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Document 52009IP0117

Die soziale Lage der Roma und die Verbesserung ihres Zugangs zum EU-Arbeitsmarkt Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2009 zu der sozialen Lage der Roma und der Verbesserung ihres Zugangs zum EU-Arbeitsmarkt (2008/2137(INI))

ABl. C 87E vom 1.4.2010, p. 60–69 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

1.4.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 87/60


Mittwoch, 11. März 2009
Die soziale Lage der Roma und die Verbesserung ihres Zugangs zum EU-Arbeitsmarkt

P6_TA(2009)0117

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2009 zu der sozialen Lage der Roma und der Verbesserung ihres Zugangs zum EU-Arbeitsmarkt (2008/2137(INI))

2010/C 87 E/12

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Artikel 3, 6, 7, 29 und 149 des EG-Vertrags, insbesondere die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Gleichbehandlung für alle Unionsbürger zu gewährleisten,

unter Hinweis auf Artikel 13 des EG-Vertrags, der es der Gemeinschaft ermöglicht, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um gegen Diskriminierung, unter anderem aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft, vorzugehen,

unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 28. April 2005 zur Lage der Roma in der Europäischen Union (1), vom 1. Juni 2006 zur Situation der Roma-Frauen in der Europäischen Union (2), vom 31. Januar 2008 zu einer europäischen Strategie für die Roma (3) sowie vom 10. Juli 2008 zur Zählung der Roma in Italien auf der Grundlage ihrer ethnischen Zugehörigkeit (4),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2008 zur Förderung der sozialen Integration und der Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der Europäischen Union (5),

in Kenntnis der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (6) und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (7),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Juli 2008„Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts“ (KOM(2008)0412) (Mitteilung der Kommission „Eine erneuerte Sozialagenda“),

in Kenntnis des Vorschlags der Kommission vom 2. Juli 2008 für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (KOM(2008)0426),

unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 17. Juni 2008 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010) (8),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Mai 2007 zur Förderung menschenwürdiger Arbeit für alle (9),

unter Hinweis auf das Rahmenabkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950,

unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984,

unter Hinweis auf den Aktionsplan der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Verbesserung der Lage der Sinti und Roma im OSZE-Gebiet vom 27. November 2003,

in Kenntnis des Jahresberichts 2007 der Europäischen Agentur für Grundrechte über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Erklärung des „Jahrzehnts der Integration der Roma“ am 2. Februar 2005 und auf die Einrichtung des Roma-Bildungsfonds am 12. Mai 2005,

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission „Die Situation der Roma in der erweiterten Europäischen Union“ von 2005,

unter Hinweis auf den Bericht der hochrangigen beratenden Expertengruppe mit dem Titel „Ethnic Minorities on the Labour Market – An Urgent Call for Better Social Inclusion“ (Ethnische Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt – ein dringender Appell zu einer besseren Integration ethnischer Minderheiten in die Gesellschaft) vom April 2007,

unter Hinweis auf den Abschlussbericht des Menschenrechtskommissars des Europarats über die Menschenrechtssituation der Roma, Sinti und Fahrenden in Europa von 2006,

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses „Integration von Minderheiten – Roma“ (10) (EWSA-Stellungnahme),

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0038/2009),

A.

in der Erwägung, dass die Notwendigkeit der sozialen Integration nach den jüngsten Erweiterungen der Europäischen Union neue Herausforderungen geschaffen hat, die im Kontext neuer demografischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen behandelt werden müssen, wobei zwar in allen Mitgliedstaaten Handlungsbedarf besteht, die Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas aufgrund ihrer strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierungsprozesse während der letzten zwanzig Jahre stärker hiervon betroffen sind; stellt daher fest, dass sensible soziale Gruppen, wie die Roma, am stärksten gefährdet sind,

B.

in der Erwägung, dass in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen ganze Industriezweige zusammengebrochen sind, Regionen jenseits des möglichen Aufschwungs auf der Strecke geblieben sind und viele Roma infolge der rasch eskalierenden Armut als erste an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden; stellt fest und verweist erneut darauf, dass die nationale Staatsbürgerschaft und die Unionsbürgerschaft der Roma im Verlauf dieses Prozesses eine Abwertung erfahren haben und die Vorteile der Erweiterung noch nicht angemessen an die Roma weitergegeben werden konnten, wodurch ihre gesellschaftliche Ausgrenzung in mehrfacher Hinsicht zugenommen und sich die Gefahr ihrer Mehrfachdiskriminierung erhöht hat,

C.

in der Erwägung, dass die strategische politische Offensive für die Chancengleichheit der Roma mit einer außergewöhnlich vielschichtigen sozialen Situation verknüpft ist, da die Roma – die größte ethnische Minderheit Europas – auch von den für andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen typischen Erschwernissen betroffen sind, und ferner in der Erwägung, dass diese Bemühungen am effizientesten durch eine umfassende EU-Strategie für die Roma und ein mehrere Politikbereiche umspannendes Paket aufeinander abgestimmter sektorieller Maßnahmen sowie durch entsprechende Finanzmittel zu bewältigen sind,

D.

in der Erwägung, dass die Gruppe der „Fahrenden“ eine besondere ethnische Erscheinung ist, die thematisch durchaus eigenständig behandelt werden könnte, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte als auch unter sozial- und beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten,

E.

in der Erwägung, dass die Integration der Roma-Bevölkerung in die Gesellschaft kein einseitiger, sondern ein mehrseitiger Prozess ist und dass die Roma aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt werden sollten, wenn eine soziale Integrationspolitik ausgearbeitet wird,

F.

