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Document 52001AE1496

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 130–141 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1496

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0130 - 0141


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung"

    (2002/C 48/28)

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 28. Februar 2001 gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. November 2001 an. Berichterstatter war Herr Walker.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung (Sitzung vom 29. November 2001) mit 62 gegen 5 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Zusammenfassung und Empfehlungen

    1.1. Das Übermaß an Rechtsvorschriften für Unternehmen ist zwar in erster Linie ein nationales Problem, doch hat es auch eine europäische Dimension, die Beachtung verdient. Die EU muss in dem Vereinfachungsprozess nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern auch die Mitgliedstaaten dazu anhalten, ihrem Beispiel zu folgen. Selbst wenn es sich bei Rechtsvorschriften um EU-Recht handelt, sind für die Marktüberwachung die Mitgliedstaaten zuständig, und die Verwaltungen der Mitgliedstaaten orientieren sich bei der Auslegung von EU-Rechtsinstrumenten an ihrer eigenen Verwaltungspraxis, d. h. sie geben ihrem Umgang damit ein nationales Gepräge.

    1.2. Es bedarf offensichtlich einer grundlegenden Überprüfung des Regelungsrahmens in der Europäischen Union sowie einer Straffung und Vereinfachung der bestehenden Rechtstexte. Für diese Arbeit, die auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene durchgeführt werden und greifbare Ergebnisse zu Tage fördern sollte, sind klare und einfache Ziele vorzugeben. Grundsatz- und Absichtserklärungen reichen nicht aus. Deshalb wartet der Wirtschafts- und Sozialausschuss gespannt auf die Veröffentlichung des Berichts, den die Kommission auf der Ratstagung in Laeken vorlegen wird.

    1.2.1. Die Überprüfung der Rechtsvorschriften sollte nicht bloß zukunftsorientiert sein, sondern auch bestehende Rechtstexte erfassen und neben der Vereinfachung und methodischen Verbesserung auch die quantitative Reduzierung zum Ziel haben.

    1.3. Für die Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften und den Erlass neuer Rechtsvorschriften sollte das gleiche Prinzip gelten: die Vorschriften sollten aufgehoben bzw. gar nicht erst eingeführt werden, falls ihre Beibehaltung bzw. Einführung nicht eindeutig und nachweislich im öffentlichen Interesse ist. Geltende Vorschriften, deren Beibehaltung beschlossen wurde, sollten nötigenfalls so umformuliert werden, dass sie einfacher, eindeutiger und klarer sind.

    1.4. Um nationale Unterschiede im Rechtsrahmen zu vermeiden, die Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt hervorrufen würden, müssen die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsinstrumente weitgehend miteinander in Einklang gebracht werden. Dies ist nur möglich durch den Erlass weiterer Gemeinschaftsvorschriften und die Gewährleistung einer größeren Einheitlichkeit bei ihrer Umsetzung in nationales Recht und - was genauso wichtig ist - bei ihrer Durchsetzung. Vereinheitlichung ist ein wesentliches Moment der Vereinfachung. Das rechtliche Umfeld sollte zur Bedingungsgleichheit ("level playing-field") für europäische Unternehmen beitragen. Wie die Dinge liegen, führt die Umsetzung und Anwendung der Richtlinien in den Mitgliedstaaten zu zusätzlichen Komplikationen, Abweichungen und Verzögerungen. Deshalb liegt es auf der Hand, dass die Rechtsvereinfachung auf europäischer Ebene nur von Erfolg gekrönt sein kann, wenn diese Vereinfachung gleichzeitig und in gleicher Weise auch in den Mitgliedstaaten stattfindet.

    1.5. Vor dem Rückgriff auf die Rechtsetzung sollte zunächst, wo immer möglich, nach Alternativen zu Rechtsvorschriften gesucht werden. Alternativen könnten die Selbstregulierung, die Koregulierung oder sogar die "Nichtregulierung" sein. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob für bisher regulierte Märkte die Möglichkeit der Selbst- oder Koregulierung in Betracht kommt.

    1.6. Rechtsvorschriften müssen unter anderem zugänglich, sachdienlich und verhältnismäßig sein. Die Zugänglichkeit der geltenden europäischen Regelungen ist noch wenig zufriedenstellend. Einerseits müssen die Rechtsvorschriften so flexibel gestaltet sein, dass sie sich den rasch wandelnden Verhältnissen anpassen können; andererseits müssen sie zeitbeständig sein, um ein Klima der Rechtssicherheit zu schaffen.

    1.7. Die Rahmengesetzgebung ist naturgemäß flexibler und bietet den Unternehmen innerhalb festgelegter Grenzen einen größeren Freiraum. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie das Rechtsetzungsverfahren auf eine untere Ebene verlagert und deutlichere Unterschiede hinsichtlich des rechtlichen Klimas in den einzelnen Mitgliedstaaten bewirkt. Mit dem gleichen Risiko ist auch die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips verbunden.

    1.8. Bei der endgültigen Annahme von Kommissionsvorschlägen für vereinfachte Rechtsvorschriften durch den Rat gibt es häufig große Verzögerungen. Der Ausschuss ersucht den Rat daher dringend darum, den Vereinfachungsprozess durch raschere Annahme der Kommissionsvorschläge wirksamer zu unterstützen.

    1.9. Der Ausschuss gibt folgende Empfehlungen für die Verbesserung des Rechtsrahmens auf europäischer Ebene:

    - Es sollte ein spezielles Gremium eingerichtet werden, das die Überprüfung der geltenden Rechtsvorschriften überwacht und Leitlinien für den Erlass neuer Rechtsvorschriften festlegt. Außerdem sollte es eine nachträgliche Bewertung der Auswirkungen von Vorschriften vornehmen. Dem betreffenden Gremium sollten Vertreter der Kommission, der nationalen Behörden und der Unternehmen angehören.

    - Es sollten genaue Ziele für die Reduzierung des Korpus von Gesetzestexten festgelegt werden, z. B. die Reduzierung des Korpus um 20 % in fünf Jahren.

    - Alle neuen Rechtsvorschriften und sämtliche verlängerten Rechtsvorschriften sollten mit einem "Verfalldatum" versehen werden, nach dessen Ablauf sie automatisch erlöschen, falls ihre Geltungsdauer nicht (nochmals) verlängert wird.

    - KMU, vor allem aber Kleinstunternehmen sollten von der Erfuellung bestimmter Rechtsvorschriften bzw. von Passagen bestimmter Rechtsvorschriften entbunden werden. Diese Freistellung könnte proportional zur Größe der Unternehmen erfolgen, so dass Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern die stärkste Entbindung erfahren.

    - Der Acquis Communautaire sollte verschlankt werden, indem ein "gemeinschaftlicher Kernbesitzstand" herausgearbeitet und dieser durch einen Kodifizierungsprozess nach schwedischem Vorbild systematischer und rationeller gestaltet wird.

    - Die Zugänglichkeit des Acquis sollte durch Änderungen des Amtsblatts und Veröffentlichung im Internet verbessert werden.

    - Es sollte, wo immer möglich, nach Alternativen zu Rechtsvorschriften gesucht werden.

    - Alle Rechtsetzungsvorhaben sollten daraufhin überprüft werden, ob sie dem öffentlichen Interesse dienen.

    - Die Fortschritte auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie sollten in vollem Umfang genutzt werden, um die Kosten der Erfuellung der Vorschriften zu verringern.

    - In Zukunft sollten die Folgenabschätzungen der Kommission im Zusammenhang mit Rechtsetzungsvorhaben auch einen Bericht über die von ihr vorgenommene Untersuchung alternativer, nichtlegislativer Möglichkeiten enthalten.

    2. Einleitung

    2.1. Diese Stellungnahme ergänzt die am 19. Oktober 2000 verabschiedete Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Vereinfachung der Binnenmarktvorschriften (BBS)"(1). Darin stellte der Ausschuss die Vereinfachung der Binnenmarktvorschriften als eine Aufgabe von vordringlicher Bedeutung heraus. Seiner Auffassung nach muss die Qualität der Vorschriften besser und ihre Umsetzung wirksamer werden, während den Akteuren der Zivilgesellschaft mehr Freiräume und Verantwortung zu übertragen sind.

