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Document 52012AE1689

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Modernisierung des EU-Beihilferechts“ COM(2012) 209 final

    ABl. C 11 vom 15.1.2013, p. 49–53 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2013   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 11/49


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Modernisierung des EU-Beihilferechts“

    COM(2012) 209 final

    2013/C 11/11

    Berichterstatterin: Emmanuelle BUTAUD-STUBBS

    Die Europäische Kommission beschloss am 8. Mai 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Modernisierung des EU-Beihilferechts"

    COM(2012) 209 final.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 25. Oktober 2012 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 484. Plenartagung am 14./15. November 2012 (Sitzung vom 14. November) mit 128 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der europäischen Beihilfepolitik kommt in einer globalisierten und stark wettbewerbsorientierten Wirtschaft strategische Bedeutung zu.

    1.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die von der Kommission in der Mitteilung vorgeschlagene Reform angesichts folgender Ziele unterstützt werden muss:

    Beitrag der europäischen Politik für staatliche Beihilfen zur Strategie Europa 2020;

    neue und wirksamere Aufgabenverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten;

    verschiedene verfahrenstechnische Verbesserungen.

    1.3

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die positive Verbindung zwischen wirksamen staatlichen Beihilfen und dem Ziel eines nachhaltigen und integrativen Wachstums verstärkt werden muss. Eine gezielte staatliche Beihilfepolitik macht es möglich, Innovationen (einschließlich sozialer Innovationen), umweltfreundliche Technologien und die Entwicklung der Humanressourcen zu fördern und dabei Umweltschäden zu vermeiden. Eine gezielte und dynamische staatliche Beihilfepolitik kann aktiv zu hohem Beschäftigungsstand und starkem sozialem Zusammenhalt beitragen.

    1.4

    Diese wegen ihrer Ziele, der Modalitäten und des Zeitplans anspruchsvolle Reform muss gleichwohl in einigen Bereichen genauer ausgeführt werden.

    1.5

    Der EWSA fordert die Kommission auf, verschiedene in der Mitteilung verwendete Begriffe zu präzisieren:

    1.5.1

    Der Schlüsselbegriff des "Marktversagens", so wie er von der Kommission gebraucht wird, sollte genauer definiert werden, da sich seine Bestimmung je nach Bereich ändert: Kreditzugang, Finanzierung der Breitbandnetze, Erschließung von Handelsflächen, Zugang zu Innovation, Bildung, Entwicklung des weiblichen Unternehmertums usw. Marktversagen kann auch unterschiedliche Gründe haben wie negative externe Effekte, unvollständige Informationen, Koordinierungsprobleme, Vorliegen einer Marktmacht usw.

    1.6

    Der EWSA wirft bezüglich der angestrebten Reformen eine Reihe von Fragen auf:

    1.6.1

    Die von der Kommission vorgeschlagene Reform führt zu mehr Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Gewährung und Kontrolle staatlicher Beihilfen. Welche rechtlichen und praktischen Mittel gedenkt die Kommission zu ergreifen, um die Mitgliedstaaten zur umfassenden Zusammenarbeit bei der Anwendung des Beihilferechts zu bewegen?

    1.6.2

    Die gestiegene Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Kontrolle der Beihilfen birgt die Gefahr einer subjektiven Anwendung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten, von unlauteren Praktiken der Mitgliedstaaten und der Rückkehr eines gewissen Wirtschaftspatriotismus, der für die Unternehmen letztlich mehr Rechtsunsicherheit bedeuten würde.

    1.6.3

    Die Kommission stellt auf der Grundlage einer Studie der WTO fest, dass die staatlichen Beihilfen der wichtigsten globalen Wettbewerber etwa gleich hoch sind wie in der EU. Jedoch bietet die europäische Beihilfepolitik einen transparenteren Rahmen als z.B. die Regelungen der Vereinigten Staaten, Indiens, Koreas oder Brasiliens. Die Daten sind allerdings veraltet und sollten aktualisiert werden, damit die Kommission über ein umfassendes und genaues Bild der aktuellen Lage verfügen kann.

