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Document 52020AE1042

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Datenstrategie“ (COM(2020) 66 final)

    EESC 2020/01042

    ABl. C 429 vom 11.12.2020, p. 290–295 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    11.12.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 429/290


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Datenstrategie“

    (COM(2020) 66 final)

    (2020/C 429/38)

    Berichterstatter:

    Antonio GARCÍA DEL RIEGO

    Befassung

    Europäische Kommission, 22.4.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Beschluss des Präsidiums

    18/02/2020

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

    Annahme in der Fachgruppe

    23.7.2020

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    18.9.2020

    Plenartagung Nr.

    554

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    216/0/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Datenstrategie mit Schwerpunkt auf dem sektorübergreifenden Datenaustausch und dem Ziel, über legislative sektorspezifische Maßnahmen die Datennutzung, den Datenaustausch, den Datenzugang und die Daten-Governance zu verbessern. Eine ehrgeizige Datenstrategie kann zur dringend notwendigen Stärkung der europäischen Kapazitäten im Datenbereich beitragen.

    1.2.

    Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, die EU-Datenarchitektur insgesamt so zu gestalten, dass die Rechte von Einzelpersonen betreffend die Verwendung ihrer Daten, Datenschutz und Datenkontrolle besser durchgesetzt, ihr Datenbewusstsein gefördert und ihre Handlungskompetenz durch „persönliche Datenräume“ mit klareren Garantien und der Gewährleistung des Rechts des Einzelnen auf Datenübertragbarkeit gemäß Artikel 20 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) (1) gestärkt werden.

    1.3.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, zur Förderung ihres Datenrahmens auf eine klarere Strategie zu setzen, die hohe Datenschutzstandards mit sektorübergreifendem und verantwortlichem Datenaustausch, klaren Kriterien für sektorspezifische Governance und Datenqualität sowie größerer Datenkontrolle der Einzelpersonen verbindet. Der EWSA schlägt außerdem vor, das Finanzierungskonzept der Strategie genauer zu beleuchten, und empfiehlt Möglichkeiten, die Qualifikationslücke zu schließen.

    1.4.

    Nach Ansicht des EWSA sollte die Entwicklung datengetriebener Plattformen in Europa europäische Werte widerspiegeln und in diesem Sinn u. a. die Einzelpersonen in den Mittelpunkt stellen. Seiner Meinung nach sollte der aktuelle verbraucherorientierte Ansatz auf einen „Human-in-Command“-Ansatz (Steuerung durch den Menschen) ausgeweitet werden, der eine ethische Dimension der Datennutzung beinhaltet.

    1.5.

    Der EWSA bedauert, dass die DSGVO zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten noch nicht ordnungsgemäß durchgesetzt wird und weiterhin Diskrepanzen bestehen. Die Kommission sollte diese Probleme lösen, u. a. durch Anreize für die Mitgliedstaaten, damit alle Menschen in der gesamten EU ihre Rechte in vollem Umfang wahrnehmen können.

    1.6.

    Der EWSA erachtet die Vollendung des Binnenmarkts als wesentliche Voraussetzung für funktionierende gemeinsame Datenräume.

    1.7.

    In Anbetracht der Sensibilität gemeinsam genutzter Daten betont der EWSA die Notwendigkeit, den Schutz der Daten von Einzelpersonen durch Zustimmungs-, Kontroll-, Sanktions- und Aufsichtsmechanismen sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass Daten anonymisiert werden (und die Anonymisierung nicht rückgängig gemacht werden kann).

    1.8.

    Der EWSA empfiehlt, dass die Kommission in der Strategie ihr Verständnis von Dateneigentum definiert. Aufgrund der anhaltenden rechtlichen Debatten haben Einzelpersonen derzeit keine Klarheit darüber, welche Ansprüche sie geltend machen können.

    1.9.

    Der EWSA plädiert für einen verstärkten Dialog mit der Zivilgesellschaft und hebt die Notwendigkeit klarerer Informationen für KMU über die Datenaustauschmechanismen hervor, denn beides ist Voraussetzung für eine breite Beteiligung an Datenräumen.

    1.10.

    Der EWSA bekräftigt, dass auf einem Binnenmarkt für Daten sichergestellt werden sollte, dass personenbezogene Daten nicht denselben Vorschriften unterliegen wie Waren und Dienstleistungen, d. h. dass sie nicht schrittweise nicht personenbezogenen Daten gleichgestellt werden (2).

