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Document 52020AE1431

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz)“ (COM(2020) 80 final — 2020/0036 (COD))

    EESC 2020/01431

    ABl. C 364 vom 28.10.2020, p. 143–148 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.10.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 364/143


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz)“

    (COM(2020) 80 final — 2020/0036 (COD))

    (2020/C 364/20)

    Berichterstatter:

    Jan DIRX

    Mitberichterstatterin:

    Tellervo KYLÄ-HARAKKA-RUONALA

    Befassung

    Europäisches Parlament, 10.3.2020

    Rat, 13.3.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

    Annahme in der Fachgruppe

    29.6.2020

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    16.7.2020

    Plenartagung Nr.

    553

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    210/2/9

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Wie viele andere namhafte EU-Institutionen und Persönlichkeiten betont auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Wiederaufbau nach der Coronavirus-Krise Hand in Hand gehen können und müssen. Dazu muss die europäische Wirtschaft über ein Paket effektiver und nachhaltiger öffentlicher und privater Investitionen wiederangekurbelt werden. Der EWSA betrachtet daher den Vorschlag für ein Europäisches Klimagesetz als eines der Instrumente, die zu diesem erwünschten und notwendigen Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft beitragen können.

    1.2.

    Der EWSA bevorzugt für den Übergang zur Klimaneutralität den übergeordneten Ansatz auf EU-Ebene gegenüber Ansätzen auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten. Damit ist der Vorteil einer optimalen EU-weiten Lastenverteilung unter Berücksichtigung der einschlägigen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verbunden. Ebenso ist der EWSA überzeugt davon, dass die größte Akzeptanz für die Klimapolitik dann erreicht werden wird, wenn das übergeordnete Ziel in einer größtmöglichen Emissionssenkung zu niedrigstmöglichen sozioökonomischen Kosten besteht.

    1.3.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Coronavirus-Krise bei der Bewertung des Emissionsziels für 2030 zu berücksichtigen (und die entsprechenden Legislativvorschläge für eine Reduzierung von mindestens 55 % bis 2030 vorzulegen). Der EWSA weist darauf hin, dass laut dem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu den globalen Emissionen (Emissions Gap Report) 2019 bis 2030 weltweit ein noch viel ehrgeizigeres Emissionssenkungsziel erforderlich ist, um das im Übereinkommen von Paris festgelegte 1,5 oC-Ziel zu erreichen.

    1.4.

    Der EWSA ist sich bewusst, dass alle Beteiligten zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen, um das gesetzte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Laut der letzten Eurobarometer-Umfrage (vor der Coronavirus-Krise) unterstützen 92 % der EU-Bevölkerung das Klimaneutralitätsziel der EU. Um diese Akzeptanz aufrechtzuerhalten, muss ein beschleunigtes Klimahandeln Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau gehen.

    1.5.

    Der EWSA fordert die EU auf, bei dem vertagten, ursprünglich im November 2020 in Glasgow geplanten Klimagipfel und den folgenden Klimagipfeln eine Rolle als Initiator und Motivator zu übernehmen, um zumindest alle großen Akteure weltweit dazu zu bewegen, dass sie sich engagiert für Klimaneutralität einsetzen.

    1.6.

    Das Erreichen des Klimaneutralitätsziels in der Union bis 2050 auf europäischer Ebene ist nur möglich, wenn jedes Land seine Beiträge zu Eindämmung und Anpassung vollständig und rechtzeitig umsetzt. Der EWSA unterstützt es daher, dass die Kommission anhand deutlicher und transparenter Bewertungskriterien Empfehlungen an einen Mitgliedsstaat aussprechen kann, wenn dessen Maßnahmen im Rahmen der nationalen Pläne nicht dem Klimaschutzziel genügen oder ungeeignet sind, um Fortschritte bei der Anpassung zu gewährleisten.

    1.7.

