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Document 52009IE1717

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Energie und Klimawandel als zentrale Aspekte der erneuerten Lissabon-Strategie“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 128 vom 18.5.2010, p. 36–40 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    18.5.2010   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 128/36


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Energie und Klimawandel als zentrale Aspekte der erneuerten Lissabon-Strategie“

    (Initiativstellungnahme)

    (2010/C 128/07)

    Hauptberichterstatterin: Ulla SIRKEINEN

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Juni 2008, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Energie und Klimawandel als zentrale Aspekte der erneuerten Lissabon-Strategie“ (Initiativstellungnahme).

    Das Präsidium beauftragte die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (Beobachtungsstelle für die Lissabon-Strategie) mit der Vorbereitung der Arbeiten.

    In Anbetracht der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 4. November), Ulla SIRKEINEN zur Hauptberichterstatterin zu bestellen, und verabschiedete mit 164 gegen 6 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.   Der Klimawandel und die Sicherung der Energieversorgung sind zwei der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Produktions- und Verbrauchsmuster müssen sich in Richtung eines geringeren Treibhausgasausstoßes und eines geringeren Energieverbrauchs verändern. Einige Produktionen werden verschwinden, andere aufblühen und gedeihen. Vorhandene Arbeitsplätze werden abgebaut werden und neue entstehen; Unterstützungsmaßnahmen sind erforderlich. Der Bedarf an Kompetenzen und Wissen wird sich ändern. Forschung und umfangreiche Investitionen werden gebraucht.

    1.2.   Statt politischer Absichtserklärungen sind nun dringend praktische Maßnahmen gefragt, was jedoch nicht leicht sein wird. Unsere politischen Entscheidungsträger müssen den Bürgerinnen und Bürgern diese Herausforderungen und die hieraus resultierenden Folgen klar vor Augen führen und die erforderlichen Maßnahmen sorgfältig planen. Ohne die Unterstützung durch die Bürger und die Zivilgesellschaft kann kein Wandel vollzogen werden. Viele Fragen bezüglich der Auswirkungen politischer Beschlüsse der EU bleiben offen und bedürfen weiterer Untersuchungen und Informationen seitens der Kommission.

    1.3.   Konkrete Schritte hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft dürfen auch vor dem Hintergrund der aktuellen Konjunkturabschwächung - und sei sie noch so ernsthaft - nicht aufgeschoben werden. Die Krise könnte und sollte als Chance für einen Neustart mit einem anderen Ansatz in Bezug auf Wachstum gesehen werden. Der EWSA unterstreicht insbesondere die Bedeutung eines internationalen Übereinkommens in Kopenhagen.

    1.4.   In die erneuerte Lissabon-Strategie muss ein Aktionsplan für eine kohlenstoffarme Wirtschaft aufgenommen werden. In diesem Rahmen muss den drei Pfeilern der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen werden: Wirtschaft, Umwelt und Soziales; daneben dürfen auch die Gesamtziele Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung nicht außer Acht gelassen werden. Ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsrahmen ist eine grundlegende Voraussetzung für das Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele; zudem können energie- und klimapolitische Maßnahmen unter der Voraussetzung eines geeigneten Ansatzes zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung beitragen.

    1.5.   Schwerpunktbereiche für Maßnahmen sind die technologische Entwicklung und Investitionen, Bewusstsein und Verhalten, Gesellschaft und Schulungs- und Bildungsbedarf sowie die internationale Dimension. Die Erzielung realer und nachhaltiger Ergebnisse erfordert sowohl Zeit als auch Ressourcen.

    1.6.   Der EWSA empfiehlt Folgendes:

    Die EU sollte sich jetzt, nachdem ein umfassender Rechtsrahmen für Energie und Klimaschutz aufgestellt worden ist, auf die praktische Umsetzung konzentrieren.

    Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und für Energieeinsparungen, Investitionen in eine ausreichende Energieerzeugungs- und -versorgungsinfrastruktur, einschließlich intelligenter Stromnetze, ein liberalisierter Energiebinnenmarkt und eine starke Position der EU auf der internationalen Bühne sind für die Sicherung der Energieversorgung erforderlich und fördern dabei auch die Klimaschutzziele.

    Wirksame politische Maßnahmen sollten in die integrierten Leitlinien, in die länderspezifischen Empfehlungen und die nationalen Reformprogramme der künftigen Lissabon-Strategie einfließen.

    Die EU und die Mitgliedstaaten müssen sich auf die technologische Entwicklung konzentrieren und im scharfen internationalen Wettbewerb mehr in Forschung, Entwicklung und Innovation für umweltfreundliche Technologien investieren und dazu eventuell Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt umverteilen.

    Es muss für günstige Rahmenbedingungen für die Markteinführung von und Investitionen in neue Technologien gesorgt werden.

    Um Verbraucher zu Verhaltensänderungen anzuregen, müssen die Kommission und andere einschlägige Akteure für verlässliche und zutreffende Informationen, eine Auflistung bewährter Verfahren und zielführende Unterstützungsmaßnahmen sorgen.

    Bildungs- und Schulungsmöglichkeiten, insbesondere das lebenslange Lernen, müssen allen offen stehen, damit Anpassungen an die Änderungen in Produktions- und Verhaltensmustern möglich sind.

    Die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Energiepreise müssen im Auge behalten werden, um das Risiko der Energiearmut und eine mögliche Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit sowie verheerende Auswirkungen von Förderregelungen für erneuerbare Energieträger zu vermeiden.

    Die EU muss alle erdenklichen Bemühungen entfalten, um zu einem internationalen Klimaschutzübereinkommen zu gelangen, das weltweit für alle die gleichen Ausgangsbedingungen schafft, einschließlich eines internationalen Handelssystems oder kompatibler Systeme.

    Die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner müssen aktiv in die gewaltige Anstrengung der Umgestaltung unserer Volkswirtschaften eingebunden werden. Der EWSA ist bereit, seinen Teil der Verantwortung zu übernehmen.

    Begründung

    2.   Einleitung: Sachstand

    Energiepolitik

    2.1.   Die Energiepolitik der EU verfolgt drei parallele Ziele: Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz einschließlich Eindämmung des Klimawandels. Ggf. ist der Versorgungssicherheit Priorität einzuräumen. Eine unzureichende Energieversorgung oder auch Energieerzeugung wird zu einer immer realeren Bedrohung, vor allem wenn die wirtschaftliche Erholung einsetzt.

    2.2.   Die Umwelt- und Klimaauswirkungen der Erzeugung und großmaßstäblichen Nutzung von Energie sind Gegenstand von EU-Rechtsvorschriften. Die EU hat in ihrem Emissionshandelssystem neue Obergrenzen für den Schadstoffausstoß in der Energieerzeugung, den energieintensiven Wirtschaftszweigen und dem Luftverkehr beschlossen. Die praktischen Auswirkungen dieser Vorschläge sind trotz Folgenabschätzungen auf aggregierter Ebene noch nicht bekannt.

    2.3.   Energieeffizienz und Energieeinsparung in allen Bereichen der Energienutzung sowie in der Energieerzeugung ist der wesentliche und potenzialträchtige Baustein für Energiesicherheit und geringere Emissionen. Die EU hat hier schon für verschiedene Maßnahmen gesorgt, weitere politische Maßnahmen sind in Vorbereitung. Praktische Maßnahmen in den Mitgliedstaaten sind jedoch noch ein rares Gut.