    1.11.

    Die Kommission sollte sicherstellen, dass der Rechtsrahmen den gleichberechtigten Zugang aller — großer wie auch kleiner — Unternehmen zu Daten ermöglicht und die Macht marktbeherrschender Plattformen zügelt. Insgesamt sollte die Kommission einen wesentlich klareren und konkreteren Vorschlag zur Kontrolle und Governance von Datenräumen, auch im Hinblick auf den Datenaustausch zwischen Interessenträgern, vorlegen.

    1.12.

    Der EWSA betont, dass die Auswirkungen der Personalisierung von Produkten auf Einzelpersonen (bspw. Diskriminierung) und der gemeinsamen Nutzung von Daten auf Unternehmen unbedingt berücksichtigt werden müssen. Der Rahmen sollte bei hohen Sicherheitsstandards ansetzen und die Rechte des geistigen Eigentums wahren. Abgeleitete Daten sollten geschützt werden, und es sollte kein verpflichtendes Recht auf Zugang oder Weitergabe geben.

    1.13.

    Der EWSA erachtet es als dringend notwendig, durch allgemeine und berufliche Bildungsmaßnahmen die digitalen Fertigkeiten und Kompetenzen zu verbessern, dazu u. a. den Referenzrahmen für digitale Kompetenzen zugrunde zu legen und die Mitgliedstaaten anzuhalten, die Bildung im Bereich der am meisten benötigten Fähigkeiten auf allen Ebenen lebensbegleitend auszubauen (3). So kann erreicht werden, dass die einzelnen Nutzer wirklich datenkompetent agieren, Datenbewusstsein und die Kontrolle über ihre Daten haben, für Massendatenanwendungen und Daten-Governance sensibilisiert sind sowie ihr digitales Umfeld und die damit verbundenen Gefahren (z. B. bei Personalisierung) verstehen (4).

    1.14.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, die wichtige Rolle der zuständigen Behörden, Verbraucherschutzorganisationen und unabhängigen Stellen für die Governance der sektorspezifischen Initiativen, die Einhaltung der Vorschriften durch die Unternehmen und die Anleitung, Beratung und Schulung der Nutzer zu klären und zu stärken.

    2.   Allgemeine Bemerkungen: Die richtige Datenstrategie

    2.1.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission den Schwerpunkt auf Daten legt, die für das Alltags- und Wirtschaftsleben von zentraler Bedeutung sind. Digitalisierung und technologische Verbesserungen haben Umfang und Häufigkeit der Datenerzeugung gesteigert und erleichtern es, Daten zu speichern, zu verarbeiten, zu analysieren und weiterzugeben. Datengetriebene Dienstleistungen erhöhen die Kundenfreundlichkeit und werden den Kundenerwartungen besser gerecht.

    2.2.

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass es zur Steigerung von Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa vor allem auf datengetriebene Innovation ankommt, dass diese jedoch an Grenzen stößt, weil es an verfügbaren Daten auf Wirtschaftssektor- und Nutzerebene für die EU fehlt. Der EWSA ist mit dem Vorschlag der Kommission einverstanden, dem abzuhelfen und den Datenaustausch und -zugang zu verbessern, indem gemeinsame Datenräume, die allen Anforderungen der DSGVO genügen, geschaffen, gemeinsame technische und rechtliche Vorschriften und Standards festgelegt und ergänzende Maßnahmen ergriffen werden.

    2.3.

    Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Datenstrategie entscheidend dazu beitragen wird, die technologische Unabhängigkeit Europas im Hinblick auf sicheren Datenaustausch und Datenzugang zu untermauern sowie die Kontrolle der Europäerinnen und Europäer über ihre Daten zu stärken, und dass sie sowohl den Bürgern als auch den Unternehmen Vorteile bringen wird.

    2.4.

    Der EWSA stimmt zu, dass über einen sektorspezifischen Ansatz für Datenzugang am ehesten gezielte Lösungen für sektorspezifische Gegebenheiten und Marktversagen entwickelt und gleichzeitig strenge Vorkehrungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden können (5).

    2.5.

