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Document 52020IE1347

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Wachstum und Beschäftigung durch eine verstärkte globale Zusammenarbeit in Regulierungsfragen, durch die Unterstützung eines erneuerten multilateralen Handelssystems und durch die Verringerung marktverzerrender Beihilfen“ (Initiativstellungnahme)

    EESC 2020/01347

    ABl. C 364 vom 28.10.2020, p. 37–42 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.10.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 364/37


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Wachstum und Beschäftigung durch eine verstärkte globale Zusammenarbeit in Regulierungsfragen, durch die Unterstützung eines erneuerten multilateralen Handelssystems und durch die Verringerung marktverzerrender Beihilfen“

    (Initiativstellungnahme)

    (2020/C 364/05)

    Berichterstatter:

    Georgi STOEV

    Ko-Berichterstatter:

    Thomas STUDENT

    Beschluss des Plenums

    20.2.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 32 Absatz 2 GO

     

    Initiativstellungnahme

    Zuständige Fachgruppe

    CCMI

    Annahme in der Fachgruppe

    26.6.2020

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    16.7.2020

    Plenartagung Nr.

    553

    Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    211/1/3

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Einschneidende Ereignisse wie das Coronavirus (COVID-19) drohen die Weltwirtschaft und das gesellschaftliche Leben zum Stillstand zu bringen. Es zeichnen sich Rezessionen in den USA, der EU, Japan und anderen Teilen der Welt, ein stark gedämpftes Wachstum in China und ein enormer Rückgang der Produktion ab. Die Regierungen müssen wirtschaftliche Schäden durch die Fiskal- und Geldpolitik kompensieren und die absehbaren wirtschaftlichen Verwerfungen bewältigen. Der EWSA betont, dass effiziente Geschäftsmodelle und Handelsschutzmechanismen gefordert sind, insbesondere in Bezug auf Asien. Er stellt fest, dass 36 Millionen Arbeitsplätze in der EU vom Exportpotenzial der EU abhängen. Der Anteil der Arbeitsplätze, die vom Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf den Weltmärkten abhängen, ist von 10,1 % im Jahr 2000 auf 15,3 % im Jahr 2017 gestiegen (1). Es muss fiskalisch, wirtschaftlich und sozial auf die Krise reagiert werden, damit sie in diese und andere Sektoren nicht noch mehr schädigt.

    1.2

    Die Coronakrise sollte die EU dazu veranlassen, im Rahmen der allgemeinen Neugestaltung der Industriepolitik, die sich aus der Notwendigkeit der ökologischen Nachhaltigkeit und der Digitalisierung ergibt, die Gesundheits- und Arzneimittelbranche zu stärken. Ziel muss es sein, die gemeinsame Souveränität und Autarkie der EU in diesen Sektoren zu gewährleisten. Die Erarbeitung dieser Stellungnahme begann vor dem Ausbruch der Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die unerwartet über uns hereingebrochen ist und unsere Volkswirtschaften und die Art, wie die Globalisierung verläuft, auf kurze, mittlere und lange Sicht verändern wird. Auch wenn diese Krise nicht das eigentliche Thema dieser Stellungnahme ist, so hat sie doch tiefe Auswirkungen auf die Bereiche und Themen, die nachstehend erörtert werden. Es zeichnet sich bereits ab, dass diese Krise in einigen Teilen der Welt eine neue Welle des Protektionismus und des Wirtschaftsnationalismus auslöst. Dies ist sowohl ein globales als auch ein EU-weites Phänomen. All diese Faktoren werden in dieser Stellungnahme so weit wie möglich bereichsübergreifend berücksichtigt.

    1.3

    Der EWSA teilt die Ansicht, dass internationale Unternehmen und der internationale Handel potenziell zum globalen Wachstum beitragen können, und zwar dank einer größeren Spezialisierung, Größenvorteilen, fortgeschrittenen globalen Wertschöpfungsketten und mehr Forschung und Technik. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Übergänge von Wertschöpfungsketten zu Wertschöpfungsnetzen, von der Linear- zu einer Kreislaufwirtschaft und vom „Greifbaren“ zum Immateriellen, die die Anpassungsfähigkeit der Industrie auf die Probe stellen.

