)(32). Infolgedessen kann die Kaufkraft abnehmen (33)(34)(35).

    Der Trend zum Outsourcing und die Überwachung von Arbeitstätigkeiten. Der wahrgenommene Zuwachs an Eigenständigkeit durch Telefernarbeit sollte nicht auf Kosten der Interessen der Arbeitnehmer gehen (z. B. in Bezug auf die Sicherheit am Arbeitsplatz, stabile Arbeitsbedingungen, das Recht auf Trennung vom Netz und den Datenschutz am Arbeitsplatz). Der EWSA fordert daher eine eindeutige Auslegung der EU-DSGVO und empfiehlt die Einführung eines spezifischen Gesetzes über Datenschutz am Arbeitsplatz.

    Der gezielte Einsatz von KI zur Verbesserung der Funktionsweise des Arbeitsmarkts, bspw. durch Antizipation des Qualifikationsbedarfs oder von Auswirkungen auf Arbeitszeiten und -bedingungen, um eine Ökonomie des Wohlergehens zu erreichen. (Erwogen werden könnten in diesem Zusammenhang u. a. die Einführung eines Grundeinkommens, die Arbeitszeitverkürzung für Vollzeitbeschäftigung oder Zuschüsse für Niedriglohn-Jobs.)

    3.4.2.   Macht durch Datensammlung

    Der mit Monopolisierung und Oligopolisierung einhergehende Aufstieg der sog. digitalen Giganten hat den Wettbewerb verzerrt. Außerdem hat die Konzentration von Informationen und Wissen Folgen für die politische Souveränität und persönliche Selbstbestimmung, zumal der Internetdatenverkehr (bspw. personen- und marktbezogene Daten, Nachrichten, öffentlicher Diskurs) von einigen wenigen globalen IT-Unternehmen außerhalb der EU kontrolliert wird. Der EWSA fordert die Kommission auf, das geltende Wettbewerbs- und Monopolrecht zu überarbeiten und digitale Plattformmärkte (36) zu regulieren. Er weist ferner auf die Notwendigkeit hin, die Rechte der Bürger im Rahmen der DSGVO zu schützen und den ausbeuterischen Aspekt des Überwachungskapitalismus offen anzusprechen und zu erörtern.

    Darüber hinaus treten Plattformen wie Amazon zunehmend als Marktteilnehmer auf ihren eigenen Märkten auf, wo Tausende konkurrierender Verkäufer ihre Produkte anbieten, und üben gleichzeitig die Kontrolle über die wirtschaftliche Infrastruktur aus (d. h. die Verkaufsplattform, Logistik und Werbung). Amazon nutzt die Daten von Marketplace-Verkäufern zur Förderung der eigenen Produkte und benachteiligt somit seine Konkurrenten (37). Ein nach dem Vorbild des indischen Gesetzes über ausländische Direktinvestitionen (38) überarbeitetes EU-Wettbewerbsrecht könnte dazu beitragen, dass solch missbräuchliche Praktiken erkannt und geahndet werden.

    Die Gewährleistung der Neutralität der neuen digitalen Plattformmärkte (39) ist maßgebend für faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer. Der EWSA schlägt vor, natürliche Monopole in der digitalen Wirtschaft zu regulieren und ihre zivilgesellschaftliche oder behördliche Überwachung sicherzustellen (40). So sollte bspw. über Rechtsvorschriften zu verpflichtenden definierten Schnittstellen für Informationsaustausch für Interoperabilität zwischen konkurrierenden Plattformen gesorgt werden, um den Wettbewerb auf dem digitalen Markt zu gewährleisten.

    3.4.3.   Daten-Governance: Hin zu einer strategischen EU-Politik für Daten-Governance

    Der EWSA appelliert an die Kommission und die Mitgliedstaaten, über die Förderung quelloffener Software und Anwendungen Geschäftsmodelle und Anwendungen zu unterstützen, die offenen Zugang gewähren und einen gerechten Vorteilsausgleich ermöglichen.