    2.4.   Die Energiequellen und Energieversorgungswege müssen diversifiziert werden, und der Energiemix sollte auf kohlenstoff- und emissionsarme Alternativen - wie erneuerbare Energien und Kernkraft - ausgerichtet werden, um den Umwelt- und Klimaanforderungen gerecht zu werden. Für Beschlüsse über den Energiemix und seine Optimierung sind die Mitgliedstaaten zuständig, doch können EU-Politiken für erneuerbare Energien und auch Umwelt- und Klimaschutzvorschriften eine Richtung für die Entscheidung vorgeben.

    2.5.   Europa muss in internationalen Energiebeziehungen und auf den internationalen Energiemärkten als stärkerer Akteur auftreten. Die 2009 erneut aufgetretenen Probleme im Zusammenhang mit Gaslieferungen könnten den letzten Anstoß für die schon lange überfällige Entschlossenheit zur Zusammenarbeit geben.

    Klimaschutzmaßnahmen

    2.6.   Das Energie- und Klimaschutzpaket aus dem Jahr 2008 enthält Maßnahmen in allen Bereichen, um die hinlänglich bekannten „20-20-20“-Ziele bis 2020 zu erreichen. Das Hauptziel bei den Treibhausgasemissionen würde im Rahmen eines ausreichend ehrgeizigen und umfassenden internationalen Übereinkommens auf 30 % erhöht werden.

    2.7.   Für einen großen Teil der Maßnahmen zur Emissionsverringerung sind die Mitgliedstaaten zuständig. Über viele Einzelheiten der Rechtsvorschriften, insbesondere in Bezug auf das Emissionshandelssystem und das Problem des „carbon leakage“, d.h. der Verlagerung von CO2-Emissionen in Drittländer, muss noch auf EU-Ebene entschieden werden.

    2.8.   Noch ist nicht sicher, wie das ganze System in der Praxis funktionieren wird. Wichtige Fragen sind z.B. die Bepreisung von CO2, steigende Energiepreise aufgrund von Fördermaßnahmen für erneuerbare Energieträger und die Kosten für Haushalte aufgrund von Maßnahmen in Bereichen, die nicht unter das EU-ETS fallen. Die Kommission muss mehr Untersuchungen durchführen und Informationen bereitstellen.

    2.9.   Der Abschluss der Verhandlungen über ein internationales Klimaschutzübereinkommen wird für Dezember 2009 in Kopenhagen erwartet. Der EWSA hat seine diesbezüglichen Ansichten in einer gesonderten Stellungnahme dargelegt. Der Europäische Rat hat sich auf die Grundzüge für die Vorbereitung des Treffens in Kopenhagen verständigt, einschließlich der Vorbereitung einer Lastenaufteilung zwischen den Mitgliedstaaten, um die ärmsten Länder zu unterstützen.

    3.   Themen, die in der erneuerten Lissabon-Strategie und in der Klimapolitik aufgegriffen werden müssen

    3.1.   Eine kohlenstoffarme Wirtschaft erfordert einen umfassenden industriellen Wandel. Die Emissionen müssen verringert werden, und die Nutzung von Energie und natürlichen Ressourcen muss vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden. Produktions- und Verbrauchsmuster müssen sich ändern. Einige Produktionen werden verschwinden, andere aufblühen und gedeihen, vorhandene Arbeitsplätze werden abgebaut werden und neue entstehen. Der Bedarf an Kompetenzen und Wissen wird sich ändern. Umfangreiche Investitionen sind erforderlich, ebenso wie auch die entsprechenden sozialen Unterstützungsmaßnahmen.

    3.2.   Unsere politischen Entscheidungsträger müssen dies und die hiermit verbundenen Folgen für unseren Alltag deutlich machen. Die Regierungen müssen deutlich machen, was nötig ist, wie etwa die Frage, wie viel fossile Energie substituiert werden muss und wodurch, oder wie viel Energie jeder von uns einsparen muss. Ohne die Unterstützung und das aktive Handeln der Bürgerinnen und Bürger ist kein Wandel möglich. Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle.

