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Document 52003AE1385

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" (KOM(2003) 46 endg. — 2003/0024 (COD))

    ABl. C 32 vom 5.2.2004, p. 15–19 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52003AE1385

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" (KOM(2003) 46 endg. — 2003/0024 (COD))

    Amtsblatt Nr. C 032 vom 05/02/2004 S. 0015 - 0019


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum"

    (KOM(2003) 46 endg. - 2003/0024 (COD))

    (2004/C 32/02)

    Der Rat der Europäischen Union beschloss am 4. März 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 7. Oktober 2003 an. Berichterstatter war Herr Retureau.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 403. Plenartagung am 29. und 30. Oktober 2003 (Sitzung vom 29. Oktober) mit 115 Stimmen gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    I. Erläuterung und Zusammenfassung

    1. Zielsetzung

    1.1. Nach einer Reihe bereits in Kraft getretener Rechtsetzungsmaßnahmen und in Prüfung befindlicher Legislativvorschläge zum gewerblichen Eigentum (Patente, Gemeinschaftsmarke und Marken, Muster und Modelle, Geschäftsnamen) sowie zum literarischen und künstlerischen Eigentum (Urheberrecht/Copyright, verwandte Schutzrechte, Ad-hoc-Rechte, Folgerecht, Rechte der ausübenden Künstler und der Herausgeber) legt die Kommission jetzt - nach diesen ersten (noch unvollständigen) vertikalen Texten - einen horizontalen Vorschlag zur zivilrechtlichen Verfolgung, zu bestimmten Verfahrensfragen sowie zu strafrechtlichen Sanktionen im Fall von Produkt- und Dienstleistungspiraterie und Nachahmung im Binnenmarkt vor.

    2. Begründung

    2.1. Nach der Darlegung im Vorschlag seien die im Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS, Artikel 41) der Welthandelsorganisation getroffenen Vorkehrungen zum Schutz des gewerblichen sowie des literarischen und künstlerischen Eigentums im internationalen Handel unzureichend; außerdem seien die einzelstaatlichen Verfahrensvorschriften und Sanktionen uneinheitlich und beeinträchtigten durch Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der zivil- und strafrechtlichen Mittel zur Bekämpfung von Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie Nachahmung den Binnenmarkt.

    2.1.1. Zudem steige die Schwerkriminalität in bedenklichem Maße in all diese illegalen Aktivitäten ein. Außerdem erleichterten Internetanschlüsse mit hoher Datendurchsatzrate die Piraterie von Software und anderen geistigen Werken wie Musik. Deshalb sei eine Harmonisierung der Verfahren zur Strafverfolgung, zum zivilrechtlichen Schutz von Rechten an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum und zur Anwendung verschiedener strafrechtlicher Sanktionen für Produkt- und Dienstleistungspiraten und Nachahmer im Rahmen des Binnenmarkts unabdingbar.

    3. Zusammenfassung der Stellungnahme

    3.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt das angestrebte Ziel und befürwortet den Grundsatz einer horizontalen Harmonisierung der Mittel zur Bekämpfung der Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie Nachahmung, die sowohl in Dritt- als auch in den Mitgliedstaaten um sich greifen und gegen die legitimen Interessen von Verbrauchern, Unternehmen und einzelnen Urhebern verstoßen; der Ausschuss hält die vorgeschlagene Form einer horizontalen Richtlinie beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts für angemessen. Allerdings hat er zu dem ihm zur Stellungnahme vorgelegten Text einige Bemerkungen und Vorschläge zu machen.

    3.2. Er würde sich einen Vorschlag wünschen, in dem eindeutig Maßnahmen zum Schutz gutgläubiger Verbraucher und ganz allgemein zur Aufklärung und Information insbesondere der jungen Verbraucher über die Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum vorgeschlagen würden.