    1.6.4

    Die Kommission schneidet die Frage der Eigenschaften der EU-Regelung im Verhältnis zu den anderen Kontrollsystemen für staatliche Beihilfen an, kommt aber zu keinem besonderen Schluss. Wieso bekräftigt sie bei dieser Gelegenheit nicht, dass weltweit ein wirtschaftlicher Ansatz der gleichen Wettbewerbsbedingungen verfolgt werden muss, um zu einer ausgewogenen Zuweisung dieser Hilfen zu kommen? Der EWSA betont, dass gegen die spezifischen Folgen illegaler ausländischer Beihilfen, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern gefährden, wirksam vorgegangen werden muss.

    1.7

    Der EWSA schlägt schließlich eine Reihe von Änderungen vor, die seines Erachtens bezüglich der von der Kommission und dem Rat für notwendig erachteten Unterstützung für KMU vorgenommen werden müssen. Diese müssen vor allem dann unterstützt werden, wenn sie dem Wettbewerbsdruck von Unternehmen aus Drittstaaten ausgesetzt sind, die in den Genuss direkter oder indirekter staatlicher Beihilfen kommen, die vom Umfang her bedeutender sind und unter weniger transparenten Bestimmungen gewährt werden.

    1.7.1

    Angesichts ihres geringen Betrags, ihrer positiven Wirkung für KMU und Kleinstunternehmen und ihrer beschränkten Auswirkungen für den Binnenmarkt schlägt der EWSA vor, die Schwelle für die (von der Anmeldungspflicht ausgenommenen) "De-minimis-Beihilfen" nach dem Beispiel der unlängst für die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beschlossenen Regelung dauerhaft von 200 000 EUR auf 500 000 EUR anzuheben, da dies für einen Zeitraum von drei aufeinander folgenden Jahren für jedes Unternehmen gewünscht wird.

    1.7.2

    Angesichts der Notwendigkeit, die europäischen KMU bei der Entwicklung ihrer internationalen Marktfähigkeit zu unterstützen, schlägt der EWSA eine Änderung von Artikel 27 Absatz 3 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung 800/2008 vor, damit Beihilfen für KMU zu Unterstützung ihrer Teilnahme an Messen und Ausstellungen in einem auf drei aufeinander folgende Jahre beschränkten Zeitraum als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden können.

    1.8

    Der EWSA gibt der Kommission aufgrund seiner Erfahrungen die drei folgenden praktischen Empfehlungen:

    1.8.1

    Erarbeitung eines praktischen Leitfadens/Ratgebers in allen EU-Amtssprachen, in dem die Definitionen, die Verbotstatbestände und die verfügbaren Verfahren aufgeführt werden, um das Verständnis bzw. die sinnvolle Verwendung der staatlichen Beihilfen seitens der Unternehmen, Gerichte und Behörden zu optimieren;

    1.8.2

    Veranstaltung zusätzlicher Weiterbildungsseminare für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, um eine möglichst einheitliche Anwendung des Unionsrechts betreffend die staatlichen Beihilfen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen;

    1.8.3

    angesichts der Bedeutung der angestrebten Änderungen fordert der EWSA, im Rahmen der Überprüfung der De-minimis-Verordnung, der Ermächtigungsverordnung und der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung konsultiert zu werden.

    2.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

    2.1

    Die Kommission verfolgt bei der Reform der europäischen Politik für staatliche Beihilfen vor allem die drei folgenden Ziele:

    a)

    Förderung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums in einem wettbewerbsfähigen Binnenmarkt im Einklang mit der Strategie Europa 2020;

    b)

    Konzentration der Ex-ante-Prüfung der Kommission auf die Fälle mit den größten Auswirkungen auf den Binnenmarkt;

    c)

    Straffung der Verfahrensregeln und Beschleunigung des Entscheidungsprozesses.

    2.2

    Ausgangspunkt für diese Reform ist eine durchwachsene Bilanz der bisherigen Politik:

    die komplexen gegenwärtigen Bestimmungen sind schwer zu verstehen, anzuwenden und zu kontrollieren. Kommissionsmitglied Joaquín Almunia erklärte selbst am 23. Februar 2012 vor dem EWSA, dass es 37 verschiedene Rechtsakte (Verordnungen, Mitteilungen und Leitlinien) gibt;

    bei der gegenwärtigen Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen, die unter eine Gruppenfreistellung fallen, ist eine gewisse Abweichung von den Beihilfevorschriften aufgedeckt worden;

    die Kommission verfügt über keine Bestimmungen zur Festlegung eindeutiger Prioritäten für die Bearbeitung von Beschwerden;

    die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission könnten in den Bereichen Informationsaustausch und Zusammenarbeit bei den Notifizierungsverfahren besser funktionieren.