in der Erwägung, dass die Situation der Roma in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt von ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand und ihrem Bildungsniveau bestimmt wird und dies als Vorwand für den sozialen Ausschluss von den Mehrheitsgesellschaften und für rassistische Ressentiments dient und dass diese Faktoren sich erschwerend auf die Verbesserung der Lebensqualität auswirken und damit auch verhindern, dass Roma ihre grundlegendsten Menschen- und Bürgerrechte wahrnehmen können,

G.

in der Erwägung, dass ein unzulängliches öffentliches Verkehrswesen und der Mangel an öffentlichen Einrichtungen und Diensten, insbesondere an qualitativ hochwertigen Bildungs- und Gesundheitsdiensten, sowie die zunehmende Unternehmensabwanderung junge Menschen zwingen, aus wirtschaftlichen Gründen abzuwandern, womit regionale Disparitäten und die Ghettoisierung noch weiter verschärft werden,

H.

in der Erwägung, dass die soziale Lage und die Beschäftigungsaussichten der Roma – kurz vor Abschluss der zweiten Phase des Prozesses von Lissabon – unbedingt abzuwägen und die nächsten Schritte festzulegen sind,

I.

in der Erwägung, dass die Struktur- und Kohäsionsfonds bei der Förderung der Integration eine wichtige Rolle spielen und dass es aufgrund der Komplexität der gesellschaftlichen Probleme der Roma unvorstellbar ist, diese ausschließlich im Rahmen des für den Struktur- und den Kohäsionsfonds typischen Projektsystems zu behandeln,

J.

in der Erwägung, dass es zwar unbedingt notwendig ist, die bewährten Vorgehensweisen zu kennen, es jedoch gleichzeitig zu beachten gilt, dass ihre Gültigkeit zeitlich und räumlich begrenzt ist,

K.

in der Erwägung, dass viele Roma-Gemeinschaften derzeit eher am gleichen Ort bleiben und nicht in Gegenden ziehen, in denen es bessere Beschäftigungsaussichten geben könnte,

Roma auf dem Arbeitsmarkt: Zugangsmöglichkeiten oder Ausgrenzung?

1.

ist der Ansicht, dass die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Roma-Gemeinschaft besteht, das auf die folgenden drei Ziele ausgerichtet ist:

Verbesserung der wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Roma,

Entwicklung von Humankapital und

Verstärkung des Sozialkapitals und der gemeinschaftlichen Entwicklung;

2.

verweist auf die Tatsache, dass auf die Roma ausgerichtete Politiken in zahlreichen Fällen ihre Lage nicht verbessert haben; fordert, dass bei allen Aktionen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten, die die Roma besonders betreffen, die Interessenvertreter der Roma-Gemeinschaft als Entscheidungsträger beteiligt werden, sodass ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation und ihre diesbezügliche Verantwortung respektiert werden;

3.

betont, dass für Roma-Kinder aufgrund des ungleichen Zugangs zu Dienstleistungen und der zahlreichen sozioökonomischen Nachteile, mit denen sie konfrontiert werden, frühkindliche Erziehung und gute Bildungsangebote praktisch unerreichbar sind; weist darauf hin, dass sich diese Nachteile wiederum negativ auf ihre emotionale, soziale und persönliche Entwicklung sowie auf ihre späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit auf ihre Integration in die Mehrheitsgesellschaft auswirken;

4.

stellt fest, dass die Bildungssysteme selektiv sind und dass – trotz der Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Beseitigung der Ausgrenzung – die zahlreichen zu diesem Zweck konzipierten verschiedenen Maßnahmen eigentlich häufig nur dazu beitragen, die Diskrepanzen zwischen sozialen Gruppen und die massive Ungleichbehandlung der Armen – vor allem der Roma – in Bezug auf ihre Chancen zu verschlimmern; betont daher die Notwendigkeit gezielter Bildungspolitiken, die auf Roma-Familien ausgerichtet sind und eine aktive Beteiligung fördern;

5.

betont, dass das Bildungsniveau der Roma-Kinder nach wie vor weit hinter dem EU-Durchschnitt zurückbleibt, obwohl ihr Anteil in allgemein bildenden Schulen und Hochschulen in manchen Mitgliedstaaten gestiegen ist; weist auf die Kluft zwischen Arbeitskräftemangel einerseits und einer hohen Arbeitslosenrate in Verbindung mit der geringen Qualifikation der Roma andererseits hin; fordert daher eine ernstzunehmende Verpflichtung seitens der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, die Roma bei der Verbesserung ihrer Qualifikationen zu unterstützen; weist darauf hin, dass die Lage der Roma auf dem Arbeitsmarkt, soweit ihnen ein formaler Bildungsabschluss fehlt, auch durch die Konzipierung eines Systems zur Anerkennung praktischer Kenntnisse verbessert werden kann;

6.

fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, sicherzustellen, dass Roma-Frauen und -Mädchen einen gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen Ausbildung haben, und Anreize zu schaffen (z. B. Möglichkeiten für berufliche Weiterbildung), damit gute Lehrer sich bereit finden, in Schulen in benachteiligten sozioökonomischen Gebieten und besonders in Gemeinden im ländlichen Raum mit hohem Roma-Bevölkerungsanteil zu unterrichten;

7.

fordert die Mitgliedstaaten auf, den Zugang für Roma-Frauen zur beruflichen Bildung zu verbessern und die berufliche Bildung an die Erfordernisse lokaler Arbeitsmärkte anzupassen, um Roma-Frauen mit vermarktbaren Fertigkeiten auszustatten;

8.

