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Document 52013AE4374

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015“ (Sondierungsstellungnahme)

    ABl. C 67 vom 6.3.2014, p. 1–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    6.3.2014   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 67/1


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015“ (Sondierungsstellungnahme)

    2014/C 67/01

    Berichterstatter: Ivan VOLEŠ

    Mit Schreiben von Kommissionsmitglied ŠEFČOVIČ vom 19. April 2013 ersuchte die Europäische Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema

    Einbeziehung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. September 2013 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 493. Plenartagung am 16./17. Oktober 2013 (Sitzung vom 16. Oktober) mit 100 gegen 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Stärkung der Stellung der Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit

    1.1.1

    Die Privatwirtschaft kann eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Armut in der Welt spielen, denn sie schafft Arbeitsplätze, liefert Waren und Dienstleistungen, generiert Einkünfte und Gewinne und trägt durch ihre Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei, sofern die international anerkannten Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit respektiert werden und die geschaffenen Arbeitsplätze im Einklang mit der ILO-Agenda für menschenwürdige Arbeit zu akzeptablen Beschäftigungsverhältnissen führen.

    1.1.2

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) fordert, die Privatwirtschaft in sehr viel stärkerem Maße in die Entwicklungsagenda und in die neue globale Partnerschaft für die Zeit nach 2015 einzubinden. Durch ihre Mitwirkung bei der Festlegung der Ziele für die Beseitigung der Armut und die Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung sowie eines gerechten, integrativen Wachstums sowohl in Bezug auf die Quantität als auch die Qualität wird erreicht, dass die Privatwirtschaft ihrem Anteil an der Verantwortung für die Erreichung dieser Ziele gerecht wird.

    1.1.3

    Die Organisationen der Zivilgesellschaft verweisen nicht nur auf die Vorteile sondern auch auf die Risiken durch das Tätigwerden der Privatwirtschaft. Daher sollte die Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern auf den Prinzipien der Transparenz, der offenen Vergabe öffentlicher Aufträge, der Effizienz, des Nachweises der investierten eingesetzten Mittel sowie der Verantwortlichkeit der öffentlichen Akteure für die Umsetzung der angenommenen Entwicklungsstrategie gegenüber allen interessierten Kreisen beruhen. Der Anstieg des Anteils der insgesamt für die Entwicklung der Privatwirtschaft bestimmten öffentlichen Entwicklungshilfe sollte dabei nicht zu einer Verringerung derjenigen Finanzmittel führen, die im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe in die ärmsten Entwicklungsländer fließen.

    1.2   Ausrichtung der Privatwirtschaft auf die Verwirklichung der Entwicklungsziele

    1.2.1

    Für die Zwecke dieser Stellungnahme schließt die Privatwirtschaft auch den sozialen Sektor ein; sie besteht aus Selbstständigen, Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Betrieben, großen internationalen Firmen, Genossenschaften und sonstigen Unternehmen der Sozialwirtschaft und umfasst die Arbeitnehmer der Privatbetriebe und deren Gewerkschaften sowie die nichtstaatlichen Organisationen, die an privaten Vorhaben arbeiten. Bei der Unterstützung der Privatwirtschaft und der Zusammenarbeit mit ihr sollte den Unterschieden der einzelnen Partner Rechnung getragen werden. In den Entwicklungsländern gibt es auch einen großen informellen Privatsektor, und die Entwicklungszusammenarbeit sollte dazu beitragen, die informelle Beschäftigung und die Faktoren, die sie begünstigen, zu bekämpfen.

    1.2.2

    Die Zivilgesellschaft sollte aktiv in die Festlegung der Aufgaben der Privatwirtschaft und der Indikatoren für deren Beitrag zur grenzüberschreitenden Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden; einen Beitrag dazu könnte die Einrichtung einer breiten Plattform unter Einbeziehung aller interessierten Kreise auf europäischer Ebene leisten.

    1.2.3

    Die öffentliche Entwicklungshilfe sollte eingesetzt werden, um einen Multiplikatoreffekt zu erzielen und so privates Kapital für Investitionen in den Entwicklungsländern durch den Einsatz innovativer Finanzinstrumente zu mobilisieren. Die auf diese Weise gewährte Hilfe muss auf klar definierte Ziele ausgerichtet sein, beispielsweise auf die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen, die Steigerung der Produktionsqualität, die Übertragung von Managementwissen für den Privatsektor usw.