    3.3. Was den Digitalbereich und das Internet betrifft, so fordert der Ausschuss dazu auf, keinerlei Schutzmaßnahmen - nicht einmal in Form von Leitlinien - Vorschub zu leisten, die die legitimen Rechte der Verbraucher und Nutzer oder ihre Privatsphäre beeinträchtigen, den Internetprovidern übermäßige Belastungen aufbürden oder gar Anbieter alternativer Lösungen, insbesondere von Open Source (frei nutz- und kopierbare Software und Formate) oder Soft- und Hardware für Privatkopien vom Markt verdrängen könnten.

    3.4. Ausschließliche Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum stellen gesetzlich geschaffene zeitweilige Monopole dar; sie werden nur für eine bestimmte Zeit und unbeschadet eines höheren öffentlichen Interesses gewährt, sie sind nicht unbegrenzt und dürfen die freie Verbreitung und Übermittlung von theoretischen und wissenschaftlichen Kenntnissen sowie von Technologien - beispielsweise über das Internet -, auf denen die in Europa noch zu schaffende wettbewerbsfähige und innovatorische wissensbasierte Wirtschaft beruht, nicht behindern.

    3.5. Die voraufgehenden Bemerkungen des Ausschusses entsprechen insbesondere den Zielen des TRIPS-Übereinkommens (Artikel 7) und seinen Grundsätzen (Artikel 8 Absatz 2)(1), die unter den Erwägungsgründen der Richtlinie genannt werden sollten, da bei eventuellen Sanktionen weder ganz vom materiellen Recht abgesehen noch der mögliche Rechtsmissbrauch seitens der Inhaber von Rechten an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum außer Acht gelassen werden kann.

    3.6. Für Nachahmungen, die eine Gefahr für die Benutzer oder ihr Eigentum darstellen, sollten spezifische abschreckende Sanktionen und bei Unfällen mit Personenschaden bzw. materiellen Schäden angemessene Entschädigungen vorgesehen werden. Das Aus-dem-Verkehr-Ziehen, die Beschlagnahme und die Vernichtung auf Kosten des Nachahmers sind in diesem Fall unabdingbar. Die Verbraucher und ihre Organisationen müssen über geeignete Rechtsmittel für den Ausgleich des erlittenen Schadens und die Bestrafung der Nachahmer verfügen.

    3.7. Schließlich würde sich der Ausschuss wünschen, dass die Kommission sich zur Durchführung detaillierter und unabhängiger sektorbezogener Studien verpflichtet. Diese müssten einer transparenten Methodik unterliegen, die - insbesondere mit Hilfe von Studien, regelmäßigen Berichten und weiteren geeigneten Maßnahmen - auf die Angleichung der Rechtsvorschriften und eine umfassende Strategie zum Ausbau der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Polizei und Zollwesen abzielt, um wirksam gegen Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie Nachahmung vorzugehen. Dabei sollten vornehmlich - und gleich bei der Herstellung - kriminelle Organisationen sowie auf den Vertrieb materieller oder immaterieller Raubkopien oder Nachahmungen spezialisierte Händler ins Visier genommen/verfolgt werden. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, hier dringend jegliche Möglichkeit der Zusammenarbeit untereinander und mit der Gemeinschaft zu prüfen.

    II. Analyse des Vorschlags und Bemerkungen

    4. Allgemeine Bemerkungen des Ausschusses

    4.1. In dem Vorschlag wird auf das Grünbuch zur Bekämpfung von Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt Bezug genommen; hier verweist der Ausschuss auf seine diesbezüglich frühere Stellungnahme(2). Ferner verweist er auf seine übrigen von der Kommission angeführten Stellungnahmen sowie auf seine Stellungnahme zum Thema "Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen".(3)

