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Document 52003AE0930

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 92/79/EWG und 92/80/EWG um Frankreich zu ermächtigen, auf Korsika in den Verkehr gebrachte Tabakwaren weiterhin einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz zu unterwerfen" (KOM(2003) 186 endg. — 2003/0075 (CNS))

    ABl. C 234 vom 30.9.2003, p. 49–51 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52003AE0930

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 92/79/EWG und 92/80/EWG um Frankreich zu ermächtigen, auf Korsika in den Verkehr gebrachte Tabakwaren weiterhin einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz zu unterwerfen" (KOM(2003) 186 endg. — 2003/0075 (CNS))

    Amtsblatt Nr. C 234 vom 30/09/2003 S. 0049 - 0051


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 92/79/EWG und 92/80/EWG um Frankreich zu ermächtigen, auf Korsika in den Verkehr gebrachte Tabakwaren weiterhin einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz zu unterwerfen"

    (KOM(2003) 186 endg. - 2003/0075 (CNS))

    (2003/C 234/13)

    Der Rat der Europäischen Union beschloss am 5. Mai 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten des Ausschusses beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Juni 2003 an. Berichterstatter war Herr Burani.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 401. Plenartagung am 16. und 17. Juli 2003 (Sitzung vom 16. Juli) mit 107 gegen 4 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

    1.1. Der Vorschlag für eine Richtlinie betrifft einen Antrag Frankreichs auf Verlängerung der Korsika bereits gewährten steuerlichen Sonderregelung in Bezug auf den unter den Verbrauchsteuersätzen in Kontinentalfrankreich liegenden Verbrauchsteuersatz für Tabakwaren bis zum 31. Dezember 2009. Die Verlängerung wurde im Rahmen einer Protokollerklärung des Rates bei der Annahme der beiden Richtlinien, der Richtlinie 92/79/EWG in Bezug auf Zigaretten bzw. der Richtlinie 92/80/EWG in Bezug auf andere Tabakwaren als Zigaretten, gewährt. Die ursprünglich bis zum 31. Dezember 1997 unter der Bedingung gewährte Verlängerung, dass die Steuersätze bis zu diesem Zeitpunkt stufenweise auf das in Kontinentalfrankreich geltende Niveau angehoben würden, wurde auf Antrag Frankreichs mit der Richtlinie 1999/81/EG erneut bis zum 31. Dezember 2002 verlängert.

    1.2. Abgesehen von den technischen Besonderheiten bei der Anwendung der Richtlinien, die für die Prüfung des Antrags kaum von Bedeutung sind, bestuende die neuerlich vorgeschlagene Verlängerung darin, auf Korsika einen Kleinverkaufspreis für Zigaretten anzuwenden, der um ein Drittel niedriger als die in Kontinentalfrankreich geltenden Preise wäre, während die Ermäßigung für Zigarren, Zigarillos und andere Tabakwaren als Zigaretten 15 % betrüge.

    1.3. Frankreich hat in seinem Verlängerungsantrag eine Reihe von Besteuerungsmaßnahmen genannt, die es anzuwenden beabsichtigte, um bis zum Ende der beantragten Übergangsfrist eine allmähliche, vollständige Angleichung an die im restlichen Staatsgebiet geltende Besteuerung von Tabakwaren zu erreichen.

    1.4. Der Verlängerungsantrag stützt sich auf ein Memorandum "Pour une reconnaissance de la spécificité insulaire de la Corse dans l'Union européenne" vom 26. Juli 2000, ergänzt durch ein Schreiben vom 5. November 2002, in dem die Nachfrist als erforderlich erachtet wird, um den Schutz der Tabakwarenproduktion und des Tabakwarenhandels auf der Insel zu gewährleisten.