    2.3

    Um hier Abhilfe zu schaffen und alle Potenziale des Binnenmarkts auszuschöpfen (in Bezug auf Energie, Verkehr und digitale Technologien), schlägt die Kommission eine in puncto Ziele, Modalitäten und Zeitplan ehrgeizige Reform vor.

    2.4

    Die vorgeschlagene Reform verfolgt anspruchsvolle Ziele, weil eine der ältesten und am besten integrierten Unionspolitiken in den Dienst des europäischen Wachstums gestellt wird, und weil zudem recht einschneidende verfahrensspezifische Verbesserungen erzielt werden sollen, auch wenn diese in der Mitteilung weder beziffert noch detailliert aufgeführt werden.

    2.5

    Die vorgeschlagene Reform ist anspruchsvoll in Bezug auf das Verfahren, da die Kommission ein kohärentes und zusammenhängendes Paket von Reformen im Rahmen einer "integrierten Strategie" durchführen möchte:

    Überarbeitung der De-minimis-Verordnung;

    Änderungen in der Ermächtigungsverordnung des Rates bezüglich der Definition bestimmter mit dem Binnenmarkt vereinbarer Kategorien von Beihilfen, die damit von der Anmeldepflicht befreit werden;

    Überarbeitung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung hinsichtlich der von der geltenden Ermächtigungsverordnung abgedeckten Beihilfekategorien;

    rechtliche Klärung des Begriffs der staatlichen Beihilfe;

    Modernisierung der Verfahrensordnung für Beihilfesachen.

    2.6

    Der vorgeschlagenen Reform liegt ein ehrgeiziger Zeitplan zugrunde, da die Kommission davon ausgeht, dass die Vorschläge zur Änderung der Verfahrens- und der Ermächtigungsverordnung im Herbst 2012 und die übrigen Instrumente des Pakets bis Ende 2013 angenommen werden, d.h. vor Inkrafttreten der Finanziellen Vorausschau 2014-2020.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1   Kontrolle der staatlichen Beihilfen im übergreifenden Rahmen des europäischen Wettbewerbrechts

    3.1.1

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission in der Mitteilung verkündeten Ziele, "die Gewährung gut konzipierter und auf ausgewiesenes Marktversagen und auf Ziele von gemeinsamem Interesse ausgerichteter Beihilfen" zu erleichtern. Dies soll durch eine Konzentration der Prüfung der Kommission auf Fälle mit besonders großen Auswirkungen auf den Binnenmarkt, durch straffere Regeln und schnelleren Erlass von Beschlüssen ermöglicht werden.

    Dieses Vorgehen fügt sich ein in den allgemeineren Rahmen der Entwicklung des Wettbewerbsrechts, sowohl bezüglich wettbewerbswidriger Verhaltensweisen (Kartelle und Missbräuche einer beherrschenden Stellung) als auch der Fusionskontrolle.

    3.1.2

    Wettbewerbswidrige Verhaltensweisen: Die "Modernisierung des Wettbewerbrechts" durch die Verordnung Nr. 1/2003 (1) und begleitende Texte haben – mittels Abschaffung des Anmeldungssystems – eine Dezentralisierung bei der Anwendung des Wettbewerbrechts eingeleitet. Die Kommission ist somit in der Lage, ihr Vorgehen auf die Bekämpfung der gravierendsten Beschränkungen und Missbräuche, insbesondere der Kartelle, auszurichten. Diese Modernisierung wird begleitet durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den untereinander vernetzten nationalen Wettbewerbsbehörden einerseits und der Kommission andererseits.

    3.1.3

    Fusionskontrolle: Kommissar Joaquín Almunia hat unlängst verkündet, dass eine Reform des europäischen Fusionskontrollsystems in naher Zukunft möglich ist, um sich auf die Fusionen mit den vermutlich größten Auswirkungen für den Markt (2) konzentrieren zu können. Kurzfristig geht es um eine leichtere Behandlung weniger problematischer Fälle durch Verbesserungen des "vereinfachten Verfahrens" und der Überarbeitung des Systems der "Ankündigung". Längerfristig könnte auch die Kontrollregelung für Zusammenschlüsse selbst überarbeitet werden mittels einer Überprüfung des Erwerbs nicht beherrschender Minderheitsbeteiligungen und einer besseren Abstimmung zwischen den nationalen Systemen und dem europäischen System bezüglich Schwellenwerten und Vorabentscheidungen.