    4.2. Der Ausschuss begrüßt das allgemeine Ziel des Richtlinienvorschlags. Allerdings weist er darauf hin, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie europäische Patente einschließt, die teilweise (je nach Anmeldung) von Mitgliedstaaten des Übereinkommens von München aus dem Jahr 1973 erteilt wurden. Die Rechtsprechung der Gemeinschaft erstreckt sich im Prinzip weder materiell noch geographisch auf dieses Übereinkommen, es sei denn, die Gemeinschaft träte dem Übereinkommen bei. Anders sieht es bei dem künftigen Gemeinschaftspatent aus, das in allen Mitgliedstaaten gültig sein und der Rechtsprechung der Gemeinschaft unterliegen wird. Dennoch ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Gemeinschaft durch das TRIPS-Übereinkommen im Rahmen der WTO verpflichtet ist, alle Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum im gesamten Gebiet der Gemeinschaft zu schützen und dass dieser Schutz darüber hinaus unter die Gemeinschaftskompetenzen im Bereich Binnenmarkt (Artikel 95 EGV) fällt, Rechtsgrundlage der Richtlinie, die auf die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften, Verfahren und Verfahrensweisen der Mitgliedstaaten abzielt.

    4.3. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die wirksame Bekämpfung europäischer oder internationaler Verbrecherorganisationen bzw. der Nachahmung sowie der Produkt- und Dienstleistungspiraterie in großem Maßstab einen umfassenden koordinierten und kohärenten Ansatz in folgenden Bereichen erforderte: justizielle, polizeiliche und zollrechtliche Zusammenarbeit (zweiter Pfeiler), Stärkung des Zollkodex, Strafrecht, Bekämpfung der Schwerkriminalität und der Geldwäsche, Europol-Missionen sowie Interpol, da Nachahmungen oder Raubkopien häufig aus Drittländern stammen.

    4.4. Der Ausschuss kommt nicht umhin, auf die Unverhältnismäßigkeit der in der Einleitung der Richtlinie festgelegten Ziele und ihrem Inhalt hinzuweisen. Die Richtlinie ist ein erster Schritt, aber noch weit davon entfernt, den immensen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der Nachahmung sowie der industriellen Produkt- und Dienstleistungspiraterie begegnen zu können, von denen die Beschäftigung, die Wettbewerbsfähigkeit und die Unternehmen betroffen sind - insbesondere KMU und mittelständische Industrieunternehmen, die am wenigsten in der Lage sind, die Urheber der Verletzung ihrer immateriellen Rechte festzustellen und diese Rechte vor ausländischen nationalen Gerichten einzuklagen.

    4.5. Dennoch ist eine Harmonisierung umso dringlicher, als die Abweichung zwischen den Rechtsvorschriften und Verfahren und damit die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt mit der durch die Erweiterung ansteigenden Zahl der Mitgliedstaaten weiter zunehmen wird. Mit der längst überfälligen Einführung des Gemeinschaftspatents wird eine solche Harmonisierung geradezu unabdingbar.

    4.6. Der Ausschuss hielte es für sinnvoller, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Rechtsinhaber und Verbraucher tatsächlich schützen, unter Berücksichtigung der dort geltenden Rechtssysteme und allgemeinen Rechtsgrundsätze (insbesondere der Unschuldsvermutung und des Schutzes der Privatsphäre) - möglicherweise anlässlich einer Überprüfung in nicht allzu ferner Zukunft - zusammenzufassen. Dabei sollten weder bestimmten Unternehmen (vor allem Internetprovidern und Herstellern leerer Datenträger) übermäßige Verpflichtungen aufgebürdet noch die Rechte der legitimen Nutzer eingeschränkt oder alle Verbraucher unterschiedslos besteuert (Steuer auf Datenträger zugunsten bestimmter und nicht aller Rechtsinhaber) werden. Ziel wäre eine Harmonisierung, die nicht nur einfach die Summe der strengsten aus ihrem nationalen Zusammenhang gerissenen Bestimmungen zum alleinigen Schutz der Rechtsinhaber darstellte. Sie sollte es auch ermöglichen, die in einigen Staaten unzureichend entwickelten Rechtsvorschriften (oder Teile davon) und Verfahren zu stärken.

    4.7. Angesichts der unterschiedlichen nationalen Verhältnisse und der immensen Menge von Nachahmungen sollten die Auswirkungen der Richtlinie regelmäßig evaluiert und entsprechend den festgestellten Entwicklungen Anpassungen ins Auge gefasst werden. Nötigenfalls ließen sich dann sektorspezifische Schutzmaßnahmen in Betracht ziehen.

