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Document 52015IE1608

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überarbeitung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Mexiko“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 13 vom 15.1.2016, p. 121–127 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.1.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 13/121


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überarbeitung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Mexiko“

(Initiativstellungnahme)

(2016/C 013/19)

Berichterstatter:

José Isaías RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO

Mitberichterstatter:

Juan MORENO PRECIADO

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf der Plenartagung am 10. Juli 2014 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Überarbeitung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Mexiko“

(Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2015 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 510. Plenartagung am 16./17. September 2015 (Sitzung vom 17. September 2015) mit 92 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass die Belebung der Beziehungen zu Mexiko aus Sicht der Beziehungen der Europäischen Union zu Lateinamerika und der Karibik insgesamt erfolgen sollte und dass neben den rein wirtschaftlichen und handelspolitischen Aspekten anderen historischen und kulturellen Gemeinsamkeiten mehr Bedeutung zugemessen werden muss, die als Gegengewicht zum wachsenden Einfluss der panamerikanischen Dimension und des pazifischen Raums auf diesen Kontinent dienen könnten. Im Zusammenhang mit der Globalisierung besitzen Mexiko und die EU kulturelle Verbindungen, Verkehrssprachen und ganz grundsätzlich Werte, die für ein besonderes Band zwischen ihren Gesellschaften sorgen, die es weiterzuentwickeln und zu vertiefen gilt und die ohne Frage auch dazu führen sollten, dass in internationalen Foren die gleichen Ansätze verfolgt werden.

1.2.

Der EWSA hält es für effizienter, das Abkommen auf der Grundlage des bestehenden Abkommens und der Erfahrungen, die in den fünfzehn Jahren seit seinem Inkrafttreten gesammelt wurden, gründlich zu überarbeiten und ihm inhaltlich eine größere Reichweite zu verleihen, anstatt von Grund auf ein völlig neues Abkommen auszuhandeln.

1.3.

Der EWSA hält es für erforderlich, umgehend einen Gemischten Beratenden Ausschuss (GBA) aus neun oder zwölf Vertretern des EWSA sowie der gleichen Anzahl an Vertretern der mexikanischen organisierten Zivilgesellschaft einzurichten. Der GBA muss von den Leitungsgremien des Abkommens anerkannt werden, denen die Vorschläge der Zivilgesellschaft zu übermitteln sind. Der GBA soll beratende Befugnisse hinsichtlich des allgemeinen Inhalts des Abkommens haben, unbeschadet der Einrichtung anderer Mitwirkungsmechanismen bei den spezifischen Themen Handel und nachhaltige Entwicklung. Ferner wird gefordert, dass das künftige Abkommen ebenfalls einen solchen Ausschuss einschließt.

1.4.

Das neue Abkommen sollte eine Bestimmung enthalten, die die Parteien zur Ratifizierung und Einhaltung der Übereinkommen und Resolutionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Bezug auf die Grundsätze und sozialen Grundrechte, die die Ziele der ILO in Bezug auf „menschenwürdige Arbeit“ umfassen, und insbesondere des Übereinkommens Nr. 98 der ILO über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen verpflichtet.

1.5.

Ferner besteht im Bereich Handel und Investitionen bei bestimmten, mit nichttarifären Handelshemmnissen, den Abkommen zur Förderung und zum gegenseitigen Schutz von Investitionen, dem geistigen Eigentum und einer verstärkten Zusammenarbeit im Steuerbereich zur Beseitigung von Steuerbetrug und -hinterziehung in Zusammenhang stehenden Aspekten des derzeitigen Abkommens Verbesserungsbedarf.

1.6.

Im Bereich der Zusammenarbeit müssen die Prioritäten neu gesetzt und die Elemente der strategischen Allianz dabei besser genutzt werden, sodass sie ineinandergreifen und positive Synergien erzeugen, was bislang nicht in ausreichendem Maße der Fall war, da die einzelnen Projekte nicht in angemessener Weise miteinander verknüpft wurden.

1.7.