    1.5. Frankreich teilt mit, dass auf Korsika 53 Personen in der Zigarettenproduktion beschäftigt seien und dass durch die zusätzliche Gewinnspanne, die sich aufgrund der steuerlichen Sonderregelung ergebe, die von einer geringeren Produktivität und somit von im Vergleich zum Rest des Landes höheren Produktionskosten geprägte Situation verbessert werden könne; diese Situation sei auf die abgelegene geographische Lage und die Topologie der Insel zurückzuführen, da hierdurch höhere Produktions- und Vertriebskosten entständen.

    1.6. Was den Vertrieb angeht, so verfügt Korsika über 350 Einzelhändler, die anscheinend ungefähr dieselbe Anzahl Mitarbeiter beschäftigen, und zwar hauptsächlich während der vier- bis fünfmonatigen Urlaubssaison. Diese erbringen auch in dünn besiedelten Gebirgsregionen kundennahe Dienstleistungen, was mittelbar dazu beiträgt, dass die Bevölkerung nicht abwandert.

    1.7. In einer Sitzung der Kommission mit Vertretern der französischen Regierung wurde anerkannt, dass die sofortige und vollständige Angleichung an die normalen Verbrauchsteuern "das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht auf der Insel beeinträchtigen könnte". Daraufhin wurde eine Reihe von Maßnahmen zur stufenweisen Angleichung der Verbrauchsteuer vorgeschlagen:

    - Für Zigaretten wird der Gesamtverbrauchsteuerbetrag für ein Jahreskontingent von 1200 Tonnen bis zum 31. Dezember 2007 35 % des Preises für Zigaretten der auf Korsika gängigsten Preisklasse betragen. Danach erhöht sich dieser Steuersatz bis zum 31. Dezember 2009 auf 44 %, um schließlich an den in Kontinentalfrankreich angewandten Steuersatz (zurzeit 58,99 %) angeglichen zu werden;

    - Für Zigarren und "andere Tabakwaren" ist ein Bündel von nach Warenkategorie aufgeschlüsselten und differenzierten Erleichterungen vorgesehen, die bis zum 31. Dezember 2009 wirksam sind; danach finden die im gesamten Staatsgebiet geltenden Steuersätze Anwendung.

    2. Bemerkungen

    2.1. Die Angelegenheit, um die es hier geht und die gemessen an den Gesamteinnahmen aus Verbrauchsteuern auf Tabakwaren an sich, quantitativ betrachtet, kaum ins Gewicht fällt, wirft dennoch einige interessante grundsätzliche und spezifische Probleme auf. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss möchte deshalb die Aufmerksamkeit der Kommission und des Rates auf einige vielleicht erwägenswerte Überlegungen lenken:

    2.2. In dem von der Kommission verfassten Dokument, das von der betroffenen Partei übermittelte Daten enthält, heißt es, dass sich die auf Korsika verkauften Mengen an Tabakwaren (nur auf Zigaretten bezogen) auf 1200 Tonnen pro Jahr beliefen. Bei einer Bevölkerung von weniger als 260000 Einwohnern und bei Abzug der Kinder und der vermutlichen Nichtraucher hätte jeder Raucher auf der Insel einen Zigaretteneigenkonsum von nahezu acht Kilogramm. Diese Menge verringert sich, wenn man den Konsum der Touristen (die bestimmt nicht alle Raucher sind) während des genannten Zeitraums von vier bis fünf Monaten pro Jahr berücksichtigt. Auch nach einer solchen Berichtigung scheint die verkaufte Zigarettenmenge erheblich über dem tatsächlichen Konsumvermögen der Einwohner und der Touristen zu liegen.