    4.8. Insofern begrüßt der Ausschuss im jetzigen Stadium die Entscheidung für die Form der Richtlinie, die eine Strukturierung der Schutzmittel und eine Harmonisierung ermöglichen dürfte, die der Natur der verschiedenen Rechtssysteme gerecht werden, anstatt der Verordnung, die die bestehenden funktionierenden Rechtsvorschriften umwälzen könnte. Für das Gemeinschaftspatent und die Gemeinschaftsmarke ist die Entwicklung hin zu einer Verordnung längerfristig durchaus vorstellbar. Für den Augenblick würde es reichen, die Rechte an gewerblichem Eigentum und die Urheberrechte in allen Mitglied- und Beitrittsstaaten trotz der unterschiedlichen einzelstaatlichen Verfahren und Rechtsvorschriften zuverlässig zu schützen und wirksame Abschreckungs- und Sanktionsmaßnahmen gegen die Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie die Nachahmung zu kommerziellen Zwecken oder durch kriminelle Vereinigungen zu ergreifen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie einigen Mitgliedstaaten eine radikale Veränderung ihrer Rechtssysteme aufzwingen würde, obwohl diese wirksame Lösungen bieten.

    4.9. Der vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasste Personenkreis ist nach Ansicht des Ausschusses weit genug gefasst. Richtlinien wie die Software-Richtlinie oder die Richtlinie über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte ermöglichen es, Nutzern und Verbrauchern Rechte zuzuerkennen, wie das Recht auf die Sicherheitskopie, die private Nutzung oder die Nutzung zu Demonstrations- bzw. Unterrichtszwecken. Allerdings sind diese Rechte und ihre Tragweite je nach Land unterschiedlich, da für die Umsetzung dieser in den Richtlinien vorgesehenen Rechte das Subsidiaritätsprinzip gilt; der Ausschuss bedauert übrigens die sich in mehreren Staaten abzeichnende Tendenz, die Rechte der Nutzer weiter einzuschränken oder abzuschaffen.

    4.10. Vor dem Gerichtshof ist ein Verfahren zwischen dem Rat und der Kommission über die Zuständigkeit der Kommission in Strafsachen anhängig, und der Ausschuss kann das Ergebnis, das künftig zur Rechtsprechung (res judicata) gehören wird, nicht vorwegnehmen. Allerdings ist der Ausschuss in früheren Stellungnahmen meist davon ausgegangen, dass die Kommission, insbesondere mittels einer Rahmenrichtlinie, eine Harmonisierung der strafrechtlichen Sanktionen vorschlagen kann, die für die Wirksamkeit der im Rahmen des ersten Pfeilers getroffenen Vorkehrungen erforderlich sind; der Ausschuss würde diese Auffassung nur aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des EuGH ändern.

    4.11. Was die praktischen Maßnahmen zur Einstellung der Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie der Nachahmung und zur Entschädigung der geschädigten Unternehmen angeht, so sollte es im Einzelfall im Ermessen des nationalen Richters liegen, den tatsächlichen Schaden und die Verletzung der immateriellen Rechte bzw. den Imageschaden einzuschätzen. Die eventuell von Fachleuten unterstützten Richter sind befugt, die Höhe der zivilrechtlichen Entschädigung, der Bußgelder und weiterer strafrechtlicher Sanktionen nach geltendem nationalem Recht festzulegen. In einigen Staaten müssten diese Sanktionen allerdings überprüft und tatsächlich angewandt werden, um wirklich abschreckend zu wirken.

    4.12. Der Ausschuss hielte unabhängige, seriöse und im Vorfeld durchgeführte sektorspezifische Studien für angemessen, um reale Faktoren mit je nach Branche sehr unterschiedlicher Ausprägung und Wirkung objektiv zu beurteilen, vor allem was ihren tatsächlichen Einfluss auf Wirtschaft und Beschäftigung, auf KMU und mittelständische Industrieunternehmen sowie auf die Verbraucher, insbesondere bezüglich eventuell gesundheitsschädlicher Produkte, Sicherheit oder von den Nutzern zu Recht erwarteter Garantien (Einzelteile, Spielzeug, elektrische Geräte) betrifft. Eine so wichtige Frage, wie die des Schutzes der Verbraucher vor Nachahmungen verdiente im Rahmen einer Strategie zur Bekämpfung der Nachahmung wesentlich mehr Beachtung.