Konkret möchte der EWSA drei Bereiche hervorheben, die er für diese verstärkte Zusammenarbeit für vorrangig hält: verbesserte Regierungsführung, wissenschaftliche und technische Forschung sowie Zusammenarbeit im Bereich nachhaltige Entwicklung, Klimawandel und Umweltschutz.

2.

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Mexiko im Gesamtkontext der Beziehungen zu Lateinamerika

2.1.

Die Verbindungen zwischen Europa und Lateinamerika und der Karibik sind schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr so stark, wie sie einmal waren. Aufgabe der derzeitigen Staats- und Regierungschefs auf beiden Seiten des Atlantiks ist es nun, diese Verbindungen wieder zu beleben und ihnen neue Dynamik zu verleihen.

2.2.

Natürlich wird Lateinamerika von der Entwicklung des amerikanischen Kontinents insgesamt sowie von der wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen Lateinamerika und den Ländern des pazifischen Raums, und hier insbesondere China, beeinflusst. Dennoch bleiben Europa und Lateinamerika aufgrund der kulturellen Verbindungen, der Verkehrssprachen und der Werte, die für ein starkes Band zwischen ihren Gesellschaften sorgen und dazu führen, dass beide Regionen im komplexen Kontext der Globalisierung gemeinsame kulturelle und historische Wurzeln teilen, die über bloße Handelsziele und -werte hinausgehen, weiter miteinander verbunden. Aus diesem Grund sollten die wirtschaftlichen Beziehungen — anders als es möglicherweise bei anderen Regionen der Welt der Fall ist — nur als ein Teil der Beziehungen insgesamt, nicht jedoch als ihr zentrales Element und Leitmotiv betrachtet werden.

2.3.

Gleichzeitig ist jedoch erkennbar, dass sich die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Mexiko — obgleich strategische Partner — nach wie vor weniger schnell entwickeln als mit anderen Ländern der Welt und gewisse Ermüdungserscheinungen spürbar sind, die mehr denn je Anstoß dazu geben müssen, neue Diskussionspunkte und Denkansätze einzubringen, um diesen Beziehungen neue Impulse zu geben.

3.   Hintergrund

3.1.

Die Bedeutung Mexikos für die Europäische Union leitet sich unter anderem aus folgenden drei Aspekten ab: erstens aus seiner mit 120 Mio. Einwohner hohen Bevölkerungszahl und seinem Anteil am weltweiten BIP von 2 % und einem BIP pro Kopf von etwa 9 000 Euro, was Mexiko zu einem weltweit sehr wichtigen Handelspartner macht; zweitens aus seiner Zugehörigkeit zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) und damit seiner wirtschaftlichen und diplomatischen Bedeutung in Bezug auf die globalen transatlantischen Abkommen mit Nordamerika und den Heiligendamm-Prozess, und drittens aus den weitreichenden kulturellen Verbindungen, die dafür sorgen, dass die Europäische Union die Regierung dieses Landes mit ihrem Beitrag in deren Bemühungen um eine Stärkung der sozialen Strukturen, die Schaffung einer gerechteren Gesellschaft und ein friedlicheres Zusammenleben unterstützen kann.

3.2.

1997 unterzeichneten die Europäische Union und Mexiko ein Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit, das im Jahr 2000 in Kraft trat. Die drei Säulen dieses Abkommen sind: politischer Dialog, Handel und Zusammenarbeit.

3.3.

Im Oktober 2008 stimmte der Europäische Rat einer strategischen Partnerschaft zwischen Mexiko und der EU zu, woraufhin im Mai 2010 der Gemeinsame Durchführungsplan zu dieser Partnerschaft gebilligt wurde, der vierzehn konkrete Maßnahmen und Initiativen im multilateralen Bereich, vier im regionalen Bereich und weitere vierzehn im Bereich der bilateralen Beziehungen enthält. Zur Verwirklichung dieser Partnerschaft wurden zahlreiche Mechanismen für den institutionalisierten Dialog zwischen Mexiko und der EU geschaffen, darunter ein alle zwei Jahre stattfindendes Gipfeltreffen (das auch das Forum zum Dialog mit der Zivilgesellschaft umfasst), ein jährlich tagender Gemeinsamer Ausschuss, der Gemischte Parlamentarische Ausschuss und bis zu neun sektorspezifische Dialoge zu Themen, die von Menschenrechten über Klimawandel bis hin zu kulturellen Aspekten reichen.