    1.2.4

    Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor können zu einem wichtigen Instrument für die Realisierung der Entwicklungsstrategien werden, sofern auf die richtige Dosierung und Kommunikation zwischen den interessierten Kreisen geachtet wird.

    1.3   Das Entstehen eines günstigen unternehmerischen Umfelds fördern

    1.3.1

    Die Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Entwicklungsbereich ein geeignetes unternehmerisches Umfeld einschließlich der Wahrung allgemein anerkannter demokratischer Grundsätze, das die Gründung und das Wachstum von Unternehmen erleichtert, eine ausufernde Bürokratie vermeidet, die Transparenz erhöht, die allgegenwärtige Korruption einschränkt sowie ausländische und einheimische Investoren anzieht.

    1.3.2

    Die soziale Verantwortung von Unternehmen sollte als freiwillige Initiative der Unternehmen aufgefasst werden, die sich damit zu einem ethischen Unternehmertum bekennen. Im Einklang mit den "OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen" und anderen international anerkannten Grundsätzen sollte ein bestimmter SVU-Rahmen im Entwicklungsbereich vorgeschlagen werden.

    1.3.3

    Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen sollte die Privatwirtschaft die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Rechte einhalten, insbesondere die vier wichtigsten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Neue Arbeitsplätze sollten im Einklang mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO geschaffen werden.

    1.4   Das Innovationspotenzial der Unternehmen für die Entwicklung wecken

    1.4.1

    Die Programme zum institutionellen Kapazitätsaufbau der Behörden in den Entwicklungsländern sollten in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und den interessierten, in der Entwicklungshilfe tätigen nichtstaatlichen Organisationen aufgestellt werden und die Bedingungen für die unternehmerische Tätigkeit vor allem der kleinen und mittleren Betriebe verbessern, die das größte Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Verringerung der Armut aufweisen.

    1.4.2

    Die Unternehmerverbände in den Entwicklungsländern müssen Kompetenzen erwerben, damit sie besser in der Lage sind, das unternehmerische Umfeld positiv zu beeinflussen. Der Aufbau ihrer Kapazitäten muss durch die aktive Beteiligung von Partnerverbänden aus den Industriestaaten unterstützt werden. Die europäischen Außenhilfeprogramme sollten auch die Finanzierung der technischen Hilfe umfassen, die europäische Unternehmensverbände ihren Partnern in den Entwicklungsländern leisten und deren Motivation stärken.

    1.4.3

    Durch die Entwicklungshilfe sollten verstärkt innovative Vorhaben und Geschäftsmodelle gefördert werden, die der Integration einschließlich der Schaffung einer barrierefreien Gesellschaft dienen, und somit zur Beseitigung der Armut gefährdeter Bevölkerungsgruppen beitragen, zu denen Menschen mit Behinderungen, Frauen, ältere Menschen usw. zählen.

    1.4.4

    Die Zusammenarbeit der Privatwirtschaft mit den nichtstaatlichen Organisationen muss unterstützt werden, etwa durch den Einsatz von Freiwilligen für die Übertragung von Expertenwissen in den Bereichen Management und Technologie auf die Unternehmen vor Ort. Erfolgreiche innovative Unternehmensprojekte verdienen es, systematisch einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden zu werden.

    1.4.5

    Die Entwicklung der Privatwirtschaft erfordert eine stärkere Unterstützung der Ausbildung und des Erwerbs von Kenntnissen in Schlüsseltechnologien vor allem bei den Beschäftigten mit geringeren Qualifikationen.

    1.4.6

    Der EWSA empfiehlt, das Erasmus-Programm für Jungunternehmer auch auf junge Unternehmer in Entwicklungsländern auszuweiten oder ein Programm mit ähnlicher Ausrichtung aufzustellen und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

    1.4.7

    Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Bergbau und der Grundstoffindustrie, wo die Forderungen des Umweltschutzes, der sozialen Arbeitsbedingungen und der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes kompromisslos durchgesetzt werden müssen.

