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Document 52016AE6926

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung)“ (COM(2016) 767 final — 2016/0382 (COD))

    ABl. C 246 vom 28.7.2017, p. 55–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.7.2017   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 246/55


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung)“

    (COM(2016) 767 final — 2016/0382 (COD))

    (2017/C 246/09)

    Berichterstatter:

    Lutz RIBBE

    Mitberichterstatter:

    Stefan BACK

    Befassung

    Europäisches Parlament, 1.3.2017

    Europäischer Rat, 6.3.2017

    Rechtsgrundlage

    Artikel 194 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

    Annahme in der Fachgruppe

    11.4.2017

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    26.4.2017

    Plenartagung Nr.

    525

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    108/1/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Vorlage der überarbeiteten Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien. Der Ausbau erneuerbarer Energien (EE) spielt in Verbindung mit den anderen Vorschlägen des sogenannten „Winterpakets“ eine entscheidende Rolle für die Erreichung der Ziele der Europäischen Energieunion, der Klimaschutzziele der EU sowie des Ziels, weltweit wieder die Nummer 1 bei erneuerbaren Energien zu werden. Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch soll im Jahr 2030 27 % betragen.

    1.2.

    Für die Erreichung der Klimaschutzziele sowie für die Verringerung der Importabhängigkeit hat ein „27 %-Ziel“ nur bedingte Aussagekraft. Das 27 %-Ziel muss in Verbindung mit anderen Maßnahmen zur CO2-Reduktion (z. B. Effizienzsteigerungen) gesehen werden und könnte daher in der Tat ausreichen, insbesondere wenn die Regelungen im Governance-Bereich die Mitgliedstaaten in der Tat dazu brächten, gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen. Wenn man das Ziel im Zusammenhang mit dem Anspruch der globalen Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energien sieht und bedenkt, dass ohne Überarbeitung der Richtlinie laut Kommission schon ein Anteil von 24,7 % erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch im Jahr 2030 erreicht würde, ist es legitim zu fragen, ob das Ziel ambitioniert genug ist.

    1.3.

    Trotz der Planungs- und Überwachungsbestimmungen in dem vorgeschlagenen Governance-System der Energieunion wiederholt der EWSA sein Bedauern darüber, dass verbindliche nationale Ziele fehlen.

    1.4.

    Der EWSA unterstützt grundsätzlich das Ziel, dass die Erneuerbaren sich dem Markt stellen müssen. Eine unbefristete Subventionierung, egal ob von fossilen, atomaren oder erneuerbaren Energieträgern, kommt für ihn aus mehreren Gründen nicht in Frage.

    1.5.

    Die Einführung erneuerbarer Energieträger auf den Strommärkten kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn gleiche Ausgangsbedingungen für alle Energieträger geschaffen werden. Dass erneuerbare Energien heute noch eine staatliche Förderung benötigen, liegt zu einem Großteil daran, dass die konventionelle Stromerzeugung hochsubventioniert ist. Daher ist es zwingend, dass die heute bestehenden Verzerrungen zu Lasten der erneuerbaren Energien beispielsweise durch eine Kombination aus Energiebesteuerung und Emissionshandelssystem, die alle externen Kosten erfasst, beseitigt werden (siehe EWSA-Stellungnahme „Änderung der Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie“ — noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Der EWSA betont, dass dies zu den geringstmöglichen Zusatzkosten für die Verbraucher oder Unternehmen erfolgen muss und kann.

    1.6.

    Die neue Energiepolitik sollte sich an den drei großen „Ds“ (Dezentralisierung, Digitalisierung und Demokratisierung) ausrichten. Für die erneuerbaren Energien muss auch ein neues Marktdesign umgesetzt werden, das an die dezentrale Struktur der Stromerzeugung aus Erneuerbaren angepasst ist.

    1.7.

    Der EWSA befürwortet die von der Kommission vorgesehene Entwicklung dezentralisierter und intelligenter Marktstrukturen, fordert jedoch, dass der von der Europäischen Kommission formulierte Anspruch, die Verbraucher und Bürger in den Mittelpunkt der europäischen Energiepolitik zu stellen, viel wirksamer umgesetzt wird. Durch die Entwicklung neuer intelligenter Marktstrukturen könnte auch das „revolutionäre“ Potenzial, das der Energiewende nach Bekundung der Europäischen Kommission innewohnt, auf eine Art und Weise freigesetzt werden, die den gesellschaftlichen und regionalen Gewinn maximiert.

    1.8.

    Der EWSA begrüßt die Anerkennung von Prosumenten als wichtige Akteure auf dem neuen Energiemarkt; dies ist ein Schritt in Richtung Energiedemokratie durch die Stärkung der Handlungskompetenz großer und kleiner Verbraucher sowie der Bürger. Die Möglichkeiten, die ihnen in dem Vorschlag eingeräumt werden, bedeuten zwar einen gewissen Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation, reichen aber längst nicht aus, beispielsweise in Bezug auf ein einklagbares Recht auf den Zugang zu und die Nutzung von öffentlichen Versorgungsnetzen/Stromnetzen. Deshalb kann der Vorschlag lediglich als erste Etappe auf dem langen Weg hin zur Ausschöpfung des echten sozialen, wirtschaftlichen und regionalen Potenzials prosumentenorientierter Märkte betrachtet werden.