    4.13. Die vorgeschlagene Harmonisierung muss ausgewogen sein und den angestrebten Zielen entsprechen. Das materielle Recht bedingt die Umsetzungs- oder Sanktionsmaßnahmen, die vor allem besonders verbraucherfreundlich sein sollten: Sie sollten den Schutz der Verbraucher und die Durchsetzung ihrer legitimen Rechte als Nutzer gewährleisten. Die Verbraucher bzw. ihre Vertreter sollten die Möglichkeit haben, in von Rechtsinhabern gegen Produkt- und Dienstleistungspiraten sowie Nachahmer angestrengten Verfahren als Nebenkläger aufzutreten, wenn gutgläubige Nutzer durch Raubkopien oder Nachahmungen geschädigt werden.

    4.14. Gutgläubige Nutzer sollten nicht behelligt werden, wenn hinsichtlich der Herkunft des in ihrem Besitz befindlichen Objekts oder Programms von den allein befugten Polizei-, Justiz- oder Zollbehörden ermittelt wird.

    4.15. Nach Auffassung des Ausschusses müssen die auszuarbeitenden und zu entwickelnden Mittel vornehmlich auf die europäischen und internationalen Organisationen, die für die Sicherheit der Verbraucher und Interessen der Unternehmen die größte Gefahr darstellen, abstellen und für die Durchsetzung von Maßnahmen zur Ermittlung, grenzübergreifenden und internationalen Zusammenarbeit, Beweissicherung und abschreckenden Ahndung sorgen. Gegen böswillige Nutzer könnten im Rahmen des jeweils geltenden nationalen Rechts angemessene Abschreckungsmaßnahmen ergriffen werden; dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die hierzu nötigen, erheblichen Anstrengungen in erster Linie wesentliche Ergebnisse für die europäische Wirtschaft, die Sicherheit der Verbraucher und die Beschäftigung zeitigen müssen.

    4.16. Schließlich wird die nötige Abstimmung der Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum auf die wissens- und informationsbasierte Gesellschaft bzw. auf die Bedürfnisse und Erfordernisse des allgemeinen Interesses für erstere gar nicht und für letztere nur nebenbei und sehr knapp angesprochen. Dabei handelt es sich hier um wesentliche Fragen, und eine Harmonisierung der Mittel zum Schutz der Investitionen in Forschung und Produktion darf nicht auf eine allgemeine Verschärfung der zivil- bzw. strafrechtlichen Sanktionen und die Vervielfachung der juristischen und materiellen Mittel für die Verfahren zur Ermittlung und Strafverfolgung beschränkt werden.

    4.17. Die Harmonisierung darf auch die Verbreitung von Wissen und seine Nutzung im Bildungswesen nicht behindern, was die Veröffentlichung von Erfindungen, Innovationen, neuen Verfahren und Quellcodes für Software erfordert, um zumindest für Schnittstellen für Anwendungsprogramme (Application Programming Interface) und Dateiformate Interoperabilität zu gewährleisten; auf keinen Fall darf das Reverse Engineering mit einer Nachahmung gleichgesetzt werden. Auch gegen freie Programme, mit deren Hilfe selbst geschützte Dateien gelesen oder verändert werden können, darf nicht der Vorwurf erhoben werden, das Copyright zu verletzen, da es sich dabei um eigenständige Werke handelt und die unbegrenzte Ausdehnung der rechtsbegründenden Wirkung des Begriffs der Nachahmung nach dem allgemeinen Grundsatz der restriktiven Auslegung von Straftatbeständen unannehmbar ist.