    1.4.8

    Da es in den Entwicklungsländern in der Regel keine Strategien zur Entwicklung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) gibt, könnte durch die Entwicklungszusammenarbeit dieser Mangel besser behoben werden. Die europäischen Erfahrungen mit der Politik zur Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sollten gezielt und in zweckmäßiger Form auf die Entwicklungsländer übertragen werden.

    2.   Hintergrund der Stellungnahme

    2.1

    Kommissionsmitglied Šefčovič hat den Präsidenten des EWSA in einem Schreiben darüber informiert, dass die Kommission derzeit Vorschläge für eine wirksamere Einbindung der Privatwirtschaft in die globale Partnerschaft für Entwicklung nach 2015 erarbeite. Daher ersuche er den EWSA um eine Sondierungsstellungnahme zur Rolle der Privatwirtschaft bei der Beschleunigung einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Entwicklung nach 2015, über die derzeit auf Ebene der Vereinten Nationen verhandelt werde.

    2.2

    In seiner Stellungnahme REX/372 (1) zur Kommissionsmitteilung "Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt" hat der EWSA eine Reihe von Empfehlungen abgegeben, um die Zivilgesellschaft in die Konzipierung, Verwirklichung und Überwachung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung nach 2015 auf globaler Ebene einzubinden.

    2.3

    Der EWSA widmet sich in seinen Stellungnahmen (2) seit langer Zeit und intensiv der Entwicklungszusammenarbeit und verfügt durch seine eigene Beschäftigung mit den AKP, der Euromed, der Östlichen Partnerschaft, den internationalen Handelsverhandlungen und weiteren Themen im Zusammenhang mit Entwicklungsfragen über große Erfahrungen und Erkenntnisse auf diesem Gebiet und hat diese für die Erarbeitung dieser Stellungnahme genutzt.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Die Privatwirtschaft kann eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung der Armut in der Welt spielen, denn sie schafft Arbeitsplätze, liefert Waren und Dienstleistungen, generiert Einkünfte und Gewinne und trägt durch ihre Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei, sofern die international anerkannten Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit respektiert werden. Die öffentliche Entwicklungshilfe ist und bleibt auch über das Jahr 2015 hinaus ein wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung, doch sie allein kann die Armut nicht aus der Welt schaffen (3).

    3.2

    In den Millenniumsentwicklungszielen zur Beseitigung der Armut fehlte eine klare Festlegung der Art und Weise, wie diese Ziele verwirklicht werden sollen; sie waren darüber hinaus nur unzureichend miteinander verknüpft und enthalten keinen Hinweis auf die Rolle der Privatwirtschaft für die Entwicklung (4). Im künftigen Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015 sollte die Privatwirtschaft in weitaus stärkerem Maße als strategischer Partner und Triebkraft für eine nachhaltige Entwicklung hinzugezogen werden, die sich auf drei Pfeiler – einen wirtschaftlichen, einen sozialen und einen ökologischen Pfeiler – stützt und nicht nur an quantitativen sondern auch an qualitativen Indikatoren gemessen wird.

    3.3

    Die zivilgesellschaftlichen Organisationen (5) haben sowohl auf die Vorteile, als auch auf die Risiken einer Einbeziehung der Privatwirtschaft in die Entwicklungszusammenarbeit hingewiesen. Für die Beseitigung solcher Risiken sollte die Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern auf den Prinzipien der Transparenz, der Effizienz, des Nachweises der investierten Mittel, der offenen Vergabe öffentlicher Aufträge sowie der Verantwortung der öffentlichen Akteure für die Umsetzung der angenommenen Entwicklungsstrategie gegenüber allen interessierten Kreisen beruhen.

    3.4

    Die Privatwirtschaft besteht aus Selbstständigen, Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Betrieben, großen internationalen Firmen, Genossenschaften und sonstigen Unternehmen der Sozialwirtschaft sowie Finanzinstituten. Im weiteren Sinne gehören auch die Beschäftigten von Privatunternehmen und deren Gewerkschaften und von nichtstaatlichen Organisationen, die an privaten Vorhaben mitarbeiten, zu diesem Sektor. Neben den legal tätigen Privatunternehmen gibt es insbesondere in den Entwicklungsländern einen großen informellen Privatsektor. Bei der Bereitstellung der Entwicklungshilfe muss unterschieden werden zwischen den einzelnen privaten Akteuren wie auch zwischen den Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Entwicklung in Abhängigkeit von ihrer Größe, dem Tätigkeitsbereich und dem Entwicklungsniveau des Landes (wenig entwickelt, durchschnittlich entwickelt, in der Entwicklung und bedrohte Länder).