3.4.

Die Zusammenarbeit zwischen Mexiko und der Europäischen Union erfolgt nach vier sich ergänzenden Modalitäten: erstens die bilaterale Zusammenarbeit, deren Programmplanung für den Zeitraum 2007-2013 als vorrangige Themen den sozialen Zusammenhalt, die nachhaltige Wirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit sowie Bildung und Kultur vorsah; zweitens die Zusammenarbeit bei sektorspezifischen Themen wie Menschenrechten und Demokratie, nichtstaatlichen Akteuren, Umwelt und nuklearer Sicherheit, Gesundheit, Migration und Asyl; drittens die aktive Mitwirkung Mexikos an den regionalen Programmen für Lateinamerika und die Karibik insgesamt; und viertens und letztens die direkte Mitwirkung Mexikos an anderen gemeinschaftlichen Programmen, wie dem Siebten Rahmenprogramm für Forschung.

3.5.

In den letzten Jahren haben sowohl Mexiko als auch die EU mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, die wechselseitigen Beziehungen zu intensivieren und auszuweiten, wobei im Handelsbereich ganz konkret die Notwendigkeit der weiteren Vertiefung des Freihandelsabkommens, das seit 1997 in Kraft ist, sowie der verstärkten Zusammenarbeit sowohl auf multilateraler Ebene als auch im Bereich der Beziehungen der Europäischen Union mit sämtlichen Ländern Lateinamerikas und der Karibik hervorgehoben wurde.

4.   Bewertung der aktuellen Situation

4.1.

Zu Beginn der Amtszeit von Präsident Peña Nieto (im Dezember 2012) unterzeichneten die wichtigsten Parteien einen „Pakt für Mexiko“, und die Regierung stieß anschließend eine Reihe von Reformen zur Modernisierung von Wirtschaft und Staat an, um die mexikanische Wirtschaft anzukurbeln. Dennoch ist die Leistungsfähigkeit der mexikanischen Wirtschaft bedroht, wenn das Land nicht den Kampf gegen die Gewalt und für die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte gewinnt. Bei der Bekämpfung krimineller Netze zur Reduzierung der in den letzten Jahren im Land gewachsenen Gewalt sind noch nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt worden, denn es gibt nach wie vor eine erhebliche Zahl an wahllosen Tötungen, Fällen verschwundener Personen, Entführungen usw. Es ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass auf föderaler Ebene eine Reihe von Maßnahmen ergriffen wurde (nationales Menschenrechtsprogramm; Abstimmung unter den lokalen, staatlichen und föderalen Behörden; Umstrukturierung der staatlichen Polizei und der Strafverfolgungsbehörden), um der mangelnden Abstimmung der verschiedenen Politikbbereiche ein Ende zu setzen und Fälle von Beihilfe oder Beteiligung an Verbrechen durch die Polizei zu vermeiden.

4.2.

Aus rein handelspolitischer Sicht ist das Abkommen von 1997 für beide Seiten als leicht positiv zu bewerten. Der gegenseitige Handel hat sich im Zeitraum 2003-2013 verdreifacht, und Mexiko konnte seinen Anteil an den Ausfuhren der Europäischen Union von 1 % auf 1,7 % steigern, während der Handelsüberschuss der Europäischen Union in diesen Jahren zwischen 7 Mrd. und 10 Mrd. EUR lag und damit in etwa gleich geblieben ist. Damit belegt Mexiko unter den wichtigsten Handelspartnern der EU mit einem Anteil von 1 % an den Gesamteinfuhren der Europäischen Union und, wie bereits angeführt, mit einem Anteil von 1,7 % an unseren Gesamtausfuhren Platz 17 (wobei diese Werte jedoch unter dem Anteil Mexikos am weltweiten BIP in Höhe von 2 % liegen), während die Europäische Union nach den USA und China der drittwichtigste Handelspartner Mexikos ist.