    Der EWSA schlägt vor, das vollständige Bewertungsdokument zu jedem Entwurf einer Maßnahme oder Legislativvorschlag in Zusammenhang mit dem Klimaneutralitätsziel öffentlich zugänglich zu machen, sobald die Bewertung abgeschlossen ist.

    1.8.

    Der Kommissionsvorschlag erstreckt sich richtigerweise sowohl auf den Klimaschutz als auch auf die Anpassung „im Einklang mit Artikel 7 des Übereinkommens von Paris“.

    1.9.

    Gemäß den Vorschlägen in seiner Stellungnahme zum Klimapakt schlägt der EWSA die Einrichtung einer Plattform der Interessenträger für den europäischen Klimapakt vor, um die aktive Beteiligung „aller Teile der Gesellschaft“ zu organisieren und zu erleichtern.

    2.   Einleitung

    2.1.

    Die derzeitige weltweite Coronavirus (COVID-19)-Krise macht erneut deutlich, wie gefährdet das Leben auf unserer Erde ist. Neben der uneingeschränkten Bekämpfung der Coronavirus-Krise und der daraus entstehenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen ist es auch notwendig, andere Entwicklungen, die die Lebensqualität bedrohen, wie Klimawandel und Verlust von Biodiversität, weiterhin zu verhindern zu trachten (1). So warnte bereits die Exekutivsekretärin des Sekretariates des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimarahmenkonvention, UNFCCC), Patricia Espinosa, anlässlich der Ankündigung der Verschiebung des Klimagipfels (COP 26), der im November 2020 in Glasgow stattfinden sollte: „COVID-19 ist heute die unmittelbarste Bedrohung für die Menschheit, wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Klimawandel langfristig die größte Bedrohung darstellt.“

    2.2.

    Für den EWSA heißt das, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Wiederaufbau nach der Coronavirus-Krise Hand in Hand gehen können und müssen. Die Maßnahmen für Erholung und Aufbau müssen dem Klimaziel entsprechen und der Klimaschutz ist so zu gestalten, dass die Kosten minimiert und wirtschaftliche Vorteile generiert werden.

    2.3.

    Vor diesem Hintergrund weist der EWSA auch auf die folgenden Erklärungen namhafter EU-Institutionen und Persönlichkeiten hin:

    Mit überwältigender Mehrheit stimmte das Europäische Parlament am 16. April dafür, den europäischen Grünen Deal in den Mittelpunkt des Konjunktur- und Aufbaupakets zu stellen, „damit die Wirtschaft angekurbelt wird, ihre Widerstandsfähigkeit erhöht wird und Arbeitsplätze geschaffen werden und gleichzeitig zum ökologischen Wandel beigetragen wird, eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung […] gefördert wird“.

    Am selben Tag forderte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ihrerseits Europa auf, verstärkt in den Europäischen Grünen Deal zu investieren. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermanns, schloss sich diesem Standpunkt in einem offenen Brief in sieben europäischen Newslettern an. Auch der Präsident des Europäischen Rats, Charles Michel, möchte diese Gelegenheit nutzen, die EU grüner zu machen: Die Europäische Union müsse besser werden als zuvor und wir müssten diese Krise nutzen.

    2.4.

    Dazu muss die europäische Wirtschaft über ein Paket effektiver und nachhaltiger öffentlicher und privater Investitionen wiederangekurbelt werden, beispielsweise in die Senkung des Energieverbrauchs, nachhaltige Energie, Netzausbau, saubere Produktionsprozesse oder Recycling — in Verbindung mit der Förderung des nachhaltigen Konsums. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen ferner Kohlenstoffsenken und die Speicherung von Kohlenstoff gefördert werden, bspw. durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und Böden. Ein Europäisches Klimagesetz ist eines der Instrumente, die zu diesem erwünschten und notwendigen Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft beitragen können.

    2.5.