stellt fest, dass die überwiegende Mehrheit der Roma, die über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, nach Abschluss ihres Studiums nicht in ihre Gemeinschaften zurückkehren und dass einige ihre Herkunft verleugnen oder von ihrer Gemeinschaft, in die sie zurückkehren möchten, nicht mehr aufgenommen werden;

9.

empfiehlt die Ausarbeitung eines umfassenden Programmpakets, mit dem die Rückkehr von Roma, die einen höheren Bildungsabschluss haben, in ihre Gemeinschaften und die Wahrnehmung von Tätigkeiten innerhalb und im Interesse ihrer Gemeinschaften gefördert und unterstützt wird;

10.

ist davon überzeugt, dass die Roma-Bürger die Bevölkerungspyramide in einigen Mitgliedstaaten in besonderer Weise beeinflussen; weist darauf hin, dass der Anteil der Roma-Kinder an der Gesamtbevölkerung zwar hoch ist, dass ihre Lebenserwartung bei der Geburt jedoch 10 Jahre weniger beträgt als bei Angehörigen der Mehrheitsnationen;

11.

stellt fest, dass die Mitgliedstaaten zwar umfangreiche EU- und einzelstaatliche Mittel eingesetzt haben, um langzeitarbeitslose Roma wieder ins Arbeitsleben zu integrieren, dass jedoch keine kohärente Lösung auf EU-Ebene erzielt wurde, dass nämlich Art und Umfang der Ansätze, die die Mitgliedstaaten zur Lösung dieses Problems verfolgen, sehr unterschiedlich sind und keine Möglichkeiten für eine langfristige Rückkehr ins Erwerbsleben geschaffen wurden, während die Stigmatisierung der Roma durch Maßnahmen wie öffentliche Arbeitsbeschaffungsprogramme noch weiter verstärkt wurde; fordert daher, dass sowohl die Europäische Union als auch die Mitgliedstaaten ihre Politik mit dem Ziel eines integrierten Konzepts ändern, das alle Aspekte ihrer Benachteiligung in Angriff nimmt;

12.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Programme zur beruflichen Bildung auf die Erfordernisse lokaler Arbeitsmärkte abzustimmen und denjenigen Arbeitgebern Anreize zu bieten, die unqualifizierte Arbeitnehmer (einschließlich Roma) einstellen und ihnen eine Ausbildung und Möglichkeiten bieten, praktische Erfahrungen direkt am Arbeitsplatz zu sammeln;

13.

fordert die nationalen und lokalen Behörden auf, jährlich nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Übersichten über die Wiederbeschäftigungsrate von Langzeitarbeitslosen (auch Roma), die ein Arbeitsmarkttraining absolviert haben, vorzulegen und auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen neue Methoden auszuarbeiten und an die lokalen Fähigkeiten und wirtschaftlichen Bedürfnisse angepasste Weiterbildungsprogramme zu initiieren;

14.

fordert die Mitgliedstaaten auf, EU-Mittel zu verwenden, um die traditionellen Aktivitäten der Roma zu schützen;

15.

teilt den Standpunkt der Kommission, dass die erwachsenen Roma aufgrund der vielfältigen Benachteiligung in der erwerbstätigen Bevölkerung und in der lebenslangen Weiterbildung unterrepräsentiert sind und oft keinen Zugang zu den Errungenschaften der modernen Kommunikationstechnologie (IKT) haben, während sie bei Langzeitarbeitslosigkeit und im Bereich der Tätigkeiten mit geringem Prestige überrepräsentiert sind, was die wichtigste Hürde für ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt darstellt; fordert deshalb die effektive Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG, die Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf verbietet;

16.

hält eine spezifische Gemeinschaftsaktion für erforderlich, um den Zugang zu den Berufsausbildungsprogrammen für Roma zu verbessern;

17.

weist die Mitgliedstaaten darauf hin, dass diese gesellschaftliche Dichotomie dazu führt, dass ein großer Teil der arbeitsuchenden Roma von der legalen Beschäftigung in die Schattenwirtschaft gedrängt wird, und dass koordinierte Maßnahmen auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich sind, um die Wiedereingliederung dieser Menschen in die legale Beschäftigung mit arbeitsbezogenen Rechten und Rechten im Bereich der sozialen Sicherheit zu gewährleisten;

18.

hält die Förderung einer integrativen Sozial- und Wirtschaftspolitik, auch durch Ad hoc-Maßnahmen für menschenwürdige Wohnungen, für erforderlich;

19.

verweist besonders auf die Tatsache, dass eine Förderung der Mobilität unqualifizierter und ungelernter Arbeitskräfte zu einer stärkeren Diskriminierung von Roma-Frauen führen könnte, die ohnehin durch Mehrfachdiskriminierung bereits besonders gefährdet sind, und dass dies ihre weiteren Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt behindern könnte;

20.

fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Roma-Frauen zu verbessern, indem sie die selbstständige Tätigkeit und die Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen erleichtern und den Zugang zu Mikrokrediten verbessern und indem sie eine Dienstleistungswirtschaft in den Roma-Siedlungen fördern, um die Kenntnisse und das Fachwissen von Roma-Frauen zu erweitern;

21.

fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, unter anderem, Anreizsysteme im Rahmen von Steuererleichterungen für Unternehmen zu schaffen, die Roma-Frauen beschäftigen;

22.

weist darauf hin, dass die Auflösung von Roma-Siedlungen nach den derzeit geltenden Regelungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung nur schwer mit EU-Mitteln zu verwirklichen ist, da mit der Untergrenze für die Bereitstellung von Mitteln für den Wohnungsbau, die für die Einwohnerzahl förderfähiger Siedlungen gilt, im Fall der nach 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten gerade die Bewohner der kleinsten Siedlungen, deren Wohnsituation besonders dramatisch ist, von der Förderung ausgeschlossen sind;