    1.4

    Der EWSA sieht das Ziel der EU-Politik darin, dass die Akteure, die an der industriellen Entwicklung beteiligt sind, nicht durch unlauteres Wirtschafts-, Sozial- und Umweltdumping geschädigt werden. Dringender politischer Handlungsbedarf besteht für die EU in folgenden Bereichen: der US-Mark als Exportmarkt der EU und die potenzielle Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA, die künftige Rolle Chinas und die Neugestaltung der WTO. Die Industrie sollte eine treibende Kraft für die Lösung gesellschaftlicher und ökologischer Probleme werden und neue Werte für die Gesellschaft schaffen.

    1.5

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass eine Globalisierung ohne Regeln zu mehr Ungleichheit führt, einen Abwärtsdruck auf Unternehmen, Löhne und Arbeitsbedingungen auslöst und die soziale Sicherheit erodieren lässt. Dies könnte zu einer echten Bedrohung für die europäischen Sozialmodelle werden. Eine Globalisierung ohne Regeln untergräbt außerdem die Umweltschutzstandards. Es bereitet dem EWSA Sorge, dass europäische Unternehmen und Arbeitsplätze durch unfaire, nicht marktwirtschaftliche Handelspraktiken, die die internationalen Sozial- und Umweltabkommen missachten, in eine Schieflage geraten. Die europäische Industrie sollte ihre einzigartigen Vorteile nutzen, indem sie europäische Werte, neue Technologien und einen zukunftsorientierten Ansatz miteinander verbindet. Der Binnenmarkt ist für die europäische Industrie und für die Verbreitung von Innovationen von entscheidender Bedeutung — nicht nur im Hinblick auf digitale Technologien, sondern auch auf andere Schlüsseltechnologien wie die Biotechnologie. Die Rolle des sozialen und regionalen Zusammenhalts und des sozialen Dialogs bei der Gewährleistung der sozialen Akzeptanz des industriellen Wandels ist ebenfalls hervorzuheben.

    1.6

    Die Industriestrategie und die Handelspolitik der EU dürfen die Bemühungen der EU, Drittländern Entwicklungshilfe zu leisten, nicht konterkarieren. Der EWSA empfiehlt einen ausgewogenen Ansatz in Bezug auf die schwächeren Volkswirtschaften mit einer besseren Koordinierung und Verknüpfung der nationalen Entwicklungshilfe. Der EWSA bedauert, dass zunehmend Maßnahmen ergriffen werden, die nicht mit den WTO-Regeln konform sind. Von neuen, diskriminierenden und nichttarifären Regelungen geht die Gefahr wechselseitiger regulierungsbedingter Hemmnisse aus, die sich allmählich zur neuen Normalität im Welthandel entwickeln. Die bestehenden EU-Förderprogramme und das Monitoring sollten im Einklang mit den EU-Wettbewerbsvorschriften neu bewertet werden. So sollen EU-Mitgliedstaaten, Partner, Unternehmen und Arbeitnehmer, die von der Wirtschaftskrise und den Handelskriegen betroffen sind, unterstützt und entlastet werden.

    1.7

    Der EWSA meint, dass sich der EU-Binnenmarkt zu einem bevorzugten Investitionsstandort entwickeln sollte, denn das würde helfen, externe Herausforderungen zu bewältigen. Die neue Industriestrategie und alle anderen Instrumente sollten im Hinblick darauf bewertet werden, ob sie Investitionen in die Industrie-, Energie-, Verkehrs- und digitale Infrastruktur durch einen erweiterten Konnektivitätsansatz fördern und unterstützen. Eine Überprüfung der Vorschriften über Fusionen, Übernahmen und staatliche Beihilfen könnte der EU gegenüber den globalen Wettbewerbern zu einem Wettbewerb auf Augenhöhe verhelfen. Alle Regierungs- und Verwaltungsebenen sollten dafür sorgen, dass die Vorteile der Globalisierung gerecht verteilt und die negativen Auswirkungen auf globaler, regionaler und lokaler Ebene abgemildert werden.

    Ein gemeinsames System für ausländische Direktinvestitionen würde dazu beitragen, Interessen an strategischen Vermögenswerten zu wahren, darunter strategische Infrastrukturen und Technologien sowie die Sicherheit der Versorgung mit kritischen Gütern. Die Nutzung der Vergaberichtlinien, wirksame handelspolitische Schutzinstrumente und ein solides Netz von Freihandelsabkommen sind mehr denn je erforderlich, um gegen illegale Praktiken vorzugehen, die Regelungskonvergenz zu vertiefen und Nachhaltigkeitsstandards zu fördern — sie helfen, Marktverzerrungen abzubauen.