    3.5

    Die Privatwirtschaft sollte gemeinsam mit den Vertretern der Zivilgesellschaft in die Ermittlung des Entwicklungsbedarfs in jedem Land einbezogen werden und sich an der Festlegung der neuen Ziele für die nachhaltige Entwicklung nach dem Jahr 2015 beteiligen, damit sie ihrem Anteil an der Verantwortung für die Erreichung dieser Ziele gerecht wird. Diese Ziele sollten, ausgehend von den Millenniumsentwicklungszielen, konkret und messbar sein und sich auf folgende Bereiche erstrecken: Wasser, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Energie, Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen, digitale Wirtschaft, Gleichstellung der Geschlechter und soziale Gleichberechtigung.

    3.6

    Die Privatwirtschaft sollte als wichtiger Bestandteil der neuen globalen Partnerschaft für Entwicklung anerkannt werden. Wünschenswert wäre die Schaffung einer Plattform mit Vertretern der Unternehmer und Arbeitgeber in Europa, die weiteren interessierten Kreisen offenstehen sollte, so auch den Vertretern der Zivilgesellschaft, um den Dialog mit den Vertretern der EU-Behörden und der Finanzinstitute über die Einbeziehung der Privatwirtschaft in die grenzübergreifende Entwicklungszusammenarbeit zu führen.

    3.7

    Die Privatwirtschaft der Geberländer beteiligt sich an der Entwicklungszusammenarbeit als Anbieter von Dienstleistungen und Ausrüstungen, die durch die öffentliche Entwicklungshilfe finanziert werden, als direkter Geber von Entwicklungshilfe für humanitäre Hilfe, für gemeinsame Projekte mit dem öffentlichen Sektor und nichtstaatliche Organisationen sowie als Investor für Projekte, die nicht nur unternehmerischen Zielen dienen, sondern auch beträchtliche Auswirkungen auf dem Gebiet der Entwicklung haben. Vorrangig sollten dabei innovative Projekte durch den Aufbau innovativer Kapazitäten, Beratungsleistungen, Gründerzentren und Unternehmenscluster in den Empfängerländern gefördert werden. Öffentliche Aufträge für Entwicklungsvorhaben müssen transparent und offen ausgeschrieben werden.

    3.8

    Der Beitrag der Privatwirtschaft zur Entwicklung sollte auch die Unterstützung einer barrierefreien Gesellschaft umfassen, wodurch die Armut gefährdeter Bevölkerungsgruppen bekämpft werden könnte, zu denen Menschen mit Behinderungen, Frauen, ältere Menschen und vorübergehend verletzte Personen gehören. Die im März 2010 mit den Sozialpartnern in der EU geschlossene Rahmenvereinbarung über integrative Arbeitsmärkte könnte für die Aufnahme dieser Anforderung in den künftigen Entwicklungsrahmen Vorbildfunktion haben.

    3.9

    Die Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern braucht systematische Unterstützung, um ihre Aufgaben im Entwicklungsbereich erfüllen zu können. Aus diesem Grund wurde der für die Entwicklung der Privatwirtschaft bestimmte Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe aufgestockt. Dies darf jedoch nicht zu einer Verringerung der offiziellen Entwicklungshilfe für die ärmsten Entwicklungsländer führen, denn ohne diese Hilfe können diese Länder ihre dringendsten Probleme nicht bewältigen.

    3.10

    Private Investitionen großer multinationaler Gesellschaften in Entwicklungsprojekte bieten bestehenden und neu entstehenden KMU vor Ort die Möglichkeit, in die Realisierung der Projekte eingebunden zu werden, was sie wiederum in die Lage versetzt, durch die Zusammenarbeit mit Partnern aus den Industriestaaten technische Fachkenntnisse zu erwerben und Zugang zu entsprechenden fortschrittlichen Technologien zu erhalten. Die multinationalen Unternehmen sollten die anerkannten Grundsätze einhalten, die von den Vereinten Nationen, OECD und weiteren internationalen Organisationen aufgestellt wurden (6).

