EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52003AE0923

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aushandlung und Durchführung von Luftverkehrsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten" (KOM(2003) 94 endg. — 2003/0044 (COD))

ABl. C 234 vom 30.9.2003, p. 21–23 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52003AE0923

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aushandlung und Durchführung von Luftverkehrsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten" (KOM(2003) 94 endg. — 2003/0044 (COD))

Amtsblatt Nr. C 234 vom 30/09/2003 S. 0021 - 0023


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aushandlung und Durchführung von Luftverkehrsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten"(1)

(KOM(2003) 94 endg. - 2003/0044 (COD))

(2003/C 234/06)

Der Rat beschloss am 14. März 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80, Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Juni 2003 an. Berichterstatter war Herr Ghigonis.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 401. Plenartagung am 16. und 17. Juli 2003 (Sitzung vom 16. Juli) mit 119 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Einleitung und Hintergrund

1.1. In den letzten fünfzehn Jahren hat die Europäische Union ein massives Programm zur Liberalisierung und Integration im Bereich des Luftverkehrs durchgeführt. Die Gemeinschaft hat die individuellen Märkte in einem einzigen "inländischen" Luftverkehrsmarkt zusammengeführt. Mit der Verabschiedung der als "drittes Paket" bekannten Maßnahmen zur Liberalisierung im Luftverkehr sind die Grundsätze des Binnenmarktprogramms auf die Luftverkehrsbranche angewendet worden.

1.2. Allerdings blieben internationale Flüge von und nach der EU weiterhin Gegenstand der herkömmlichen zweiseitigen Luftverkehrsabkommen, d. h. die EU verfügt immer noch nicht über eine kohärente Politik im Bereich des internationalen Luftverkehrs. In ihrem Weißbuch "Die europäische Verkehrspolitik bis 2010 - Weichenstellungen für die Zukunft" hat die Kommission die Ausarbeitung einer kohärenten externen Politik im Luftverkehrsbereich angesichts der Auswirkungen eines fragmentierten Vorgehens auf die Entwicklung unserer Luftverkehrsbranche als vordringliche Aufgabe genannt. Die Kommission war schon immer der Ansicht, dass derartige Abkommen zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen europäischen Luftfahrtgesellschaften führen und durch die Einschränkung der Investitions- und Konsolidierungsmöglichkeiten zwischen europäischen Luftfahrtgesellschaften in die Entwicklung des gemeinsamen Marktes eingreifen (in der Tat müssen die Luftfahrtgesellschaften nach Maßgabe dieser Abkommen mehrheitlich im Besitz der Staatsangehörigen ihres Ursprungslandes sein, um ihre internationalen Verkehrsrechte nicht zu verlieren). Im Dezember 1998 hatte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen acht Staaten eingeleitet und verurteilte dabei die Abkommen, die den amerikanischen Transportunternehmern Verkehrsrechte nach, von und auf dem EU-Territorium gewähren. Im Gegenzug zu diesen Verkehrsrechten wurde den nationalen Gesellschaften dieser acht Staaten ein ähnliches, aber strikt begrenztes Recht gewährt (die "Staatsangehörigkeitsklausel"). Der Gerichtshof verurteilte in seinem Urteil vom 5. November 2002 diese Länder wegen Verletzung der Außenkompetenz der Europäischen Kommission im Bereich der Flugpreise für den Flugverkehr innerhalb der Gemeinschaft und der computergesteuerten Buchungssysteme (CRS) durch den Abschluss der so genannten "Open Skies"-Abkommen mit den Vereinigten Staaten. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Klauseln bezüglich des Eigentums und der Kontrolle von Luftfahrtunternehmen gegen das Niederlassungsrecht verstoßen. Es handelt sich hierbei um eine Diskriminierung, durch die die Luftfahrtunternehmen der anderen Mitgliedstaaten, die kein Abkommen dieser Art geschlossen haben, daran gehindert werden, im Aufnahmemitgliedstaat wie inländische Unternehmen behandelt zu werden, was nach Gemeinschaftsvorschriften über das Niederlassungsrecht verboten ist.

1.3. Die Kommission zieht nunmehr die Schlussfolgerungen aus diesen Urteilen und hat eine Bestandsaufnahme der Außenbeziehungen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs vorgenommen und Leitlinien und wesentliche Grundlinien der Gemeinschaft in diesem Bereich festgelegt. Nach Ansicht der Kommission entfalten die Urteile des Gerichtshofs auch unmittelbare rechtliche Folgen, denen die Gemeinschaft kurzfristig Rechnung zu tragen hat. Dazu zählen zunächst jene Bestimmungen in Abkommen, die nunmehr der ausschließlichen Außenkompetenz der Gemeinschaft unterliegen. Darüber hinaus verstoßen die Nationalitätsklauseln in fast allen genannten Abkommen wegen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gegen Gemeinschaftsrecht.

2. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

Im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit (eigener Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten, bilaterale Abkommen verstoßen gegen Gemeinschaftsrecht und müssen angepasst werden, solange keine Verhandlungen auf Gemeinschaftsebene geführt werden etc.) können die Mitgliedstaaten weiterhin Abkommen mit Drittstaaten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht abschließen oder ändern. Da die Abgrenzung dieser Zuständigkeitsfragen einen Kernpunkt darstellt, ist eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit den Gemeinschaftsorganen erforderlich. Der vorliegende Vorschlag legt daher die Modalitäten und Verpflichtungen fest, die die Mitgliedstaaten beim Abschluss von bilateralen Abkommen zu erfuellen haben. Die Mitgliedstaaten haben umfassende Gemeinschafstinteressen zu berücksichtigen und zu diesem Zweck wird ein effizientes und transparentes Verifizierungsverfahren eingerichtet. Der Mitgliedstaat hat klare Informations- und Unterrichtungsverpflichtungen gegenüber der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten über Beginn und Abschluss von Verhandlungen über ein Übereinkommen. Sofern Luftfahrtunternehmen in die Verhandlungen eingebunden werden, sollen alle Luftfahrtunternehmen in der Gemeinschaft gleich behandelt werden, um Diskriminierungen auszuschließen und eine Bevorzugung nationaler Gesellschaften zu vermeiden. Generell sind alle Regelungen auszuschließen, die eine Diskriminierung auf dem einheitlichen EU-Luftverkehrsmarkt der Gemeinschaft bewirken können. Die Mitgliedstaaten haben ferner diskriminierungsfreie und transparente Verfahren für die Verteilung von Verkehrsrechten unter den Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft einzurichten.

3. Vorbemerkung

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nimmt die am 5. Juni im Ministerrat zustande gekommene politische Einigung zur Kenntnis, bedauert jedoch zutiefst, dass eine solche Einigung getroffen wurde, ohne die Stellungnahme des Ausschusses abzuwarten.

4. Allgemeine Bemerkungen

4.1. Nach dem bereits zitierten Urteil des EuGH befindet sich der europäische Luftfahrtsektor in einer völlig verfahrenen und unsicheren Rechtslage. Es gibt eine sehr große Anzahl von bilateralen Luftfahrtabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten, die gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Diese Abkommen bzw. deren Bestimmungen sind so rasch wie möglich zu beseitigen, wobei dies umso schwieriger ist, als viele der Aspekte dieser Abkommen nunmehr eindeutig in die Kompetenz der Gemeinschaft fallen. Umgekehrt hat die Kommission kein Mandat für Gemeinschaftsverhandlungen mit Drittstaaten in Gemeinschaftsmaterien und fordert dieses daher (unter anderem, siehe Ziffer 2) ein.

4.2. Zur Notwendigkeit der raschen Beseitigung der Rechtsunsicherheit kommt der Druck der Luftfahrtindustrie, für die stabile Abkommen in der Branche von größter Bedeutung sind; was in der derzeitigen Situation nicht gewährleistet ist. Der EWSA befürwortet daher eine zügige Neuordnung des rechtlichen Rahmens für die Luftfahrtindustrie. Ein solcher Rahmen muss eine Anpassung der bilateralen Luftfahrtabkommen an das Gemeinschaftsrecht unter gleichzeitiger Beibehaltung des Besitzstands (Verkehrsrechte) gewährleisten, der im Rahmen dieser Abkommen ausgehandelt wurde.

4.3. Angesichts der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission in Bezug auf die Aushandlung internationaler Luftfahrtabkommen infolge der Urteile des Gerichtshofs vom 5. November 2002 erscheint es wünschenswert, dass ein einfaches, klares, transparentes und effizientes Verfahren zur Information eingeführt wird. Ein solches Verfahren würde es somit ermöglichen, auf Ebene der Mitgliedstaaten oder der Kommission koordinierte Verhandlungen im Luftfahrtbereich mit Drittstaaten zu führen.

4.4. Unter diesen Bedingungen erscheint es zweckmäßig, die administrativen Verfahren zur Information der Kommission durch die Mitgliedstaaten zu vereinfachen, bevor Verhandlungen mit Drittstaaten aufgenommen werden. Im Übrigen scheint es zwar wünschenswert, dass die Kommission einen Mitgliedstaat warnen kann, wenn sie den Eindruck hat, dass eine von einem Mitgliedstaat geführte Verhandlung Gefahr läuft, die Ziele der Gemeinschaft zu beeinträchtigen, doch darf ein solches Verfahren nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um zwischen Mitgliedstaaten und Kommission eine wirksame Koordination in den Verhandlungen zu gewährleisten, die in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich geführt werden.

5. Besondere Bemerkungen zum gegenständlichen Vorschlag

Aufgrund der noch geteilten Kompetenzen und Verantwortlichkeiten unterstützt der EWSA prinzipiell die Initiative der Kommission, ein effizientes System der Zusammenarbeit und der Konsultation zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft aufgrund einer Verordnung einzurichten, um schon im Vorfeld auf Probleme und Auffassungsunterschiede aufmerksam zu machen.

5.1. Artikel 1 Absatz 2

Die administrativen Verfahren sollten minimiert werden (ein neues Abkommen nach Artikel 1 Absatz 1 schon einen Kalendermonat vor der Kontaktaufnahme mit den Drittstaaten in allen Details zu übermitteln, scheint etwas viel verlangt).

5.2. Artikel 4 Absatz 2

Die der Kommission gewährte Möglichkeit, Einwände gegen den Abschluss eines Abkommens zu erheben, scheint deutlich über das legitime Recht der Gemeinschaft zur Information, Unterrichtung und Transparenz hinauszugehen. Dem EWSA erscheint es wünschenswert, dass die Kommission stattdessen über die Möglichkeit verfügt, einen Mitgliedstaat zu warnen, wenn sie den Eindruck hat, dass eine von diesem geführte Verhandlung Gefahr läuft, die Ziele der Gemeinschaft zu unterminieren.

Brüssel, den 16. Juli 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) In dem Dokument der Kommission werden noch weitere Maßnahmen, nämlich die Genehmigung von Gemeinschaftsverhandlungen:

- über die Schaffung eines offenen Luftverkehrsraums mit den USA;

- über die Bezeichnung von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft auf Strecken von und nach Drittstaaten und über Angelegenheiten, für die die Gemeinschaft ausschließlich zuständig ist.

Top