    1.9.

    Der EWSA unterstreicht die Bedeutung des raschen Auf- und Ausbaus intelligenter Netze, um eine stabile und sichere Versorgung zu gewährleisten, Sektorkopplung durch die Integration von Power-to-Heat, Power-to-Gas und Vehicle-to-Grid in das Netz auch auf Mikroebene zu erreichen sowie einen effizienten „Peer-to-Peer“-Handel zu ermöglichen, damit Prosumenten umfassend und gleichberechtigt am Strommarkt teilnehmen können.

    1.10.

    Die Digitalisierung wird es Prosumenten potenziell ermöglichen, sich nicht nur an der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen zu beteiligen, sondern auch am Handel. Der EWSA empfiehlt daher ausdrücklich, ein entsprechendes positives Recht hierauf festzuschreiben.

    1.11.

    Die regionalwirtschaftlichen Potenziale der Erneuerbaren, u. a. auch von biogenen Energien (inkl. alternativer Kraftstoffe), werden zwar in den Erwägungsgründen erwähnt, sie finden aber im eigentlichen Gesetzestext keine Berücksichtigung. Eine entsprechende Strategie zur Verknüpfung erneuerbarer Energie und regionaler Wirtschaftsentwicklung wird vermisst. Auch die wichtige Bedeutung von Städten, Kommunen und Regionen wie auch der KMU als Treiber der Umstellung auf erneuerbare Energien wird nicht erkannt.

    1.12.

    Die möglich gewordene Verbindung von neuer Energiepolitik mit Regionalentwicklung ist nicht nur regionalwirtschaftlich von Bedeutung. Die Teilhabe von lokalen Stakeholdern an dezentralen Energieprojekten ist auch für die Akzeptanzschaffung von Bedeutung: Für Klimaschutz oder Energiesicherheit macht es keinen Unterschied, ob ein Windpark einem internationalen Beteiligungskapitalfonds oder lokalen Interessenträgern gehört, für die Akzeptanz dieses Windparks seitens der Bürger jedoch sehr wohl.

    1.13.

    Energiearmut ist ein soziales Problem, dass im Rahmen der Sozialpolitik angegangen werden muss. Der EWSA verweist indes auf das bislang unerschlossene Potenzial einer Kombination aus Wärme- und Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, Energieeinsparung, Lastverschiebung und Prosum, um dieses Problem anzugehen. Das setzt voraus, dass Lösungen zur Finanzierung der Anschubinvestitionen, z. B. über Sozialfonds oder Investitionsfazilitäten, gefunden und die Hindernisse beim Zugang zu Kapital durch einen systematischen politischen Ansatz abgebaut werden. Jeder Unionsbürger und Verbraucher sollte in die Lage versetzt werden, Prosument zu werden.

    1.14.

    Im Titel des Richtlinienvorschlags wird zwar von der „Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ gesprochen, im Text selbst werden jedoch keine spezifischen Förderinstrumente beschrieben. Entsprechend klare Regeln sind aber unerlässlich, um Investitionssicherheit zu schaffen. Deshalb muss es ein eigenes, klares und präzise festgelegtes Förderschema für Bürgerenergiegesellschaften und Prosumenten geben. Der EWSA fordert die geltenden Durchführungsbestimmungen für staatliche Beihilfen zu überarbeiten, um die höchstmögliche Rechtsicherheit für die Mobilisierung von Investitionen zu gewährleisten.

    1.15.

    Der EWSA befürwortet das Ziel, nachhaltige biogene Energieträger und alternative Kraftstoffe zu fördern, bedauert jedoch, dass die diesbezüglichen Bestimmungen in dem Vorschlag teilweise nicht ausreichend flexibel sind, um eine an die Gegebenheiten vor Ort angepasste Nutzung von Roh- und Reststoffen zu ermöglichen. Beim Ausstieg aus nicht nachhaltigen Biokraftstoffen muss vermieden werden, verlorene Vermögenswerte („sunken assets“) zu schaffen.

    2.   Allgemeine Anmerkungen zur Förderung erneuerbarer Energie

    2.1.

    Der EWSA sieht vier wesentliche Vorteile, die erneuerbare Energieträger für die Europäische Union erbringen können. Die Kommission adressiert davon eigentlich nur zwei in ihrem Richtlinienvorschlag, und diese zum Teil zu unkonkret.

    a)    Klimaschutz

    2.2.

    Erneuerbare sind entscheidend für die angestrebte, weitgehend vollständige Dekarbonisierung des europäischen Energiesystems. Allerdings müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

    Es müssen massive Fortschritte bei der Energieeffizienz erreicht werden (siehe EWSA-Stellungnahme „Änderung der Energieeffizienz-Richtlinie“).

    Der Verkehrssektor sowie der Sektor Wärme- und Kälteerzeugung spielen bei der Verringerung der Klimagasemissionen eine wichtige Rolle. Die Nutzung von Strom, der zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt, wird ein wesentlicher Faktor für die Umstellung des Wärme- und Verkehrssektors auf mehr Nachhaltigkeit sein. Vorschläge zur Fahrzeugeinspeisung (Vehicle-to-Grid), der Regulierung von Power-to-Heat und Power-to-Gas sowie dem Auf- und Ausbau intelligenter Netze sind in diesem Kontext ebenfalls wichtig (1).

    b)    Versorgungssicherheit

    2.3.