    Der EWSA teilt die Besorgnis der Kommission, dass den Möglichkeiten der Datennutzung und des Datenaustauschs in der EU durch erhebliche Interoperabilitätsprobleme der Informationssysteme Grenzen gesetzt werden. Die COVID-19-Krise hat gezeigt, dass ein umfassendes Datenökosystem notwendig und sinnvoll ist, denn Daten sind nicht an Sektorengrenzen gebunden; u. a. könnten so persönliche Sicherheitslösungen entwickelt (z. B. mit Geolokalisierungs- und Gesundheitsdaten) und Datensilos vermieden werden. Im Gesundheitswesen könnten Forscher für die öffentliche Gesundheit relevante Daten aus verschiedenen Sektoren dazu nutzen, die Arzneimittelentwicklung zu beschleunigen und Krankheiten besser zu verstehen.

    2.6.

    Der EWSA teilt die Einschätzung, dass die datengetriebene Innovation durch Qualifikationsdefizite, einen Mangel an einschlägig qualifizierten Arbeitskräften und geringe Datenkompetenz aufgehalten wird. Er begrüßt das Anliegen der Strategie, dass „ein gemeinsamer europäischer Kompetenzdatenraum“ geschaffen werden soll, und erwartet mit Interesse die überarbeitete Fassung des Aktionsplans für digitale Bildung der Kommission.

    3.   Förderung des Datenrahmens der EU: Allgemeine Bemerkungen

    In Verbindung mit der Weiterentwicklung des EU-Datenrahmens erheben sich grundlegende Ethikfragen. In der vom EWSA 2016 in Auftrag gegebenen Studie „Ethics of Big Data“ (6) wird diese Thematik unter Zugrundelegung des persönlichen Privatsphäre- und Selbstbestimmungsbedarfs aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Sensibilisierung, Kontrolle, Vertrauen, Eigentum, Überwachung und Sicherheit, digitale Identität, maßgeschneiderte Realität, De-Anonymisierung, digitale Kluft und Privatsphäre. Der EWSA empfiehlt, die daraus gewonnenen Erkenntnisse als allgemeine Leitprinzipien anzuwenden.

    3.1.   Datenschutzstandards

    3.1.1.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, zu betonen, dass die Einzelpersonen die Kontrolle über ihre Daten behalten sollten, da die Erhebung und gemeinsame Nutzung von Daten Auswirkungen auf ihre Privatsphäre und Chancengleichheit haben. Durch die sektorübergreifende Nutzung von Daten können Unternehmen ihre Verfahren verbessern, Erkenntnisse wirksamer umsetzen und ihren Kunden neue personalisierte Waren und Dienstleistungen anbieten. Insbesondere liefern Nutzerdaten Erkenntnisse über wesentliche Eigenschaften, Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die mit anonymisierten Daten nicht erfasst werden. Dadurch ergeben sich auch in anderen Sektoren als denen, in denen die Daten ursprünglich erzeugt wurden, positive Nebeneffekte. So könnte zum Beispiel der sektorübergreifende Datenaustausch dem Finanzsektor nicht nur bessere Risikoanalysen und Cashflow-Prognosen ermöglichen, sondern auch der Betrugsaufdeckung dienen, Privatpersonen bei der Überwindung von Überschuldung helfen und finanzielle Inklusion sowie finanzielle Bildung fördern. Die Personalisierung birgt indes Gefahren für schutzbedürftige Verbraucher, bspw. in Form von Diskriminierung, Zweckentfremdung und Manipulation.

    3.1.2.

    Die Kommission sollte auf die unzureichende und fragmentierte Umsetzung der DSGVO, die unterschiedliche Rechtsauslegung und den Mangel an Ressourcen der Datenschutzbehörden eingehen. Die 2012 entworfene, 2016 angenommene und 2018 in Kraft getretene DSGVO ist als Grundlage für die vorgeschlagene Strategie nicht geeignet. Um die DSGVO mit dem neuen Konzept gemeinsamer Datenräume in Einklang zu bringen, empfiehlt der EWSA der Kommission, sie anforderungsgemäß zu aktualisieren und Folgenabschätzungen durchzuführen. Er fordert die Kommission ferner auf, die Datenübertragbarkeitsrechte, die in der DSGVO Beschränkungen unterliegen, anders zu regeln. Diese Beschränkungen stammen noch aus einer Zeit, als Dienste kaum gewechselt wurden, während heutzutage Daten mehrfach und in Echtzeit abgefragt werden.