    3.11

    Die kleinen und mittleren Unternehmen bieten in den Entwicklungsländern wie überall in der Welt das größte Entwicklungspotenzial, zu dessen Entfaltung vor allem Mikrokredite und verbilligte Darlehen europäischer und internationaler Finanzinstitutionen der Entwicklungsförderung beitragen sollten. Eine wichtige Investitionsquelle ist auch die Überweisung von Ersparnissen und weiterer Mittel von Emigranten und durch entsprechende Anreize muss dafür gesorgt werden, dass diese Mittel verstärkt zur Entwicklung des jeweiligen Landes eingesetzt werden.

    3.12

    Der EWSA begrüßt die Konzepte, die die Kommission in ihrer Mitteilung"Nach 2015: Auf dem Weg zu einem umfassenden und integrierten Konzept für die Finanzierung von Armutsbeseitigung und nachhaltiger Entwicklung" (7) vorgelegt hat und fordert, dass auch die Privatwirtschaft und die organisierte Zivilgesellschaft an der vorgeschlagenen Diskussion über ein integriertes Finanzierungskonzept beteiligt werden.

    3.13

    Die öffentliche Entwicklungshilfe sollte als wichtigstes Instrument für einen Multiplikatoreffekt eingesetzt werden, um so privates Kapital für Investitionen in den Entwicklungsländern zu mobilisieren. Dafür sollten solche innovative Instrumente zum Einsatz kommen wie die Kombination von Zuschüssen (Blending), verschiedene Garantiemechanismen und ermäßigte Zinssätze. Staatliche Garantien für Investitionen in Entwicklungsländern müssen auf die offizielle Entwicklungshilfe angerechnet werden. Die auf diese Weise gewährte Unterstützung für das private Kapital muss an klar definierte Bedingungen und Indikatoren geknüpft sein, die sich unter anderem auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung, den Umweltschutz, die grüne Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Steigerung der Produktionsqualität und die Übertragung von Expertenwissen im Bereich des Managements für die Privatwirtschaft beziehen.

    3.14

    Die Investitionen müssen auf die Stärkung der Dienstleistungsbranche ausgerichtet werden, unter anderem auf das Bank- und Versicherungswesen, auf Telekommunikation und Verkehr und weitere Dienstleistungen zur Förderung unternehmerischer Tätigkeit, ohne die eine gesunde Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft unmöglich ist. Dabei muss der Staat auf die Einhaltung der Wettbewerbsbedingungen achten und einen angemessenen Schutz der Investitionen gewährleisten.

    3.15

    Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und im privaten Sektor können zu einem wichtigen Instrument für die Realisierung der Entwicklungsstrategien werden, denn sie verknüpfen den aus öffentlichen Mitteln gespeisten Finanzierungsmechanismus mit privaten Investitionsinitiativen zur Deckung der Entwicklungsbedürfnisse der Endbegünstigten vor Ort. Für den Erfolg solcher Projekte bedarf es transparenter Informationen und einer offenen Kommunikation mit den interessierten Seiten.

    4.   Das Entstehen eines günstigen unternehmerischen Umfelds fördern

    4.1

    Die Privatwirtschaft in den begünstigten Entwicklungsländern kann ihrer Aufgabe auf dem Gebiet der Entwicklung nur gerecht werden, wenn grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind, damit sie überhaupt existieren und tätig werden kann. Die Entwicklungszusammenarbeit sollte daher stärker auf die stetige Verbesserung eines unternehmerischen Umfelds ausgerichtet werden, durch das die Gründung und das Wachstum von Unternehmen erleichtert, eine ausufernde Bürokratie vermieden, die Transparenz erhöht und die allgegenwärtige Korruption eingeschränkt werden könnte. Mit der Durchsetzung des Rechtsstaates werden ausländische und einheimische Investoren angezogen und ein Beitrag zur Diversifizierung der Wirtschaft vor Ort geleistet.