    Der EWSA begrüßt daher den von der Europäischen Kommission am 4. März 2020 vorgelegten Vorschlag für ein Europäisches Klimagesetz (2), der einen rechtlichen Rahmen für das Erreichen des Klimaneutralitätsziels in der Union bis 2050 vorgibt. Der EWSA befürwortet das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 als wünschenswerten und notwendigen Beitrag zur Verwirklichung des Ziels des Übereinkommens von Paris, wonach die globale Erwärmung deutlich unter 2 oC bleiben muss und möglichst unter 1,5 oC gehalten werden sollte.

    2.6.

    Selbstredend müssen sich zumindest auch alle anderen großen Akteure weltweit engagiert für Klimaneutralität einsetzen, damit die Ziele des Übereinkommens von Paris erreicht werden können. Einerseits muss die EU dazu eine aktive Klimadiplomatie betreiben, andererseits müssen über Maßnahmen wie die Bepreisung von CO2-Emissionen gleiche Wettbewerbsbedingungen für Erzeugnisse und Dienstleistungen aus der EU und aus Drittländern hinsichtlich ihres Treibhausgas-Fußabdrucks hergestellt werden.

    2.7.

    Der Vorschlag für das Europäische Klimagesetz ist ein Eckpfeiler des europäischen Grünen Deals (3), der von der Kommission am 11. Dezember 2019 veröffentlicht wurde. Der europäische Grüne Deal legt dar, wie Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent gemacht werden kann, indem die Wirtschaft angekurbelt, Gesundheit und Lebensqualität der Menschen verbessert und die Natur geschützt werden und niemand zurückgelassen wird.

    2.8.

    Der EWSA nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass das Netto-Klimaneutralitätsziel bis 2050 auf der politischen Ebene vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 14. März 2019 und vom Europäischen Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2019 bereits gebilligt wurde. Am 5. März 2020 legte sodann der Umweltrat der EU im Namen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) die langfristige Strategie der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten für eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung (mit dem Ziel des Erreichens einer klimaneutralen EU bis 2050) vor (4).

    2.9.

    Der EWSA erkennt an, dass das Erreichen des Klimaneutralitätsziels 2050 die Regierungen, Kommunen, Unternehmen, Gewerkschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und die Bevölkerung vor große Herausforderungen stellen wird. Das bedeutet, das von allen Seiten weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das für 2050 festgelegte Ziel zu erreichen oder, in den Worten der Kommission: „Es müssen zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, und jeder Sektor muss einen Beitrag leisten, da die Treibhausgasemissionen bei der derzeitigen Politik bis 2050 voraussichtlich nur um 60 % zurückgehen werden und deshalb noch viel mehr getan werden muss, bis Klimaneutralität erreicht ist“ (5).

    2.10.

    Der EWSA misst den in Artikel 3 Absatz 3 des Vorschlags genannten Punkten „internationale Entwicklungen und […] Anstrengungen“ und „Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union“ besondere Bedeutung bei. Besondere Aufmerksamkeit sollte seines Erachtens zudem der „Notwendigkeit einer fairen und sozial gerechten Gestaltung des Übergangs“ (Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe h) gelten. Er hebt hervor, dass insbesondere Energiearmut verhindert werden muss, und empfiehlt, diesen Aspekt im Rahmen der Bewertung der nationalen Maßnahmen (Artikel 6) zu berücksichtigen.

    2.11.

    Die Kommission plant, bis September 2020 das EU-Klimaziel für 2030 unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität begutachten sowie Möglichkeiten für eine Anhebung der Emissionssenkungen auf 50 — 55 % gegenüber 1990 prüfen, um dann bis Mitte 2021 entsprechende Legislativvorschläge zu unterbreiten. Der EWSA erwartet, dass sich das neue Ziel für 2030 auf eine umfassende Überprüfung und angemessene Folgenabschätzung stützen wird. Außerdem sprechen seiner Meinung nach triftige Gründe für ein Reduktionsziel von mindestens 55 % bis 2030, damit die EU ihren Teil zu den notwendigen massiven weltweiten Emissionssenkungsanstrengungen beiträgt. Bspw. ist laut dem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu den globalen Emissionen (Emissions Gap Report) 2019 (6) bis 2030 ein noch viel ehrgeizigeres Emissionssenkungsziel erforderlich, um das im Übereinkommen von Paris festgelegte 1,5 oC-Ziel zu erreichen (7).