    3.1.3.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Instrumente Einzelpersonen die Entscheidung erleichtern könnten, „was mit ihren Daten geschieht“ (7), dass sie im Interesse der Rechtssicherheit jedoch in der Strategie ihr Verständnis von Dateneigentum definieren sollte, um allgemein klarzustellen, wem die Daten gehören und — bspw. bei durch IoT-Haushaltsgeräte generierten Daten — was sie beinhalten und was damit geschieht.

    3.1.3.1.

    Es sollte klar zwischen Dateneigentum und den persönlichen Rechten an Daten unterschieden werden.

    3.1.4.

    In Anbetracht dessen, dass die Überlassung von Daten im Gegenzug für kostenfreie Dienstleistungen eine Form der Zahlung darstellt, fordert der EWSA die Kommission auf, darzulegen, auf welche Texte oder Kriterien sie sich stützt, wenn sie ein „öffentliches Interesse“ anführt, und welchem Zweck es in diesem Zusammenhang dient. Er empfiehlt der Kommission ferner, die auch als „Datenaltruismus“ bezeichnete Datenspende ohne direkte Gegenleistung zu definieren und durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass Datensammler nicht von ihren Verpflichtungen befreit werden.

    3.2.   Verantwortungsvoller Rahmen für den Datenaustausch

    3.2.1.

    Die Kommission sollte klarstellen, wie sie den Einzelpersonen vermitteln will, wie „persönliche Datenräume“ funktionieren. Ohne dieses Verständnis wird das Recht der Einzelnen auf Zugang zu diesen Räumen bedeutungslos bleiben und der Vorschlag wie auch die Ziele der Strategie werden sich nicht wirksam umsetzen lassen.

    3.2.2.

    Die EU hat eingeräumt, dass ein Recht auf Datenweitergabe erforderlich ist, und hat im Rahmen bestimmter sektorspezifischer Initiativen entsprechende praktische Vorkehrungen getroffen, zum Beispiel für die Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten (Verordnung (EU) 2018/1807 (8)) sowie für Daten zu Zahlungskonten (Richtlinie (EU) 2015/2366 (9)). Abgesehen von wenigen Ausnahmefällen verfügen Einzelpersonen (Anwender, Verbraucher und Bürger) jedoch nicht über die Fertigkeiten, Kompetenzen und Tools, auf ihre personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten zuzugreifen oder diese auf einfache und effektive Weise weiterzugeben.

    3.2.3.

    Um die Übertragbarkeit „durch strengere Anforderungen an Schnittstellen für den Echtzeit-Datenzugriff“ zu verbessern, persönliche Datenräume zu garantieren und sicherzustellen, dass die Anbieter als „neutraler Vermittler“ (10) handeln, sollte die Kommission die Anwendung von Mechanismen für eine sichere gemeinsame Nutzung in Betracht ziehen, wie zum Beispiel Systeme für digitale persönliche Identifizierung, die von Organisationen im privaten und öffentlichen Sektor übernommen und im Hinblick auf einen schnelleren sektorübergreifenden Datenaustausch ausgeweitet werden könnten. e-ID-Anwendungen im Finanzsektor, etwa Itsme (eine mobile Identität für digitale Transaktionen), sind Beispiele einer erfolgreichen, allseitig vorteilhaften Nutzung, auch zwischen Banken und Mobilfunkbetreibern. Für die Unternehmen bringen sie einen erheblichen Wert (Kosteneinsparungen, Umsatzsteigerungen, weniger Betrug und Identitätsdiebstahl), bieten mehr Wahlmöglichkeiten, schützen die Privatsphäre der Nutzer, stärken das Vertrauen der Verbraucher, geben jedem Einzelnen starke Mittel und Instrumente für die Authentifizierung, die Verwaltung seiner Rechte wie auch die Kontrollausübung und ermöglichen sichere, bequeme, zeiteffiziente digitale Prozesse wie Onboarding.

    3.2.4.

    Der EWSA verweist die Kommission auf die mit der PSD2 gemachten Erfahrungen (zur Förderung von Innovation können dritte Zahlungsdienstleister mit Einwilligung der betreffenden Kunden auf Bankkundendaten zugreifen) und andere Anwendungen (wie die Verwendung von Geolokalisierungsdaten und Transaktionsdaten), die als Inspiration für den allgemeinen Datenaustauschrahmen dienen können. Die Anwendung dieser Grundsätze sollte in allen Sektoren gleich und innerhalb eines ähnlichen Zeitrahmens erfolgen, um faire Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Marktteilnehmer sicherzustellen.