    3.3.   Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Sicherung von Europas Energieversorgung dürfen auch vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise nicht aufgeschoben werden. Maßnahmen zur Abschwächung der Wirtschaftskrisen sollten die Ziele einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unterstützen und umgekehrt. Die Krise könnte und sollte als Chance für einen Neustart mit einem anderen Ansatz in Bezug auf Wachstum gesehen werden.

    3.4.   Der Großteil der politischen Maßnahmen und Rechtsvorschriften im Energie- und Klimabereich für die kommenden Jahre besteht bereits - mit der großen und wesentlichen Ausnahme eines internationalen Übereinkommens. Auf nationaler Ebene ist nun intensives Aktivwerden angesagt, und noch ist nicht bekannt, wie all dies funktionieren wird. Änderungen bei den Zielen oder den Rechtsvorschriften müssen nun vermieden werden, um allen Akteuren die Möglichkeit zu geben, ihre Maßnahmen vorzubereiten und durchzuführen, und das mit größtmöglicher und langfristiger Planungssicherheit. Die Bemühungen müssen sich nun auf die praktische Umsetzung richten.

    3.5.   In die erneuerte Lissabon-Strategie muss ein Aktionsplan für eine kohlenstoffarme Wirtschaft aufgenommen werden. In diesem Rahmen muss den drei Pfeilern der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen werden: Wirtschaft, Umwelt und Soziales; daneben dürfen auch die Gesamtziele Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung nicht außer Acht gelassen werden.

    3.6.   Sorgfältig geplante und auf ihre Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit geprüfte geeignete Maßnahmen sollten in die Strukturpolitik im Rahmen der integrierten Leitlinien, der länderspezifischen Empfehlungen und nationalen Reformprogramme einfließen. Die Kommission sollte ihre Kontrolle der Umsetzung durchsetzen. Zusätzlich zum BIP müssen weitere Indikatoren eingesetzt werden, um die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit verfolgen zu können.

    3.7.   Der Wandel wird einerseits von der technischen Entwicklung und andererseits von Mentalitäts- und Verhaltensänderungen angetrieben. Beides braucht Zeit, um reale und dauerhafte Ergebnisse zu erzielen. Weitere wichtige Fragen sind Investitionen, gesellschaftliche und bildungsbezogene Aspekte und die internationale Dimension.

    Technologie

    3.8.   Der weltweite Technologie-Wettbewerb ist intensiv. Die USA haben erhebliche Ressourcen für die Erforschung und Entwicklung von Technologien zur Eindämmung des Klimawandels bereitgestellt. Ähnliche Tendenzen sind in anderen Industrieländern und zunehmend auch in großen, sich rasch entwickelnden Entwicklungsländern zu beobachten.

    3.9.   Europa muss sein Potenzial ausschöpfen und sich als Vorreiter bei „sauberen“ Technologien in den Bereichen erneuerbare Energien und Klimaschutz etablieren. Dies ist eine sehr anspruchsvolle und drängende Aufgabe, da z.B. Japan beim Hybridauto und dem E-Auto vorne liegt und China die EU bei Windtechnologien und die USA bei der Photovoltaik bald überflügeln könnte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Bepreisung von Kohlendioxid allein als Anreiz für einen technologischen Wandel ausreicht.

    3.10.   Die Kommission hat verschiedene Initiativen zur Förderung sauberer/erneuerbarer Energie- und Klimatechnologien vorgelegt. Für diese Zwecke sollten mehr Mittel aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden.

    3.11.   Die effizientesten Technologien werden nur aus Vielfalt und einem gesunden Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Ansätzen, Innovationen und Verfahren hervorgehen. Das bedeutet, dass jedwede nutzbringende Technologie, wie etwa Kernenergiesysteme der Generation IV und Kernfusion, keinesfalls vorzeitig verworfen, sondern konsequent weiterentwickelt werden sollte.

    3.12.   Das umfangreiche Entwicklungs- und Verbreitungspotenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sollte genutzt werden.