    Ferner befürwortet der EWSA die Anwendung des Ansatzes „öffentliches Geld — öffentliche Daten“, dem zufolge öffentlich finanzierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte Daten bspw. über Creative-Commons- bzw. öffentliche Urheberrechtslizenzen zur Verfügung stellen müssen.

    Im Interesse eines Ausgleichs zwischen größtmöglicher Datenoffenheit und dem Schutz von öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern und KMU vor einem Verlust ihres Kerngeschäfts an große Internet- und Datenunternehmen regt der EWSA außerdem die Entwicklung einer Strategie für Daten-Governance an. Bloße „Datenoffenheit“ gereichte bislang lediglich großen Internetunternehmen einseitig zum Vorteil. Der EWSA fordert die Errichtung „öffentlicher Datentrusts“ als Zwischenglied zwischen den Akteuren, die Daten generieren und/oder Daten nutzen wollen. Für verkehrspolitische, kommunale Daten usw. könnten jeweils unterschiedliche Datentrusts errichtet werden. Es werden neue Rechtsvorschriften benötigt, um staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen den Betrieb dieser Datentrusts im öffentlichen Auftrag zu überantworten. Zudem sind der Zugang zu den Produkten und Dienstleistungen und der jeweilige Vorteilsausgleich zu regeln. Bei für öffentliche Dienstleistungen relevanten Daten sollten die Aspekte unternehmerische Innovationen, staatliche Souveränität, Recht auf universellen Zugang und Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger miteinander in Einklang gebracht werden. Für die Zukunft ist es entscheidend, Blockchain-Technologien weiterzuentwickeln und die Transparenz von Algorithmen zu gewährleisten.

    3.5.   SDG 12: Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster

    Digitale Anwendungen bergen ein großes Potenzial für die Förderung des nachhaltigen Konsums (41). Deshalb appelliert der EWSA an die nationalen Regierungen und die Gebietskörperschaften, genossenschaftliche und kollaborative Plattformmodelle wie auch E-Commerce-Plattformen zu unterstützen, die nachhaltige Produkte vertreiben (42). Ein neues intelligentes System zur Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel, das der EWSA jüngst gefordert hat, würde über umfangreiche Produktinformationen (43) nachhaltige Verbraucherentscheidungen und eine gesündere Ernährung begünstigen (44).

    Zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Online-Einkäufen schlägt der EWSA vor, über bewährte Verfahrensweisen die Retourenquoten zu senken (bspw. durch Begrenzung kostenloser Rücksendungen) (45), die Vernichtung zurückgesandter Waren zu verbieten, Lieferungen zu bündeln und Lieferfahrzeuge besser auszulasten.

    Video-Streaming ist für 60 % des Datenverkehrs im Internet verantwortlich. Wie die freiwillige Begrenzung während der COVID-19-Krise gezeigt hat, werden Alternativen mit geringer Auflösung weithin akzeptiert und sind nachhaltiger, sollten also gefördert werden.

    3.5.1.   Nachhaltige IKT

    Bei der Fertigung von IKT-Hardware sollten die Standards der Kreislaufwirtschaft zugrunde gelegt werden. Problematisch sind der Abbau seltener Erden und die Herstellung der Geräte unter häufig schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen (bspw. in China und anderen Ländern des Globalen Südens).

    Der EWSA fordert transparentere IKT-Produktionsketten. Die EU-Ökodesign-Richtlinie (46) sollte um umfangreiche Produktionsnormen erweitert werden: a) nachhaltige Materialien (recycelte und erneuerbare Ressourcen); b) Hardware-Design (maximale Langlebigkeit, Modularität und Reparaturfähigkeit der Geräte); c) Software-Aktualisierungen bis zum physischen Produktlebensende; d) verlängerte Garantiezeit; e) Wiederverwendung funktionsfähiger Geräte und verstärktes Materialrecycling; f) ehrgeizige Energiestandards, u. a. eine dynamische Top-Runner-Regelung, der zufolge das energieeffizienteste Produkt zum Mindeststandard wird; g) Nachhaltigkeitsstandards für Software- und Anwendungsentwicklung, um die Entwicklung von Software zu fördern, deren Anwendung möglichst wenig Datenverkehr und Hardwareeinsatz erfordert. Der EWSA begrüßt das „Karlskrona Manifesto for Sustainability Design“ und appelliert an die Kommission, umfangreiche Kriterien für nachhaltige Softwareprodukte zu entwickeln (47) (48).