    2.1.1. Der Ausschuss bat deshalb den Europäischen Rat, auf seiner Tagung in Stockholm im Frühjahr 2001 auf Vorschlag der Kommission einen Mehrjahresplan 2001-2005 zur Rechtsvereinfachung zu verabschieden, in dem Ziele, Prioritäten, Methoden, Haushaltsmittel und Weiterbehandlungs- und Kontrollmöglichkeiten aufgeführt sind. Die Umsetzung des Plans sollte jährlich auf der Grundlage eines von der Kommission erstellten Berichts vom Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung geprüft werden.

    2.1.1.1. Der Ausschuss schlug eine Reihe besonderer Maßnahmen vor:

    - Die Gemeinschaftsinstitutionen sollten Verhaltenskodizes verabschieden, die zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften und nicht zu größerer Komplexität führen.

    - Die Kommission sollte mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie intern eine auf Vereinfachung zielende Denkweise verbreitet.

    - Die Mitgliedstaaten und ihre Verwaltungen sollten Verhaltenskodizes aufstellen und die Verbreitung nachahmenswerter Praktiken fördern.

    - Die mit jedem Rechtsetzungsvorhaben verpflichtend einhergehende Auswirkungsanalyse sollte verbessert werden.

    - Die Kommission sollte das zu wählende Regelungsinstrument sorgfältiger abwägen.

    - Die Kommission sollte den Ausschuss eng in die Konzipierung, Umsetzung und jährliche Bewertung des Vereinfachungsprozesses einbinden.

    - Die Kommission sollte den Ausschuss jährlich zu vordringlichen Fragen konsultieren, die im Rahmen eines SLIM-Vorhabens und von "Test Panels" behandelt werden können.

    2.1.1.2. Um einen aktiven Beitrag zum Vereinfachungsprozess zu leisten, verabschiedete der Ausschuss einen eigenen Verhaltenskodex, dessen Wortlaut in Anhang 1 wiedergegeben ist.

    2.2. In dem vom Europäischen Rat in Lissabon erteilten Mandat wird die Notwendigkeit des Handelns auf nationaler Ebene ebenfalls hervorgehoben. Rechtliche Belastungen werden den Unternehmen in der Hauptsache auf nationaler und lokaler Ebene auferlegt. Selbst dort, wo Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene erlassen werden, obliegen ihre Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung den Mitgliedstaaten. Der Erfolg der Initiative zur Vereinfachung und Verbesserung des rechtlichen Umfeldes hängt deshalb von dem aktiven Engagement aller Akteure in dieser "Rechtsetzungshierarchie" ab und macht untereinander koordinierte Maßnahmen der Gemeinschaftsinstitutionen und der Mitgliedstaaten erforderlich.

    2.2.1. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Zusammenspiel zwischen der EU und den nationalen Institutionen. Für die EU ist es wichtig, die Auswirkungen neuer Rechtsvorschriften in unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen abschätzen zu können. Neue Gemeinschaftsvorschriften können sehr weitreichende Folgen auf nationaler Ebene haben, wenn bei ihrer Umsetzung in nationales Recht "päpstlicher als der Papst" vorgegangen wird. Dies gilt insbesondere für Rechtsvorschriften, die zwar einen "Mindeststandard" festlegen, es aber den Mitgliedstaaten überlassen, nach eigenem Ermessen strengere Normen vorzuschreiben.

    2.2.2. Es liegt in der Natur der Sache, dass zunächst veraltete Rechtsvorschriften aufgehoben werden sollten. Dennoch ist es wesentlich, dass geltende Vorschriften geändert und Verfahren zur Erarbeitung neuer Vorschriften entwickelt werden, damit sich die Rechtsvereinfachung positiv auf die Unternehmen auswirken kann. Von beiden Aufgaben ist die erste aufwändiger, die zweite letzten Endes aber wichtiger. Beide müssen allerdings von Anfang an in Angriff genommen werden, damit sich der Vereinfachungsprozess nicht infolge uferloser Grundsatzdiskussionen festfährt.

    2.2.3. Die Verfahren zur Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften sollten die Einrichtung von Mechanismen für die nachträgliche Bewertung der praktischen Auswirkungen der Rechtsetzung umfassen.

    2.3. Bei den Bemühungen um Rechtsvereinfachung sollten die Möglichkeiten, die sich aus den Fortschritten in der Informations- und Kommunikationstechnologie ergeben, voll ausgeschöpft werden. Vor allem sollte die Öffentlichkeit mittels entsprechender Websites freien Zugang zu den Texten der Rechtsvorschriften auf allen Ebenen erhalten. Computer können darüber hinaus die Belastung durch Routineaufgaben verringern und dadurch die Einhaltung der Vorschriften erleichtern (allerdings sollte die Tatsache, dass Computer verfügbar sind, nicht als Vorwand für die Auferlegung zusätzlicher Aufgaben dienen).

    2.4. Die Rechtsvereinfachung ist eine Angelegenheit, die sich nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Sozialpartner, Verbraucher, Nichtregierungsorganisationen und andere Teile der organisierten Zivilgesellschaft leiden alle unter der Verwirrung und Unsicherheit, die durch Rechtsvorschriften hervorgerufen werden, denen es an Klarheit, Kürze, Bündigkeit und Vereinbarkeit miteinander fehlt. Dort, wo Rechtsvorschriften zu einem erhöhten Kostendruck für die Unternehmen führt, wird dieser unweigerlich auf die Verbraucher abgewälzt. So ist es vor allen Dingen der einzelne Bürger, der am meisten unter dieser Situation leidet.

    2.5. Die Rechtsvereinfachung ist auch ein Thema, das für den Binnenmarkt von Belang ist. Ein großes Hindernis für dessen Vollendung ist die mangelnde Harmonisierung der Rechtsinstrumente, die häufig zu Wettbewerbsverzerrrungen führt. Der Prozess der gegenseitigen Anerkennung gleicht diese Behinderung zwar bis zu einem gewissen Grade aus, doch kann er nicht zu dem Maß an Übereinstimmung verhelfen, das ein echter Binnenmarkt benötigt.

    3. Bisherige Fortschritte

    3.1. Der Ausschuss hat die Initiative SLIM (Simpler Legislation for the Internal Market - Vereinfachung der Binnenmarktvorschriften), die von ihm stets als Schritt in die richtige Richtung empfunden wurde, konsequent unterstützt. Seines Erachtens muss jedoch noch mehr getan werden, wenn wirkliche Verbesserungen erzielt werden sollen.

    3.2. Die Initiative SLIM wurde von der Kommission bereits im Mai 1996 auf den Weg gebracht, doch sind ihre bisherigen Fortschritte ausgesprochen enttäuschend. In ihrem Zwischenbericht an den Europäischen Rat von Stockholm mit dem Titel "Verbesserung und Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Rechtsetzung"(2) greift die Kommission viele der oben aufgezählten Vorschläge des WSA für zukünftige Maßnahmen auf, mit denen das auf dem Gipfel in Lissabon festgelegte Ziel erreicht werden kann. Dieses Ziel besteht darin, die EU "zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt [zu machen], einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einen größeren sozialen Zusammenhalt zu erreichen". Seit der Festlegung dieses Ziels ist wenig erreicht worden, was dem ursprünglichen Anspruch genügen würde. Es sind sogar weitere Prioritäten hinzugekommen, während sich der Schwung im Anschluss an den Gipfel von Lissabon erheblich abgeschwächt hat.

    3.2.1. 1995 wurden im Molitor-Bericht achtzehn allgemeine Empfehlungen ausgesprochen. Diese sind in Anhang 2 dieser Stellungnahme wiedergegeben. Vor einem Jahr bemerkte der Ausschuss hierzu(3), dass viele von ihnen "weitgehend 'in der Schublade verschwunden' sind". Seither hat sich an der Situation kaum etwas geändert.