    4.2

    Die Schaffung eines gesunden unternehmerischen Umfelds muss gestützt sein auf: Marktinstrumente einschließlich des Wettbewerbs, einen funktionierenden Finanzmarkt, die Unabhängigkeit der Gerichte, die allgemeine Durchsetzung des Rechts, insbesondere des Handelsrechts, die Einhaltung der weltweit anerkannten Grundsätze und Regeln des internationalen Handels und die Einhaltung der Rechte des geistigen Eigentums. Die kulturellen Sitten und Gebräuche vor Ort sind zu respektieren, sofern sie nicht den Wettbewerb behindern und nicht zur Korruption oder zu einer Umverteilung der Mittel ohne erkennbaren Mehrwert führen.

    4.3

    Die soziale Verantwortung von Unternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit sollte als freiwillige Initiative der Unternehmen aufgefasst werden, die sich damit zu einem ethischen Unternehmertum bekennen. Aus einem grundlegenden Rahmen und den weltweit anerkannten Grundsätzen (8) wählen die Unternehmen selbst aus, was für ihre jeweilige wirtschaftliche Tätigkeit akzeptabel ist und wie sie es umsetzen. Die Festlegung eines solchen Rahmens gewährleistet einen lauteren Wettbewerb mit den anderen Unternehmen der Branche.

    4.4

    Die Privatwirtschaft schafft Arbeitsplätze und kann so zur Beseitigung der Armut beitragen, doch müssen dabei die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Rechte eingehalten werden. Insbesondere müssen die vier wichtigsten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO strikt eingehalten werden (Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit, Verbot von Kinderarbeit und Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf).

    4.5

    Neu geschaffene Arbeitsplätze sollten im Einklang mit der Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO stehen, d.h. der Beruf muss frei gewählt werden, es muss ein Sozialschutz bestehen, die grundlegenden Rechte der Arbeitnehmer werden respektiert, und es wird ein sozialer Dialog eingerichtet. Wichtig ist, dass alle Investoren, insbesondere jene, die öffentliche Entwicklungshilfe in Anspruch nehmen, diese Grundsätze bei der Durchführung ihrer Projekte strikt einhalten und in dieser Hinsicht auch auf ihre Partner Einfluss nehmen.

    4.6

    Die Programme zum institutionellen Kapazitätsaufbau der Behörden in den Entwicklungsländern sollten die Grundsätze des Rechtsstaates stärken und zur Verbesserung der Voraussetzungen für unternehmerische Tätigkeit beitragen sowie zu einer höheren Absorptionsfähigkeit der lokalen Unternehmen führen. Diese Programme sollten in enger Absprache mit den Sozialpartnern und den interessierten Nichtregierungsorganisationen erarbeitet werden.

    5.   Die Privatwirtschaft wirksamer in die Entwicklung einbinden

    5.1

    Unternehmensverbände wie beispielsweise Handelskammern, Fachvereinigungen und -verbände sowie Arbeitgeberverbände und die Organisationen der Sozialwirtschaft in den Geberländern sollten in allen Phasen des Projektzyklus aktiv in die Programme zur Unterstützung der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern eingebunden werden. Zu diesem Zweck sollte ein Programm aufgelegt werden für die Förderung der lokalen Vertretungsorganisationen der KMU, damit diese Kenntnisse vornehmlich in den Bereichen des Marketings und der Integration der Lieferketten, der Zertifizierung, der Logistik usw. erwerben können.

    5.2

    Die Unternehmensverbände in den Entwicklungsländern müssen Kompetenzen zur Verbesserung des unternehmerischen Umfelds erwerben, die demokratische Führung ihrer Organisationen stärken, weitere Mitglieder anwerben und aktiv mit ihnen kommunizieren. Der Aufbau ihrer Kapazitäten muss unterstützt werden, und zwar durch die aktive Beteiligung vergleichbarer Partnerverbände aus der EU. Die europäischen Außenhilfeprogramme sollten auch die Finanzierung der technischen Hilfe umfassen, die europäische Unternehmensverbände ihren Partnern leisten.