23.

betont, dass die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Roma einen umfassenden Ansatz und eine langfristige, koordinierte Lösung erfordert, wozu auch Maßnahmen im Bereich der Wohnraumbeschaffung, der Bildung, der Gesundheitsversorgung und des Arbeitsmarktes gehören; schlägt der Kommission und den Mitgliedstaaten deshalb vor, alle Maßnahmen, mit denen die Situation der Roma verbessert werden soll, als untrennbaren Bestandteil der Maßnahmen zur Förderung der regionalen Entwicklung und der sozialen Eingliederung zu betrachten;

24.

vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten die Neufassung der Regelungen für den Strukturfonds und den Kohäsionsfonds nutzen sollten, durch die komplexe Programme mehr Spielraum erhalten, weil 10 % der Mittel zwischen verschiedenen Fonds übertragen werden können;

25.

nimmt Kenntnis von dem Vorschlag für eine umfassende neue Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminierungen wegen des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Ausrichtung, der Religion oder der Weltanschauung außerhalb der Beschäftigung und fordert die effektive Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG; vertritt die Auffassung, dass die Kommission im Sinne der Sozialagenda gezielte Vorgaben aufstellen und gut ausgewogene Programme ausarbeiten muss, die zum Ziel haben, der Diskriminierung, der Stigmatisierung und der Kriminalisierung der Roma-Gemeinschaften ein Ende zu setzen;

26.

unterstreicht, dass die Grundvoraussetzung für die Förderung der sozialen Integration und des Zugangs zum Arbeitsmarkt für die Roma die Zuerkennung gleicher sozialer und politischer Rechte ist; fordert diesbezüglich die Mitgliedstaaten und die Bewerberländer auf, eine Strategie zur Verbesserung der Beteiligung der Roma an den Wahlen als Wähler und Kandidaten auf allen Ebenen festzulegen;

27.

unterstreicht die Bedeutung von Mikrokrediten, die in der Mitteilung der Kommission über eine erneuerte Sozialagenda und in der EWSA-Stellungnahme ebenfalls unter verschiedenen Gesichtspunkten empfohlen werden und die es den Ärmsten durch die Gewährung eines minimalen Betrags – beispielsweise durch die Gewährung eines Kredits zur Deckung der Kosten einer selbständigen Tätigkeit – ermöglichen, durch die Entfaltung ihrer unternehmerischen Fähigkeiten und Schaffenskraft persönliche Verantwortung zu übernehmen;

28.

unterstützt den Vorschlag der Organe der Union, im Sinne des Grundsatzes der Gleichberechtigung auf eine Erhöhung der im öffentlichen Dienst beschäftigten Roma hinzuwirken; weist jedoch darauf hin, dass es, um dies zu ermöglichen, nicht nur nötig ist, dass die Regierungen Personalpolitiken verfolgen und Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Erwerbsbevölkerung ergreifen, die dieses Ziel fördern, sondern dass hierzu auch besondere Bemühungen und eine aktive Unterstützung erforderlich sind, um die öffentliche Akzeptanz zu erleichtern;

29.

betont, dass sich, unter anderem auf dem Markt für soziale Dienste, im Gesundheitswesen, im Bereich der häuslichen Pflege, der Kantinenverpflegung und der Dienstleistungen im Bereich der Kinderbetreuung und -erziehung neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die arbeitslosen Roma (insbesondere Frauen) ergeben können; weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass im Bereich der sozialen Dienste eine dauerhafte Beziehung zwischen dem Erbringer und dem Nutzer der Dienstleistung gefordert wird, weshalb eine verstärkte Beschäftigung der Roma in diesen Bereichen nur im Falle der gesellschaftlichen Akzeptanz möglich ist, dass solche Beschäftigungspolitiken die soziale Akzeptanz aber gleichzeitig auch fördern;

30.

fordert die Mitgliedstaaten auf, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Rassenhass und Anstiftung zur Diskriminierung und Gewalt gegen die Roma in den Medien und in allen Formen der Kommunikationstechnologie zu beseitigen, und fordert die Massenmedien auf, bewährte Verfahren bei der Personaleinstellung einzuführen, die die Zusammensetzung der Bevölkerung widerspiegeln;

31.

stellt fest, dass Roma-Frauen häufig in der Schattenwirtschaft beschäftigt sind und ihre Beschäftigungsrate sehr niedrig ist und vertritt die Ansicht, dass, um die Mehrfachdiskriminierung, die hohe Arbeitslosigkeit und die Armut zu beseitigen, gezielte Maßnahmen darauf ausgerichtet sein sollten, den Roma-Frauen einen reellen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen, der eine Voraussetzung für die Verbesserung ihrer sozialen und familiären Stellung ist;

32.

ist der Auffassung, dass die Erwerbstätigkeit von Roma-Frauen auch durch den beschäftigungsfreundlichen Einsatz von Sozialleistungssystemen sowie durch angemessene Ausbildungs- und Berufsgänge gefördert werden muss, um sie langfristig auf eine Beschäftigung vorzubereiten, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen können und die es ihnen ermöglicht, Berufs- und Familienleben miteinander zu vereinbaren; fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit Roma-Kinder auch dann Plätze in Kinderbetreuungseinrichtungen erhalten, wenn ihre Mutter noch mit jüngeren Geschwistern zu Hause ist;

33.

betont, dass bessere Wohnungsbau- und Gesundheitsdienste den Zugang von Roma-Frauen zum Arbeitsmarkt verbessern und ihre Chancen auf einen längeren Verbleib in einem Beschäftigungsverhältnis vergrößern könnten;