    Erneuerbare werden unverzichtbare Beiträge zur Versorgungssicherheit leisten und die Abhängigkeit von Energieimporten verringern, sofern Produktion, Nutzung und Nachfragesteuerung koordiniert werden. Dafür sind allerdings spezifische Anreize vonnöten. Der EWSA bezweifelt, dass die in diesem Vorschlag und dem Vorschlag zum Strommarktdesign vorgesehenen Förderregelungen ausreichen. Aufgrund des Problems der EE-Erzeugung „ohne Grenzkosten“ werden wahrscheinlich weitere Maßnahmen notwendig sein.

    c)    Überwindung von Energiearmut

    2.4.

    Die Kostenkurve bei Erneuerbaren geht stetig nach unten, sie sind billiger denn je und mittlerweile so kostengünstig, dass sie bereits jetzt einen konstruktiven Beitrag zur Minderung des Problem der Energiearmut leisten könnten. Die Entwicklung von Bürgerenergie („Prosum“) ist dabei eine äußerst wirksame Option. So zeigt eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC Scientific and policy reports — Cost Maps for Unsubsidised Photovoltaic Electricity), dass schon 2014 für 80 % der Europäer eigen erzeugter Strom aus Solaranlagen billiger gewesen wäre als Strom aus dem Netz. Die Europäische Kommission hat aber noch keine geeignete Strategie entwickelt, um den Bürgern diese Option aufzuzeigen (siehe TEN/598).

    2.5.

    Der Zugang zu Kapital ist gerade für einkommensschwächere Schichten kritisch, und entsprechende Hilfen werden notwendig. Dieser soziale Aspekt wird weder in dieser Richtlinie noch im gesamten Winterpaket angesprochen, obwohl er relevant für das Ziel der Europäischen Kommission ist, gemäß Artikel 17 und 21 des Vorschlags die Bürger in den Mittelpunkt der Energiepolitik zu stellen.

    2.6.

    Vor diesem Hintergrund hält es der EWSA für zielführend, alle denkbaren Optionen zu ziehen, um möglichst allen Bürgern die Chancen zu geben, sich aktiv und als gleichberechtigter Marktteilnehmer in der „Energiewirtschaft“ zu engagieren. Dazu gehört auch, Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) oder anderen Investitionsfazilitäten speziell auch für kleine und kleinste Anlagen zur Verfügung zu stellen. Wenn einkommensschwache Verbraucher Zugang zu Kapital für dezentrale EE-Anlagen hätten, würden sie die Chance erhalten, Prosument zu werden. Durch das so genannte Net-Metering, das in einigen Mitgliedstaaten, u. a. Italien, den Niederlanden, Belgien (Wallonien), Polen und Slowenien praktiziert wird, ist eine direkte finanzielle Entlastung möglich, die das Problem der Energiearmut verringern könnte.

    d)    Regionale Wertschöpfung

    2.7.

    Erneuerbare sind in ihrem Wesen regionale Ressourcen, die nunmehr technisch für jedermann potenziell nutzbar geworden sind. Dies ist insbesondere für strukturschwache Regionen wichtig, wo neue Wertschöpfungsmöglichkeiten entwickelt werden müssen; die Europäische Kommission erwähnt diesen Vorteil zu Recht mehrfach in den Erwägungsgründen.

    2.8.

    Regionale Wertschöpfungen zu generieren bedeutet aber, lokale und regionale Interessenträger in Wirtschaftsprozesse, bewusst strategisch einzubinden, ihnen die Möglichkeit zu geben, diese mit zu gestalten und so Teilhabe an wirtschaftlichen Entwicklungen zu bekommen. Ein positiver Nebeneffekt ist nicht nur eine höhere Akzeptanz für den notwendigen Infrastrukturausbau, sondern auch dessen Mitfinanzierung.

    2.9.

    Der EWSA vermisst jedoch eine klare Strategie, die die regionale Entwicklung mit dem EE-Ausbau verknüpft. Entsprechende Strategien hätten die Mitgliedstaaten schon nach Verabschiedung der alten EE-Richtlinie erstellen sollen, das ist nicht geschehen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen zu dem Richtlinienvorschlag

    3.1.

    Der EWSA hat die Bemühungen der Europäischen Kommission, die EU erneut zur weltweiten Nummer 1 bei erneuerbaren Energien zu machen, stets begrüßt. Tatsächlich gehen auch viele Vorschläge im Richtlinienvorschlag in die richtige Richtung (z. B. die Vorhersehbarkeit von Förderregelungen inkl. des Ausschlusses von retroaktiven Maßnahmen). Doch besteht die Gefahr, dass die drei folgenden grundsätzlichen Defizite die Entwicklung der erneuerbaren Energien weiterhin überlagern könnten.

    a)    Angemessenheit der Förderinstrumente

    3.2.