    3.2   Kriterien für eine allgemeine Regelung staatlicher Beihilfen

    3.2.1

    Der EWSA bekräftigt seine Unterstützung für eine allgemeine Ausrichtung der Beihilfen auf der Grundlage folgender Kriterien (3):

    konzentrierte und selektive Beihilfen;

    Abstimmung auf die Strategien zur Vollendung des Binnenmarkts;

    Vereinfachung, Transparenz und Rechtssicherheit von Verfahren und Bestimmungen;

    verstärkter Dialog mit den Mitgliedstaaten bei den Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen und bei den Phasen der Bewertung und Überwachung der Wirksamkeit;

    mehr Informationen für die Unternehmen über die Beihilferegelungen und –verfahren;

    geteilte Verantwortung dank Aktivierung der nationalen Koordinierungsebenen;

    Anpassung der europäischen Beihilfevorschriften an die Beihilfestrategien unserer wichtigsten Handelspartner, um gleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber der übrigen Welt zu gewährleisten (4).

    3.3   Größere Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Beihilfevorschriften

    3.3.1

    Der EWSA geht davon aus, dass sich eine Konzentration der Kontrollen durch die Kommission auf die problematischsten Vorgänge vor allem auf eine Ausweitung der von der Anmeldepflicht befreiten Beihilfen stützen würde. Dies würde zwangsläufig mit verstärkter Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten einhergehen. Der EWSA weist gleichwohl darauf hin, dass dabei die Besonderheiten des Beihilferechts zu berücksichtigen sind. Denn der Staat und allgemeiner die Gesamtheit aller staatlichen und öffentlichen Einrichtungen, die Beihilfen gewähren können, sind in gewisser Weise Richter in eigener Sache.

    3.3.2

    Eine gestiegene Verantwortung der Mitgliedstaaten bei der Kontrolle der Beihilfen birgt die Gefahr einer subjektiven Anwendung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten, von unlauteren Praktiken der Mitgliedstaaten und der Rückkehr eines gewissen Wirtschaftspatriotismus. Dies würde für die Unternehmen letztlich weniger Rechtssicherheit bedeuten.

    3.3.3

    Verschiedene Möglichkeiten sind denkbar, um diese Gefahr auf ein Minimum zu beschränken:

    Verstärkte Transparenz mittels Berichtspflichten für die Mitgliedstaaten. Die Veröffentlichung eines über das Internetportal der Kommission zugänglichen zusammenfassenden Jahresberichts über die Anwendung der De-minimis-Verordnung und der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung könnte diesbezüglich vereinbart werden.

    Das finanzielle Risiko im Zusammenhang mit einer Rechtswidrigkeit/Unvereinbarkeit liegt ausschließlich beim Beihilfeempfänger, der gezwungen ist, die betreffende Summe – aufgezinst – zurückzuerstatten. Deshalb könnte die finanzielle Haftung der Mitgliedstaaten erhöht werden, z.B. indem die Behörde, die die betreffende Beihilfe gewährt hat, mit einer Strafzahlung belegt wird.

    Die Einrichtung unabhängiger nationaler Agenturen, die für die staatliche Beihilfepolitik zuständig sind, könnte erwogen werden. Diese würden sowohl für die Kommission als auch für die Unternehmen als "Kontaktstellen" fungieren.

    Die Kommission müsste wirksamere Ex-post-Kontrollen durchführen und vorbildliche Verfahren aktiv fördern.

    3.4   Vereinfachung und Transparenz der Verfahren

    3.4.1

    Die Kommission und die Mitgliedstaaten haben ihre Reaktionsfähigkeit bezüglich der Wirtschafts- und Finanzkrise unter Beweis gestellt, indem sie zwischen 2008 und 2011 eine Reihe spezifischer Texte angenommen haben (5). Vor allem dank einer größeren Zusammenarbeit seitens der Mitgliedstaaten und einer starken Mobilisierung der Kommissionsdienststellen konnten zur Zufriedenheit der Staaten und der Unternehmen Beschlüsse kurzfristig gefasst werden.

