Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige
ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:
Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige
WAS IST DER ZWECK DIESER RICHTLINIE?
- Ziel der Richtlinie ist es, die Gleichstellung von Frauen und Männern im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz in der gesamten EU dadurch zu erreichen, dass Arbeitnehmern, die Eltern oder pflegende Angehörige sind, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erleichtert wird.
- Mit der Richtlinie werden Mindestvorschriften für die Inanspruchnahme von Urlaub aus familiären Gründen (Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige) sowie für flexible Arbeitsregelungen festgelegt.
- Die Richtlinie soll zur Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen und zu einer besseren Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen beitragen.
- Die Richtlinie bietet Männern Anreize, um einen gleichwertigen Anteil an den Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu übernehmen, indem bezahlter Vaterschafts- und Elternurlaub eingeführt wird – einer der Gründe, weshalb nur wenige Väter einen Urlaub in Anspruch nehmen.
- Die Politik zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Frauen bzw. Männer ist so unausgewogen gestaltet, dass sie die Geschlechterstereotype und -unterschiede sowohl im Beruf als auch im Bereich von Betreuung und Pflege noch verstärkt. Mit Gleichbehandlungsmaßnahmen sollte unter anderem das Problem der Stereotype bei der Beschäftigung und den Rollen sowohl von Männern als auch von Frauen angegangen werden.
WICHTIGE ECKPUNKTE
Anwendungsbereich
- Die Richtlinie gilt für alle Männer und Frauen, die nach der die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigenden Definition im Recht, in den Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder den Gepflogenheiten jedes einzelnen EU-Landes einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
Mindestrechte
Die Richtlinie legt individuelle Mindestrechte fest, und zwar in Bezug auf Folgendes:
- Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige;
- flexible Arbeitsregelungen für Arbeitnehmer, die Eltern oder pflegende Angehörige sind; und
- Rechtsschutz für diejenigen, die Urlaub aus familiären Gründen und flexible Arbeitsregelungen beantragen oder in Anspruch nehmen.
Die EU-Länder können Vorschriften beibehalten oder einführen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind.
Vaterschaftsurlaub
- Väter oder gleichgestellte zweite Elternteile haben Anspruch auf zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub anlässlich der Geburt eines Kindes.
- Die Höhe der Bezahlung oder Vergütung während des Vaterschaftsurlaubs muss der Höhe des Krankengelds in dem jeweiligen EU-Land entsprechen.
- Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub darf nicht an eine vorherige Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer geknüpft werden.
- Die EU-Länder können den Anspruch auf eine Bezahlung oder Vergütung von einer vorherigen Beschäftigungsdauer abhängig machen, die jedoch maximal sechs Monate unmittelbar vor dem errechneten Geburtstermin des Kindes betragen darf.
Elternurlaub
- Jeder Arbeitnehmer hat einen eigenen Anspruch auf vier Monate bezahlten Elternurlaub, wobei zwei Monate des Elternurlaubs nicht zwischen den Eltern übertragbar sind.
- Mindestens zwei Monate Elternurlaub pro Elternteil müssen in angemessener Höhe vergütet werden.
- Die EU-Länder können den Anspruch auf Elternurlaub von einer Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig machen, die jedoch maximal ein Jahr betragen darf.
- Die EU-Länder müssen sicherstellen, dass Arbeitnehmer auch Elternurlaub in flexibler Form beantragen können, z. B. als Teilzeit oder in abwechselnden, durch Arbeitszeiten unterbrochenen Urlaubsabschnitten.
Urlaub für pflegende Angehörige
- Die Richtlinie sieht Vorschriften für pflegende Angehörige vor, d. h. für Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen, die aus schwerwiegenden medizinischen Gründen auf Unterstützung angewiesen sind. Diese Vorschriften gelten auch im Falle der Pflege einer Person, die im gleichen Haushalt wie der Arbeitnehmer lebt.
- Pflegende Angehörige haben das Recht auf fünf Arbeitstage Urlaub pro Jahr.
Flexible Arbeitsregelungen
- Arbeitnehmer mit Kindern bis zu einem bestimmten Alter, mindestens jedoch bis zum Alter von acht Jahren, sowie pflegende Angehörige haben das Recht, flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke zu beantragen.
- Zu diesen Regelungen zählen die Nutzung von Telearbeit oder flexiblen Arbeitsplänen oder die Reduzierung der Arbeitszeiten.
- Die Arbeitgeber müssen diese Anträge innerhalb eines angemessenen Zeitraums bearbeiten und jede Ablehnung bzw. jede Aufschiebung der Inanspruchnahme einer solchen Regelung begründen.
- Die EU-Länder können den Anspruch auf die Beantragung flexibler Arbeitsregelungen von einer bestimmten Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig machen, die jedoch maximal sechs Monate betragen darf.
Rechtsschutz
Die EU-Länder müssen Vorschriften einführen, um Folgendes sicherzustellen:
- Arbeitnehmer sind geschützt vor Diskriminierung und Kündigung aufgrund der Beantragung oder der Inanspruchnahme eines Urlaubs aus familiären Gründen oder flexibler Arbeitsregelungen;
- Arbeitnehmer, die der Ansicht sind, ihre Kündigung sei aufgrund der Inanspruchnahme dieser Rechte erfolgt, müssen vom Arbeitgeber verlangen können, dass er hinreichend genau bezeichnete Kündigungsgründe anführt;
- der vorherige Arbeitsplatz und die Ansprüche, die der Arbeitnehmer vor dem Urlaub bereits erworben hat oder im Begriff ist zu erwerben, bleiben nach dem Urlaub erhalten.
Aufhebung
Durch die Richtlinie wird die Richtlinie 2010/18/EU über den Elternurlaub mit Wirkung vom 2. August 2022 aufgehoben.
WANN TRITT DIE RICHTLINIE IN KRAFT?
Sie gilt seit dem 1. August 2019 und muss in den EU-Ländern bis zum 2. August 2022 in Kraft treten (mit Ausnahme der Bestimmung über die Bezahlung oder Vergütung für die letzten beiden Wochen des Elternurlaubs, für die die Frist am 2. August 2024 abläuft).
HINTERGRUND
Weiterführende Informationen:
HAUPTDOKUMENT
Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79-93)
VERBUNDENE DOKUMENTE
Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68 vom 18.3.2010, S. 13-20)
Nachfolgende Änderungen der Richtlinie 2010/18/EU wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.
Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1-7)
Siehe konsolidierte Fassung.
Letzte Aktualisierung: 24.02.2020