    Der Richtlinienvorschlag baut auf den Zielen auf, die im Oktober 2014 vom Europäischen Rat festgelegt wurden, und beinhaltet eine Aktualisierung des alten 20 %-Ziels für 2020 für den EE-Anteil am Endenergieverbrauch auf 27 % bis 2030, d. h. eine Steigerung von weniger als einen Prozentpunkt jährlich. Ohne die Überarbeitung der Richtlinie würde die EU im Jahr 2030 bei ca. 24,7 % Anteil liegen, man will also ein zusätzliches Plus von 2,3 % generieren.

    3.3.

    Diese langsame Steigerungsrate könnte aber bedeuten, dass dann zwischen 2030 und 2050 eine stark exponentielle Steigerung des EE-Anteils einsetzen müsste, um die Ziele des „Energiefahrplans 2050“ (COM(2011) 885 final) zu erreichen. Die dazu notwendigen Maßnahmen könnten zusätzliche wirtschaftliche Kosten beinhalten. In jedem Fall sollte die Entwicklung der Erneuerbaren genau beobachtet werden, um so früh und kostengünstig wie möglich korrigierend eingreifen zu können.

    3.4.

    In der Folgenabschätzung zum Richtlinienvorschlag (SWD(2016) 418 final) wird der Schluss gezogen, dass bis mindestens 2030 Förderregelungen in einem stabilen Rechtsrahmen notwendig sind. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass dieser Richtlinienvorschlag auch ganz klare Förderregelungen skizzieren müsste, die zügig und wirksam umzusetzen wären. Er vermisst solche jedoch.

    3.5.

    Die „Umsetzung“ von Fördermechanismen wird Aufgabe der Mitgliedstaaten, diese müssen im Einklang mit den EU Vorschriften für staatliche Beihilfen handeln. Doch das bestehende EU-Beihilferecht setzt extrem enge Grenzen, es muss dringend modifiziert werden.

    3.6.

    Denn das derzeit geltende EU-Beihilferecht hat mit dazu geführt, dass bisher zielführende Förderinstrumente wie der Einspeisevorrang und die Einspeisevergütung, die besonders von kleinen und neuen Marktteilnehmern genutzt wurden, nun massiv beschnitten werden. Neue Instrumente wie Ausschreibungen stellen teilweise für Prosumenten, Bürgerenergie und andere Marktakteure fast unüberwindbare Hürden dar.

    3.7.

    Die in dem Vorschlag enthaltenen Förderregelungen betreffen in erster Linie die Marktstruktur und einige allgemeine Bestimmungen bezüglich der Notwendigkeit „stabiler Fördermaßnahmen im Einklang mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen“. Das allein reicht nicht. Der EWSA hält es für geboten, a) die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 800/2008) und b) die geltenden Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 dringend zu überarbeiten, um die Vereinbarkeit mit den Zielen dieses Vorschlags insbesondere in Bezug auf die Anforderungen der Prosumenten und KMU zu gewährleisten.

    3.8.

    So muss z. B. die Ausnahmeregelung für kleine Projekte (Randnummern 125 und 127 der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen) erhöht und die entsprechenden Werte in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie verankert werden, um absolute Klarheit zu schaffen.

    3.9.

    Der EWSA zweifelt an der Wirksamkeit der Einführung von Quoten für den Zugang zu Fördermechanismen für Anlagen in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere mit Blick auf das Ziel der Förderung dezentraler EE-Erzeugung und regionaler Wirtschaftsentwicklung.

    b)    Marktverzerrungen behindern erneuerbare Energien

    3.10.

    Die Botschaft des gesamten Winterpakets kann eindeutiger nicht sein: Die Philosophie der Europäischen Kommission ist, dass sich Erneuerbare von nun an bzw. möglich rasch dem Markt stellen müssen. Dies ist im Kern zu begrüßen, aber so lange problematisch, als zwei bestehende, grundlegende Marktverzerrungen nicht beseitigt sind. Zum einen sind immer noch a) direkte staatliche Beihilfen für Kraftwerke auf fossiler Basis zu nennen; hinzu kommt b) die vollkommen unzureichende Internalisierung der externen Kosten. Daher ist Strom aus Kraftwerken auf fossiler Brennstoffbasis und andere Formen von Energie, die aus fossilen Ressourcen gewonnen wird, gegenüber den erneuerbaren Energien, die keine oder nur marginale externe Kosten verursachen, systematisch bevorteilt. Global geht der Internationale Währungsfonds (IWF) von einer Subventionierung „schmutziger“ Energien von 5,3 Billionen USD jährlich aus, für die EU wird ein Wert von immerhin 330 Mrd. USD pro Jahr errechnet.

    3.11.

    Obwohl diese Marktverzerrungen zu Lasten der erneuerbaren Energien seit Jahren bekannt sind und versprochen wurde, diese ungleichen Ausgangsbedingungen zu beenden, hat sich kaum etwas getan; dies ist das größte zu beseitigende Manko, das erneuerbare Energien behindert!

    3.12.