34.

weist darauf hin, dass die Sozial- und Beschäftigungspolitik den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Bürger entsprechen und mehr Möglichkeiten für das größte Arbeitskräftepotenzial – wie ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und arme Menschen mit geringer Bildung, einschließlich der Roma – schaffen sollte;

35.

weist darauf hin, dass die Mehrfachdiskriminierung, mit der Roma-Frauen konfrontiert sind, ebenfalls anerkannt und im Rahmen von Maßnahmen zugunsten von Roma-Frauen speziell berücksichtigt werden sollte, wodurch eine doppelte, langfristig positive Wirkung auf sie und andere Familienmitglieder, insbesondere Kinder, erzielt werden könnte;

36.

widerspricht entschieden dem Standpunkt, dass Beihilfen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen (darunter vieler Roma) in das Erwerbsleben – ganz gleich, ob sie Arbeitgebern oder Arbeitnehmern gewährt werden – den Wettbewerb verzerren, da die Integration der Roma ein sozialpolitisches Ziel darstellt, das nur verwirklicht werden kann, wenn ihre Lage auf dem Markt mit Beihilfen gestützt wird; ist der Auffassung, dass die Subventionierung von Stellen auf dem Arbeitsmarkt zur Wiedereingliederung von Roma-Arbeitnehmern der Subventionierung von Langzeitarbeitslosigkeit vorzuziehen ist;

37.

vertritt die Ansicht, dass einige traditionelle Tätigkeiten der Roma, etwa im Bereich des Handwerks und Kunsthandwerks, sowohl zur Bewahrung der Besonderheiten dieser Bevölkerungsgruppe als auch zur Verbesserung ihrer materiellen Lage und sozialen Integration beitragen können; hält es in diesem Sinne für geraten, solche spezifischen Tätigkeiten zu unterstützen;

Überlebenskampf am Rand der Gesellschaft

38.

stellt fest, dass das Bild der Roma im Kulturkreis der Europäischen Union von einer starken Familientradition geprägt ist; weist darauf hin, dass die Roma-Familie von der Öffentlichkeit als kinderreiche Familie mit traditioneller Rollenverteilung wahrgenommen wird, in der mehrere Generationen zusammenleben, Verwandte in unmittelbarer Nähe wohnen und Beziehungen umfassend gepflegt werden; ist daher der Ansicht, dass die Programme der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten für Roma-Familien auf die Stärken dieses natürlichen sozialen Netzes bauen müssen;

39.

hält es für wichtig, die kulturellen Eigenheiten der Roma zu bewahren und hervorzuheben, um ihre kulturelle Identität zu schützen und zum Abbau der gegenüber ihnen herrschenden Vorurteile beizutragen; hält es in diesem Sinne für notwendig, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission eine aktivere Rolle bei der Förderung der Kultur der Roma-Minderheit übernehmen;

40.

schließt sich der Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses an, wonach Roma-Frauen in der Familienhierarchie einen geringen Status haben, früh heiraten, oft unter häuslicher Gewalt leiden und häufig zu Opfern von Prostitution und Menschenhandel werden;

41.

ist deshalb der Ansicht, dass die von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten für die Roma durchgeführten Programme auf die individuelle Loslösung von traditionellen Hierarchien und auf die sozioökonomische Unabhängigkeit der Mitglieder von Roma-Gemeinschaften, insbesondere Frauen, abzielen sollten;

42.

weist darauf hin, dass der tendenziell vorzeitige Schulabbruch bei Roma-Kindern mit Nachteilen für ihre individuelle Bildung, ihre soziale Eingliederung sowie ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbunden ist und dass sich bei Roma-Frauen ihre physische und psychische Gesundheit sowie die Tatsache, dass sie vorzeitig die Schule verlassen, außerdem negativ auf den Gesundheitszustand und die Bildung ihrer Kinder auswirkt und damit deren soziale Ausgrenzung begünstigt; weist aus diesem Grund darauf hin, dass Beratungsdienste für die Information von Roma-Frauen eine große Rolle spielen;

43.

fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass die bestehenden und künftigen rechtlichen Rahmenregelungen Bestimmungen vorsehen, um die vielfältigen Formen der Diskriminierung, mit denen Roma-Frauen zu kämpfen haben, zu verhindern und ihnen entgegenzuwirken, mit dem Ziel, die soziale und wirtschaftliche Lage dieser Frauen zu verbessern und zu gewährleisten, dass sie Zugang zu hochwertigen Gesundheits-, Kinderbetreuungs- und Bildungsdiensten als Voraussetzungen für Beschäftigung haben;

44.

ist überzeugt, dass es von entscheidender Bedeutung ist, den Integrationsprozess in einer frühen Lebensphase einzuleiten, um wirksam alternative Modelle zur Armut und gesellschaftlichen Ausgrenzung zu präsentieren; hält daher einen am Bedarf der Region und des Einzelnen ausgerichteten institutionellen Rahmen für gemeinschaftsbasierte soziale Dienste und Ausbildungseinrichtungen zugunsten von Kindern und Familien für notwendig, der den gleichberechtigten Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen gewährleistet; fordert die Kommission aus diesem Grund auf, in allen Ländern, denen EU-Fördermittel wie im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe und des Strukturfonds zur Verfügung stehen, Programme zur frühen Integration der Roma-Kinder in besonderem Maße zu unterstützen;

45.