4.3.

Gleichermaßen wurden erhebliche Direktinvestitionen getätigt — und zwar sowohl von der Europäischen Union in Mexiko (11 138 Mio. EUR allein im Zeitraum 2008-2012) als auch von Mexiko in der Europäischen Union (insbesondere in den Bereichen Zement, Telekommunikation und Ernährung). Allgemein bestehen zwischen Mexiko und sämtlichen Ländern der Europäischen Union bilaterale Abkommen über den Investitionsschutz; darüber hinaus gibt es ein bilaterales Abkommen zwischen Mexiko und der Europäischen Investitionsbank zur Finanzierung von Maßnahmen in diesem Land, wodurch seit dem Jahr 2000 Kreditfazilitäten in Höhe von 495 Mio. EUR gewährt werden konnten. Im Bereich der Steuerbetrugsbekämpfung sind allerdings keine angemessenen Fortschritte zu verzeichnen.

4.4.

Diese Investitionszahlen werden jedoch von der traditionellen Politik Mexikos bedingt, den Zugang ausländischer Investoren zu strategischen Bereichen, darunter zum Energiebereich, zu Postdiensten (in der mexikanischen Verfassung verankert), Telekommunikationsdiensten und zur Personenbeförderung im Landverkehr zu beschränken. Viele dieser Beschränkungen werden im Zuge des Entwicklungsplans für Mexiko 2013-2018 aufgehoben, wobei erhebliche Fortschritte erzielt wurden, die hoffentlich auch künftig weiterhin zu verzeichnen sein werden und bei denen der Meinung der gesamten mexikanischen Gesellschaft Rechnung zu tragen ist.

4.5.

Im Bereich der Unterstützung der mexikanischen Zivilgesellschaft und ihrer Stärkung wurde eine Reihe gemeinsamer Projekte entwickelt: die Schaffung eines Zentrums für sozialen Zusammenhalt, zahlreiche über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte finanzierte Projekte in den Bereichen Gleichstellung und Schutz von Minderjährigen sowie fünfzehn Projekte im Zusammenhang mit den oben genannten „nichtstaatlichen Akteuren“. Und schließlich wurden Initiativen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit sowie Migration und Asyl entwickelt.

4.6.

Was die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und den Umweltschutz angeht, wurden im Rahmen des Proyecto en Materia de Competitividad e Innovación (Projekt zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation) Initiativen zur Förderung der mexikanischen KMU sowie sektorspezifische Initiativen im Bereich Landwirtschaft und Klimaschutz sowie nukleare Sicherheit entwickelt. Ferner haben mexikanische Forscher sowie Forschungszentren und Universitäten des Landes Zugang zum Programm „Horizont 2020“ der Europäischen Union.

4.7.

Im Kulturbereich wurden im Rahmen des „Kulturfonds EU-Mexiko“ in den Programmphasen I und II interessante Projekte entwickelt, wobei der CONACULTA auf mexikanischer Seite als wichtigster Partner fungierte.

4.8.

Ein Aspekt, bei dem es gelegentlich Differenzen hinsichtlich der Auslegung gab, war die Anwendung der Grundsätze „Kohärenz und Konditionalität“, die die Europäische Union in ihren auswärtigen Abkommen mit anderen Ländern und Regionen fördert. Konkret wurden die Aspekte im Zusammenhang mit der Konditionalität von einigen mexikanischen Gesprächspartnern insbesondere in Bezug auf die Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte sowie den Umgang mit indigenen Gemeinschaften als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ ausgelegt. Nach Ansicht des EWSA dürfen diese Aspekte bei der künftigen Überarbeitung des Abkommens nicht unberücksichtigt bleiben.