    1.8

    Der EWSA ist besorgt über die jüngste negative Sicht auf den internationalen Handel und die Globalisierung sowie über den Zulauf, den populistische Bewegungen mit ihren immer lauteren nationalistischen Rufen bekommen. Er hält Protektionismus und Nationalismus nicht für die richtigen Antworten auf wirtschaftliche und soziale Probleme. Mittelfristige Reform- und Investitionsprioritäten sind notwendig, um die Volkswirtschaften unter Berücksichtigung des Übergangs zu einer ökologischen Wirtschaft und des digitalen Wandels wieder auf den Weg eines nachhaltigen und integrativen Wachstums zu führen. Die EU sollte alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, um trotz der Pandemie die Demokratie uneingeschränkt aufrechtzuerhalten.

    1.9

    Der EWSA ist der Auffassung, dass der Grüne Deal, die neue Industriestrategie und die Handelspolitik, verzahnt mit der Wirtschafts-, Regulierungs- und Wettbewerbspolitik, in einer umfassenden Anstrengung zur Förderung der Umwelt münden sollten. Freilich darf dies nicht zu Lasten des Binnenmarkts, der europäischen Unternehmen und der Arbeitsplätze geschehen, und außerdem sollten hohe Umweltziele für die Industrie als Ganzes gesetzt werden.

    1.10

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass eine wesentliche Aussage über die wirtschaftliche Stabilität darin besteht, dass sich die Mitgliedstaaten um die Qualität ihrer öffentlichen Finanzen kümmern und gleichzeitig notwendige und zukunftsorientierte Investitionen fördern müssen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Da das multilaterale System unter ständigem Druck steht, sind weltweit agierende Unternehmen aus der EU zunehmenden Reibungen und Unsicherheiten, wachsendem Protektionismus und anhaltenden Spannungen zwischen den Handelspartnern der EU ausgesetzt. Die globalen Wertschöpfungsketten werden kürzer, und weltweit ist eine allgemeine Tendenz zurück zur Regionalisierung zu beobachten. Die EU bilden zusammen mit den USA und China den Mittelpunkt dieser Dynamik, und einige wichtige Wirtschaftszweige steht unter erheblichem Druck. Es müssen grundlegende Entscheidungen getroffen werden, um die Gefahr der drohenden Marginalisierung einzudämmen und die globale Rolle der EU zu festigen. Es ist dringend notwendig, wieder über Investitionen innerhalb der EU nachzudenken. Ferner geht es darum, Unternehmen, und hier vor allem den KMU, zu helfen, indem Liquidität bereitgestellt und der Finanzsektor stabilisiert wird. Der Binnenmarkt und der Handel mit strategischen Güter müssen ungestört funktionieren können. Dahin gelangt man nur durch die Kombination verschiedener Maßnahmen, darunter Vorschriften und politische Maßnahmen, die auch für Unternehmen aus Drittstaaten gelten, wenn sie in der EU tätig sind, Infrastruktur, Investitionen in öffentliche Güter (bspw. Gesundheit und digitale Infrastrukturen), Gegenseitigkeit im Bereich der öffentlichen Aufträge, wirkungsvolle Handelspolitik, digitale Unabhängigkeit etc.

    2.2

    Die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie wird durch eine Rückwendung zum Unilateralismus und das Fehlen einer globalen wirtschafts- und handelspolitischen Lenkung beeinträchtigt. Hinzu kommen noch Marktungleichgewichte und -störungen, hervorgerufen durch die Zahlung von Beihilfen an bestimmte Wettbewerber, insbesondere staatseigene Unternehmen, und die derzeitige Krise. Die EU-Unternehmen investieren in Forschung und Innovation, um Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit auf einen Nenner zu bringen. Ihre Investitionen und ihre Risikobereitschaft könnten aber durch den eingeschränkten Zugang zu internationalen Märkten und durch unlauteren Wettbewerb sabotiert werden. In dieser Konstellation sind die KMU anfälliger denn je.

    2.3

    Diesbezüglich könnten die von der EU geförderten Allianzen dazu beitragen, für ihre Interessen in multilateralen Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO) und den Vereinten Nationen (VN) zu werben. Daher sind die kürzlich angenommene Industriestrategie und der Jahresbericht der Kommission über die Umsetzung von Freihandelsabkommen Schritte zu mehr Transparenz. Sie bieten aber auch ein wirksames Instrument, um der Zivilgesellschaft objektive Hintergrundinformationen über die von der EU ausgehandelten Handelsabkommen zu liefern.