    3.13.   Erneuerbare Energietechnologien, die sich noch weit von der Wirtschaftlichkeit befinden, sollten nicht mittels hoher Förderkosten (oder erzwungener Abnahmepreise) verfrüht in den Markt gedrängt werden. Diese Mittel sollten stattdessen solange in die Erforschung und Entwicklung nachhaltiger und CO2-vermeidender Techniken investiert werden, bis sich deren Rentabilität abzeichnet.

    3.14.   Der Anteil der EU an der Finanzierung von FuE und Innovation ist im Vergleich zu den von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Mitteln gering. Derzeit fallen die Anteile in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aus. Die Aufstockung der insbesondere für FuE für saubere Technologien vorgesehenen Ressourcen, einschließlich der Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionsrechten im Rahmen des ETS ist von wesentlicher Bedeutung; durch eine effiziente Zusammenarbeit sollten eine kritische Masse und Exzellenz von Weltniveau angestrebt werden. Diese Maßnahmen müssen spürbar in die Leitlinien und nationalen Aktionspläne der erneuerten Lissabon-Strategie einfließen.

    Investitionen

    3.15.   Neue Technologien und Innovationen kommen durch Investitionen in Haushalten, Unternehmen und im öffentlichen Sektor zum Einsatz. Investitionen sind sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung und die Beschäftigung als auch für das Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele erforderlich.

    3.16.   Der Investitionsbedarf in die Energieerzeugungs- und -versorgungsinfrastruktur ist enorm und dringend. Z.B. werden im nächsten Jahrzehnt ca. 1 000 Mrd. EUR benötigt, um überalterte Stromerzeugungskapazitäten zu ersetzen, auch wenn die Nachfrage nicht zunimmt. Insbesondere grenzüberschreitende Versorgungsnetze und die Möglichkeiten für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern in die Stromnetze müssen erheblich verbessert werden. Der Investitionsstillstand in der Rezession und seine möglichen längerfristigen Folgen geben Anlass zu ernsthafter Besorgnis.

    3.17.   Investitionen erfordern gewisse Rahmenbedingungen. Dies umfasst einen gesunden Wirtschaftsrahmen, Marktnachfrage und Marktzugang. Der Rechtsrahmen muss solide und verlässlich sein, um administrative und finanzielle Belastungen von Unternehmen zu vermeiden. Nur rentable Unternehmen können in die technologische Entwicklung und die Übernahme neuer Technologien investieren.

    3.18.   Ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsrahmen ist daher eine grundlegende Voraussetzung für das Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele. Zudem können diese Ziele unter der Voraussetzung eines geeigneten politischen Ansatzes Wachstum und Beschäftigung schaffen.

    3.19.   Die finanziellen Mittel werden unter Druck geraten, wenn FuE und Investitionserfordernisse innerhalb der EU mit der notwendigen Finanzierung der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an seine Auswirkungen in den Entwicklungsländern konkurrieren müssen. Den Mitgliedstaaten werden Einkünfte aus der Versteigerung von Emissionsrechten zur Verfügung stehen, doch können diese nicht den gesamten Bedarf decken. Die Entscheidungsträger müssen eine Zunahme der Belastung für Unternehmen (wodurch ihre Investitionen in neue Technologien gefährdet würden) sorgfältig abwägen.

    Bewusstsein und Verhalten

    3.20.   Um ihr Verhalten ändern zu können, müssen die Menschen wissen, worum es geht und was geändert werden muss. Sie müssen stärker für das sensibilisiert werden, was sie selbst tun können, und es muss die notwendige Bildungsarbeit geleistet werden. Diese Aufgabe obliegt sowohl den Regierungen als auch den Organisationen der Zivilgesellschaft. Ein hilfreiches Instrument wäre eine von der Kommission bereitgestellte Auflistung bewährter Verfahren.