    Kurioserweise werden hingegen neuerdings vermeintliche Marktverzerrungen kritisiert, die durch die Förderung erneuerbarer Energieträger entstehen würden. Dies ist nicht sachgerecht. Denn die heute noch notwendige Förderung der erneuerbaren Energieträger ist zu einem Großteil die Konsequenz der Subventionierung der konventionellen Energieerzeugung. Mit anderen Worten: Würde man die Subventionierung der Energieerzeugung in Kraftwerken auf fossiler Brennstoffbasis beenden, gäbe es also eine wirklich gleiche Ausgangslage, wäre ein Gutteil der Förderung der erneuerbaren Energien entbehrlich. Der EWSA wiederholt seine Position, u. a. mit marktwirtschaftlichen Instrumenten ein „Level-Playing-Field“ zu schaffen, das Marktverzerrungen abbaut und erneuerbare Energien nicht weiter benachteiligt (siehe EWSA-Stellungnahme „Änderung der Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie“).

    c)    Der jetzige Strommarkt passt nicht zu erneuerbaren Energien

    3.13.

    Die alte Energiewirtschaft ist geprägt von relativ wenigen Erzeugungseinheiten mit jeweils hohen Kapazitäten. Ein von erneuerbaren Energien geprägtes Energiesystem hingegen ist eher durch kleinere, dezentralere Erzeugungskapazitäten gekennzeichnet.

    3.14.

    Zu denkbar neuen Konzepten für die Organisation des Stromhandels in dezentralen Systemen, u. a. zu dem „zellulären Ansatz“, hat sich der EWSA bereits geäußert (2). Sie setzen darauf, dass auch kleine Marktteilnehmer direkt miteinander kommunizieren und Energie handeln können. Es muss also nicht nur um verbesserte Erzeugungsmöglichkeiten gehen, sondern auch um Teilhabe am Handel.

    3.15.

    Solche „Peer-to-Peer“-Transaktionen würden eine breite gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, die sich nicht nur auf die Erzeugung und Eigenverbrauch beschränkt, sondern auch auf das aktive Management auch von kleineren und regionalen Energieeinheiten erstreckt, womit gänzlich neue Wertschöpfungsmöglichkeiten erschlossen werden. Dazu gehört auch die Sektorkopplung, denn in vielen Fällen sind Wärme und die für die Mobilität erforderliche Energie lokale Güter, die in kleinen Einheiten erzeugt und verbraucht werden.

    3.16.

    Der EWSA betont, dass aufgrund administrativer Hindernisse und insgesamt einer unzureichenden Regulierung in vielen Mitgliedstaaten der „Peer-to-Peer“-Handel derzeit nicht möglich ist. Dies müsste mit diesem Richtlinienvorschlag und dem Vorschlag für das Strommarktdesign geändert werden, doch sieht der EWSA große Schwächen in beiden Vorschlägen.

    3.17.

    Eine unionsweite Öffnung der Strommärkte für „Peer-to-Peer“-Transaktionen würde immense gesellschaftliche und energiewirtschaftliche Potenziale von erneuerbaren Energien erschließen helfen. Indem die Europäische Kommission diesen Punkt unbeachtet lässt und damit auch ganz praktische Hindernisse wie etwa die Grenzwerte für den Energiehandel nicht berücksichtigt, vergibt sie große Chance, die Stellung der europäischen Bürger, großer und kleiner Prosumenten und der KMU im Strommarkt erheblich zu verbessern, größeren Betrieben den Export von „Energielösungen“ auf außereuropäische Märkte zu ermöglichen und generell die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende deutlich zu steigern.

    4.   Besondere Anmerkungen zum Text der Richtlinie

    a)    Keine national verbindlichen Ziele

    4.1.

    Der EWSA erneuert seine Kritik (3), dass die neue Richtlinie, anders als die Richtlinie von 2009, keine national verbindlichen Ziele mehr vorsieht. Er hat nach wie vor Zweifel, dass mit der geplanten Governance besonders jene Mitgliedstaaten, die sich gegen national verbindliche Ziele zur Wehr setzen, „motiviert“ werden können, aktiver zu werden. Ein konkretes Instrument, das bei Nichterreichung des 27 %-Zieles greift, ist nicht vorhanden (siehe EWSA-Stellungnahme „Governance-System der Energieunion“). Gleichzeitig anerkennt der EWSA die in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags definierte „gemeinsame Verantwortung“, da im Einklang mit dem Governance-Verordnungsvorschlag finanzielle Sanktionen vorgesehen sind, wenn diese Ziele nicht gemeinsam über die nationalen Energie- und Klimaplänen erfüllt werden. Wie diese vollzogen werden, sollen bleibt indes unklar.

    b)    Keine Strategie für die regionale Entwicklung

    4.2.

    Die Kommission verkennt nach Auffassung der EWSA die Bedeutung einer aktiven Teilhabe von lokalen und regionalen Stakeholdern, sowohl hinsichtlich der Akzeptanz der eingeleiteten Politik als auch für die regionalwirtschaftlichen Konsequenzen. Allein die absehbare Entwicklung bei der E-Mobilität eröffnet neue enorme regionalwirtschaftliche Möglichkeiten, wenn man konsequent den notwendigen Ausbau der Erzeugungs- und Verteilungsinfrastruktur auf dezentralen Betreibermodellen ausrichten würde (4).

    4.3.