4.9.

In dem von der strategischen Partnerschaft zwischen Mexiko und der EU entwickelten Gemeinsamen Durchführungsplan 2010 wurde die Verpflichtung Mexikos und der EU verankert, mehr Raum für politische Gespräche in der Region zu schaffen und in diesem Sinne den biregionalen Dialog — insbesondere mit der Rio-Gruppe — bei den Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (EU-LAC) zu fördern und die dreiseitige Zusammenarbeit über das Proyecto de Integración y Desarrollo de Mesoamérica (Projekt zur Integration und Entwicklung Mittelamerikas) zu vertiefen. Ferner sollen Mexiko und die EU Möglichkeiten für eine dreiseitige Zusammenarbeit mit weiteren Regionen der Welt, wie zum Beispiel mit Afrika prüfen.

4.10.

Da es sich um ein Land mit ausreichend hohem BIP handelt, besteht die realistische Möglichkeit, dass die Hilfen an Mexiko für die bilaterale Zusammenarbeit, die die Europäische Kommission weniger entwickelten Ländern gewährt, eingestellt werden.

4.11.

Bei der Prüfung der Protokolle der zahlreichen institutionellen Sitzungen sowohl der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments als auch des EWSA selbst mit seinen mexikanischen Kollegen konnte nichts Konkretes festgestellt werden, das den Schluss zuließe, dass mit dieser strategischen Partnerschaft greifbare Ergebnisse erzielt werden, die mit der politischen Bedeutung selbiger im Einklang stehen. In diesen Protokollen kommt — in diplomatischem Ton — immer wieder zum Ausdruck, dass weder wirklich auf die möglicherweise bestehenden kleinen Differenzen eingegangen noch eine genaue Richtung vorgegeben wird, um die strategische Partnerschaft weiter vertiefen zu können.

4.12.

Die Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union werden sich ohne Frage auf die Beziehungen Nordamerikas mit der EU, aber auch auf die Region insgesamt auswirken.

4.13.

Wie der für Handel zuständige Kommissar, Karel de Gucht (1), bereits im Jahr 2012 betonte, waren Mexiko und die EU mit ihrem 1997 geschlossenen Freihandelsabkommen zwar Vorreiter, jedoch wurden die darin vorgesehenen Schemata bei den in der Folge mit vielen anderen Ländern Amerikas und dem Rest der Welt geschlossenen Abkommen verbessert und vertieft, sodass die Gefahr besteht, dass dieses Freihandelsabkommen inzwischen veraltet ist und nicht dazu beiträgt, dass Mexiko auch weiterhin ein vorrangiger politischer, handelspolitischer und strategischer Partner der Europäischen Union ist. Seit dieser Erklärung konnten nur wenige echte Fortschritte bei der Weiterentwicklung der bestehenden Abkommen, auch auf der rein handelspolitischen und wirtschaftlichen Ebene, verzeichnet werden.

5.   Beteiligung der Zivilgesellschaft

5.1.

Der EWSA hält es für notwendig, dass beide Seiten im Rahmen der Verhandlungen zur Aktualisierung des Abkommens der Einrichtung des Gemischten Beratenden Ausschusses innerhalb des Abkommens zustimmen, der zu gleichen Teilen aus Vertretern des EWSA und der mexikanischen Zivilgesellschaft besteht und diesem Prozess Dynamik verleihen soll.

5.2.

Die durch die Demokratieklausel geweckten Erwartungen führten dazu, dass sich zahlreiche mexikanische und europäische Organisationen an der Überwachung der Umsetzung des Globalabkommens beteiligen wollten. Der aus Vertretern der mexikanischen Regierung und der Europäischen Kommission bestehende Gemeinsame Ausschuss beschloss die Einberufung eines Forums für den Dialog zwischen den zuständigen Stellen und der mexikanischen und europäischen Zivilgesellschaft, um diesen Forderungen gerecht zu werden und ein entsprechendes Sprachrohr zu schaffen.

5.3.