    3.2.5.

    Die EU sollte einem sektorübergreifenden Datenaustausch die DSGVO zugrunde legen und für den sicheren Datenaustausch in verschiedenen Sektoren bestehende Initiativen zum Vorbild nehmen, so dass Einzelpersonen davon profitieren und die Unternehmen Wert generieren können. Die Endnutzer sollten dadurch das Recht erhalten, die von ihnen mitgeteilten (z. B. durch Eingabe von Namen, Anschrift) bzw. für sie festgestellten personenbezogenen Daten (z. B. geografische Daten) direkt von einem Dateninhaber zum nächsten übermitteln zu lassen, und zwar in standardisierter Weise und unter Verwendung von Echtzeit-API (11). Bspw. könnte ein Nutzer Spotify auffordern, Deezer den Zugriff auf seine Wiedergabelisten zu gestatten. Dadurch würde die Einhaltung der Datenschutzgrundsätze der DSGVO gewährleistet. Die Nutzer würden die volle Kontrolle über den Prozess behalten und den Wert der Daten nutzen können. Das Recht auf Übertragbarkeit personenbezogener Daten würde wirklich wirksam, dynamisch, zeitnah und transparent, und dieselben Grundsätze würden auf bestimmte nicht-personenbezogene Daten ausgeweitet.

    3.2.6.

    Sowohl Unternehmen als auch Nutzern sollte es möglich sein, ihre eigenen Daten — unabhängig von der Stelle, von der sie erhoben wurden — auf sichere Weise weiterzugeben und über die Empfänger und Verwendung der weitergegebenen Daten zu bestimmen.

    3.2.7.

    System und Funktionsweise der gemeinsamen Datenräume sollten dem Qualitätsniveau eines öffentlichen Registers entsprechen; Datenanbieter sollten die makellose Qualität der Daten selbst wie auch die Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur sicherstellen. Diese „Datenverwalter“ sollten den Datenaustausch nicht behindern, sondern vielmehr verbessern. Darin liegt der Schlüssel zu solidem, nahtlosem Datenmanagement und der Verfügbarkeit von Daten hoher Qualität. Nach Ansicht des EWSA wird der Datenqualität in der Strategie ein zu geringer Stellenwert eingeräumt und dieser Punkt bedarf der Klarstellung. Der EWSA empfiehlt ferner die Festlegung von Mindestverpflichtungen, um sicherzustellen, dass alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe die Datenqualität und die Rechte von Einzelpersonen gewährleisten. Da Datenqualität kostspielig sein kann und die dafür erforderlichen Technologien nicht allen Interessenträgern zur Verfügung stehen, sollten diese Schwellenkriterien für alle Unternehmen realistisch sein, insbesondere für KMU: Wenn sie aufgrund begrenzter Ressourcen Schwierigkeiten haben, diese Kriterien zu erfüllen, sollten sie entsprechend unterstützt werden, um ihnen keine übermäßigen Kosten aufzuerlegen (12).

    3.2.8.

    Die am höchsten bewerteten Unternehmen sind datengetriebene Plattformen, zum einen wegen ihrer strategischen Bedeutung innerhalb der digitalen Märkte, zum anderen wegen ihrer oligopolistischen Kontrolle über bestimmte Datenmengen. Die eingeschränkte Datenverfügbarkeit setzt den Möglichkeiten der Unternehmen in der EU, Daten zu Innovationszwecken zu nutzen, indes Grenzen. Das für digitale Märkte charakteristische „Winner takes all“-Prinzip bedeutet, dass es einige wenige große Firmen gibt, die an der Schnittstelle der Online-Datenströme sitzen und so auf Informationen zugreifen können, die anderen Anbietern nicht zur Verfügung stehen. Selbst dort, wo die Datenbestände breiter verteilt sind, stehen sie selten branchenübergreifend zur Verfügung, was die Chancen für sektorübergreifende Innovationen von Unternehmen und anderen Organisationen reduziert. Da keine Plattform zum Aufbau eines Datenpools verpflichtet ist, ist es den Endnutzern nicht möglich, die Daten, die sie in verschiedenen Sektoren erzeugen, zusammenzufassen und zu aggregieren. Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, darüber nachzudenken, wie geschäftlichen und privaten Nutzern eine bessere Kontrolle ihrer Daten ermöglicht werden kann, wobei zunächst bei systemischen Plattformen (Big Tech) angesetzt werden sollte. Er schlägt außerdem vor, eine von der EU unterstützte Plattform zu schaffen, wo für Unternehmen auf Verlangen sämtliche auf dem EU-Markt erhältlichen öffentlichen Daten zentral zusammengefasst und aggregiert werden.