    3.5.2.   Transparente Produktionsketten

    Die Digitalisierung muss Transparenz und Verantwortung entlang der Produktionsketten stärken. Der EWSA begrüßt den im Rahmen des EGD unterbreiteten und von der Bundesregierung in ihrer „Umweltpolitischen Digitalagenda“ aufgegriffenen Vorschlag, in einem „digitalen Produktpass“ Materialinformationen und Produktionsstandards aufzulisten, um im Einklang mit der EU-CSR-Strategie (49) Nachhaltigkeitsmängel und Verstöße gegen Arbeitsnormen erkennbar zu machen.

    3.5.3.   Stärkung von Plattformgenossenschaften

    Der EWSA fordert die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, die Entwicklung genossenschaftlicher Internetplattformen zu fördern, die als neutrale Vermittler für einen besseren Vorteilsausgleich zwischen den Produzenten und Dienstanbietern sorgen und die Bürger/Verbraucher in die Governance, Beschlussfassung und Nutzenverteilung einbeziehen.

    So stellt bspw. das genossenschaftlich organisierte Bündnis CoopCycle die Plattform-Software für Fahrradkurier-Kollektive in neun europäischen Städten zur Verfügung. Die Vermietungsplattform Fairbnb bezieht die Städte und Regionen als Interessenträger mit ein. 50 % der Einnahmen fließen in lokale Projekte, um so ein neues europäisches Tourismuskonzept zu fördern, das sowohl den Reisenden als auch den Gastgebern zugutekommt.

    Der EWSA fordert politische Unterstützung für einen Ausbau solcher Plattformen in ganz Europa. Die Vergabevorschriften sollten so angepasst werden, dass die lokalen Behörden solchen Plattformen eine Vorzugsbehandlung gewähren können.

    3.5.4.   Online-Werbung und Konsum

    Der EWSA ist besorgt angesichts der Zunahme nicht nachhaltiger Konsummuster in Verbindung mit E-Commerce-Plattformen. Tracking von Online-Kaufentscheidungen und personalisierte Werbung fördern einen nicht nachhaltigen Massenkonsum. Der EWSA ist der Meinung, dass die Nutzung von Daten für Zwecke Dritter in der DSGVO nicht hinreichend geklärt ist, und fordert die Kommission auf, bei den Grundsätzen der Datensuffizienz (Datensparsamkeit) und Datenkopplung nachzubessern.

    Der EWSA fordert ferner Beschränkungen für Online-Werbung. In vielen Mitgliedstaaten ist Werbung im öffentlichen Raum wie bspw. in Schulen verboten. Der EWSA tritt ein für werbefreie Räume im Internet, insbesondere werbefreie Suchmaschinen und soziale Medien. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ca. die Hälfte aller Online-Werbeeinnahmen (über 300 Mrd. USD jährlich (50)) an zwei US-Unternehmen fließen: Google und Facebook.

    Der EWSA begrüßt Initiativen wie das KI-basierte Assistenzsystem für nachhaltigen Konsum „Green Consumption Assistant“, das derzeit vom Einstein-Zentrum Digitale Zukunft und von Ecosia.org entwickelt wird, um die Verbraucher über Suchmaschinen bei der Entscheidung für nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen.