    3.2.2. Wie die Kommission feststellt, sind echte Fortschritte bei der Verbesserung und Vereinfachung des rechtlichen Umfeldes unabdingbar, um das vorgenannte Ziel erreichen zu können. In ihrem Bericht an den Europäischen Rat von Stockholm betont die Kommission, dass "die Bürger und die Unternehmen, insbesondere die KMU, ein rechtliches Umfeld [brauchen], das unzweideutig, effizient und praxisgerecht und damit dem sich rasch wandelnden globalen Markt angemessen ist".

    3.2.2.1. Der Ausschuss befürwortet diesen Ansatz. Er hat bereits mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Belastungen durch Rechtsvorschriften für kleine und mittlere Unternehmen, vor allem aber für Kleinstunternehmen zu verringern, da sie in jeder dynamischen Gesellschaft den Hauptbeitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen leisten. In einer kürzlich in Großbritannien vom Institute of Directors durchgeführten Umfrage wurden die Belastungen durch Rechtsvorschriften von der Mehrheit der Kleinstunternehmer als größtes Hemmnis bei der Gründung oder Erweiterung eines Unternehmens genannt.

    3.2.2.2. Nach Ansicht des Ausschusses kann dem Auftrag, den die EU auf dem Gipfel von Lissabon erhalten hat, nur entsprochen werden, wenn ihr Regelwerk dazu dient, ihre sozialen Ziele zu verwirklichen, ohne dadurch den Handel einzuschränken.

    3.3. Die Kommission hat die folgenden zentralen Grundsätze einer Rechtsetzungsstrategie festgelegt:

    - Erlass von Rechtsvorschriften nur in Fällen, in denen sie notwendig sind,

    - Durchführung umfassender Anhörungen und Folgenabschätzungen vor der Unterbreitung eines Vorschlags,

    - Wahl des geeigneten Rechtsinstruments,

    - Beschleunigung des Rechtsetzungsverfahrens,

    - Gewährleistung einer raschen und genauen Umsetzung sowie einer wirksamen Anwendung,

    - Bewertung der Auswirkungen einer Rechtsvorschrift und

    - Beschleunigung der Vereinfachung und Kodifizierung existierender Rechtstexte.

    3.3.1. Der Ausschuss steht voll hinter diesen Grundsätzen, vertritt aber auch die Auffassung, dass die bestehenden Mechanismen für ihre Anwendung in der Praxis unzureichend sind. Wie die Kommission festhält, muss die Strategie innerhalb des institutionellen Rahmens der Europäischen Union entwickelt werden. Einerseits bieten die Verträge Chancen, andererseits enthalten sie Verpflichtungen. Die Kommission beabsichtigt, weiterhin umfassenden Gebrauch von den durch die Verträge festgelegten Instrumenten zu machen und gemäß ihren Befugnissen als treibende Kraft zu fungieren.

    3.4. Für die Kommission ist die angestrebte Verbesserung und Vereinfachung des Rechtsrahmens nicht gleichbedeutend mit "Deregulierung"; ihr Ziel sind vielmehr bessere Regelungen, nicht bloße Deregulierung. Auch diese Grundhaltung wird vom Ausschuss unterstützt, doch kann die Verbesserung seines Erachtens zwangsläufig nur dadurch erreicht werden, dass die Zahl der geltenden Regelungen vermindert wird, was allerdings ohne Gefährdung der unerlässlichen Regelungsziele geschehen muss, die unter anderem auch die Sozial- und Umweltstandards sowie die Versorgung aller Bürger mit wichtigen Dienstleistungen betreffen. Es ist weder notwendig noch wünschenswert, dass dieses Vorgehen auf eine bloße Deregulierung hinausläuft. Die Wirksamkeit von Rechtsvorschriften hängt nicht von ihrer Quantität ab, sondern von ihrer Qualität. In vielerlei Hinsicht ist Quantität der Feind der Qualität. Rechtvorschriften sollten gekennzeichnet sein durch:

    - Zugänglichkeit,

    - Sachdienlichkeit,

    - Eindeutigkeit,

    - Unparteilichkeit,

    - Notwendigkeit,

    - Objektivität,

    - Einheitlichkeit,

    - Einfachheit,

    - Verhältnismäßigkeit,

    - Gerechtigkeit,

    - Beständigkeit und

    - Transparenz.

    Außerdem sollten Rechtsvorschriften miteinander vereinbar, wirksam und kostengünstig umsetzbar sein.

    3.4.1. Allzu oft widersprechen die Anforderungen einer Rechtvorschrift den Anforderungen einer anderen Rechtsvorschrift. Dies gilt insbesondere für auf regionaler und lokaler Ebene eingeführte subsidiäre Rechtsvorschriften. Der Erreichung der damit angestrebten Ordnungsziele kann dies nur abträglich sein. Vor allen Dingen müssen die Auflagen kostengünstig erfuellbar sein, und der erzielte Nutzen muss den zu tragenden Kosten zumindest angemessen sein, wobei unter "Kosten" nicht nur der finanzielle Aufwand zu verstehen ist.

    3.5. Im Kontext des Binnenmarktes müssen wirksame Rechtsvorschriften auf lauteren Wettbewerb und Nichtdiskriminierung abzielen. Sie sollten den Schutz der Bürger gegen Betrug, Falschdarstellung und Misswirtschaft gewährleisten sowie gleiche Bedingungen für die Marktteilnehmer schaffen. Darüber hinaus sollten sie flexibel sein und unnötige Eingriffe vermeiden. Rechtliche Rahmenbedingungen müssen einerseits so flexibel sein, dass sie neuen Entwicklungen Rechnung tragen und sich dem raschen technologischen Wandel anpassen; andererseits müssen sie aber auch beständig und vorhersehbar sein.

    3.5.1. Insbesondere sollten die Rechtsvorschriften weder die Marktentwicklung behindern noch die europäischen Unternehmen oder die europäischen Bürger im Hinblick auf die volle Nutzung der Möglichkeiten benachteiligen, die der Markt in Form von neuen Arbeitsplätzen und Verbesserung des Lebensstandards bietet.

    3.5.2. Eine effiziente Regelung muss auch ein Element der Deregulierung einschließen; die Vereinfachung kann nicht bloß darin bestehen, alte durch neue Rechtsvorschriften zu ersetzen; vielmehr ist es notwendig, das gesamte Regelwerk völlig zu überdenken.

    3.6. Die Regelungsziele sollten im Gemeinschafts- oder nationalen Recht klar festgelegt werden. Zu diesen Zielen sollte die Förderung der Verbraucherinteressen durch einen wirksamen Wettbewerb und, wo dies sinnvoll ist, die Sicherstellung einer umfassenden Dienstleistungserbringung gehören.

    3.7. Nun ist es an der Zeit, wirkliche Ergebnisse im Bereich der Rechtsvereinfachung auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene zu erzielen. Die Anstrengungen dürfen sich nicht in Grundsatzerklärungen erschöpfen. Es bedarf vielmehr einer anderen Einstellung und eines neuen ordnungspolitischen Klimas.

    3.8. Die derzeitige Konzentration der EU auf die Erweiterung der Zahl ihrer Mitglieder macht die Notwendigkeit der Vereinfachung der Rechtsetzungsstrukturen der EU noch dringlicher.

    4. Alternative Formen der Regelung

    4.1. Es gibt drei Arten von Regelungen:

    - gesetzliche Regelung,

    - Koregulierung und

    - Selbstregulierung.

    4.2. Alle drei Arten können auf demselben Markt nebeneinander bestehen, wobei die Koregulierung und die Selbstregulierung eher als ergänzende Ansätze zu betrachten sind denn als Alternativen zur gesetzlichen Regelung.