    5. Besondere Bemerkungen

    5.1. Die allgemeinen Vorüberlegungen zu dem Richtlinienvorschlag wirken unscharf, da kriminelle Organisationen, Personen, die wissentlich oder unwissentlich Nachahmungen erwerben, und Jugendliche, die über das Internet Musikstücke austauschen, über einen Kamm geschoren werden. Einige dieser Überlegungen betreffen nicht den Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags, weshalb sie in dem ansonsten sinnvollen und ausgewogenen Vorschlag gestrichen werden sollten.

    5.2. Die anzuwendenden Mittel müssen nach Ansicht des Ausschusses vielfältig sein und sorgfältig auf jede eindeutig festgelegte und klar definierte Rechtskategorie sowie auf die betreffenden Wirtschaftssektoren abgestimmt werden. Es ist darauf zu achten, dass die legitimen Schutzmaßnahmen nicht zu einem Arsenal zivil- und strafrechtlicher Einschüchterungsmaßnahmen werden, das die Innovation von KMU und mittelständischen Industrieunternehmen, denen seitens bestimmter Monopolisten oder Oligopolisten ständig Strafverfahren wegen Nachahmung drohen, in bestimmten Fällen hemmen kann.

    5.3. Alle "Lösungen", die die Privatsphäre der Internetnutzer berühren oder die Nutzer an der uneingeschränkten Ausübung ihrer Rechte (Recht auf Privatkopien, Recht, Datenträger auf unterschiedlichen Geräten abzuspielen, Recht, das Betriebssystem seines Computers frei zu wählen, ohne gezwungen zu sein, für ein bereits installiertes System und Programme mit unbekanntem Preis zu zahlen, Recht auf DVD-Spieler ohne Länderkennung) hindern, sind missbräuchliche Einschränkungen, die bis zum Kaufzwang oder Verkauf von nicht voll funktionsfähigen Produkten reichen, und sind für den Ausschuss unzulässig, da sie dem angestrebten Ziel nicht entsprechen und häufig ungerecht sind.

    5.4. Die Systeme zur Besteuerung von beschreibbaren Datenträgern sind noch ungerechter, wenn die Datenträger oder Systeme durch integrierte Technik, Hardware oder Software gegen jegliche Kopie geschützt sind.

    5.5. Es wäre sinnvoller, wenn die Unternehmen der Branche die im Zeitalter der digitalen Kommunikation anwendbaren Handelsmodelle innovierten, um ein großes Marktpotenzial auszuschöpfen, anstatt alle Verbraucher als potenzielle Produkt- und Dienstleistungspiraten anzusehen oder über die Besteuerung der Datenträger oder die technische Begrenzung der Lesegeräte bzw. Datenträger dauerhafte Einnahmen anzustreben. Zahlreiche überlebensfähige Software-Unternehmen vertreiben ihre Produkte online zu vernünftigen Preisen. Die ersten Unternehmen, die Musik gegen Gebühren über das Internet anbieten, beweisen, dass es immer noch möglich ist, einen Markt auf- und auszubauen, der die Rechte der Musikverleger und der Urheber wahrt.

    5.6. Hingegen begrüßt der Ausschuss uneingeschränkt das System zur freiwilligen Angabe der Herkunft beschreibbarer Datenträger, das die Bekämpfung der "industriellen" Nachahmung erleichtern dürfte. Auch die Verhaltenskodizes öffentlicher und privater Unternehmen für eine faire Handhabung der immateriellen Eigentumsrechte sollten gefördert werden und haben in Europa bereits beachtliche Ergebnisse erzielt: Die Zahl der "regelkonformen" Unternehmen steigt und wenn die Lizenzpreise nicht überteuert sind und sich der Wettbewerb voll entfalten kann (derzeit z. B. Mono- oder Oligopole in mehreren Branchen), wird sich diese Tendenz zwangsläufig fortsetzen. In diesem Zusammenhang ist es kaum zu rechtfertigen, alle Institutionen und Unternehmen, die im Rahmen von Prärogativen der öffentlichen Hand agieren, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Die Institutionen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten sowie die öffentlichen Unternehmen können von der Wahrung der Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum nicht ausgenommen werden.