    Trotz einiger positiver Elemente hat das Gesamtpaket der kürzlich verabschiedeten Industriestrategie noch nicht alle davon überzeugen können, dass es spürbare Veränderungen für die Unternehmen, die Arbeitnehmer und die Zivilgesellschaft bringen kann, die sich für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums in Europa einsetzen.

    2.4

    Die Annahme einer robusten europäischen Industriepolitik und die Verteidigung europäischer Handelsinteressen decken sich mit dem vorrangigen Ziel der EU-Außenpolitik, den Multilateralismus zu stärken, der auf den Institutionen des VN-Systems fußt. Die hier notwendigen Reformen sollten zu einer Welt beitragen, die durch faire Regeln und demokratische Prinzipien gekennzeichnet ist.

    3.   Das wirtschaftliche Potenzial nutzen

    3.1

    Der EWSA teilt die Sicht der Kommission, dass europäische Unternehmen nur dann von der Industriestrategie und den Handelsabkommen der EU profitieren können, wenn sie über den Inhalt der Strategien und Abkommen informiert werden und verstehen, wie sie in der Praxis funktionieren.

    3.2

    Der EWSA bemängelt, dass die Ursprungsregeln und die Verwaltungsformulare, welche die Handelspartner der EU verlangen, damit EU-Unternehmen Präferenzen gewährt werden können, zu kompliziert sind. Kritisch zu sehen ist auch der hohe Aufwand für europäische KMU beim Nachweis des präferenziellen Ursprungs, der mit Blick auf die den Umfang der von ihnen geschlossenen Verträge unverhältnismäßig ist.

    3.3

    Der EWSA schlägt vor, im Umgang mit Ländern, die unlauteren Wettbewerb, schlechte Arbeitsbedingungen oder unzureichende Nachhaltigkeitsstandards zulassen, auch darauf hinzuarbeiten, dass über Kernfragen bezüglich der Entwicklung alternativer Streitbeilegungsverfahren und des Online-Streitbeilegungsverfahrens der Vereinten Nationen gesprochen wird. Der EWSA begrüßt die unlängst von der Kommission angekündigte Mehrparteien-Interimsvereinbarung zur Streitbeilegung als eine Etappe zur Aufrechterhaltung einer unabhängigen, zweistufigen Streitbeilegung.

    3.4

    Der EWSA erinnert daran, dass die KMU in erster Linie auf dem Binnenmarkt handeln (2). Nur etwa die Hälfte der KMU vertreibt ihre Waren außerhalb der EU-28 (3). Die Ausfuhren der KMU weisen zudem eine hohe Konzentration auf einige Mitgliedstaaten und Regionen auf, denn mehr als zwei Drittel der Gesamtausfuhren und des Handels von KMU in der EU stammen aus sechs Mitgliedstaaten (4).

    3.5

    Der EWSA begrüßt die fortgeschrittenen Arbeiten der Kommission an dem Online-Portal, das zwei Datenbanken, die Marktzugangsdatenbank und den Handels-Helpdesk zusammenführen wird. Es soll die Umständlichkeit und die mangelnde Kohärenz der Ursprungsregeln und Zollverfahren reduzieren und einen kostenlosen Online-Rechner für Ursprungsregeln als zusätzliche Unterstützung für KMU in der EU bieten.

    3.6

    Der EWSA ist der Ansicht, dass die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst sowie die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten einiges für die Propagierung der EU-Strategie sowie der Dienstleistungen und des Handels der EU mit Drittländern tun könnten‚ damit ausländische Direktinvestitionen leichter und die Exportchancen für Unternehmen und Arbeitskraft aus Europa verbessert werden.

    3.7

    Der EWSA begrüßt ferner die Initiativen der Europäischen Kommission, um die KMU in der EU bei ihrer Internationalisierung zu fördern und zu unterstützen, damit sie weltweit wettbewerbsfähiger werden. Seines Erachtens muss sichergestellt werden, dass diese Initiativen nach einem vom unten nach oben gerichteten Ansatz umgesetzt werden. Zusammen mit diesen Initiativen könnte das neue Paradigma den KMU und anderen regionalen Akteuren mehr Chancen eröffnen.

    3.8

    Der EWSA nimmt besorgt zur Kenntnis, dass mit einigen Handelspartnern noch offene Fragen bestehen, auf die die Kommission in ihrem Bericht hinweist, wie etwa, dass EU-Produkte in Partnerländern nach wie vor Hindernissen beim Zugang zu den Märkten ausgesetzt sind. Der gegenseitigen unbürokratischen Anerkennung von technischen Standards sollte eine hohe Priorität eingeräumt werden.