    3.6.   SDG 13: Klimaschutz

    3.6.1.   Digitalisierung für Umwelt- und Klimaschutz

    Der EWSA begrüßt digitale Konzepte, die den Schutz der Umwelt und die Nachhaltigkeitswende in den Bereichen Verkehr, Energiesysteme, Gebäude, Landwirtschaft usw. ermöglichen. Laut einer Schweizer Studie bspw. könnten durch IKT bis zu 6,99 Mt CO2-Äquivalente (CO2-e) pro Jahr eingespart werden, während die IKT selbst einen CO2-Fußabdruck von 2,08 Mt CO2-e jährlich aufweist (51). In anderen Studien wurde ein noch größeres Potenzial festgestellt (52). Der EWSA stellt jedoch fest, dass die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft allgemein noch keinen Rückgang der Energienachfrage und der CO2-Emissionen bewirkt hat (53). Die Nutzung des IKT-Potenzials zur Förderung von Klima- und Umweltschutz muss deshalb durch geeignete politische Maßnahmen unterstützt werden, um u. a. Reboundeffekte und Induktionspotenziale einzudämmen.

    3.6.2.   Energieverbrauch von Rechenzentren

    Hinter einer „Cloud“ stehen physische Rechenzentren, deren Bau und Betrieb einen hohen Ressourcen- bzw. Energieeinsatz erfordern. Der EWSA fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein EU-Inventar von Rechenzentren (mit Angaben zu Energieeffizienz, Umweltbilanz und Baumaterialien) zu erstellen. Ferner würde der EWSA Legislativvorschläge der Kommission über die Ansiedlung von Rechenzentren in der Nähe städtischer Wohn- und Gewerbegebiete begrüßen, um eine bestmögliche Abwärmenutzung sicherzustellen.

    Der EWSA empfiehlt die Auflage eines Top-Runner-Programms, um sicherzustellen, dass die energieeffizientesten Rechenzentren zur Norm werden. Er würde zudem eine gemeinsame Vorschrift der Mitgliedstaaten begrüßen, dass neue Rechenzentren vollständig mit erneuerbarer Energie zu betreiben sind.

    Der EWSA empfiehlt den Einsatz von KI zur Unterstützung des öffentlichen Klimaschutzes und der Energiewende.

    Wie im Weißbuch über KI angeregt, sollte die Kommission Maßnahmen vorschlagen, wie die Mitgliedstaaten nachhaltige KI-Lösungen fördern können.

    KI-gesteuerte autonome Fahrzeuge könnten dank Algorithmen für Verkehrsoptimierung oder umweltfreundliches Fahren oder über Mitfahrdienste auf der Grundlage vollständig elektrisch angetriebener autonomer Fahrzeugflotten zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Stadtverkehr beitragen.

    KI kann die Nachfrage nach und das Angebot an erneuerbaren Energieträgern in einem dezentralen Energiesystem berechenbarer machen oder auch die Energiespeicherung, Energieeffizienz und Laststeuerung erleichtern.

    3.7.   Intelligente Städte und andere Beispiele

    Der EWSA begrüßt die Smart-City-Technologien mit ihren cloudbasierten Anwendungen, die durch Echtzeitdatenverarbeitung bessere Entscheidungen ermöglichen, bspw. effiziente Müllentsorgung, Stauvermeidung, bessere Luftqualität und bessere Energieversorgung (zu 100 % erneuerbare Energiesysteme, Netz- und Lastmanagement).

    3.7.1.

    Ein wichtiger Bereich ist die Mobilität und in diesem Zusammenhang das Konzept „Mobilität als Dienstleistung“ (Mobility-as-a-Service — MaaS), das durch die Kombination der öffentlichen und privaten Transportangebote und somit eine bessere Nutzung des öffentlichen Raums, der Daten und der Infrastruktur eine Senkung der CO2-Emissionen bewirkt. Multimodale Transportsysteme unter Einbeziehung von BikeSharing, CarSharing, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis und anderen Verkehrsarten können erheblich zur Attraktivität öffentlicher und geteilter Verkehrslösungen beitragen und die Abhängigkeit vom Auto verringern. Folgende drei führende Beispiele aus den Mitgliedstaaten wären zu nennen:

    Die Stadt Amsterdam teilt Verkehrsdaten mit Interessenträgern zur Entwicklung von mit dem öffentlichen Verkehr verknüpften kartenbasierten Anwendungen.