    2.12.

    Bei Folgenabschätzungen ist die Erkenntnis entscheidend, dass die Coronavirus-Krise nie da gewesene wirtschaftliche, soziale und ökologische Folgen hat, die wiederum die Wirkung der zu ergreifenden Klimaschutzmaßnahmen beeinflussen.

    2.13.

    Nach Meinung des EWSA können und dürfen die potenziellen Auswirkungen der Coronavirus-Krise nicht zu einer Schwächung des Emissionssenkungsziels bis 2030 führen.

    2.14.

    Der EWSA fordert, im Rahmen dieses Prozesses dafür zu sorgen, dass die EU bei dem vertagten, ursprünglich im November 2020 in Glasgow geplanten Klimagipfel und den folgenden Klimagipfeln eine Rolle als Initiator und Motivator übernehmen kann, um zumindest alle großen Akteure weltweit dazu zu bewegen, dass sie sich engagiert für Klimaneutralität einsetzen.

    2.15.

    Außerdem empfiehlt der EWSA, dass die Kommission mit der Erarbeitung eines Zwischenklimaziels für Emissionsreduzierung bis 2040 und eines entsprechenden Legislativvorschlags für das Europäische Parlament und den Rat beginnt, um die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen. In diesem Zusammenhang sollte sie auch einen Vorschlag für neue Emissionssenkungsverpflichtungen für den Zeitraum 2031-2040 vorlegen, die bis 2028 festzulegen wären. Die rechtzeitige Festlegung eines Ziels ist erforderlich, um größtmögliche Berechenbarkeit und Transparenz für die Gesellschaft und alle Wirtschaftssektoren zu garantieren.

    2.16.

    Laut den Ergebnissen der letzten Eurobarometer-Umfrage (vor der Coronavirus-Krise) halten 93 % der EU-Bevölkerung den Klimawandel für ein ernstes Problem und 92 % unterstützen das EU-Ziel der Klimaneutralität (8). Um diese Akzeptanz aufrechtzuerhalten, muss der Klimaschutz Hand in Hand mit Konjunktur- und Aufbaumaßnahmen vorangetrieben werden.

    3.   Befugnisübertragung

    3.1.

    In dem vorgeschlagenen Klimagesetz (Artikel 3) wird der Kommission „die Befugnis übertragen, zur Ergänzung“ des Klimagesetzes „delegierte Rechtsakte […] zu erlassen, in denen sie auf Unionsebene einen Zielpfad festlegt, mit dem das Ziel der Klimaneutralität gemäß Artikel 2 Absatz 1 bis 2050 verwirklicht werden soll“. Ferner überprüft die Kommission den Zielpfad spätestens sechs Monate nach jeder weltweiten Bestandsaufnahme gemäß Artikel 14 des Übereinkommens von Paris.

    Nach Ansicht des EWSA ist es erforderlich, dass die Kommission nicht delegierte Rechtsakte erlässt, sondern einen Legislativvorschlag zur Festlegung und Anpassung des Zielpfads vorlegt, wenn sie dies aufgrund der Überprüfung als angemessen erachtet.

    3.2.

    Unter allen Umständen ist der kontinuierliche Schutz der demokratischen Bestimmungen unseres institutionellen Systems notwendig. Dazu gehört das Recht der Akteure der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen, bspw. des EWSA, zum demokratischen Entscheidungsprozess beizutragen. Diesbezüglich verweisen wir auf die Ansage der Kommission in Artikel 8 des Entwurfs des Klimagesetzes: „Die Kommission wendet sich an alle Teile der Gesellschaft (…)“.

    4.   Bewertung der Fortschritte und Maßnahmen

    4.1.