    Das würde auch dem Ziel dienen, erneuerbare Energien zu möglichst niedrigen Kosten für die Steuerzahler und die Verbraucher zum Einsatz kommen zu lassen. Dabei kann es aber nicht allein um die puren Strompreise gehen, sondern um eine umfassende volks- und auch regionalwirtschaftliche Betrachtung. So ist z. B. der Aspekt neuer regionaler Arbeitsplätze (siehe Erwägungsgrund 49) mit zu berücksichtigen. Der EWSA hebt hervor, dass etliche Mitgliedstaaten bis heute dazu tendieren, a) dezentrale erzeugte und verbrauchte Energie unnötiger- und ungerechtfertigterweise zu belasten und b) die regionalen Aspekte völlig unberücksichtigt zu lassen.

    4.4.

    Zum anderen berücksichtigen die Mitgliedstaaten in ihrer Regulierung in aller Regel nicht die Netz- und Systemkosten. Der EWSA ist überzeugt, dass dezentrale Lösungen letztlich zu geringeren Netz- und Systemkosten führen und unterstützt in dieser Hinsicht die Auffassung der Kommission, die sie in Erwägungsgrund 52 äußert.

    4.5.

    Dieser Erwägungsgrund wurde aus der Richtlinie 2009/28/EG übernommen, ohne dass in den letzten Jahren in den Mitgliedstaaten daraus entsprechende regionalspezifische Strategien entwickelt worden wären. Der EWSA hat festgestellt (Die Energie von morgen erfinden — Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Erzeugung erneuerbarer Energie — Untersuchung des EWSA zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Richtlinie über erneuerbare Energien), dass in der Regulatorik und den Förderprogrammen vieler Mitgliedstaaten regionale und lokale Aspekte keine Anwendung finden und dass etliche nationale Regierungen und Verwaltungen dies sogar europarechtlich begründen. Auch hier ist also eine weitergehende Konkretisierung zu fordern. Mit dem Vorschlag werden zwar die formellen Voraussetzungen für die Dezentralisierung und regionale Entwicklung geschaffen, er enthält jedoch keine Verpflichtung zur Durchführung einer einschlägigen kohärenten Strategie. Nach Ansicht des EWSA kommt die Aufzählung von Grundsätzen ohne ausreichende rechtliche Grundlage nicht einer effizienten Rechtsetzung gleich.

    4.6.

    Zur weiteren Präzisierung von Erwägungsgrund 49 sollte die Europäische Kommission im Rechtstext konkretisieren, was mit der Aussage Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten demnach nationale und regionale Entwicklungsmaßnahmen in diesen Bereichen fördern, […] und auf den Einsatz von Strukturfondsmitteln in diesem Bereich drängen. gemeint ist. Der genaue Inhalt von Erwägungsgrund 50 bleibt ähnlich vage, in dem es heißt: […] ist es erforderlich, die positiven Auswirkungen auf regionale und lokale Entwicklungsmöglichkeiten, Exportchancen, sozialen Zusammenhalt und Beschäftigungsmöglichkeiten, besonders für KMU und unabhängige Energieproduzenten, zu berücksichtigen. In Bezug auf Erwägungsgrund 52 […] die Entwicklung dezentraler erneuerbarer Energietechnologien zu nichtdiskriminierenden Bedingungen und ohne Behinderung der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen zu ermöglichen begrüßt der EWSA die Förderung dezentralisierter Konzepte, allerdings besteht auch hier erheblicher Klärungs- und Konkretisierungsbedarf.

    c)    Klarere Vorschriften für Prosumenten und Verbraucherrechte tun Not

    4.7.

    Positiv ist, dass „Fernwärme“, „Eigenverbraucher erneuerbarer Energien“, „Eigenverbrauch erneuerbarer Energien“, „KMU“ wie auch „Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften“ (Artikel 21) zumindest teilweise definiert und somit als für die Energiepolitik und -regulierung relevante Rechtsbegriffe anerkannt werden. In der Vergangenheit haben unklare Begrifflichkeiten erhebliche Investitionsunsicherheiten erbracht. Es gibt aber zwei Probleme. Zum einen fehlt immer noch eine klare Definition von Prosum, und die vorgeschlagenen Definitionen sind im Winterpaket nicht immer konsistent angewendet. Zum anderen ist die in der Richtlinie erfasste Rechtsmaterie nicht geeignet, diese Ansätze wirklich zur Geltung zu bringen. Die Wirkung dieser Bestimmungen hängt von einer wirksamen Umsetzung ab. Der EWSA bedauert, dass die Europäische Kommission keine klaren Orientierungshilfen für diese Umsetzung gibt.

    4.8.

    Eigenverbraucher erneuerbarer Energie:

    Der EWSA begrüßt die Bestimmungen für Eigenverbraucher in Artikel 21 Absatz 1 bis 3. Diese Bestimmungen könnten jedoch wirkungslos bleiben, wenn in dem Artikel nicht umfassend erklärt wird, was unter der Aussage, dass Eigenverbraucher „berechtigt sind, ihre Produktion von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen selbst zu verbrauchen und Überschüsse auch mittels Strombezugsverträgen zu verkaufen, ohne unverhältnismäßigen Verfahren und Gebühren unterworfen zu sein, die nicht kostenorientiert sind“, zu verstehen ist. Der Verweis auf ihre Rechte als Verbraucher sollte durch einen Verweis auf Kapitel III des Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt ergänzt werden, in dem festzuhalten wäre, über welche spezifischen Rechte Energieverbraucher tatsächlich konkret verfügen, die ihren eigenen Strom verbrauchen, und wie sie diese Rechte, u. a. das Recht auf die Durchführung von Peer-to-Peer-Transaktionen, nutzen können.