Das erste Forum fand im November 2002 in Brüssel unter Beteiligung von über 200 Unternehmensverbänden, Gewerkschaften, NRO und verschiedenen Vereinigungen statt. Auch der EWSA war vertreten. Seitdem fanden abwechselnd in Mexiko und Europa fünf Foren statt. Bei all diesen Foren wurden Forderungen an die Gremien des Globalabkommens gerichtet, die diese zwar zur Kenntnis genommen haben, jedoch ohne ihnen — mit einigen wenigen Ausnahmen — Rechnung zu tragen.

Eine der am häufigsten von diesen Foren formulierten Forderungen ist die Notwendigkeit der Institutionalisierung dieses Dialogs zwischen den zuständigen Stellen und der Zivilgesellschaft beider Seiten; in diesem Sinne wurde unter anderem vorgeschlagen, dieses Forum regelmäßig zweimal jährlich stattfinden zu lassen, eine Soziale Beobachtungsstelle zu schaffen und einen Gemischten Beratenden Ausschuss einzurichten.

5.4.

Das Forum fand mit einer gewissen Regelmäßigkeit, jedoch nicht so regelmäßig wie gefordert statt. Das sechste Forum beispielsweise, das im September 2014 in Mexiko hätte stattfinden sollen, wurde noch nicht abgehalten.

5.5.

Die Soziale Beobachtungsstelle, deren Schaffung die zuständigen Stellen im Prinzip zugestimmt hatten, wurde bislang noch nicht eingerichtet, und auch ihre Ziele und Zusammensetzung wurden noch nicht festgelegt. Verschiedene Organisationen der mexikanischen Zivilgesellschaft sehen in dieser Beobachtungsstelle ein Mittel zur Bewertung des Globalabkommens durch die Bürger und möchten sie auf die mexikanische Seite beschränken, das heißt ohne europäische Beteiligung.

5.6.

In Mexiko existiert kein landesweiter Wirtschafts- und Sozialrat (auch wenn es in einzelnen mexikanischen Bundesstaaten Wirtschafts- und Sozialräte gibt) als natürliches Pendant zum EWSA der EU. Nach entsprechenden Forderungen aus verschiedenen sozialen Sektoren wurde vor einigen Jahren ein Gesetzesvorschlag zur Schaffung eines solchen Rates ausgearbeitet, wobei es jedoch auch blieb. Verschiedene Organisationen und Einrichtungen sowie einige der Bundesstaaten mit einem Wirtschafts- und Sozialrat haben erneut gefordert, diesen Gesetzesvorschlag im Zuge der aktuellen politischen Reformen wieder auf den Tisch zu bringen.

5.7.

Der EWSA hat bereits in früheren Stellungnahmen und im Rahmen seiner Kontakte mit den zuständigen Stellen ähnliche Vorschläge zur stärkeren Einbeziehung der Zivilgesellschaft in das Abkommen unterstützt. In seiner Stellungnahme zum Thema „Die Beziehungen EU-Mexiko“  (2) aus dem Jahr 2006 forderte der EWSA die Institutionalisierung des Dialogs mit der organisierten Zivilgesellschaft und verwies hinsichtlich der Schaffung eines Gemischten Beratenden Ausschusses auf Artikel 49 des Abkommens, der die Möglichkeit der Einsetzung weiterer Ausschüsse oder Gremien vorsieht.

5.8.

Hinsichtlich der möglichen Schaffung eines mexikanischen Wirtschafts- und Sozialausschusses äußerte der EWSA, dass die Schaffung eines vergleichbaren Organs in Mexiko positiv für die gemeinsame Überwachung der Beziehungen EU-Mexiko wäre, dass er die diesbezüglichen Entscheidungen der mexikanischen Zivilgesellschaft und der mexikanischen zuständigen Stellen jedoch respektieren werde.

6.   Perspektiven und mögliche künftige Ausrichtung

6.1.