    Gemäß Artikel 5 bewertet die Kommission die Fortschritte und Maßnahmen der Union. Die Kommission „bewertet jeden Entwurf einer Maßnahme oder eines Legislativvorschlags vor der Annahme im Lichte des (…) Ziels der Klimaneutralität (…); sie nimmt ihre Analyse in die Folgenabschätzungen zu diesen Maßnahmen oder Vorschlägen auf“.

    Praktisch heißt das, dass die Kommission die Auswirkungen auf die Klimaneutralität in den Folgenabschätzungen zu ihren Vorschlägen berücksichtigt. Der EWSA rät der Kommission, zu untersuchen, ob dies im bestehenden Rahmen für eine bessere Rechtsetzung ohne Änderungen von Rechtsvorschriften möglich ist.

    4.2.

    In Artikel 5 ist festgelegt, dass das Ergebnis dieser Bewertung zum Zeitpunkt der Annahme veröffentlicht wird. Der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-57/16 P, ClientEarth/Europäische Kommission vom 4. September 2018) hat jedoch sehr deutlich gemacht, dass auch Entwürfe von Folgenabschätzungsberichten gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (9)„direkt zugänglich“ gemacht werden müssen. Der EWSA schlägt daher vor, den Wortlaut dahingehend zu ändern, dass das vollständige Bewertungsdokument öffentlich zugänglich gemacht wird, sobald die Bewertung abgeschlossen ist.

    4.3.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass das Erreichen des Klimaneutralitätsziels in der Union bis 2050 auf europäischer Ebene nur möglich ist, wenn jedes Land seine Beiträge zur Eindämmung und Anpassung vollständig und rechtzeitig umsetzt.

    Der EWSA billigt daher die folgende Absicht der Kommission: Die Kommission kann Empfehlungen an einen Mitgliedstaat aussprechen, wenn dessen Maßnahmen im Rahmen der nationalen Pläne nicht dem Klimaschutzziel genügen oder ungeeignet sind, um Fortschritte bei der Anpassung zu gewährleisten. Der EWSA unterstützt die Kommission darin und empfiehlt, dass sie sich bei ihren Empfehlungen auf eine effiziente, für die jeweilige Situation geeignete Auswahl von Maßnahmen stützt. Der EWSA fordert jedoch, die Ziele und Kriterien, anhand derer der Fortschritt in den einzelnen Mitgliedstaaten bewertet wird, klar darzulegen.

    4.4.

    Ziel des Vorschlags der Kommission ist das Erreichen einer klimaneutralen Europäischen Union bis 2050. Das impliziert, dass nicht jeder einzelne Mitgliedsstaat Klimaneutralität erreichen muss. Der EWSA unterstützt diesen Ansatz, der letztlich den bisherigen Ansatz der EU in der Klimagesetzgebung fortschreibt und den Vorteil bietet, unter Berücksichtigung der einschlägigen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten eine optimale EU-weite Lastenverteilung erreichen zu können. Allerdings hält der EWSA es für notwendig, alle Mitgliedstaaten dazu zu verpflichten, in ihren bis zum 1. Januar 2029 zu übermittelnden nationalen Energie- und Klimaplänen (gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU) 2018/1999 (10) über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz) anzugeben, ob und, wenn ja, bis wann sie klimaneutral werden wollen und welche Maßnahmen sie ergreifen wollen, um das bestmögliche EU-Ergebnis zu erreichen. Dazu gehören auch Maßnahmen, die die Anstrengungen anderer Mitgliedstaaten ergänzen oder in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten durchgeführt werden. So würde sichergestellt, dass die entsprechenden Vorkehrungen rechtzeitig und im Rahmen durchsetzbarer Vereinbarungen getroffen werden.

    4.5.