stellt fest, dass Roma-Kinder an Sonderschulen unverhältnismäßig stark vertreten sind und es bei einem großen Teil der Kinder nicht gerechtfertigt, sondern meistens auf diskriminierende Verfahren zurückzuführen ist, dass sie auf Sonderschulen geschickt werden; weist darauf hin, dass die zwangsweise Versetzung von Kindern, die unrechtmäßig als geistig behindert eingestuft wurden, an eine Sonderschule eine Diskriminierung und eine schwerwiegende Verletzung ihres Grundrechts auf eine qualitativ hochwertige Bildung darstellt und die Fortsetzung des Bildungswegs und die Stellensuche am Arbeitsmarkt erschwert, häufiger zu Erwerbslosigkeit führt und zudem mit einer stärkeren Belastung des Haushalts verbunden ist;

46.

teilt die vom EWSA in seiner Stellungnahme vertretene Auffassung, dass zur Förderung der frühkindlichen Entwicklung auf die gesamte Familie ausgelegte, komplexe Formen der Hilfe gefordert sind, die am Bedarf der Familie orientierte, fallspezifische, praktische Hilfe bieten, wie das „sure start“-Programm;

47.

teilt die in der Stellungnahme des EWSA geäußerte Ansicht, dass die Roma-Gemeinschaft aufgrund ihrer demographischen Besonderheiten Sozialleistungen asymmetrisch beansprucht; betont, dass Sozialleistungen dafür vorgesehen sind, einen Ausgleich für Belastungen bzw. Defizite zu schaffen, die mit der jeweiligen Lebenssituation, der Verantwortung für Kinder oder der Übernahme von Aufgaben zum Nutzen der Gesellschaft verbunden sind;

48.

teilt die Empfehlung in der Stellungnahme des EWSA, dass beim Arbeitsplatzwechsel zwecks Förderung legaler Beschäftigungsverhältnisse zusätzliche Unterstützung gewährt werden sollte; betont, dass dafür gesorgt werden muss, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ein Interesse an legaler Arbeit haben;

49.

betont, dass die Ausgrenzung der Roma während ihres aktiven Lebensabschnitts ihren Zugang zu Diensten des Gesundheitswesens erschwert und für ihre Situation im Alter verantwortlich ist; betont ferner, dass bei Roma Faktoren wie der frühe Eintritt ins Arbeitsleben, die häufigen Phasen der Arbeitslosigkeit, der fehlende Arbeitsschutz, die in der Schattenwirtschaft geleistete, oft schwere körperliche Arbeit, die nicht als Erwerbszeit für etwaige Pensionsansprüche angerechnet wird, dazu beitragen, dass Roma keine ordentliche Altersrente erhalten und keinen menschenwürdigen Lebensabend haben;

50.

empfiehlt der Kommission, initiativ zu werden und die wirksamsten Maßnahmen zur Unterstützung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Integration dieser zahlenmäßig stärksten Minderheit innerhalb der Europäischen Union zu ermitteln; betont die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten, um konkrete Schritte zur Lösung der komplexen grenzüberschreitenden Probleme der Roma zu unternehmen;

Fazit

51.

vertritt die Auffassung, dass die Bewahrung der Sprache und der Kultur der Roma ein gemeinschaftliches Anliegen ist; kann sich der Vorstellung der Roma als Bürger einer „europäischen Nation“ ohne Staat jedoch nicht anschließen, weil dies die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung entheben und die Möglichkeit der Integration in Frage stellen würde;

52.

macht die Mitgliedstaaten auf die Gefahr aufmerksam, dass überzogene Maßnahmen gegenüber den Roma-Gemeinschaften eine Verschärfung der schon jetzt dramatischen Situation dieser Minderheit und eine Gefährdung ihrer Integrationschancen zur Folge haben könnten;

53.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mit Nichtregierungsorganisationen (NRO), Roma-Gemeinschaften und -Führern zusammenzuarbeiten, um einen für alle akzeptablen Plan für die soziale Eingliederung der Roma auszuarbeiten, der im Rahmen einer engen Partnerschaft umgesetzt werden sollte;

54.

fordert die Mitgliedstaaten auf, Projekte zu entwickeln und durchzuführen, die der Bekämpfung von negativen Klischeevorstellungen von Roma auf allen Ebenen dienen und die gefördert werden können im Rahmen des Strukturfonds und des Kohäsionsfonds sowie durch spezielle Programme wie beispielsweise „Progress“ oder durch Initiativen wie das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs 2008 und das bevorstehende Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010;

55.

stellt fest, dass die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Roma im Rahmen des Erweiterungsprozesses zwar eine wichtige Überlegung war, dass im Allgemeinen jedoch nur begrenzte Fortschritte erzielt wurden; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, frühere und laufende Programme und Initiativen zu überprüfen und ihre Ergebnisse auszuwerten; vertritt die Auffassung, dass es Aufgabe der Europäischen Union ist, die Instrumente der sozialen Eingliederung besser und genauer aufeinander abzustimmen, und dass dies dazu beitragen sollte, die Armut zu bekämpfen, den Roma Zugang zu besseren, dauerhafteren und stabileren Arbeitsplätzen zu verschaffen, den Weg für eine verstärkte soziale Integration und wirksamere Schutzmechanismen zu ebnen, und eine Grundlage dafür schaffen sollte, die politischen Erfahrungen auszuwerten, voneinander zu lernen und ein kohärentes System zur Analyse bewährter Verfahren zu schaffen;

56.