    3.3.   Governance der Datenräume

    3.3.1.

    Der EWSA schlägt folgende Kriterien für die Governance sektorspezifischer Datenräume vor. Erstens: Eingriffe in Form eines Datenzugangs sollten darauf abzielen, gegen Marktversagen vorzugehen, das höhere Verbraucherpreise, weniger Auswahl für die Verbraucher und weniger Innovation zur Folge hat. Zweitens: Der Datenzugang muss die Entwicklung verbraucherorientierter Innovation fördern. Drittens: Betreiber, die personenbezogene Daten verarbeiten, müssen strenge Anforderungen hinsichtlich Datenintegrität und Datensicherheit erfüllen. Viertens: Einzelpersonen sollten durch geeignete technische Lösungen in die Lage versetzt werden, den Fluss persönlicher Informationen zu steuern und zu verwalten. Fünftens: Einzelpersonen müssen die Möglichkeit haben, der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten zu widersprechen und bei Verstößen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (der EWSA befürwortet einen „Human-in-Command“-Ansatz (Steuerung durch den Menschen)).

    3.3.2.

    Nicht alle Daten sollten offen sein oder veröffentlicht werden. Es sollte verschiedene Regeln geben, je nachdem, ob es sich um B2B-, B2C-, B2G- oder Me2B-Daten handelt. Abgeleitete Daten sollten geschützt werden, und es sollte keinen Zwang geben, den Zugang dazu oder deren Weitergabe zu gewähren.

    3.3.3.

    Der datenraumübergreifende Datenaustausch betrifft, z. B. in den Bereichen Gesundheitswesen und Finanzsektor, gemischte Datensätze (mit personenbezogenen Daten und nicht-personenbezogenen Daten). Um sensible und personenbezogene Daten zu Überwachungs- oder Ortungszwecken zu erfassen und zu verwenden, sollte die Einwilligung der betroffenen Einzelperson erforderlich sein. Es sind Schutzvorkehrungen zu treffen, damit die Kombination personenbezogener Datenpunkte (z. B. Finanz- und Gesundheitsinformationen) nicht zu Lock-in, Missbrauch oder Diskriminierung führt, zum Beispiel beim Zugang zum Arbeitsmarkt.

    3.3.4.

    Den Interessenträgern (Unternehmen und Einzelpersonen) mangelt es an Wissen über und Zugang zu den Identifizierungs-, Authentifizierungs- und Genehmigungsmechanismen, die eine sichere Datenübermittlung, insbesondere im Gesundheitswesen, ermöglichen, was den Datenaustausch behindert. Der EWSA empfiehlt, einen standardisierten Gesundheitsdatensatz, ähnlich dem EU-einheitlichen elektronischen Berichtsformat (ESEF), einzuführen.

    3.3.5.

    Der Zugang Dritter zu Daten für Forschungs- und Entwicklungszwecke sollte an bestimmte Bedingungen geknüpft sein. So sollte zum Beispiel die Nutzung kostenloser Daten, etwa für die Zwecke der medizinischen Forschung oder durch Kommunalbehörden, der DSGVO unterliegen.

    3.3.6.

    Der EWSA gibt zu bedenken, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt dadurch beeinträchtigt wird, dass nicht alle Unternehmen digitalisiert sind (insbesondere Unternehmen in herkömmlichen Branchen und viele KMU in Europa) und nicht alle Unternehmen in der Lage sind, den Wert von Daten auszuschöpfen. Freiwilliger Datenaustausch kann einen gleichberechtigten Zugang zu Daten unterstützen, aber nicht hinreichend gewährleisten. Die Kommission sollte diesem Ungleichgewicht zwischen digitalisierten und nicht digitalisierten, großen und kleinen Unternehmen Rechnung tragen. Die KMU-Strategie und die Industriestrategie der EU sind hierfür geeignete Ansatzpunkte.

    3.3.7.