    Ebenso ist der EWSA überzeugt davon, dass die größte Akzeptanz für die Klimapolitik dann erreicht werden wird, wenn das übergeordnete Ziel in einer größtmöglichen Emissionssenkung zu niedrigstmöglichen sozioökonomischen Kosten besteht. Gestützt auf einen soliden Regelungsrahmen mit Durchsetzungsmaßnahmen sollte dementsprechend eine gegenseitige Aufrechnung bzw. ein Ausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten möglich sein. Ebenfalls wichtig ist die Berücksichtigung der Tatsache, dass im derzeitigen System die am EU-Emissionshandel (ETS) teilnehmenden Sektoren EU-weit reguliert werden, während andere Sektoren der Lastenverteilung im Rahmen von nationalen Emissionsobergrenzen unterliegen. Im Lauf der Zeit werden natürlich immer mehr Sektoren in den Emissionshandel einbezogen werden.

    4.6.

    Neben dem EU-EHS werden die Emissionen der verschiedenen Sektoren durch zahlreiche Rechtsvorschriften wie technische Anforderungen geregelt, die somit zur Umsetzung des übergeordneten Ziels beitragen. Regulierungsmaßnahmen auf EU-Ebene sind insbesondere in Bereichen wichtig, die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts von Bedeutung sind.

    4.7.

    Der EWSA regt ferner an, die möglichen Auswirkungen der EU-Maßnahmen im globalen Kontext angemessen zu überwachen, bspw. die Auswirkungen auf Auslandsinvestitionen und Außenhandel und ihr direkter und indirekter Einfluss auf die Entwicklung der Emissionen.

    4.8.

    In ihrem Vorschlag schreibt die Kommission: „Maßnahmen auf EU-Ebene sollten vor allem darauf abzielen, langfristige Klimaziele kosteneffizient zu verwirklichen und gleichzeitig Fairness und Umweltintegrität zu gewährleisten.“ Der EWSA gibt zu bedenken, dass dazu noch viele Fragen zu klären sind, sowohl im Hinblick auf die Verfahrensweise (bester Ansatz für die Entscheidungsfindung), als auch hinsichtlich des Inhalts (welche fairen und wirtschaftlich tragfähigen Verteilungskriterien garantieren ein hohes Umweltschutzniveau). Der Verfahrensaspekt (die laufende horizontale Diskussion zwischen den EU-Institutionen, einschließlich dem EWSA und dem Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR), und die vertikale Diskussion mit den Mitgliedsstaaten) ist also wichtig. Noch grundlegender ist die Frage, wie vorzugehen ist, wenn Mitgliedsstaaten Klimaneutralität in ihrem eigenen Land vor 2050 erreichen wollen und dies absehbar nicht die kosten- oder klimawirksamste Vorgehensweise auf EU-Ebene ist. Der EWSA fordert die Europäische Kommission und den Rat auf, in dieser Angelegenheit so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen und Leitlinien vorzugeben.

    5.   Anpassung

    5.1.

    Der Kommissionsvorschlag erstreckt sich richtigerweise sowohl auf den Klimaschutz als auch auf die Anpassung „im Einklang mit Artikel 7 des Übereinkommens von Paris“. Insbesondere im Hinblick auf die Anpassung schlägt die Kommission vor, die EU-Maßnahmen in Richtung nationaler Anpassungsmaßnahmen zu erweitern.

    Allgemein werden Anpassungsmaßnahmen eher mit dem Handeln der lokalen Gebietskörperschaften assoziiert als Eindämmungsmaßnahmen. Der EWSA ist daher der Meinung, dass die Kommission im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip klären sollte, in welchem Umfang Befugnisse auf EU-Ebene übertragen werden und welche Verpflichtungen den Mitgliedstaaten auferlegt werden sollten.

    5.2.

    Darüber hinaus ist noch zu prüfen, was diese Verpflichtung für die einschlägigen EU-Institutionen bedeutet. Dem Vorschlag zufolge müssen die Mitgliedstaaten nationale Anpassungsstrategien und -pläne verabschieden. Für die EU-Institutionen ist keine spezifische Maßnahme, wie z. B. ein Plan, erforderlich.

    5.3.