    3.4.2

    Im Allgemeinen sind die Verfahren jedoch für die Interessenvertreter immer noch viel zu lang und komplex. Der EWSA unterstützt deshalb die Kommission in ihrem Bestreben, die Bearbeitungszeiten zu verkürzen und die Verwaltungsverfahren zu verbessern. Ferner sollten die Mitgliedstaaten verstärkt Verantwortung für die Gewährleistung von Transparenz und Effizienz übernehmen. Es ist wichtig, dass diese Fristen so weit wie möglich an den Rhythmus der Wirtschaft angepasst werden.

    3.4.3

    In diesem Sinne könnte das für die Bearbeitung bestimmter Beihilfekategorien (6) vorgesehene "vereinfachte Verfahren" ausgedehnt werden, wobei es aber an die Vorschriften gebunden bleibt. Bei diesem Verfahren prüft die Kommission lediglich, of die Beihilfemaßnahme den geltenden Vorschriften und üblichen Praktiken entspricht.

    3.5   Bessere Durchsetzung des Rechts

    3.5.1

    Die wirksame Durchsetzung des Beihilferechts ist von grundlegender Bedeutung. Der EWSA stellt indes fest, dass die nationalen Gerichte häufig nicht in der Lage sind, eine wirksame Durchsetzung des Beihilferechts zu gewährleisten, um vor allem die Rechte von Unternehmen zu schützen, die Opfer widerrechtlicher Beihilfemaßnahmen für Wettbewerber geworden sind. Dafür können verschiedene Ursachen angeführt werden, u.a. die unzureichende Beherrschung des europäischen Wettbewerbsrechts durch die Richter und verfahrensspezifische Zwänge bei allen Streitsachen.

    3.5.2

    Es sollten Lösungen gefunden werden, die eine bessere Durchsetzung des Beihilferechts in der Praxis ermöglichen. Sowohl den Unternehmen wie den einzelstaatlichen Gerichten sollten wirksamere Instrumente und Verfahren zur Verfügung stehen.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Definition des Begriffs "Marktversagen"

    4.1.1

    Der EWSA begrüßt das Bestreben, nur Beihilfemaßnahmen zu genehmigen, die a) zum Wachstum beitragen und Marktversagen beseitigen sollen (Beihilfen dürfen private Ausgaben ergänzen, aber nicht ersetzen) und b) Anreizwirkung haben, d.h. wenn sie den Beihilfeempfänger dazu veranlassen, Tätigkeiten durchzuführen, die er ohne die Beihilfe nicht durchgeführt hätte.

    4.1.2

    In diesem Zusammenhang muss der Begriff des "Marktversagens" unbedingt präzisiert und durch Beispiele für die verschiedenen Bereiche verdeutlicht werden, was auf der Grundlage der einschlägigen europäischen Rechtsprechung erfolgen kann. Damit sollen sowohl die Behörden als auch die Unternehmen dabei unterstützt werden, diesen Begriff einheitlich aufzufassen und ihn bereits bei der Konzeption der Beihilfemaßnahmen zu berücksichtigen.

    4.2   Vertiefung und Aktualisierung der internationalen Vergleiche auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen

    4.2.1

    In den Ziffern 16 und 17 der Mitteilung wird auf die Wettbewerbspolitik in Drittstaaten eingegangen. Die Kommission kommt dabei zum Schluss, dass die EU über einen transparenteren Rahmen verfügt, wobei Beihilfen in vergleichbarer Höhe gewährt werden können. Diese Aussagen beruhen auf einer vergleichenden Studie der WTO aus dem Jahr 2006. Der EWSA fordert die Kommission auf, die WTO zur Erstellung einer aktuellen Studie anzuhalten, da zahlreiche, nicht der EU angehörende WTO-Mitgliedstaaten angesichts der Krise zu massiven Subventionen gegriffen haben, insbesondere in den verschiedenen Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Es ist zu wünschen, dass die künftige Wettbewerbspolitik ab 2013 auf einem aktuellen Lagebild basiert. Im Rahmen eines durch die weltweite Krise verschärften wirtschaftlichen Wettbewerbs sollte dabei auch die aktuelle Situation z.B. in den Vereinigten Staaten, China, Indien und Brasilien beleuchtet (und auch die Beihilfen auf Ebene der Teilstaaten berücksichtigt) werden.