    3.21.   Es ist zwar sehr positiv hervorzuheben, dass der Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen heute beim Marketing und bei Ratschlägen für die Verbraucher nach ganz oben gerückt sind, doch bedauerlicherweise gibt es auch irreführende Informationen. Hiergegen müssen die einschlägigen Akteure vorgehen.

    3.22.   Die EU stützt sich in ihrer Klimapolitik zu Recht weitgehend auf Marktinstrumente. Preissignale dürften das Verhalten von Verbrauchern und Unternehmen verändern. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen, um alle notwendigen Veränderungen herbeizuführen. In einigen Fällen, wie etwa im Bausektor, sind Rechtsvorschriften erforderlich, in einigen anderen Fällen wird positive Unterstützung gebraucht.

    3.23.   Eine bessere Energieeffizienz ist normalerweise auch mit finanziellen Einsparungen verbunden. Starke Anreize sind insbesondere in den Fällen mit einer relativ langen Amortisationsdauer nötig, bzw. dann, wenn derjenige, der die Kosten trägt, nicht auch den Nutzen hat. Der Ausschuss hat der Kommission bereits bei früherer Gelegenheit vorgeschlagen, die Machbarkeit sektorspezifischer Ziele für die Energieeffizienz zu prüfen, vor allem bei binnenmarktrelevanten Sektoren.

    3.24.   Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt handhabt die EU verpflichtende gemeinsame Regeln für staatliche Beihilfen.

    Gesellschaftliche und Bildungsaspekte

    3.25.   Verbrauchsmuster ändern sich im Laufe der Zeit, daher ändert sich auch die Produktion. Einer Studie von EGB und SDA (1) zufolge ist der Netto-Beschäftigungseffekt von Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen um ca. 40 % bis 2030 leicht positiv. Dieses Ergebnis und dieser Ansatz werden hingegen von anderer Seite als zu optimistisch betrachtet (2). Die Studie kommt zu dem Schluss, dass jedoch erhebliche Veränderungen bei den Tätigkeitsstrukturen und den Qualifikationsanforderungen stattfinden werden. Die Veränderungen innerhalb der Sektoren werden umfassender sein als zwischen den Sektoren. Beispielsweise wird eine Beschäftigungsverlagerung von der Stromerzeugung zu mit Energieeffizienz verbundenen Tätigkeiten bzw. vom Straßentransport auf Schiene und Wasser erwartet.

    3.26.   Es herrscht ein großer Bedarf an allgemeiner und beruflicher Bildung, um die Unternehmen, die Dienste des öffentlichen Sektors und die Beschäftigten in die Lage zu versetzen, mit den Veränderungen zurecht zu kommen. Dieser Bedarf, einschließlich des lebenslangen Lernens, war das Hauptthema einer früheren EWSA-Stellungnahme zum Thema Klimawandel und Lissabon-Strategie.

    3.27.   Die Kommission hat vor kurzem Vorschläge für eine bessere Antizipation von Qualifikationserfordernissen vorgelegt, die für eine zeitgerechte Reaktion in Bezug auf die allgemeine und berufliche Bildung unerlässlich ist. Eine bessere Antizipation, eine bessere Abstimmung von Angebot und Nachfrage von Qualifikationen sowie verbesserte Maßnahmen für lebenslanges Lernen sind selbstverständliche Bestandteile der erneuerten Lissabon-Strategie.

    3.28.   Da fast jeder auf dem Arbeitsmarkt von diesen Veränderungen betroffen sein wird, muss allen die Möglichkeit gegeben werden, sich fortzubilden, um eine Anpassung an die veränderten Anforderungen zu ermöglichen. Für diejenigen, die auch dann noch Probleme haben, müssen umfassende Netze der sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten aufrechterhalten werden.