    Die Kommission sollte z. B. auch klarstellen, dass Eigenverbrauch von Strom ohne Nutzung der Infrastruktur, ähnlich wie der Eigenverbrauch von Wärme, von Steuern und Abgaben befreit sein sollte.

    Die Bestimmung, wonach Eigenverbraucher unter bestimmten Umständen nicht als klassische Energielieferanten zu behandeln sind, gehen in die richtige Richtung, müssen aber präzisiert werden. Denn „Eigenverbrauch“ und „Belieferung“ sind zunächst unterschiedliche Dinge. Die im Richtlinienvorschlag genannten Grenzen sind zu niedrig. Ausgehend von echten Geschäftsmodellen — in Verbindung mit den Bestimmungen für kleine Projekte aus den Randnummern 125 und 127 der derzeitigen Beihilferegeln — wären 20 MWh (6 000 MWh für Windenergie) für Haushalte und 1 000 MWh (36 000 MWh für Windenergie) für juristische Personen angemessene Grenzwerte.

    Die Regelung, wonach Eigenverbraucher für den eingespeisten Strom eine Vergütung auf Marktwertniveau erhalten sollen, bedarf einer Definition des Begriffs „Marktwert“. Eine Bestimmung nach dem Preisniveau am Großhandelsmarkt ist solange nicht sachgerecht, wie der Markt durch die Subventionierung der Energieerzeugung mit fossilen Rohstoffen verzerrt ist. Außerdem sollte die Vergütung auch den Zustand des Gesamtsystems (u. a. hinsichtlich der Auslastung des Netzes) berücksichtigen, sodass Eigenverbraucher einen Anreiz erhalten, „systemdienlich“ Energie zu speichern oder Last zu verschieben.

    Der EWSA begrüßt die in Absatz 2 vorgeschlagene Regelung zur Objektversorgung, weil sie eine seit Jahren bestehende tiefgreifende Ungerechtigkeit beseitigen würde.

    4.9.

    In Bezug auf administrativen Vorgaben und Genehmigungen hält der EWSA fest, dass die in Artikel 15 und 16 enthaltenen Überlegungen im Kern richtig sind. Es gibt allerdings mehrere Probleme im vorgeschlagenen Text. So ist zum einen der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe d) verwendete Begriff „dezentrale Anlagen“ zu unspezifisch. Er muss definiert werden. Zum anderen wird die angestrebte Gleichberechtigung von Bürgerenergie mit großen Marktteilnehmern in den Mitgliedstaaten regelmäßig verfehlt; ursächlich sind häufig die Auslegungen der Vorschriften über staatliche Beihilfen. So lange die für kleine Projekte, Eigenverbrauch und Prosum relevanten Regeln nicht klarer gefasst sind, wird es also keine Gleichberechtigung geben. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für die Europäische Kommission gegeben. Zum Dritten beziehen sich die Vorschläge aus Artikel 15 und 16 nur auf die Erzeugung. Um einen vollen Zugang zum Energiemarkt zu erhalten und vor allem „Peer-to-Peer“-Transaktionen durchführen zu dürfen, brauchen Marktakteure wie Bürgerenergiegesellschaften auch dann vereinfachte Verfahren, wenn es um die Speicherung von Strom, den Handel und den Eigenverbrauch geht.

    4.10.

    In Bezug auf den „Herkunftsnachweis“ in Artikel 19 trägt der Vorschlag dem aktuellen Marktversagen nicht ausreichend Rechnung. Mit dem Vorschlag wird zwar beabsichtigt, die Entwicklung von EE-Kapazitäten durch die Wahlmöglichkeit für die Verbraucher zu fördern, doch sind gemäß geltendem EU-Recht irreführende Angebote unter dem Deckmantel „grüner Strom“ nicht verboten. Lieferanten können Herkunftsnachweise nutzen, um sich einen „grünen“ Anschein zu geben, während sie weiterhin Energie aus nicht erneuerbaren Energieträgern erzeugen, kaufen und verkaufen. In künftigen EU-Rechtsvorschriften sollten die nationalen Regulierungsbehörden zur Aufstellung verbindlicher Anforderungen für alle Marktteilnehmer verpflichtet werden, die Tarife für „grünen Strom“ anbieten. Die Anbieter sollten den ökologischen Zusatznutzen derartiger Tarife nachweisen. Der Kommissionsvorschlag könnte jedoch für noch mehr Verwirrung unter den Verbrauchern sorgen, und es könnte eine Flut von Herkunftsnachweisen geben. Außerdem sollten Prosumergemeinschaften, die ihren Strom direkt vermarkten, von der Pflicht, die Herkunft ihres Stroms auszuweisen, entbunden werden, da die Herkunft ja durch den Prosum bzw. die Eigenschaft als Bürgerenergie klar erkennbar ist.

    d)    Ehrgeizigere Ziele und mehr Flexibilität für biogene Brennstoffe und alternative Kraftstoffe

    Biokraftstoffe

    4.11.