    Der EWSA hebt hervor, dass der digitale Binnenmarkt der EU trotz der bereits erzielten Konvergenzfortschritte von Einheitlichkeit noch weit entfernt und regulatorisch nach wie vor fragmentiert ist. Unternehmen fällt es darin deshalb schwer, zu wachsen und gegenüber ihren Konkurrenten in den USA und China zu bestehen, die sich auf einen wirklich einheitlichen Regelungsrahmen stützen können und ihre Rivalen in der EU aufkaufen, wie Skype und Booking.com. Wer in der EU ein Start-up gegründet hat, wechselt dann letztendlich in die USA oder auf andere unternehmensfreundlichere Märkte, um von größeren Binnenmärkten und besserem Zugang zu Wagniskapital zu profitieren. Eine leistungsfähige gemeinsame Infrastruktur für Datenräume muss auch der Mehrsprachigkeit im Binnenmarkt Rechnung tragen (13).

    3.4.   Finanzierung

    3.4.1.

    In der Strategie ist die Mobilisierung von Finanzmitteln in Höhe von insgesamt 4-6 Mrd. EUR vorgesehen. Von den Mitgliedstaaten und der Industrie wird erwartet, dass sie sich an den Investitionen beteiligen. Die Kommission sollte erklären, wie sie diese Finanzmittel zu mobilisieren gedenkt, und klare Kriterien aufstellen, um eine faire Verteilung zu garantieren und zu bewerten.

    3.4.2.

    Um genügend private Investitionen und die Aufrechterhaltung der bestehenden Dienstleistungen für viele EU-Unternehmen sicherzustellen, hält es der EWSA für unbedingt erforderlich, dass die Mitwirkung ausländischer Anbieter an dem Projekt gewahrt bleibt (unter Einhaltung der EU-Vorschriften). Sehr wichtig sind auch öffentliche Mittel, die etwa durch die Programme „Horizont Europa“ und „Digitales Europa“ bereitgestellt werden. Der Umfang des EU-Haushalts, in dem die Prioritäten im Hinblick auf den Wiederaufbau nach der Corona-Krise berücksichtigt werden, ist im Vergleich zum ersten Vorschlag der Kommission vom Mai reduziert worden. Zwar wurden im Vergleich zum vorhergehenden mehrjährigen Finanzrahmen für die wichtigen strategischen digitalen Kapazitäten der EU insgesamt mehr Mittel bereitgestellt, doch wurde die Ausstattung des Programms „Digitales Europa“ von 8,2 Mrd. EUR auf 6,76 Mrd. EUR gekürzt.

    3.5.   Schließung der Qualifikationslücke

    3.5.1.

    Die Wirtschaftskrise könnte dazu führen, dass sich die Hierarchie der für gesellschaftlich nützlich erachteten Berufe ändert; es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Bedarf an technischen Fähigkeiten zurückgehen wird. Automatisierung kann dazu führen, dass Berufe und Aufgaben neu definiert werden (dass zum Beispiel Sozialkompetenzen wichtiger werden); möglicherweise führt sie nicht zur Massenarbeitslosigkeit, sondern zu einer umfangreichen Umschichtung von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften (14).

    3.5.2.

    Für Big Data-Jobs sind anscheinend vor allem folgende Kompetenzen gefragt (15): Analysefähigkeiten, Datenvisualisierung, Kenntnis des Geschäftsbereichs und der Tools zur Massendatenverarbeitung, Programmierungs- und Problemlösungsfähigkeiten, Structured Query Language (SQL), Datamining, Kenntnis verschiedener Technologien, Kenntnis öffentlicher und hybrider Cloud-Infrastrukturen und letztlich praktische Erfahrung. Einige dieser Kenntnisse können in der Schule vermittelt werden, andere müssen lebensbegleitend und in allen Lebensbereichen durch kontinuierliches nichtformales und informelles Lernen erworben werden (16).

    3.5.3.

    Um diese Chance zu nutzen, auch wenn Bildung weiterhin eine nationale Zuständigkeit ist, fordert der EWSA die Kommission auf, den Mitgliedstaaten nahezulegen, konsequenter eine bessere digitale Kompetenz zu fördern, die Datenkompetenzlücke und ihre unterschiedliche Ausprägung zu bekämpfen, um so auch Ungleichheit in der EU abzubauen, und dafür zu sorgen, dass weniger Know-how verloren geht.