    4.3. Ein anschauliches Beispiel ist die Liberalisierung von Märkten, die früher von (im Normalfall staatlichen) Monopolen beherrscht waren. In der Anfangsphase der Liberalisierung sind oftmals strenge Rechtsvorschriften und Kontrollmaßnahmen seitens der Regierung notwendig. Die Rechtsetzung ist dann gewissermaßen ein Ersatz für Wettbewerb. Eines ihrer Hauptziele sollte die Gewährleistung und, wichtiger noch, die Förderung eines lauteren und effektiven Wettbewerbs auf dem Markt sein, wobei aber die Versorgung aller Bürger mit wichtigen Dienstleistungen, wie sie etwa das Konzept des Universaldienstes bei Leistungen der Daseinsvorsorge beschreibt, sichergestellt werden muss.

    4.3.1. Ist der lautere und offene Wettbewerb zwischen einer Anzahl unabhängiger Marktteilnehmer einmal erzielt, schützt der Konkurrenzdruck die Verbraucher gegen überhöhte Preise, Übervorteilung und unfaire Handelspraktiken: die Unternehmen können ihre Marktposition dann nur durch bessere Dienstleistungen, ein breiteres Angebot und niedrigere Preise verbessern. Unter diesen Bedingungen kann stärker auf die allgemeinen Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages vertraut werden, sodass der Gesetzgeber den Marktkräften nach und nach das Feld überlassen und die Rechtsetzung schließlich auf Bereiche einschränken kann, in denen politische Ziele nicht allein durch Wettbewerb erreichbar sind. Diese Entwicklung führt möglicherweise zur Selbstregulierung oder zur Koregulierung.

    4.3.2. Die Selbstregulierung ist freiwilliger Natur und beruht auf der Zusammenarbeit aller betroffenen Parteien, wobei für die Vereinbarungen zwischen diesen Parteien gegebenenfalls Gemeinschaftsvorschriften maßgeblich sind. Die Neue Wirtschaft zeichnet sich durch raschen technologischen Wandel, schnelle Marktentwicklung und zunehmende Globalisierung aus. In diesem schnelllebigen Umfeld kann die Selbstregulierung ein wirkungsvolles Instrument sein. Die Kommission hat die Selbstregulierung deshalb stets als flexible, effektive und kostengünstige Alternative zur Rechtsetzung in vielen Bereichen empfohlen. Der Ausschuss kann sich dieser Sicht der Dinge unter bestimmten Voraussetzungen anschließen: Selbstregulierung darf nicht "Selbstdurchsetzung" bedeuten; sie muss an Gesetzen ausgerichtet sein und durch Gesetze untermauert werden; sie muss auf einer Interessengemeinschaft aus Unternehmen und Öffentlichkeit beruhen; sie muss durchsetzbar, überprüfbar und kontrollierbar sein; sie muss ferner wirksam sein und klar festgelegte Möglichkeiten der Rechtsmitteleinlegung vorsehen, vor allem über Grenzen hinweg. Die Selbstregulierung stellt kein Patentrezept dar (in bestimmten Fällen können durch eine Selbstregulierung auf nationaler Ebene zusätzliche Hürden für den freien Dienstleistungsverkehr entstehen, und von Unternehmerverbänden auferlegte Regulierungsmaßnahmen können sich für Firmen, die keinem dieser Verbände angehören, insbesondere für KMU, nachteilig auswirken), kann aber, wenn die Voraussetzungen stimmen, ein nützliches Instrument sein, das eine schwerfällige Rechtsetzung zu vermeiden hilft.

    4.3.3. Die Koregulierung verbindet die Merkmale von Rechtsvorschriften, vor allem die Vorhersehbarkeit und Verbindlichkeit, mit den Merkmalen des flexibleren Systems der Selbstregulierung. Dabei wird die Selbstregulierung zu einer kooperativen Form des Regierens weiterentwickelt. Die Koregulierung begrenzt Eingriffe der öffentlichen Hand auf das Wesentliche und lässt den Unternehmen die größtmögliche Auswahl, wie sie ihren Verpflichtungen nachkommen. Das bloße Nebeneinander von Selbstregulierung und Rechtsetzung wird bei der Koregulierung dadurch überwunden, dass die öffentlichen und privaten Partner die Verantwortung teilen. In bestimmten Bereichen ist dies bereits geschehen, etwa im Fall

    - des "neuen Konzepts", bei dem die wesentlichen Anforderungen in einer Rahmenrichtlinie festgelegt sind und den Marktteilnehmern die Entscheidung überlassen wird, wie sie ihren Verpflichtungen am besten nachkommen; ein ganz wichtiger Faktor dieser wesentlichen Anforderungen besteht darin, dass sie technologieneutral sind;

    - der durch den Vertrag von Maastricht geschaffenen Möglichkeit von Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern (auf eigene Initiative oder nach Anhörung durch die Kommission) als alternative Methode zur Rechtsetzung in Bereichen wie Arbeitsbedingungen oder Zugang zum Arbeitsmarkt.

    4.3.3.1. Im Fall der Koregulierung besteht die größte Schwierigkeit darin, politische Ziele festzulegen und daran festzuhalten und gleichzeitig im gesetzlichen Rahmen mehr Flexibilität zuzulassen. Dazu ist es erstens erforderlich, Bereiche zu identifizieren, in denen die Koregulierung am besten funktionieren dürfte. Zweitens sind umfassende Lösungen vonnöten, Stückwerk dürfte sich in der Praxis nicht bewähren. Schließlich ist es notwendig, schnell zu handeln: Der Druck, der durch die Globalisierung entsteht, zwingt zu einem straffen Zeitplan.

    4.3.3.2. Ein von der Binnenmarktbeobachtungsstelle des Ausschusses am 3. Mai 2001 in Brüssel veranstaltetes Kolloquium über die Koregulierung im Binnenmarkt kam zu dem Schluss, dass die sich im Binnenmarkt herausbildenden Koregulierungspraktiken nach wie vor sehr unterschiedlich sind. In bestimmten Bereichen (Normen, Soziales) sind sie auf europäischer Ebene anscheinend bereits gut durchdacht, organisiert und erprobt, während sie in anderen Bereichen (Verbraucherfragen, Umweltschutz, Finanzdienstleistungen) kaum ausgeprägt, punktuell und dezentralisiert sind, obschon sie ein großes Entwicklungspotenzial haben.

    4.3.3.3. Diese Praktiken haben grundsätzlich den Vorteil, die Vorschriften zu vereinfachen, das Rechtswesen zu entlasten, die Anpassung an Veränderungen zu beschleunigen und die Mitverantwortung der Akteure der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zu fördern. Zum Erfolg benötigen sie Freiräume für die wirtschaftlichen Akteure und die organisierte Zivilgesellschaft, Partnerschaften mit den staatlichen Behörden, Vertreter der Akteure, transparente Verfahren, effiziente Umsetzungen sowie strenge Kontrollen und Nachkontrollen der Auswirkungen (unter Einbeziehung der staatlichen Behörden).

    4.3.3.4. Die unterschiedlichen Konzepte zur Koregulierung in sozialen und wirtschaftlichen Kreisen können angesichts der dreifachen Herausforderung der Vertiefung, Erweiterung und Globalisierung einen sinnvollen Beitrag zum besseren Funktionieren des Binnenmarktes leisten.

    4.4. Eine weitere Alternative zur Rechtsetzung besteht darin, keine Rechtsvorschriften zu erlassen und die Verantwortung den Marktteilnehmern zu überlassen. Zwar wäre diese Lösung nicht in allen Fällen angebracht, doch sollte sie als Alternative nicht völlig außer Acht gelassen werden. Die erste Frage, die hinsichtlich eines jeden Rechtsetzungsvorhabens zu stellen ist, lautet: "Ist eine rechtliche Regelung hier überhaupt erforderlich?" Diese Frage könnte der Ausschuss in seinen Stellungnahmen zu Rechtsetzungsvorhaben zu beantworten versuchen. Die gleiche Frage sollte man sich auch bei der Einführung von Koregulierungs- oder Selbstregulierungsverfahren stellen.