    In Barcelona sorgt die berühmte fahrerlose U-Bahn-Linie 9 (im Endausbau über eine Streckenlänge von 47,8 km) für die Anbindung an den Flughafen und die Bahnhöfe.

    Über das innovative „Smart Bike System“ in Kopenhagen werden Luftqualität und Verkehrsaufkommen überwacht und gesteuert.

    3.7.2.

    Der EWSA begrüßt die intelligenten und nachhaltigen Ansätze in Barcelona sowie Smart-City-Projekte der EU, so z. B.:

    Im Rahmen des REMOURBAN-Projekts (54) werden verschiedene technische Innovationen und Geschäftsmodelle für Stadtsanierung getestet, u. a. in Valladolid (Spanien) und möglicherweise in Seraing (Belgien) und Miskolc (Ungarn).

    Touristenstädte wie Valladolid (Spanien), Dresden (Deutschland) und Antalya (Türkei) sind die „Leuchttürme“ des Smart-City-Projekts MAtchUP der EU (55).

    3.7.3.

    Nachhaltiger Tourismus ist für den Wiederaufbau nach der COVID-19-Krise wesentlich. Diesbezüglich wird auf die jüngsten einschlägigen Stellungnahmen des EWSA verwiesen (56). Insbesondere sollten umweltfreundliche Transportmittel wie Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel unterstützt, die Entwicklung immer treibstoffeffizienterer Flugzeugmotoren vorangetrieben und die Renovierung von Beherbergungseinrichtungen durch eine Öko-Zertifizierung gefördert werden.

    3.7.4.

    Der EWSA befürwortet nachhaltige Ansätze in der Digitalisierung der Landwirtschaft und verweist auf seine aktuelle Stellungnahme zur Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ der Kommission (57). Er spricht sich dafür aus, sicherzustellen, dass auch kleine und mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe im Hinblick auf die notwendige agrarökologische Wende von digitalen Lösungen profitieren, sofern sie dies wünschen und diese Lösungen finanziell tragbar sind und die Landwirte selbst die Kontrolle darüber behalten. Es gibt viele innovative Anwendungen, die großenteils die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion unterstützen (Drohnen zur Überwachung von Feldern und Tieren, Agrarroboter, die aussäen, Unkraut bekämpfen, ernten oder melken, und wassersparender vertikaler Anbau in Städten für die lokale Versorgung). In diesem Zusammenhang sollten Gemeinschaftseigentum, Systeme für gemeinsame Datennutzung (58) und andere innovative Modelle gefördert werden.

    Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist ein komplexes Unterfangen. Dabei sind Initiativen wie FAIRshare (59) wichtig, um die Nutzung digitaler Tools zur Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken zu fördern. Bei der Überwindung der spezifischen digitalen Kluft im ländlichen Raum kommt dem Aufbau von Kompetenzen und Vertrauen in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu.

    3.7.5.

    Elektronische Gesundheitsdienste sind maßgeblich für eine sachkundige, faktengestützte Entscheidungsfindung, Transparenz der Pflegeprozesse, Fehlerreduzierung, verbesserte Diagnosegenauigkeit und Kosteneffizienz sowie Verringerung von Wartezeiten und Verschwendung. Soziale Distanzierung und Quarantänemaßnahmen infolge der Pandemie haben unvermittelt zur einer erheblichen Sensibilisierung für das Potenzial der elektronischen Gesundheitsdienste geführt.

    Brüssel, den 17. September 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  https://www.un.org/sustainabledevelopment/development-agenda/

    (2)  https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement

    (3)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/european-green-deal-communication_de.pdf

    (4)  ECESP, https://circulareconomy.europa.eu/platform/en.

    (5)  CEAP, https://ec.europa.eu/environment/circular-economy/

    (6)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/factsheet_1_de.pdf

    (7)  EWSA-Stellungnahme „Die nachhaltige Wirtschaft, die wir brauchen“ (ABl. C 106 vom 31.3.2020, S. 1).