    3.5.4.

    Die EU sollte die Programme für allgemeine und berufliche Bildung fundamental neu gestalten. Auf allen Schulstufen sind die MINT-Fächer (17) allzu häufig nicht ausreichend in die Lehrpläne integriert. Insbesondere für Frauen hat dies nachteilige Auswirkungen, was die Kommission jedoch trotz der Empfehlungen ihrer Präsidentin zur Gleichstellung der Geschlechter (18) hervorzuheben versäumt. Diesbezüglich erachtet der EWSA den Referenzrahmen für digitale Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger (19) als sinnvolles Instrument, das besser bekannt gemacht und angewendet werden sollte. Der EWSA appelliert an die Kommission, die Mitgliedstaaten darin zu bestärken, in diesem Rahmen Initiativen zu ergreifen und voranzutreiben.

    3.5.5.

    Der EWSA regt an, dass die Kommission die Rolle der Verbraucherorganisationen stärken sollte, die mit der Schulung, Aufklärung und unabhängigen Beratung der Nutzer über ihre Möglichkeiten (z. B. wie sie Auskunft darüber erhalten, wie ihre Daten verwendet und weitergegeben werden, wer ihre Daten hat, wie sie Beschwerde einlegen und Klage erheben können) eine wichtige Aufgabe wahrnehmen. Zur Förderung digitaler Kompetenzen könnten Initiativen wie der finnische Online-Kurs „Elements of AI“ (inzwischen für alle kostenfrei in jeder Amtssprache der EU zugänglich) auf verschiedene Bildungsmodule ausgeweitet werden.

    Brüssel, den 18. September 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-european-strategy-data-19feb2020_de.pdf, S. 23.

    (2)  ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 122.

    (3)  Siehe Fußnote 2.

    (4)  Obwohl die Europäer ihre Rechte zunehmend besser kennen, finden sie es nach wie vor schwierig, herauszufinden, wie ihre Daten verwendet und unter Organisationen ausgetauscht werden: 81 % meinen, dass sie gar keine oder nur zum Teil Kontrolle darüber haben. Siehe Eurobarometer (Juni 2019) https://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/index.cfm/survey/getsurveydetail/instruments/special/surveyky/2222.

    (5)  Siehe https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0456&&rid=1 (Seiten 12 und 13).

    (6)  Siehe die EWSA-Studie „The ethics of Big Data: Balancing economic benefits and ethical questions of Big Data in EU policy context“ (2017).

    (7)  Geeignet sind bspw. „Werkzeuge für die Verwaltung von Einwilligungen, Apps für die Verwaltung persönlicher Informationen, darunter auch vollständig dezentrale Lösungen“. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-european-strategy-data-19feb2020_de.pdf, S. 12.

    (8)  Verordnung über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten: https://ec.europa.eu/knowledge4policy/publication/regulation-free-flow-non-personal-data_en.

    (9)  Zweite Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2): https://ec.europa.eu/info/law/payment-services-psd-2-directive-eu-2015-2366_en.

    (10)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-european-strategy-data-19feb2020_de.pdf, S. 23-24.

    (11)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 238.

    (12)  Siehe Fußnote 11.

    (13)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 119.

    (14)  Für jeden Arbeitsplatz, der künftig wegen Digitalisierung abgebaut wird, könnten 3,7 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Siehe https://www.agoria.be/en/Agoria-Without-a-suitable-policy-there-will-be-584-000-unfilled-vacancies-in-2030. https://newsroom.ibm.com/2019-10-30-MIT-IBM-Watson-AI-Lab-Releases-Groundbreaking-Research-on-AI-and-the-Future-of-Work; siehe EWSA-Stellungnahmen TEN/705 (siehe S. 77 dieses Amtsblatts), ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 161.

    (15)  Utkarsh Singh, Top 10 In-Demand Big Data Skills To Land „Big“ Data Jobs in 2020 (upGrad blog, 24. Dezember 2019), https://www.upgrad.com/blog/big-data-skills/.

    (16)  Siehe Fußnote 2.

    (17)  Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik.

    (18)  EWSA-Stellungnahmen TEN/705 (siehe S. 77 dieses Amtsblatts).

    (19)  EU Science Hub, DigComp: Digital Competence Framework for Citizens (European Commission), https://ec.europa.eu/jrc/en/digcomp.


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