fordert die Kommission auf, für jeden ihrer politischen Tätigkeitsbereiche systematisch auszuwerten, wie sich Zielsetzungen und Maßnahmen auf die Roma auswirken, und in diesem Zusammenhang eine kohärente politische Strategie auszuarbeiten und einen hohen Grad an Koordinierung anzustreben; ersucht die Kommission darum, die Mitgliedstaaten aufzufordern, in Berichten zu integrierten Leitlinien sowie zum offenen Koordinierungssystem für soziale Integration auf Veränderungen der Lage der Roma einzugehen; fordert die Kommission auf, das Ausmaß der Diskriminierung zu überwachen, die Lage der Roma in Bezug auf Bildung, Beschäftigung, soziale Lage, Gesundheit und Wohnsituation in regelmäßigen Abständen durch Erhebungen in den Mitgliedstaaten und Beitrittsländern zu dokumentieren;

57.

fordert die Kommission auf, den Mitgliedstaaten nahezulegen, so rasch wie möglich schlüssige Beschäftigungskonzepte für benachteiligte Gruppen, einschließlich der Roma im Erwerbsalter, anzunehmen, mit flankierenden Maßnahmen zur Erleichterung der allmählichen Eingliederung dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt, um der durch das Sozialhilfesystem geschaffenen Abhängigkeit entgegenzuwirken;

58.

fordert die Kommission auf, mit den verschiedenen internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten und den Aufbau eines wissenschaftlichen Netzes von Roma-Sachverständigen zu unterstützen, das durch Forschung, Analyse, Sammlung von Daten und Ausarbeitung von Empfehlungen wissenschaftliche Daten und Unterstützung anbieten könnte, um das Thema Roma in seiner Gesamtheit zu beurteilen, Maßnahmen festzulegen, auf der Grundlage der von ihnen erstellten Berichte eine ausgewogene Darstellung der Gesamtsituation abzugeben und mindestens alle zwei Jahre auf EU-Ebene eine umfassende Bewertung vorzulegen;

59.

kritisiert die Mitgliedstaaten, die das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 noch nicht ratifiziert haben; fordert diese Mitgliedstaaten auf, die Ratifizierung unverzüglich nachzuholen; fordert die Mitgliedstaaten, die in Verbindung mit dem Rahmenübereinkommen einschränkende Erklärungen abgegeben haben, die sich auf die Anerkennung der Roma als nationale Minderheit auswirken, auf, diese Erklärungen zurückzuziehen;

60.

empfiehlt den Mitgliedstaaten,

a)

eine hochrangige EU-Sachverständigengruppe einzusetzen und Vertreter aus den Reihen der Roma mit einzubeziehen, um die Roma-Strategie der Mitgliedstaaten und die Verwendung von EU-Mitteln zu deren Förderung zu koordinieren,

b)

partnerschaftliche Beziehungen zwischen den verschiedenen Interessenvertretungen der Roma und den zuständigen staatlichen Einrichtungen der Mitgliedstaaten zu knüpfen,

c)

Instrumente zu schaffen wie zinsbegünstigte Darlehen oder staatliche Kredite und bei Agrarsubventionssystemen als wichtiges Ziel zu verankern, dass Roma-Bürger in die Lage versetzt werden, ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft zu verdienen, damit sie neben oder anstelle von Lohnarbeit in der Landwirtschaft der Möglichkeit, Organisationsformen der landwirtschaftlichen Produktion einschließlich sozialer Genossenschaften zu nutzen und die dazu erforderlichen Finanzmittel zu beschaffen, aufgeschlossener gegenüberstehen;

61.

ist der Ansicht, dass die Definition des Begriffs der „Mehrfach-Benachteiligung“ in einigen Mitgliedstaaten treffend auf die Zielgruppe (Roma-Siedlungen oder Teile davon) angewandt werden kann, dass über diese Zielgruppe kleinere Einheiten, wie die Familie und die Einzelperson, jedoch schwer zu erreichen sind;

62.

ist indessen der Meinung, dass die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um mit der freiwilligen und anonymen Datenerfassung und der Erstellung einer vergleichenden Datenbank beginnen zu können, wobei die Datenschutzbestimmungen und die Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte einzuhalten sind und auf Vorgehensweisen, die die menschliche Würde verletzen, verzichtet wird; fordert die Kommission auf, Vorschläge für die notwendigen Änderungen an den Rechtsvorschriften einzubringen;

63.

fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung, Überprüfung und Validierung einer Sammlung bewährter Verfahrensweisen im Rahmen der Programme zugunsten der Roma, unter anderem bezüglich Wohnung, Bildung und Beschäftigung zu fördern, die auf Untersuchungen einer unabhängigen Einrichtung basieren;

64.

vertritt den Standpunkt, dass die Erstellung der Datenbank keine Alternative, sondern die Voraussetzung für ein Datenerhebungs- und Bewertungssystem darstellt, das einen Vergleich der Ergebnisse ermöglicht, die durch den Austausch der besten Erfahrungen und die Nutzung der Ressourcen erzielt werden; stellt fest, dass dafür ein alle Lebensbereiche umfassendes, generell verfügbares Indikatorensystem benötigt wird, mit dem neben den programmspezifischen Ausgangs- und Eingangsindikatoren auch die gesamtgesellschaftlichen Ergebnis- und Wirkungsindikatoren als Förderbedingungen berücksichtigt werden; schlägt aus diesem Grund vor, dass die Kommission dieses Indikatorensystem in der Rahmenverordnung über die Strukturfonds und in den Verordnungen über andere Formen von Zuschüssen der öffentlichen Hand verankert;

65.

vertritt die Auffassung, dass die Kommission für Entwicklungsprogramme, die mit Gemeinschaftsmitteln finanziert werden und über deren Beitrag zur Verhinderung oder Verringerung der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Roma Rechenschaft erwartet werden kann, konsistentere und einheitlichere Zielvorgaben aufstellen sollte; vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten und die Organe der Union bei allen aus dem Struktur- und dem Kohäsionsfonds finanzierten Entwicklungsprogrammen überprüfen sollten, inwiefern sie zur gesellschaftlichen Integration der Roma beitragen; empfiehlt darüber hinaus, bei Programmen in der Auswahlphase grundsätzlich jene Entwicklungsmaßnahmen bevorzugt zu behandeln, die darauf ausgerichtet sind, die Situation der in besonders benachteiligten Siedlungen lebenden Roma und jener, die arm und arbeitslos sind, zu verbessern;