    Die Kommission schlägt vor, die Befugnis zu erhalten, nicht nur die Eindämmungsmaßnahmen, sondern auch die Anpassungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten zu bewerten (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b). Sind die Maßnahmen eines Mitgliedstaats nach Ansicht der Kommission „nicht geeignet (…), Fortschritte bei der Anpassung gemäß Artikel 4 sicherzustellen, kann sie diesem Mitgliedstaat Empfehlungen aussprechen“. Diese Bestimmung ist sehr weit gefasst. Der EWSA hält es für wünschenswert, dass die Kommission Kriterien für eine solche Bewertung festlegt.

    6.   Öffentlichkeitsbeteiligung

    6.1.

    Der EWSA begrüßt Artikel 8 (Öffentlichkeitsbeteiligung) des Klimagesetzes als eine Selbstverständlichkeit. Die aktive Beteiligung „aller Teile der Gesellschaft“ ist eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung der Klimapolitik in der EU, zumal es die Akteure der Zivilgesellschaft (Unternehmen, Arbeitnehmer, Verbraucher, Bürgerinnen und Bürger und ihre Organisationen) sind, die die Klimaziele in die Praxis umsetzen.

    Der EWSA appelliert deshalb an die Kommission und die Mitgliedstaaten, all diese Akteure der Zivilgesellschaft aktiv einzuladen, sich einzubringen und ihre Vorschläge für eine konkrete Klimaschutzpolitik und praktisches Klimahandeln zu unterbreiten.

    6.2.

    Der EWSA begrüßt es daher, dass die Europäische Kommission kürzlich eine öffentliche Konsultation eingeleitet hat, um Meinungen darüber einzuholen, wie die Öffentlichkeit beim Klimaschutz eingebunden werden kann (11). Daraus wird die Kommission Anregungen für den „Klimapakt“ ableiten, den sie im 3. Quartal 2020 ins Leben rufen wird. Über den europäischen Klimapakt will die Europäische Kommission, die Interessenträger zusammenbringen, u. a. die Regionen, lokalen Behörden und Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger.

    6.3.

    Angesichts der positiven Erfahrungen mit der von der Europäischen Kommission und dem EWSA eingerichteten Europäischen Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft und gemäß den Vorschlägen in seiner Stellungnahme zum Klimapakt (NAT/785) (12) schlägt der EWSA die Einrichtung einer Plattform der Interessenträger für den europäischen Klimapakt vor, die auf den Grundsätzen der Inklusivität und Transparenz sowie der echten Partizipation und eigenverantwortlichen Teilhabe der Klimaschutzakteure vor Ort beruht.

    Brüssel, den 16. Juli 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Einige Sachverständige vertreten die Ansicht, dass Biodiversität eine natürliche Barriere für die Übertragung von Viren und Krankheiten von Wildtieren auf Menschen (Zoonose) darstellt. Ein Verlust an Biodiversität kann daher zukünftig zu mehr Pandemien führen. Es handelt sich dabei um ein weiteres aktuelles Argument.

    (2)  Europäisches Klimagesetz.

    (3)  Der europäische Grüne Deal.

    (4)  Vorlage beim UNFCCC.

    (5)  Europäisches Klimagesetz, vgl. z. B. Seite 2.

    (6)  Emissions Gap Report 2019.

    (7)  Laut Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu den globalen Emissionen (Emissions Gap Report) 2019 müssen die weltweiten Emissionen ab sofort um 7,6 % jährlich gesenkt werden, um die globale Erwärmung auf 1,5 oC zu begrenzen. Für die EU würde dies ein Emissionsreduktionsziel von mindestens 68 % bis 2030 bedeuten.

    (8)  Öffentliche Akzeptanz der Klimapolitik.

    (9)  ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

    (10)  ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 1.

    (11)  Konsultation zum europäischen Klimapakt.

    (12)  EWSA-Stellungnahme: Europäischer Klimapakt (siehe Seite 67 dieses Amtsblatts).


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