    4.5. Jedes Regelungssystem, sei es in Form von Rechtsvorschriften, Koregulierung oder Selbstregulierung oder aber eine Kombination daraus, dürfte sich nachteilig auf die Austauschrelationen auswirken, wenn es nicht einheitlich ist und einheitlich angewandt wird. Nichts ist dem Wirtschaftsleben abträglicher als ein Klima der Rechtsunsicherheit.

    5. Vereinfachung geltender Rechtsvorschriften

    5.1. Durch die Vereinfachung und systematische Aktualisierung geltender Rechtsvorschriften sollte sichergestellt werden, dass die aktuellen Rechtstexte stets den verfolgten Zielen gerecht werden. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Kommission Folgendes:

    - schnelle Bewertung des Feedbacks, um unnötig komplizierte Rechtsvorschriften ausfindig zu machen;

    - regelmäßig aktualisierte mehrjährige Planung der anstehenden Vereinfachungen, wobei die Organe politisch verbindliche Termine vereinbaren müssten;

    - Vorlage eines Vorschlags für eine Vereinbarung der Organe zur Festlegung der Grundsätze der Vereinfachung sowie politisches Engagement zur Forcierung der entsprechenden Legislativmaßnahmen;

    - systematische Berücksichtigung des Vereinfachungsaspekts bei der regelmäßigen Überarbeitung geltender Richtlinien oder Verordnungen;

    - Fortführung und Weiterentwicklung der bereits getroffenen Maßnahmen auf dem Gebiet der Kodifizierung, Neufassung und Konsolidierung; Entscheidung für die systematische und schnelle Veröffentlichung der konsolidierten Texte zu Informationszwecken bei jeder Änderung.

    5.2. Der Ausschuss wertet diese Maßnahmen zwar grundsätzlich positiv, fürchtet aber, dass sie allein nicht ausreichen, um die offensichtlich notwendige erhebliche Verbesserung des Status quo zu bewirken. Der derzeitige Acquis communautaire umfasst beinahe 10000 Rechtsakte neun verschiedener Arten mit insgesamt mehr als 80000 Seiten und ist derart komplex, dass sich nur noch spezialisierte und erfahrene Juristen in diesem Textlabyrinth zurechtfinden. Dies führt nicht nur zu hohen Belastungen für die Unternehmen in den bisherigen Mitgliedstaaten, sondern auch zu einer fast unerträglichen Situation für die Beitrittsländer, da das Tempo, mit dem neue Gemeinschaftsvorschriften erlassen werden, vielfach höher ist als das Tempo, mit dem die Beitrittsländer die bisherigen Gemeinschaftsvorschriften (den Acquis) in ihre nationale Gesetzgebung zu übernehmen in der Lage sind.

    5.3. Der Ausschuss hat die Sorge, dass, falls die Überprüfung geltender Rechtsvorschriften lediglich durch das Feedback von Seiten der Marktteilnehmer ausgelöst wird, der Prozess Gefahr läuft, zufallsbedingt und unwirksam zu werden. Erforderlich ist hingegen eine sorgfältige und radikale Überprüfung aller geltenden Rechtsvorschriften. Diese Überprüfung sollte sich an dem Prinzip ausrichten, dass jede Rechtsvorschrift sofort aufzuheben ist, falls keine eindeutigen und zwingenden Gründe für ihre Beibehaltung vorliegen.

    5.4. Es genügt jedoch nicht, überholte Rechtsvorschriften abzuschaffen. Selbst dort, wo rechtliche Regelungen zweifellos noch benötigt werden, müssen sie nicht zwangsläufig ihre derzeitige Form beibehalten. Das Gemeinschaftsrecht hat sich Stück für Stück entwickelt, und die vorhandenen Vorschriften wurden an neue Gegebenheiten angepasst. Dies hat dazu geführt, dass einige Richtlinien mehrfach abgeändert und der ohnehin schon komplexen Struktur mit jeder neuen Situation weitere Vorschriften hinzugefügt wurden. Hieraus resultieren Vorschriften, die verwickelt, verwirrend und mitunter widersprüchlich sind. In vielen Fällen, in denen Richtlinien nicht aufgehoben wurden, dürfte es notwendig sein, diese vollständig zu überarbeiten, um die Klarheit, Bündigkeit und Schlüssigkeit der rechtlichen Struktur wiederherzustellen, wobei aber die Auswirkungen der Änderungen auf Sozial- und Umweltstandards sorgfältig überprüft werden müssen.

    6. Das Beispiel Schweden

    6.1. Wie in jedem vergleichbaren Fall erweist sich auch hier die Analyse bewährter Methoden als lehrreich. Schweden gehört zu den Mitgliedstaaten, die die Lösung des Problems der Rechtsvereinfachung systematisch in Angriff genommen haben.

    6.2. Die Untersuchung des Rechtsrahmens in Schweden führt zu aufschlussreichen Ergebnissen. Auf der obersten Ebene gibt es Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden (ihre Zahl beträgt derzeit etwas mehr als 1000). Auf der darunter liegenden Ebene sind Verordnungen angesiedelt, die von der Regierung erlassen werden (die Zahl der geltenden Verordnungen wird auf über 2000 geschätzt). Auf der nachfolgenden Ebene befinden sich die Rechtsvorschriften der Behörden der Zentralregierung; sie werden unterschieden in rechtsverbindliche offizielle Vorschriften und nicht rechtsverbindliche, aber in der Praxis - auch auf Seiten der Gerichte - weitgehend beachtete allgemeine Empfehlungen. Insgesamt gibt es in den genannten Kategorien ca. 7000 wichtige Rechtsvorschriften, die rund 40000 Seiten Text umfassen (davon stehen etwa 8 % in Beziehung zur EU). Die stetige Zunahme neuer und geänderter Rechtsvorschriften beträgt ca. 5000 Seiten pro Jahr; 80 % davon sind Änderungen bestehender Rechtsakte, also keine neuen Rechtsakte. Dies bedeutet, dass sich Geschäftsleute und ihre Berater Jahr für Jahr in 5000 Seiten neue Rechtsvorschriften einarbeiten und 4000 Seiten alte Rechtsvorschriften wieder "vergessen" müssen. Diese Zahlen liegen in einigen anderen Mitgliedstaaten noch bedeutend höher.

    6.2.1. Unterhalb der vorgenannten Kategorien von bedeutenden Rechtsinstrumenten gibt es drei weitere Kategorien von Rechtsvorschriften: Vorschriften der Regionalregierung, Kommunalvorschriften und (von den Sozialpartnern ausgehandelte) Kollektivvereinbarungen. Diese subsidiären Regelungen sollten weder außer Acht gelassen noch ihre Bedeutung unterschätzt werden.

    6.2.2. Aus den auf Schweden bezogenen Angaben können drei zentrale Schlussfolgerungen gezogen werden:

    - Die Zunahme neuer und geänderter Rechtsvorschriften auf Regierungsebene beträgt ca. 12,5 % pro Jahr.

    - Der Anteil der Rechtsvorschriften, die auf die Intervention der EU zurückzuführen sind, ist relativ niedrig.

    - Je niedriger die Vorschriften in der Rechtsetzungshierarchie angesiedelt sind, desto größer ist ihre Zahl.

    6.2.2.1. Obwohl die vorgenannten Zahlen spezifisch für Schweden sind, dürfte sich das gezeichnete Bild, abgesehen von geringen lokalen Unterschieden, höchstwahrscheinlich mit der Situation in den anderen Mitgliedstaaten decken. Insbesondere dürfte das Verhältnis von auf die EU zurückführbaren Rechtsvorschriften zu inländischen Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten ähnlich sein.

    6.3. Ende der 80-er Jahre unternahm Schweden den Versuch, die von den Behörden erlassenen Vorschriften zu rationalisieren. In den Zentralbehörden wurden besondere Kodizes von Rechtsvorschriften entwickelt (derzeit 55 an der Zahl), um über ein Ordnungssystem zu verfügen und damit der Öffentlichkeit und der Wirtschaft den Zugang zu den Vorschriften zu erleichtern.