    6. Abschließend möchte der Ausschuss einige bündige Bemerkungen zu bestimmten Artikeln des Vorschlags machen:

    - Schadenersatz: Die Bestimmungen sind sehr genau, manchmal übergenau, wie z. B. das Erfordernis für den Kläger, Nachweise für die durch den Beklagten erzielten Gewinne zu erbringen und für letzteren, Unterlagen bezüglich einer illegalen oder kriminellen Aktivität vorzulegen.

    - Den europäischen und einzelstaatlichen Verbraucherschutzorganisationen muss, insofern sie rechtsgültig errichtet wurden und repräsentativ sind, das Recht zuerkannt werden, bei Verbands- oder Unterlassungsklagen tätig zu werden.

    - Handelt es sich nur um eine Zivilklage, so ist der Schadenersatz durch den schweren Schaden gerechtfertigt, den der Kläger erlitten hat, und nicht durch die vorsätzliche Verletzung seiner Rechte; ist die Zivilklage jedoch einer Strafklage nachgeordnet, so muss vorsätzliche Schädigung nachgewiesen werden.

    - Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen: Das Gericht kann zwar aus Gründen der Dringlichkeit zunächst von der Anhörung des Beklagten absehen, insbesondere um die Vernichtung oder Unterdrückung von Beweismaterial zu verhindern, aber der Beklagte ist anschließend auf jeden Fall genauso dringlich zu hören. Die Beschlagnahme von Gütern oder die Sperrung von Konten können ein zu Unrecht beschuldigtes Unternehmen stark behindern oder sogar endgültig aus dem Markt drängen. Die Wahrung der Rechte der Verteidigung ist ein unveräußerlicher allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts.

    - Beweise: Nur zuständige Strafgerichte können die Beschlagnahme von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen und ihre Übermittlung an die Zivilgerichtsbarkeit anordnen; dabei handelt es sich um die im Rahmen eines bereits eingeleiteten Strafverfahren allgemein zuständigen Gerichte.

    - Sanktionen: Neben der Vernichtung der Waren ist auch die Beschlagnahme der Geräte und Instrumente für die Produkt- und Dienstleistungspiraterie sowie die Nachahmung denkbar. Die eventuell auf juristische Personen anwendbaren Sanktionen hängen vom nationalen Recht jedes einzelnen Staates ab. Diese Sanktionen sollten mit der jeweiligen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten in Einklang gebracht werden.

    - Bekanntmachung der Urteile: Die vorgeschlagene Fassung sieht keine Begrenzung für die Veröffentlichung vor: Der Richter legt entweder die zu diesem Zweck aufzuwendende Gesamtsumme fest oder die Publikationen und die Art der Veröffentlichung (Zusammenfassung der Entscheidung oder Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit).

    - Technische Maßnahmen: Bestimmte technische Vorrichtungen oder Programme zur Kopie oder zur Nachahmung sind häufig nicht an sich rechtswidrig, sondern aufgrund ihres Verwendungszwecks. Dieselben Mittel können auch legalen Zwecken (z. B. für eine individuelle Sicherungskopie) dienen. Somit darf die Umgehung missbräuchlicher technischer Vorrichtungen zur Ausübung eines Verbraucherrechts nicht als rechtswidrig angesehen werden.

    - Verhaltenskodizes: Diese Kodizes sollten auch die Rechte und Garantien der Verbraucher nach dem Gemeinschaftsrecht enthalten.

    Brüssel, den 29. Oktober 2003.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger Briesch

    (1) "7. Ziele: Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen."

    "8. Grundsätze: [...] (2) Geeignete Maßnahmen, die jedoch mit diesem Übereinkommen vereinbar sein müssen, können erforderlich sein, um den Missbrauch von Rechten des geistigen Eigentums durch die Rechtsinhaber oder den Rückgriff auf Praktiken, die den Handel unangemessen beschränken oder den internationalen Technologietransfer nachteilig beeinflussen, zu verhindern." - www.wto.org.

    (2) ABl. C 116 vom 28.4.1999.

    (3) ABl. C 61 vom 14.3.2003.

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