In der „Brüsseler Erklärung“ des Gipfeltreffens EU-CELAC vom 10./11. Juni 2015 wird auf die bedeutenden Fortschritte hingewiesen, die im Hinblick auf die Modernisierung des Abkommens EU-Mexiko und in diesem Sinne eine frühestmögliche Aufnahme der Verhandlungen erzielt wurden. Der EWSA hofft, das das neue Abkommen auf einer Überarbeitung und Erweiterung des bereits bestehenden Abkommens basieren wird und zu diesem Zweck die Stärken und Schwächen des Weges, den die EU und Mexiko zurückgelegt haben, analysiert werden und auf die Erfahrungen zurückgegriffen wird, die mit den in den letzten Jahren zwischen der Europäischen Union und verschiedenen Ländern der Welt geschlossenen Assoziierungsabkommen gesammelt wurden. Zudem soll er den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika und der Karibik insgesamt neue Dynamik verleihen.

6.2.

Der EWSA ist sich dessen bewusst, dass zwischen der mexikanischen Regierung und den EU-Einrichtungen unterschiedliche Auffassungen darüber herrschen, welche Rolle die Zivilgesellschaft in diesem Prozess spielen sollte. Dennoch möchten wir betonen, dass eine fehlende Kanalisierung der Meinung der Zivilgesellschaft in organisierter Form zur Entstehung alternativer, populistischer Bewegungen führen könnte.

6.3.

Das überarbeitete Abkommen sollte eine Bestimmung enthalten, die die Parteien zur Ratifizierung und Einhaltung der Übereinkommen und Resolutionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die sozialen Grundrechte, die die Ziele der ILO in Bezug auf „menschenwürdige Arbeit“ umfassen, verpflichtet.

6.4.

Mexiko hat das Übereinkommen Nr. 98 (3) der ILO über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen noch nicht ratifiziert. Die Ratifizierung dieses wichtigen Übereinkommens und die erforderliche Anpassung der Rechtsvorschriften in diesem Bereich würde der weitverbreiteten Praxis der sogenannten „Schutzverträge“ entgegenwirken, die den Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aushebeln, und würde alle Unternehmen — mexikanische und ausländische Unternehmen gleichermaßen — zur Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen verpflichten.

6.5.

Neben diesen arbeitsrechtlichen Aspekten müssen im Bereich Handel und Investitionen die mit nichttarifären Handelshemmnissen, dem Investitionsschutzsystem und dem Schutz geistigen Eigentums im Zusammenhang stehenden Aspekte betrachtet werden; darüber hinaus muss über eine engere Zusammenarbeit im Steuerbereich zur Bekämpfung von Steuerbetrug und -hinterziehung nachgedacht werden.

6.5.1.

Zweckmäßig wäre — unter Beachtung der Vereinbarkeit mit den geltenden Bestimmungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten — ein umfassendes Investitionsabkommen mit der EU, das die bilateralen Abkommen, die Mexiko zuvor mit zahlreichen EU-Ländern geschlossen hat, ersetzt und stärkt.

6.5.2.

Mexiko hat große gesetzgeberische Anstrengungen zur Verbesserung des Schutzes von geistigem Eigentum unternommen; die Umsetzung dieser Gesetze ist jedoch nicht wirksam erfolgt und es müssen Konzepte zur Stärkung von deren effektiver Anwendung — insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Nachahmung von Markenzeichen — entwickelt werden.

6.5.3.

Im Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse gestattet Mexiko bei ausländischen Inhabern nicht die Eintragung ihrer auf EU-Ebene anerkannten geografischen Angaben, wie es hingegen beispielsweise beim Abkommen der EU mit Kolumbien und Peru der Fall ist. Dies stellt für die Intensivierung des Handels mit zahlreichen Gemeinschaftserzeugnissen ein großes Hemmnis dar.

6.6.

Ferner wurde von mexikanischer Seite auf die Notwendigkeit hingewiesen, nach Lösungen zu suchen, die einen leichteren Zugang der Agrarerzeugnisse aus diesem Land zu den Gemeinschaftsmärkten ermöglichen, was dazu beitragen würde, das bereits existierende Handelsbilanzdefizit zu verringern.