    (8)  EWSA-Stellungnahme: „Eine EU-Strategie für nachhaltigen Konsum“ (siehe Seite 51 dieses Amtsblatts).

    (9)  EWSA-Stellungnahme: „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ (ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 101).

    (10)  Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz — ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/commission-white-paper-artificial-intelligence-feb2020_de.pdf.

    (11)  Für Wettbewerbsfähigkeit in diesem Kontext sind nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte maßgebend, um wirtschaftlichen Wohlstand, Umweltanliegen und soziale Inklusion miteinander in Einklang zu bringen.

    (12)  Laut dem siebten Jahresbericht des Weltwirtschaftsrats für Nachhaltige Entwicklung über die Berichterstattung und Auskunft über Umwelt, Soziales und Governance in Unternehmen (2019) wird am häufigsten auf diese drei SDG Bezug genommen.

    (13)  Unesco: Steering AI and advanced ICTs for knowledge societies: a Rights, Openness, Access, and Multi-stakeholder Perspective.

    (14)  Z. B. Google/Alphabet, Apple, Facebook, Amazon oder Microsoft in den USA und Alibaba oder Tencent in China.

    (15)  Z. B. die in Frankreich eingeführte Steuer auf digitale Dienstleistungen, die jedoch als Diskriminierung gegenüber Drittlandsunternehmen kritisiert wurde.

    (16)  Rationalisierung durch Robotisierung, Automatisierung, KI, Verbesserung der Arbeitseffizienz und sektorale Veränderungen.

    (17)  Ein Cobot ist ein kollaborativer Roboter, der gemeinsam mit Menschen arbeiten kann, repetitive, unerwünschte oder gefährliche Aufgaben übernimmt und so Möglichkeiten für neue, lohnendere Tätigkeiten schafft.

    (18)  Muro/Maxim/Whiton, Automation and Artificial Intelligence: How machines are affecting people and places, 2019.

    (19)  Frey/Osborne, The future of employment: How susceptible are Jobs to Computerisation?, 2013. Die Autoren legen sich nicht genau fest, wie rasch diese Entwicklung vonstattengehen könnte, und gehen relativ vage von 10 bis 20 Jahren aus.

    (20)  Ziehran/Gregory/Arntz, The risk of automation for jobs in OECD countries: a comparative analysis, OECD Social, Employment and Migration, 2016.

    (21)  International Federation of Robotics: The Impact of Robots on Productivity, Employment and Jobs, 2017.

    (22)  Ziehran/Gregory/Arntz: Racing With or Against the Machine?, 2016.

    (23)  Weltwirtschaftsforum: The Future of Jobs Report 2018.

    (24)  Muntaner, Digital Platforms, Gig Economy, Precarious Employment, and the Invisible Hand of Social Class, 2018.

    (25)  For a typology of Crowdwork Platforms see: Howcroft/Bergvall-Kåreborn, A Typology of Crowdwork Platforms, 2019.

    (26)  Uws et al., Crowd work in Europe: Preliminary results from a survey in the UK, Sweden, Germany, Austria and the Netherlands, 2016.

    (27)  Berg, Income security in the on-demand economy: Findings and policy lessons from a survey of crowdworkers, 2015.

    (28)  Bartmann, The Return of the Servant, 2016.

    (29)  Einschl. Shareholder Values und Dividenden von digitalen Plattformen und führenden Unternehmen in den Bereichen KI, Robotisierung usw.

    (30)  Stockhammer, Determinants of the Wage Share, 2017.

    (31)  Hudson, The Road to Debt Deflation, Debt Peonage, and Neofeudalism, 2017.

    (32)  Lange/Santarius, Smart Green World? Making Digitalisation Work for Sustainability, 2020.

    (33)  Cf. Staab, The consumption dilemma of digital capitalism., 2017.

    (34)  Summers, Larry Summers at IMF Economic Forum, 2013.