    5.3

    Die Entwicklung der Privatwirtschaft sollte auch Schulungen für Unternehmer einschließlich Praktika in den Industriestaaten umfassen. Der EWSA empfiehlt, die Möglichkeit einer Ausweitung des Erasmus-Programms für Jungunternehmer auch auf Gründer in Entwicklungsländern zu erwägen oder die Erarbeitung eines vergleichbaren Programms in Betracht zu ziehen und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

    5.4

    Die Ausbildung und der Erwerb von Kenntnissen in Schlüsseltechnologien sollten stärker unterstützt werden, vor allem bei den Beschäftigten mit geringeren Qualifikationen. Seit langer Zeit bereits fehlt es an Programmen zur Berufsausbildung, während die Geberländer in erster Linie Stipendien für die Hochschulausbildung vergeben. Dabei benötigt die Privatwirtschaft in der Industrie und in weiteren Branchen Arbeitskräfte, die über aktuelle, in einer klassischen Berufsausbildung erworbene Kompetenzen sowie über Arbeitsmethoden verfügen, die unentbehrlich sind, um für einen ausländischen Investor oder ein gemeinsames Industrieunternehmen arbeiten zu können.

    5.5

    Durch die Entwicklungshilfe sollten verstärkt innovative Vorhaben und Geschäftsmodelle gefördert werden, die der Integration dienen, und hier besteht viel Spielraum für eine Zusammenarbeit der Privatwirtschaft mit den nichtstaatlichen Organisationen. Ein Beispiel dafür ist die Abordnung von Fachleuten, die auf freiwilliger Basis bei der Entwicklung von Unternehmen in Entwicklungsländern behilflich sind (9). Der Austausch von Erfahrungen zwischen den Mitgliedstaaten könnte durch eine breitere Bekanntmachung erfolgreicher innovativer Unternehmensprojekte gefördert werden.

    5.6

    Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Bergbau und der Grundstoffindustrie. Bei Investitionsvorhaben müssen Fragen des Umweltschutzes, der sozialen Arbeitsbedingungen und der nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt werden. Die staatlichen und lokalen Behörden in den Empfängerländern müssen entsprechende Rahmenbedingungen für die einzelnen Branchen schaffen und darauf achten, dass diese – einschließlich der steuerlichen Verpflichtungen – auch eingehalten werden. Die Entwicklungshilfe sollte dazu beitragen, diesen Ansatz systematisch auszubauen und gleichzeitig die geeignetsten Regeln zu finden, um eine ausufernde Bürokratie zu vermeiden und die Korruption zu bekämpfen.

    5.7

    Durch die Entwicklungshilfe sollten auch die nachhaltige Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe vor Ort unterstützt werden, damit die Verarbeitung von Lebensmitteln und Grundstoffen verbessert wird. Gefördert werden sollten auch die Bildung landwirtschaftlicher Erzeugervereinigungen und kleiner Betriebe für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie ihre Einbindung in die Versorgungsketten.

    Brüssel, den 16. Oktober 2013

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt, ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 144-150.

    (2)  Stellungnahmen des EWSA u.a. zu folgenden Themen: EU-Afrika-Strategie (2009), ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 148–156, Handel und Lebensmittelsicherheit (2010), ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 1–9, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen (2012), ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 82–88, Eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel / Der künftige Ansatz für die EU-Budgethilfe an Drittstaaten (2012), ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 133–139, Beteiligung der Zivilgesellschaft an der EU-Entwicklungspolitik (2012), ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 28–34, Sozialschutz in der Entwicklungszusammenarbeit (2013) noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

    (3)  Nur wenige der Industriestaaten haben das vereinbarte Ziel von 0,7 % ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe erreicht oder übertroffen.

    (4)  Preliminary BIAC Perspectives for the Post-2015 Development Agenda, Februar 2013.

    (5)  IGB www.ituc-csi.org, Concord www.concordeurope.org, DCED (Donors Committee of Economic Development) www.enterprise-development.org.

    (6)  UN-Leitprinzipien zu Unternehmen und Menschenrechten, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie, Leitlinien der OECD für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolle Lieferketten für Mineralien aus Konflikt- und stark gefährdeten Gebieten.

    (7)  COM(2013) 531 final vom 16. Juli 2013.

    (8)  Beispielsweise die ISO 26000, Initiative der Vereinten Nationen: Sechs Grundsätze für verantwortungsvolle Investitionen.

    (9)  Siehe das gemeinnützige öffentliche Unternehmen Ex-Change, www.ex-change.be.


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