    6.3.1. Das Beispiel Schwedens hat gezeigt, dass wesentliche Vereinfachungsbestrebungen der Regierung und des Parlaments weitgehend ergebnislos bleiben, falls die Behörden nicht daran interessiert sind. Ferner zeigt uns das Beispiel, dass eine zentrale Initiative anscheinend nur bescheidene Erfolgsaussichten hat, wenn sie nicht auf höchster Hierarchieebene geleitet wird, und dass die Festlegung genauer Ziele von entscheidender Bedeutung ist.

    6.4. Die Rahmengesetzgebung hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Obwohl sie - vor allem im Hinblick auf den raschen technologischen Fortschritt - deutliche Vorteile gegenüber den allzu ausführlichen Rechtstexten früherer Jahre aufweist, hat sie doch eine Kehrseite in Form einer starken Vermehrung von Rechtsvorschriften auf unteren Ebenen. Beispielsweise sind aus dem schwedischen Lebensmittelgesetz, einem einfachen sechsseitigen Gesetz mit 35 Paragrafen, mehr als 100 behördliche Vorschriften mit über 1800 Seiten hervorgegangen.

    6.5. Die Maßnahmen, die in Schweden zur rechtlichen Entlastung von KMU ergriffen wurden, bestehen darin, dass bestimmte Rechtsvorschriften für diese Unternehmen ganz oder teilweise aufgehoben oder aber gelockert wurden. Vergleichbare Maßnahmen sind in den USA zu finden, wo sie sich als sehr wirkungsvoll bei der Förderung der Unternehmenstätigkeit erwiesen haben. Entgegen der weitverbreiteten Meinung sind die Vereinigten Staaten eine stark regulierte Gesellschaft; allerdings ist die Small Business Administration (SBA, Behörde für Kleinunternehmen) tätig geworden, um die Belastung durch Rechtsvorschriften - insbesondere für Kleinstunternehmen - zu vermindern.

    6.5.1. In Europa könnte das beschriebene Modell in größerem Umfang übernommen werden. Natürlich gibt es einige Rechtsvorschriften, von deren Einhaltung niemand entbunden werden kann, doch wirken sich viele Rechtsvorschriften unverhältnismäßig stark auf Kleinstunternehmen aus und verhindern deren Gründung. In solchen Fällen erscheint eine gewisse Lockerung der Rechtsvorschriften gerechtfertigt, sofern deren Grundsätze gewahrt bleiben.

    7. Der Verhaltenskodex des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    7.1. Die Vereinfachung hat mit der vom WSA ergriffenen Initiative zur Aufstellung und Einführung eines Verhaltenskodex neuen Auftrieb erhalten. Damit dieser Schwung nicht verloren geht, muss der Ausschuss der Umsetzung dieses Kodex mehr Beachtung schenken.

    7.2. Zwar war eines der Hauptanliegen seines Verhaltenskodex die Einführung systematischer Kontrollen der Folgenabschätzung für jeden Entwurf von Rechtsvorschriften, doch stand dieses Thema seither nur in einigen wenigen Stellungnahmen im Vordergrund.

    7.3. Der Ausschuss beschloss, die Gemeinschaftsinstitutionen darauf aufmerksam zu machen, wenn sich eventuell ein anderer Ansatz als eine EU-Rechtsvorschrift anbietet, namentlich vertragliche Vereinbarungen, Selbstregulierung und Koregulierung. Hierzu veranstaltete die Binnenmarktbeobachtungsstelle des Ausschusses im Mai 2001 ein Kolloquium, an dem Vertreter von fünf Generaldirektionen der Europäischen Kommission und von anderen europäischen Institutionen teilnahmen.

    7.4. Der Ausschuss hat sich Dialoge mit den europäischen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren, dem Ausschuss der Regionen sowie den Wirtschafts- und Sozialräten in den Mitgliedstaaten vorgenommen, um einen Beitrag zum Erfolg des Vereinfachungsprozesses zu leisten. Derartige Dialoge bestehen zwar noch in keiner strukturierten Form, doch beabsichtigt die Binnenmarktbeobachtungsstelle, nächstes Jahr eine Reihe von Besuchen bei den einzelstaatlichen Wirtschafts- und Sozialräten zu starten, wo die Frage der Rechtsvereinfachung auf der Tagesordnung stehen wird. Mit dem Ausschuss der Regionen wurde diesbezüglich bereits Kontakt aufgenommen.

    7.5. Der Verhaltenskodex trug der Tatsache Rechnung, dass der Ausschuss, obwohl er die einschlägigen Initiativen der Kommission weitgehend unterstützte, bisher nur selten eigene Vereinfachungsvorschläge oder einfachere Alternativen zu der von der Kommission angeregten Vorgehensweise unterbreitet hatte. Bedauerlicherweise trifft dies immer noch zu.

    7.6. Es ist offensichtlich, dass der Ausschuss wie die Kommission, die anderen Institutionen und die Regierungen der Mitgliedstaaten hier zu konstruktiveren Maßnahmen aufgerufen sind.

    8. Fragestellungen der Rechtsetzung

    8.1. Das Thema der Rechtsvereinfachung ist ebenso komplex wie das Problem, das durch die Rechtsvereinfachung gelöst werden soll. Es wirft dabei eine Reihe von schwierigen Fragen auf.

    8.2. Eine dieser Fragen bezieht sich auf die Rahmengesetzgebung. Es besteht kein Zweifel, dass eine ausführliche und allzu präskriptive Gesetzgebung unangemessen für einen schnelllebigen Markt ist, auf dem Rechtsvorschriften bereits vor ihrem Erlass durch den raschen technologischen Wandel zu veralten drohen. Hieraus erwächst die Notwendigkeit der fortwährenden Novellierung und Änderung von Regelungen, was ein Klima der Rechtsunsicherheit schafft und oft zu hochkomplexen, praktisch unverständlichen Rechtsinstrumenten führt. Deshalb sollte die Formulierung von Rechtsvorschriften soweit wie möglich allgemein gehalten werden, sodass sich diese leichter neuen Gegebenheiten anpassen.

    8.2.1. Gleichwohl beruht die Rahmengesetzgebung auf dem Grundsatz, dass Unternehmen innerhalb der festgelegten Grenzen frei sein sollten. Gegen diesen Grundsatz wird verstoßen, wenn Rahmengesetze auf europäischer Ebene durch die jeweilige nationale Legislative unterschiedlich ausgelegt werden oder wenn sie auf nationaler Ebene durch behördliche und lokale Regelungen ergänzt werden. Rahmengesetze sind vorzuziehen, wenn sie ausreichende Flexibilität für die Bewältigung des raschen Wandels bieten und innerhalb festgelegter Grenzen die Handlungsfreiheit der Unternehmen ermöglichen. Sie können aber von Nachteil sein, wenn sie lediglich die Gesetzgebungskompetenz von der Ebene der Politik auf eine untere Ebene verlagern.

    8.3. Eine weitere Frage betrifft die Subsidiarität. Nach allgemeiner Auffassung sollten alle gesetzgeberischen Bemühungen dem Subsidiaritätsprinzip folgen. Dementsprechend darf die EU nichts verordnen, was national durch Rechtsvorschriften oder andere Mittel geregelt werden könnte; ebenso darf ein Mitgliedstaat nichts auf zentraler Ebene regeln, was auf regionaler oder kommunaler Ebene besser gelöst werden könnte.

    8.3.1. In der Praxis entstehen bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips beträchtliche Schwierigkeiten für Unternehmen und Mitgliedstaaten gleichermaßen. In vielen Fällen, in denen das Prinzip zum Erlass von Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene verpflichtet, führt dies dazu, dass die Umsetzung dieser Vorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten auf recht unterschiedliche Weise erfolgt. Das gleiche trifft in noch stärkerem Maße auf die Gesetzgebungskompetenz auf lokaler Ebene zu. Mithin kann das Subsidiaritätsprinzip dazu führen, dass Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten, ja sogar in ein und demselben Mitgliedstaat mit widersprüchlichen, dasselbe Thema betreffenden Rechtsvorschriften konfrontiert werden. Subsidiarität und Unterschiedlichkeit gehen Hand in Hand.