66.

fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit jedem Mitgliedstaat eine umfassende an die breite Öffentlichkeit und an die Roma gerichtete Informationskampagne über Programme der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma und über ihre laufende Umsetzung auszuarbeiten und durchzuführen;

67.

fordert die Kommission auf, Maßnahmen und Initiativen sowie deren Auswirkungen auf die Verbesserung der Lage der Roma auf dem Arbeitsmarkt ständig zu überwachen;

68.

regt an, dass die von der Union bewilligten Mittel unter anderem in „zielgerichtete“ Programme fließen sollten, an denen auch Experten aus Organisationen mit Erfahrungen in diesem Bereich zur Unterstützung und Beratung mitwirken sollten und die darauf ausgerichtet sind, die Nachteile der Roma bei Bildung und Ausbildung auszugleichen; ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten – auch wenn sie über die Zuteilung von Gemeinschaftsmitteln und eigenen Haushaltsmitteln zur Finanzierung anderer Bereiche als der frühkindlichen Erziehung und Allgemeinbildung entscheiden – berücksichtigen müssen, ob die Kommunalverwaltungen, die Organisationen usw., die die Fördermittel beantragen, ihren Verpflichtungen zur Beseitigung der Ausgrenzung nachgekommen sind;

69.

fordert die Kommission auf, nationale Behörden dazu aufzurufen, die diskriminierende Vertreibung von in Slums lebenden Roma zu beenden und stattdessen konkrete Wohnraumprojekte zu entwickeln und dabei das Fachwissen und die Überwachungsmechanismen unter anderem der Kommission, der Weltbank und der auf Belange der Roma spezialisierten NRO in Anspruch zu nehmen; ist davon überzeugt, dass die Wohnungsprobleme der in ländlichen Gebieten lebenden Roma vorrangig gelöst werden müssen, dass ihnen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte und dass Handlungsbedarf besteht;

70.

fordert die Kommission auf, nicht nur die zivilgesellschaftlichen Organisationen, sondern insbesondere auch das Potenzial der Roma zur Selbstorganisation und Mitwirkung an der Integrationspolitik zu fördern, den Fortschritt und die Entwicklung der Gemeinschaften mit besonderen Projekten zu unterstützen, die dazu beitragen, dass die Roma sich stärker am Entscheidungsprozess beteiligen und verstärkt Verantwortung für die gemeinsam getroffenen Entscheidungen übernehmen;

71.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zusammen mit auf die Belange von Roma spezialisierten NRO bestehende Politiken und Programme zu prüfen, um Lehren aus den fehlgeschlagenen Projekten der Vergangenheit zu ziehen;

72.

fordert die Kommission auf, NRO, die sich für die Belange der Roma einsetzen, auf EU-Ebene sowie auf nationaler und lokaler Ebene zu unterstützen, um die zugunsten der Roma durchgeführten Maßnahmen und Programme zu überwachen und zu begleiten ebenso wie Aufklärungsmaßnahmen der Gemeinschaft für Demokratie und Menschenrechte;

73.

schlägt der Kommission und den Mitgliedstaaten die Schaffung eines EU-weiten Forums vor, über das sich soziale Gremien, Gewerkschaften und NRO, die die Roma und deren Interessen vertreten, ständig gegenseitig konsultieren können, um Leitlinien auszuarbeiten und bewährte Verfahren auszutauschen und so ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene zu fördern;

74.

fordert die Mitgliedstaaten auf, einen proaktiveren Ansatz zu verfolgen, indem sie die Verlagerung von Arbeitsplätzen dorthin, wo sich die Roma-Gemeinschaften befinden, fördern und ferner Roma ermuntern, dorthin umzuziehen, wo es Arbeitsplätze gibt;

75.

weist die Mitgliedstaaten und die Kommission darauf hin, dass die Sozialfürsorge bei der Unterstützung und Stärkung benachteiligter Gemeinschaften wie der Roma zwar eine Schlüsselrolle spielen muss, dass jedoch die Förderung der Selbsthilfe ebenfalls wichtig ist; vertritt die Ansicht, dass die langfristige Hilfe in einer Kultur der Unabhängigkeit und nicht der Abhängigkeit bestehen sollte;

76.

ist der Ansicht, dass der Schaffung lokaler Arbeitsplätze und der Förderung des Unternehmertums sowie des lokalen Handwerks und der Entwicklung der Grundfertigkeiten, die zur Erfüllung der entsprechenden Aufgaben erforderlich sind, eine viel höhere Priorität eingeräumt werden müsste, damit mehr Wohlstand wie auch ein stärkeres Selbstwertgefühl entstehen können;

*

* *

77.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Bewerberländer zu übermitteln.


(1)  ABl. C 45 E vom 23.2.2006, S. 129.

(2)  ABl. C 298 E vom 8.12.2006, S. 283.

(3)  Angenommene Texte, P6_TA(2008)0035.

(4)  Angenommene Texte, P6_TA(2008)0361.

(5)  Angenommene Texte, P6_TA(2008)0467.

(6)  ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.

(7)  ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.

(8)  Angenommene Texte, P6_ΤΑ(2008)0286.

(9)  ABl. C 102 Ε vom 24.4.2008, S. 321.

(10)  ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 88.


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