    4.2.2

    Die Anwendung der Beihilfevorschriften muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowohl auf dem Binnenmarkt als auch auf dem Weltmarkt ermöglichen. Die europäischen Unternehmen sind jedoch dem Wettbewerb von Unternehmen in Drittstaaten ausgesetzt, deren Recht mitunter keinerlei Beschränkung staatlicher Beihilfen kennt. Wie die Kommission in der Mitteilung feststellt (7), kann diese Situation zu schweren Wettbewerbsverzerrungen zum Schaden der europäischen Unternehmen führen.

    4.2.3

    Die Kommission ergreift im Rahmen ihrer Befugnisse Initiativen, um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die auf einem fairen Wettbewerb basieren. Jede Reform des Beihilferechts muss deshalb mit den von der Kommission anderweitig durchgeführten Maßnahmen auf Ebene der handelspolitischen Instrumente (WTO-Regeln und bilaterale Freihandelsabkommen) abgestimmt werden.

    4.3   Überarbeitung des Ansatzes der Ausfuhrerstattungen

    4.3.1

    Die Kommission erkennt in dem Vorschlag für eine Verordnung über ein Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen (2014-2020) (COM(2011) 834 final) an, dass zur Förderung des Wachstums KMU dabei unterstützt werden müssen, innerhalb des Binnenmarkts und weltweit zu exportieren. Es ist geplant, KMU mit Wachstumschancen über das "Enterprise Europe Network" Hilfe und Unterstützungsleistungen zukommen zu lassen.

    4.3.2

    Gleichzeitig scheint der Ansatz der Kommission aber auch zu restriktiv, da z.B. im Bereich Teilnahme von KMU an Messen und Ausstellungen nach Maßgabe von Artikel 27 der Verordnung 800/2008 vom 6. August 2008 mehrere kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Die Beihilfen dürfen 50 % der beihilfefähigen Kosten nicht überschreiten und dürfen nur KMU, die der EU-Definition entsprechen, für ihre erste Teilnahme an einer Messe oder Ausstellung gewährt werden.

    4.3.3

    Das Kriterium der ersten Teilnahme ist nicht geeignet für eine Strategie der internationalen Entwicklung, die eine mindestens dreijährige Präsenz auf einem bestimmten Markt erforderlich macht, bevor die Entwicklungsstrategie (Vertretung, Niederlassung oder Vertrieb) festgelegt werden kann. Deshalb schlägt der EWSA vor, das in Artikel 27 Absatz 3 genannte Kriterium der "ersten Teilnahme" durch das Kriterium der "Teilnahme des Unternehmens an einer bestimmten Messe oder Ausstellung maximal drei Jahre in Folge" zu ersetzen und die beiden anderen Kriterien unverändert zu lassen.

    4.4   Beitrag der staatlichen Beihilfen zu einem tragfähigen und integrativen Wachstum

    4.4.1

    Die EU muss sicherstellen, dass durch staatliche Beihilfen Innovationen – auch im sozialen Bereich mittels der Beihilfen zur sozialen Innovation, die bereits in der "Innovationsunion" anerkannt worden sind, der Einsatz grüner Technologien und die Entfaltung der Humanressourcen im Rahmen eines nachhaltigen Entwicklungsmodells gefördert werden. Der EWSA begrüßt die schrittweise Anerkennung der für die soziale Innovation gewährten Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar (8) und hofft, dass sich diese Entwicklung im Rahmen der Modernisierung der staatlichen Beihilfen weiter verstärkt.

    4.4.2

    Der EWSA unterstützt auch das Konzept staatlicher Beihilfen für Forschung und Entwicklung, das die Konzeption, die Herstellung und Vermarktung von Produkten, Programmen und Dienstleistungen für schutzbedürftige Gruppen in der Gesellschaft (insbesondere Menschen mit Behinderungen) umfasst (9).

    Brüssel, den 14. November 2012

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

    (2)  http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/12/453&format=HTML&aged=0&language=EN.

    (3)  ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 1 Ziffer 3.1.

    (4)  http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/intm/132797.pdf

    (5)  Vgl. Befristete Bestimmungen über staatliche Beihilfen als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise.

    (6)  ABl. C 136 vom 16.6.2009, S. 3.

    (7)  Siehe Ziffer 17 der Mitteilung.

    (8)  COM(2010) 546 final; COM(2011) 609 final; ABl. L 7 vom 11.1.2012, S. 3.

    (9)  ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 1.


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