    8.3.2. Man könnte den Standpunkt vertreten, dass die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips wegen der erforderlichen Einheitlichkeit im Binnenmarkt dazu führen sollte, dass auf europäischer Ebene viel mehr Rechtsvorschriften als bisher erlassen werden. Darüber hinaus sollten diese Rechtsvorschriften dergestalt formuliert werden, dass sie bei dem Prozess der Umsetzung auf nationaler oder lokaler Ebene nicht wesentlich geändert werden können. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass eines der wesentlichen Ziele des EU-Rechts darin besteht, die Dinge durch Harmonisierung und Vereinheitlichung der fünfzehn unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten zu vereinfachen, um ein gutes Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten.

    8.4. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Durchsetzung. Selbst in den vergleichsweise wenigen Bereichen, in denen die Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten miteinander übereinstimmen, gibt es oft ausgeprägte Unterschiede hinsichtlich ihrer Durchsetzung. Auch hierdurch entstehen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt.

    8.5. Der Erfolg von Rechtsvorschriften hängt u. a. in entscheidendem Maße von ihrer Zugänglichkeit ab. Unternehmen und andere Rechtssubjekte müssen ihre rechtliche Stellung kennen und sollten in der Lage sein, ohne unnötige Schwierigkeiten und allzu großen finanziellen Aufwand an Gesetzestexte zu gelangen. Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass der Acquis nicht nur schwer zu verstehen, sondern auch vergleichsweise schwer zugänglich ist. Ein Lösungsansatz für das erste Problem besteht in der Feststellung eines "gemeinschaftlichen Kernbesitzstandes", der die Grundbestandteile der ca. 1200 Richtlinien und Verordnungen des Rates und die ca. 2500 damit verbundenen Richtlinien und Verordnungen der Kommission enthalten sollte. Des Weiteren wäre es nützlich, einen Kodifizierungsprozess in die Wege zu leiten, der mit dem in Schweden durchgeführten vergleichbar ist. Das zweite Problem würde eine Überprüfung des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften erforderlich machen, dessen bisherige Veröffentlichungsweise unnötig kompliziert und unübersichtlich erscheint. Ergänzend könnte der gesamte Acquis unter Hervorhebung der jeweiligen aktuellen Änderungen auf einer speziellen Website veröffentlicht werden.

    8.6. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ebenfalls von fundamentaler Bedeutung. Im Bereich der Rechtsetzung gebietet dieser Grundsatz, dass Unternehmen nicht stärker belastet werden dürfen, als dies im öffentlichen Interesse gerechtfertigt ist. Folglich sollte es eine wesentliche Voraussetzung für den Erlass einer neuen Rechtsvorschrift auf europäischer, nationaler oder lokaler Ebene sein, dass die Verantwortlichen klar darlegen, weshalb die betreffende Vorschrift im Interesse der Öffentlichkeit benötigt wird. Einer vergleichbaren Prüfung sollten auch die bereits geltenden Rechtsvorschriften unterzogen werden.

    8.6.1. Rechtsvorschriften müssen sachdienlich und eindeutig sein. Leider ist dies auf europäischer Ebene nicht immer der Fall und trifft immer weniger zu, je weiter nach unten man sich in der Hierarchie der Rechtvorschriften begibt. Rechtsvorschriften, die zur Lösung eines bestimmten Problems für erforderlich erachtet werden, werden häufig einfach an vorhandene Rechtsvorschriften "angehängt", die ursprünglich nicht für diesen Zweck gedacht waren. Dies führt zu Fällen, bei denen es selbst für Experten unklar ist, ob für bestimmte Sachverhalte der eine oder der andere Teil ein und derselben Regelung, eine ganz andere Regelung oder gar keine Regelung anwendbar ist. Dieser Mangel an Klarheit schadet den Interessen aller Beteiligten, der Wirtschaft, der Öffentlichkeit, der einzelstaatlichen Verwaltungen und der Europäischen Institutionen.

    8.7. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass sowohl eine Überprüfung der bestehenden Rechtsvorschriften als auch der Entwurf von Leitlinien für die Einführung neuer Rechtsvorschriften vonnöten sind. Es stellt sich die Frage, wie und von wem diese Überprüfung durchgeführt werden soll. Das Beispiel Schwedens zeigt, dass die besten Ergebnisse erzielt werden können, wenn

    - die betreffenden Behörden in den Prozess einbezogen werden,

    - die Leitung des Prozesses auf der obersten Ebene der politischen Hierarchie angesiedelt ist,

    - ein aktiver Dialog zwischen Behörden und Märkten stattfindet und

    - genaue Ziele festgelegt werden.

    Dennoch ist es vielleicht unrealistisch anzunehmen, dass ausgerechnet Beamte die treibende Kraft bei der Reduzierung und Rationalisierung von Rechtsvorschriften sein werden. Ihr Einsatz ist zwar sehr wichtig, den Anstoß müssen aber andere liefern: Dabei kann es sich nur um Politiker handeln, auch wenn deren Zeit durch viele andere Anliegen und Aufgaben beansprucht wird.

    8.7.1. In seiner früheren Stellungnahme zu diesem Thema(4) wies der Ausschuss auf die Notwendigkeit hin, bei der Erstellung der Auswirkungsanalysen auf eine größere Unabhängigkeit zu achten und ihre Qualität durch Bereitstellung angemessener Mittel, Nutzung des Initiativrechts, Anwendung der richtigen Methoden und eine effiziente Konsultation der unmittelbar betroffenen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen zu verbessern. Ein Weg, dies zu erreichen, wäre es seines Erachtens, mit der Erstellung dieser Analysen ein Organ außerhalb der Kommission zu betrauen, das die erforderlichen Qualifikationen und die notwendige Unabhängigkeit aufweist.

    8.7.2. Nach Ansicht des Ausschusses sollte dieses Organ in Form eines ständigen Gremiums auf europäischer Ebene eingerichtet werden, das auch mit der Überwachung der Überprüfung der Vereinfachung betraut werden könnte. Zur Gewährleistung eines aktiven Dialogs zwischen Behörden und Marktteilnehmern sollten dem Gremium auch Vertreter der Wirtschaft angehören und nicht nur Vertreter der Kommission, der Behörden und der anderen wirtschaftlichen und sozialen Akteure. In diesem Punkt ist das bisherige Verfahren noch verbesserungsbedürftig. Die EU hat, was die Vertreter in derartigen Gremien betrifft, für alle nationalen Behörden akribische Regelungen getroffen, doch sind die Sprecher der Marktteilnehmer überall stark unterrepräsentiert. Unternehmen sind die "Verbraucher" von Rechtsvorschriften, und für sie ist es ebenso wichtig wie für die Behörden, über direkte Vertreter in dem Überprüfungsgremium zu verfügen. Sie sind schließlich am besten in der Lage, die Auswirkungen der Rechtsvorschriften auf ihre Tätigkeiten zu beurteilen. Ideal wäre es, wenn das Gremium Pendants auf nationaler Ebene hätte, die gegenüber der deutlich größeren Menge an nationalen Rechtsvorschriften die gleiche Aufgabe zu erfuellen hätten. Selbstverständlich wäre ein enger Kontakt zwischen dem europäischen Gremium und den nationalen Entsprechungen wünschenswert. Die nationalen Behörden könnten zudem die Aufgabe übernehmen, die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht zu prüfen.