    3.29.   Auch sich verändernde Kostenstrukturen aufgrund von energie- und klimapolitischen Maßnahmen wirken sich auf die Menschen aus. Eine besonders intensive Überwachung ist bei den Auswirkungen sich verändernder Energiepreise erforderlich. Energiepreise unterliegen aus verschiedenen Gründen starken Schwankungen; ein Ziel der Energiepolitik der EU besteht in der weitest möglichen Eindämmung dieser Preisschwankungen.

    3.30.   Umwelt- und vor allem klimapolitische Maßnahmen treiben die Energiepreise nach oben, mit dem Ziel einer Senkung des Energieverbrauchs. Der Nachteil dieses politischen Ansatzes besteht jedoch darin, dass hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beeinträchtigt wird und die Bürger der Gefahr der Energiearmut ausgesetzt werden. Energieeinsparungen als Reaktion auf höhere Preise erfordern in der Regel Investitionen in neue Geräte, was Zeit brauchen kann. Ein sehr ausgewogener Ansatz bezüglich der Energiepreise, bei dem diese Zeitspannen berücksichtigt werden, ist nötig, damit gute, dauerhafte Ergebnisse erzielt und keine wirtschaftlichen und sozialen Probleme geschaffen werden.

    Die internationale Dimension

    3.31.   Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, die nur in Europa ergriffen werden, haben keinen großen Einfluss, da Europas Treibhausgasausstoß einen Anteil von 14 % des weltweiten Ausstoßes ausmacht und dieser Anteil sinkt. Ohne Maßnahmen aller großen Volkswirtschaften können die Emissionen nicht so weit reduziert werden, dass die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzt werden kann, und Europa wird seine Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und dadurch das Wohlergehen seiner Bürger gefährden. Eine Einigung in Kopenhagen ist daher dringend erforderlich, und die EU muss auch weiterhin die Führung übernehmen.

    3.32.   Das Ziel in Kopenhagen muss im Sinne der Kommission in Folgendem bestehen: „ein umfassendes internationales Klimaschutzabkommen, das vergleichbare Zusagen der anderen Industriestaaten und angemessene Aktionen der Entwicklungsländer verbindlich festlegt“. Ein wichtiges Element ist ein internationales Handelssystem, oder zumindest kompatible Systeme, um sowohl tatsächliche Emissionsverringerungen als auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu gewährleisten.

    3.33.   Es liegt auf der Hand, dass arme Entwicklungsländer ohne wirtschaftliche Unterstützung weder die Eindämmung des Klimawandels noch die Anpassung an seine Auswirkungen werden bewältigen können. Die Entwicklung eines Technologietransfers mit eindeutigen Regeln, einschließlich des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums, und des Clean Development Mechanism sind wichtige Elemente.

    3.34.   Das internationale Übereinkommen wird auch gebraucht, damit Europa zu einem echten Vorreiter für bessere Klimaschutz- und Energietechnologien wird. Ansonsten wäre die Nachfrage nach diesen Technologien viel schwächer.

    3.35.   Die EU muss ihre Position und ihre Aktivitäten auf internationaler Ebene ausbauen, um Europas Energieversorgung zu sichern. Eine umfassende Energieaußenpolitik, wie sie die Union anstrebt, wäre sehr hilfreich. Wie der EWSA in früheren Stellungnahmen zum Ausdruck brachte, muss die EU auch eine Vorreiterrolle im Hinblick auf eine verantwortungsbewusste und nachhaltige globale Energiestrategie einnehmen.

    Brüssel, den 4. November 2009

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  Die von der Europäischen Kommission, GD Umwelt, in Auftrag gegebene Studie zum Thema Klimawandel und Beschäftigung wurde von einem Konsortium unter Leitung des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) und der Social Development Agency (SDA) durchgeführt, zu dem auch Syndex, das Wuppertal Institut und ISTAS zählen. Die Studie ist unter folgender Adresse abrufbar: http://www.etuc.org/a/3676.

    (2)  Hans-Werner Sinn: „Das grüne Paradoxon“, Econ-Verlag, ISBN 978-3-430-20062-2.


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