    (35)  Teulings/Baldwin, Secular Stagnation: Facts, Causes and Cures, 2014.

    (36)  Bspw. Suchmaschinen, das Internet der Dinge, elektronischer Geschäftsverkehr und Social-Media-Plattformen.

    (37)  Laure Feiner, Amazon admits to Congress that it uses „aggregated“ data from third-party sellers to come up with its own products, CNBC, 19.11.2019.

    (38)  Gemäß Absatz 5.2.15.2.4. Ziffer v des indischen Gesetzes über ausländische Direktinvestitionen darf ein Unternehmen mit einer Kapitalbeteiligung an einem E-Commerce-Marktplatz nicht seine eigenen Produkte auf dem von ihm betriebenen Marktplatz verkaufen.

    (39)  Insbesondere Plattformen, die im Bereich öffentlicher Güter (Gesundheit, Mobilität, Stadt) tätig sind.

    (40)  Bspw. eine öffentliche Suchmaschine, ein GAIA X Cloud Server oder von der Zivilgesellschaft dirigierte Social-Media-Plattformen.

    (41)  Z. B. Einkaufsgemeinschaften und Erfahrungsaustausch zwischen Verbrauchern, Second-Hand-Tauschbörsen, digitale Formen von „Prosuming“, lokale digitale Plattformen zur Unterstützung lokaler Unternehmen sowie ggf. kurze Lieferketten.

    (42)  Z. B. „La ruche qui dit oui“, eine belgische Plattform, über die organische und saisonale Lebensmittel angeboten werden.

    (43)  Z. B. Informationen über die Herstellung, Umweltauswirkungen, Inhaltsstoffe, Nutzung, Reparaturfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit eines Produkts.

    (44)  EWSA-Stellungnahme „Förderung einer gesunden und nachhaltigen Ernährung in der EU“ (ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 9).

    (45)  Im Schnitt wird jeder achte Online-Kauf zurückgeschickt. https://www.salecycle.com/blog/featured/ecommerce-returns-2018-stats-trends/.

    (46)  Richtlinie 2009/125/EG des Europäischern Parlaments und des Rates (ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10).

    (47)  C. Becker et al. (2015), Sustainability Design and Software: The Karlskrona Manifesto, in IEEE/ACM 37th IEEE International Conference on Software Engineering, p. 467-476, doi:10.1109/ICSE.2015.179.

    (48)  Siehe auch Kern et al. (2018), Sustainable software products — Towards assessment criteria for resource and energy efficiency, Future Generation Computer Systems, Bd. 86, S. 199-210, doi:10.1016/j.future.2018.02.044.

    (49)  Eine neue EU-Strategie (2011-2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR) (COM(2011) 681 final).

    (50)  Emarketer.com.

    (51)  Hilty & Bieser (2017): Chancen und Risiken der Digitalisierung für den Klimaschutz in der Schweiz.

    (52)  Siehe u. a. GeSI/Accenture (2015): SMARTer2030. ICT Solutions for 21st Century Challenges.

    (53)  Lange & Santarius (2020) Smart Green World. Making Digitalization Work for Sustainability; Lange, Pohl & Santarius (2020): Digitalization and Energy Consumption. Does ICT Reduce Energy Demand?.

    (54)  http://www.remourban.eu/

    (55)  https://www.matchup-project.eu/

    (56)  EWSA-Stellungnahmen: „Internationaler Handel und Tourismus — eine globale Agenda für nachhaltige Entwicklung“ (ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 40) und „Tourismus und Verkehr im Jahr 2020 und darüber hinaus“ (siehe Seite 219 dieses Amtsblatts).

    (57)  EWSA-Stellungnahme „Vom Hof auf den Tisch: eine Strategie für eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung“, 2020 (siehe Seite 268 dieses Amtsblatts).

    (58)  Z. B. JoinData, eine unabhängige Datenplattform für Landwirte (join-data.nl).

    (59)  https://www.h2020fairshare.eu/


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