    8.7.3. Das Überprüfungsgremium könnte außerdem einige der folgenden Aufgaben, wenn nicht gar alle, erfuellen:

    - die in die SLIM-Initiative aufzunehmenden vorhandenen Rechtsvorschriften zu ermitteln,

    - Leitlinien für die Einführung neuer Rechtsvorschriften festzulegen,

    - Ziele für die Reduzierung der Rechtsvorschriften aufzustellen,

    - den Acquis Communautaire zu kodifizieren,

    - Folgenabschätzungen vorzunehmen,

    - eine Marktüberwachung durchzuführen,

    - Ex-post-Bewertungen der praktischen Auswirkungen der Rechtsinstrumente vorzunehmen,

    - die Arbeit der European Business Panels zu übernehmen,

    - die Fortschritte der Task-Force zur Verbesserung des Unternehmensumfelds (BEST) zu überwachen und

    - die verschiedenen bestehenden Vereinfachungsinitiativen (SLIM, BEST, Test Panels und Folgenabschätzungen) zu koordinieren.

    8.8. Eine Maßnahme, die die Arbeit des Gremiums erheblich erleichtern und einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Vereinfachung der Rechtsetzungsstrukturen leisten würde, wäre eine Befristung der Geltung aller neuen Rechtsvorschriften (sowie bestehender Vorschriften, deren Beibehaltung im Rahmen der Überprüfung beschlossen würde), d. h. diese Vorschriften würden, falls nicht erneuert, automatisch erlöschen (dies wird als "sunset legislation" bezeichnet). Damit würde sichergestellt, dass diese Vorschriften systematisch überprüft würden, wie auch ihre Existenzberechtigung, um herauszufinden, ob ihre Beibehaltung weiterhin gerechtfertigt ist. Die befristete Geltungsdauer muss nicht für alle Rechtsinstrumente gleich sein. Sie kann in manchen Fällen z. B. sieben Jahre betragen, in anderen Fällen auch kürzer sein. Ein ähnliches Verfahren sollte auch auf nationaler Ebene eingeführt werden.

    8.9. Zur Erleichterung der Erweiterung der Union sollte der Vereinfachungsprozess ganz erheblich beschleunigt werden. Die Bemühungen der Bewerberländer, den Acquis zu übernehmen, werden durch die übermäßige Komplexität eines Großteils des EU-Rechts unnötig erschwert. Wird vor ihrem Beitritt nichts an der bisherigen Situation verändert, so werden ihre Unternehmen und insbesondere ihre KMU mit den unnötigen Zusatzkosten belastet, die derzeit von den Unternehmen in den jetzigen Mitgliedstaaten zu tragen sind. Diese Kosten dürften die Unternehmen in den Bewerberländern, da sie sich in viel weniger entwickelten Volkswirtschaften betätigen, stärker belasten als die Unternehmen der bisherigen Mitgliedstaaten.

    8.10. Die Komplexität des vorhandenen Rechts wirft auch Fragen der Rechtsstaatlichkeit auf. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, und viele kleine Unternehmen laufen Gefahr, sich strafbar zu machen, weil sie nicht in der Lage sind, sich einen Überblick über Art und Tragweite ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu verschaffen. Die Komplexität des Rechts hat dazu geführt, dass die Auslegung bei weniger übersichtlichen Rechtsfragen zur Domäne einiger weniger hochspezialisierter Juristen wurde, die wegen ihrer geringen Zahl und ihrem Spezialwissen horrende Honorare verlangen, sodass sich nur die größten Organisationen ihre Dienste leisten können.

    8.11. Das umfangreiche Rechtsgebäude ist folgendermaßen hierarchisch gegliedert:

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    Außerdem gibt es Vorschriften, die von internationalen Organisationen wie der WTO und der IAO erlassen wurden oder Bestandteil bilateraler oder multilateraler Übereinkommen sind.

    8.11.1. In vielen, wenn nicht gar in allen Mitgliedstaaten nimmt die Zahl der Rechtsvorschriften zu, je niedriger sie in der Rechtshierarchie angesiedelt sind. Außerdem wird die Ausübung der Regelungsgewalt auf den unteren Ebenen häufig strenger und uneinheitlicher gehandhabt. Infolgedessen haben die Rechtsvorschriften auf städtischer, kommunaler und regionaler Ebene die schwerwiegendsten Auswirkungen auf die Unternehmen und insbesondere auf die KMU. Die Belastungen werden durch die unterschiedlichen Geschäftsgepflogenheiten und -praktiken in den einzelnen Ländern, die zwar keine Rechtskraft haben, aber vielfach willkürlich angewandt werden, noch verschärft.

    8.11.2. Die Auswirkungen des subsidiären Rechts sollten nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Kosten und des Verwaltungsaufwands für die Unternehmen betrachtet werden, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimierung. Subsidiäre Vorschriften werden häufig ohne jede wirkliche Rechtsgrundlage eingeführt. Durch die Tatsache, dass Parlamente und Regierungen anonymen Behörden die Wahrnehmung von Regelungsbefugnissen zugestehen, wird die Legitimierung und Akzeptanz des Rechtsetzungsprozesses untergraben. Außerdem mangelt es dem der Prozess des Erlassens von subsidiären Vorschriften oft an Transparenz.

    8.12. Einer der Gründe für die Komplexität des EU-Rechts sind die erheblichen und bisweilen widersprüchlichen Änderungen, die im Parlament und im Rat an Legislativvorschlägen vorgenommen werden, um zu einem Konsens zu gelangen. Der Ausschuss hat zwar keine Lösung hierfür anzubieten, doch möchte er auf den Zusammenhang zwischen Konsens und Komplexität hinweisen. Außerdem werden die Folgenabschätzungen auf der Grundlage der Kommissionsvorschläge vorgenommen und sind für den letztlich angenommenen Rechtsakt, der von dem ursprünglichen Vorschlag erheblich abweichen kann, nicht unbedingt relevant.

    9. Die Rolle des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    9.1. In seiner früheren Stellungnahme(5) kam der Ausschuss zu der Erkenntnis, dass er als einziges europäisches Vertretungsorgan aller wirtschaftlichen und sozialen Akteure, die in der Praxis mit den Rechtsvorschriften umgehen müssen, bei der Konzeption und Überwachung einer neuen Gemeinschaftspolitik der Vereinfachung eine wichtige Rolle spielen kann. Um dieser Aufgabe besser nachkommen zu können, ersuchte er die Kommission darum,

    - ihn, wo immer dies möglich ist, bereits in der Frühphase zu konsultieren, damit die Ausübung seiner beratenden Funktion in Fragen der Vereinfachung nicht beeinträchtigt wird;

    - ihn insbesondere jedes Jahr zu dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Kommission das Jahresprogramm der für ihn geplanten Befassungen übermittelt, zu dem Entwurf des Berichts über die Fortschritte des Vereinfachungsprozesses zu konsultieren, der dem Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung vorgelegt werden soll;

    - ihn unmittelbar in die Überlegungen zur Verbesserung und Erweiterung der Auswirkungsanalyse einzubeziehen.

    9.1.1. Dieses Ersuchen möchte der Ausschuss hier nochmals bekräftigen.

    9.1.1.1. Der Ausschuss verpflichtet sich seinerseits dazu, sich tatkräftiger um die Beachtung der Bestimmungen seines eigenen Verhaltenskodexes zu bemühen.

    10. Fazit

    10.1. Die Stellungnahme enthält nur wenige neue Überlegungen. Die Vereinfachung bedarf auch keiner neuen Ideen; notwendig ist vielmehr die effektive Umsetzung der Vorstellungen, die vom Ausschuss selbst wie auch von der Kommission, vom Europäischen Rat in Lissabon, im Molitor-Bericht und von vielen anderen betroffenen Gremien bereits entwickelt wurden. Der Ausschuss sieht zwar ein, dass es oft einfach ist, die Dinge zu komplizieren, und kompliziert, die Dinge zu vereinfachen, meint jedoch, dass es keinen Sinn hat, von Verpflichtungen zu sprechen, wenn man nicht bereit ist, ihnen nachzukommen, geschweige denn, zusätzliche Verpflichtungen vorzusehen, wenn schon die bisherigen nicht erfuellt wurden.

    Brüssel, den 29. November 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 1.

    (2) KOM(2001) 130 endg. vom 7.3.2001.

    (3) ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 1.

    (4) ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 1.

    (5) ABl. C 14 vom 16.1.2001, S. 1.

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