    2.3. Es ist also anzunehmen, dass eine gewisse Menge an Zigaretten (und wahrscheinlich auch an anderen Arten von Tabakwaren, für die keine mengenmäßigen Angaben gemacht wurden) für den "Export" nach Kontinentalfrankreich bestimmt sind. In seiner Stellungnahme(1) zu dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates(2), erinnerte der Ausschuss daran, dass der grenzüberschreitende Einkauf von Tabakwaren völlig legal ist, sofern die in der Richtlinie 95/12/EG vorgesehenen Mengen eingehalten werden; angesichts der - vermutlich gewaltigen - nicht zum Konsum auf der Insel bestimmten Mengen, muss man sich fragen, ob die Richtlinie tatsächlich immer befolgt wird und ob Phänomene illegalen Handels ausgeschlossen werden können. Die diesbezüglichen Zweifel erscheinen durchaus gerechtfertigt, auch wenn sie nicht durch konkrete Beweise untermauert werden.

    2.4. Ob nun die Tabakwaren auf erlaubtem oder unerlaubtem Wege die Insel verlassen, so dürften in jedem Fall dem französischen Staat Einnahmen in gewisser Höhe verloren gehen. Diesem Ausfall an Einnahmen steht die Überlegung des Erhalts der Arbeitsplätze von 53 Personen gegenüber, die in der Zigarettenproduktion beschäftigt sind, die sicherlich nur einen sehr geringen Teil des Bedarfs deckt. Ohne auf die angeführten höheren Produktionskosten näher einzugehen, scheint es doch zweifelhaft, dass die im Kommissionsdokument erwähnten Vertriebskosten für die auf der Insel produzierten Zigaretten höher sind als für diejenigen, die vom Kontinent auf dem See- oder Luftweg transportiert werden müssen.

    2.5. Auch im Hinblick auf den Vertrieb können Zweifel erhoben werden. Kein Händler verkauft ausschließlich Zigaretten; die 350 Geschäfte, die während der Urlaubssaison Personal einstellen, um den Anstieg des Verkaufsvolumens zu bewältigen (laut dem Dokument etwa 350 Personen), tun dies daher glücklicherweise aus einer ganz anderen Notwendigkeit heraus als für den Verkauf von Tabakwaren. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich gemäß dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie die meisten Einzelhändler in dünn besiedelten Gebirgsregionen befinden: zu ihrem Leidwesen werden diese Händler kaum ein so hohes Verkaufsvolumen haben, dass sie sich gezwungen sehen, zusätzlich zu den Helfern aus der eigenen Familie eine externe Hilfskraft einzustellen.

    2.6. Alles in allem ist der EWSA der Ansicht, dass die Steuervergünstigungen nur zu einem geringen Teil durch die im fünften Erwägungsgrund erwähnte Notwendigkeit gerechtfertigt sind, "das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht auf der Insel nicht zu gefährden"; auch kann man nicht umhin festzustellen, dass die im Dokument der französischen Regierung genannten und im Kommissionsdokument zitierten besonderen insularen Gegebenheiten Korsikas ("spécificité insulaire de la Corse") und die durch die "abgelegene geographische Lage und die Topologie der Insel" bedingten Schwierigkeiten fast allen Inseln der EU gemein sind und manche von ihnen in sehr viel stärkerem Maße belasten.

    2.7. In Anbetracht all dieser Erwägungen kommt der EWSA zu dem Schluss, dass sich die zu erörternde Verlängerung durch die angeführten Gründe kaum rechtfertigen lässt, so dass man sich fragen muss, ob es sich hier nicht eher um eine staatliche Beihilfe handelt als um eine Maßnahme der zeitweiligen steuerlichen Sonderbehandlung; andererseits ist er sich der wohlbekannten politischen Umstände und der Beziehungen bewusst, die die Insel mit dem Mutterland verbinden. Da eine Ablehnung Konsequenzen hätte, die weit über den relativ geringen Wert der auf dem Spiel stehenden Beträge hinaus gingen, befürwortet der EWSA den Vorschlag einer Richtlinie in der ihm unterbreiteten Form zwar ungern, aber im Bewusstsein seiner Verantwortung dennoch.

    Brüssel, den 16. Juli 2003.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger Briesch

    (1) ABl. C 36 vom 8.2.2001, S. 111.

    (2) KOM(2001) 133 endg.

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