6.7.

Der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft Mexikos und der Europäischen Union muss im Sinne einer zufriedenstellenden Weiterentwicklung der in den Abkommen zwischen Mexiko und der EU enthaltenen Elemente der Zusammenarbeit besondere Bedeutung zukommen. In diesem Bereich müssen die Prioritäten im Rahmen der verfügbaren Finanzmittel neu gesetzt werden, sodass diese ineinandergreifen und positive Synergien erzeugen, was bislang nicht in ausreichendem Maße der Fall war, da die einzelnen Projekte nicht in angemessener Weise miteinander verknüpft wurden.

6.8.

Konkret möchte der EWSA drei Bereiche hervorheben, die er für diese Beteiligung für vorrangig hält: verbesserte Regierungsführung, wissenschaftliche und technische Forschung sowie Zusammenarbeit im Bereich nachhaltige Entwicklung und Umwelt.

6.8.1.

Die Frage der Regierungsführung muss zweifellos das zentrale Element der Politik der Zusammenarbeit sein. Mexiko muss die zahlreichen, in diesem Bereich existierenden „bewährten Verfahren“ schrittweise und angepasst an die Realitäten im Land umsetzen, um für ein systematisches Handeln der Zivilgesellschaft zu sorgen, damit diese sich festigen und wirksam organisieren kann, um die traditionellen politischen Kräfte in Mexiko zu ergänzen und zur besseren Einhaltung der Menschenrechte in diesem Land beizutragen.

6.8.2.

Im Bereich der wissenschaftlichen und technischen Forschung muss die Beteiligung mexikanischer Universitäten und Forscher an den FuE-Programmen der Europäischen Union wie Horizont 2020 gefördert werden, wobei der Schwerpunkt auf vorrangige Bereiche der strategischen Partnerschaft, wie beispielsweise die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an seine Auswirkungen, gelegt werden sollte, um in diesen Bereichen gemeinsame Positionen zu finden. In dieser Hinsicht könnte darüber nachgedacht werden, den Fondo de Cooperación Internacional en Ciencia y Tecnología Unión Europea-México (Fonds für die internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik EU-Mexiko), der 2011 auslief, neu aufzulegen.

6.8.3.

Im Bereich nachhaltige Entwicklung und Umwelt könnten neben konkreten Projekten im Zusammenhang mit der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels weitere konkrete Projekte in Bereichen wie der Verringerung der Luftschadstoffemissionen, der Minimierung von Einleitungen in Gewässer und der Verschmutzung des Grundwassers sowie der Entsorgung und dem Recycling von Abfällen aller Art auf den Weg gebracht werden.

6.8.4.

Der EWSA ist der Ansicht, dass es sowohl auf Ebene der mexikanischen Führung als auch auf Ebene der Europäischen Union, der parlamentarischen Instanzen und der Vertreter der Zivilgesellschaft ausreichend Elemente gibt, um viele dieser Initiativen ins Leben zu rufen, ohne darauf zu warten, dass der Abschluss eines neuen Abkommens Früchte trägt. Die Schlussfolgerungen des Gipfels zwischen der Europäischen Union und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik sowie zwischen der Europäischen Union und Mexiko vom Juni 2015 und diejenigen der 19. Tagung des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EU-Mexiko (7.—9. Juli 2015) bieten die Gelegenheit, diese Initiativen auf regionaler Ebene voranzubringen, mit Mexiko als einer zentralen Achse.

Brüssel, den 17. September 2015.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Karel de Gucht, für Handel zuständiges Kommissionsmitglied, „Open for business: The European Union’s relations with México in a changing world“, Rede vor EU Chambers/ProMEXICO, Mexiko-Stadt am 12. Dezember 2012.

(2)  ABl. C 88 vom 11. April 2006, S. 85.

(3)  Im April 2015 unterzeichnete Mexiko das Übereinkommen Nr. 138 der ILO über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung.


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