    Der EWSA erachtet den in der Richtlinie verfolgten Ansatz in punkto Biokraftstoffe für zu unflexibel. Das Ziel, die Lebensmittelerzeugung nicht zu beeinträchtigen, ist wichtig, aber genauso wichtig ist die optimale Nutzung der verfügbaren Ressourcen. Daher bekräftigt der EWSA seinen Standpunkt, dass die Weiterentwicklung von Biokraftstoffen gefördert werden muss, die nicht aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder durch eine Flächennutzung gewonnen werden, die die Lebensmittelproduktion beeinträchtigt, sondern aus anderen Quellen wie z. B. Rest-, Neben- und Abfallprodukten, auch aus der Forstwirtschaft (siehe EWSA-Stellungnahme „Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen“) (5). Der EWSA betont außerdem, dass bei eventuellen Maßnahmen für einen stufenweisen Ausstieg verlorene Vermögenswerte möglichst vermieden werden sollten.

    4.12.

    In seiner Stellungnahme „Indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC)/Biokraftstoffe“ (6) vom 17. April 2013 hat der EWSA gefragt, welchen quantitativen Beitrag die „fortschrittlichen Biokraftstoffe“ leisten können und zu welchen Kosten. Die Fragen sind bisher nicht beantwortet.

    4.13.

    Der EWSA wies ferner darauf hin, dass z. B. durch einen verstärkten Anbau und Nutzung von Ölpflanzen in besonderen nachhaltigen Anbauverfahren (Stichwort: Mischkulturen) durchaus sehr sinnvolle Einsatzfelder, z. B. für den Betrieben von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen, erschlossen werden können. Auch hier ist allerdings bisher eine wirkliche Strategie der Europäischen Kommission nicht erkennbar; der Richtlinienvorschlag löst dieses Problem nicht.

    4.14.

    Nach Ansicht des EWSA ist es wichtig, die Verringerung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen und Biomasse-Brennstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen dann flexibel handhaben zu können, sofern sie die in Artikel 27 des Vorschlags enthaltenen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

    4.15.

    Der EWSA begrüßt ausdrücklich die in Artikel 26 Absatz 5 enthaltenen Anforderungen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Er empfiehlt, die Begriffsbestimmung für „Genehmigung für die Holzernte“ in Artikel 2 Buchstabe jj) dahingehend zu ändern, dass sie alle Arten rechtlich gültiger Genehmigungen zur Ernte der forstwirtschaftlichen Biomasse umfasst.

    Elektromobilität

    4.16.

    Die in der Richtlinie genannten Quoten für alternative Antriebsstoffe berücksichtigen das große Wachstumspotenzial von Elektromobilität nicht in angemessener Weise. Mit einem stark ansteigenden Anteil von erneuerbaren Energien bei der Stromproduktion wird Elektromobilität auch als Flexibilitätsoption gebraucht, und sie kann, strategisch richtig eingefädelt, einen große Rolle bei der Entwicklung von Prosumstrukturen spielen.

    4.17.

    Neben der Quote für alternative Kraftstoffe, auch aus industrie- und regionalpolitischen Gründen und um die Energieabhängigkeit von Europe zu beenden, könnte ein Ziel für einen Anteil von Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 bei 10 bis 20 % liegen. Es ist ferner wichtig, die Nachhaltigkeitskriterien aus Artikel 27 in Bezug auf den EE-Höchstanteil im Energieendverbrauch auch im Verkehrssektor anzuwenden, um die Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehr nicht exzessiv einzuschränken.

    e)    Neue Impulse für erneuerbare Energien im Wärmesektor und für Fernwärme

    Gas und Wärme

    4.18.

    Die in Artikel 23 vorgeschlagene Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Wärme- und Kälteerzeugung jedes Mitgliedstaats um mindestens einen Prozentpunkt reicht nicht aus. Zur Erreichung der Klimaziele wären deutlich höhere Zielvorgaben anzusetzen.

    4.19.

    Die in Artikel 20 Absatz 1 vorgeschriebene Prüfung einer Ausweitung der Gasnetzinfrastruktur, um die Einspeisung von Gas aus erneuerbaren Quellen zu erleichtern, ist sinnvoll; allerdings muss beachtet werden, dass Gas ebenfalls ein endlicher fossiler Energieträger ist. Hier wird auf die Stellungnahme „Sichere Gasversorgung“ (7) verwiesen. Bei der Festlegung der Prüfkriterien ist darauf zu achten, dass dem Aspekt der Sektorkopplung Rechnung getragen wird.

    4.20.

    Der EWSA begrüßt die in Artikel 20 Absatz 3 und Artikel 24 vorgelegten Stärkung von Fernwärmekonzepten, da diese wichtige Ansätze sind, um die Sektorkopplung voranzubringen, die Energiearmut zu bekämpfen und die regionale Wirtschaft zu stärken. Gleichzeitig stellt er fest, dass sektorkoppelnde Quartiers- bzw. Regionallösungen häufig an den nationalen Regulatoriken scheitern.

    Brüssel, den 26. April 2017

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Georges DASSIS


    (1)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 151.

    (2)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13 und ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 78.

    (3)  ABl. C 291 vom 4.9.2015, S. 8.

    (4)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 78.

    (5)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 56.

    (6)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 56.

    (7)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 70.


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