    3.9

    Der EWSA verweist auf eine Studie (5) des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments, in der die Handelsströme einiger Mitgliedstaaten ausgewertet wurden. Es konnte festgestellt werden, dass die Exportleistung der EU positiv und stark mit dem BIP korreliert und der Handel auf einige wenige Mitgliedstaaten konzentriert ist.

    3.10

    Der EWSA macht erneut auf die ungleichen territorialen Folgen der Globalisierung aufmerksam, was in den Reflexionspapieren der Kommission „Die Globalisierung meistern“ und „Die Zukunft der EU-Finanzen“ zum Ausdruck kam. Darin wurde der Umstand beleuchtet, dass sich die Vorteile der Globalisierung zwar breit verteilen, die Kosten jedoch häufig lokal zu tragen sind.

    3.11

    Der EWSA legt besonderen Wert auf die Rolle der Kohäsionspolitik bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU durch gezielte Investitionen in Schlüsselsektoren wie Netzinfrastrukturen, Forschung und Innovation, IT-Dienste, Umwelt- und Klimaschutz, hochwertige Beschäftigung und soziale Inklusion.

    3.12

    Der EWSA erinnert an den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF), aus dem Menschen unterstützt werden können, die durch Strukturwandel, Globalisierung, Digitalisierung, Migration und Klimawandel arbeitslos geworden sind. Angesichts des enormen Ausmaßes der drohenden Wirtschafts- und Beschäftigungskrise sollte der EGF finanziell aufgestockt werden. Seine Regeln müssen flexibler an die Art und den Umfang der Krise angepasst werden, und er muss mit dem Fonds für einen gerechten Übergang verknüpft werden.

    3.13

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass flexible Arbeitsregelungen und Telearbeit wichtig für den Erhalt der Arbeitsplätze und der Produktion sind. Dennoch dürfte die Krise — ungeachtet der Bemühungen um die Abmilderung ihrer sozialen Auswirkungen — die Arbeitslosigkeit und die Einkommensungleichheit erheblich erhöhen. Ein überarbeiteter europäischer Grüner Deal könnte helfen, die Globalisierung so zu lenken, dass sie eine positive wirtschaftliche, soziale, territoriale und ökologische Wirkung auf Unternehmen, Beschäftigte und die Zivilgesellschaft entfaltet und dass ein Beitrag zur Verringerung von Marktverzerrungen geleistet wird.

    3.14

    Der EWSA ist der Ansicht, dass ein Mechanismus zur Minderung des CO2-Fußabdrucks in der Produktion und die Bemühungen um eine CO2-arme Industrie genutzt werden könnten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Er stellt allerdings fest, dass eine solche Maßnahme ein Gleichgewicht zwischen Umwelt-, Handels- und Fairnessbelangen schaffen muss, um Marktverzerrungen und Vergeltungsmaßnahmen gegen die EU-Länder zu vermeiden, die der europäischen Industrie und den Arbeitsplätzen schaden könnten.

    3.15

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Produktivitätslücke zwischen hochproduktiven Volkswirtschaften, Regionen und Unternehmen und allen anderen zu verringern. Außerdem hält er gut funktionierende Institutionen und effiziente Steuersysteme für produktivitätsfördernd.

    3.16

    Eine neue Industriepolitik ist gefragt, die schwerpunktmäßig auf Innovationskraft und einen höheren Mehrwert abzielt, die ihrerseits für mehr Qualität und neue Arbeitsplätze unerlässlich sind. Eine solche Politik würde, wenn sie umsichtig konzipiert und ordnungsgemäß umgesetzt würde, dazu beitragen, die negativen Auswirkungen einer weiteren Kontraktion des BIP, der Zersplitterung des Binnenmarkts und der Unterbrechung von Wertschöpfungsketten zu vermeiden.

    4.   Abmilderung der negativen Auswirkungen singulärer Entwicklungen

    4.1

    Der EWSA appelliert an die institutionellen Hauptakteure, den Verbindungen zwischen der EU-27 und dem Vereinigten Königreich besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie werden darüber mitentscheiden, welche Auswirkungen der Brexit auf die jeweilige Wirtschaft haben wird. Es müssen geeignete Maßnahmen für Sektoren entwickelt werden, die besonders stark betroffen sein könnten.

    4.2

    Der EWSA bedauert die Entscheidung der USA, als Gegenmaßnahme zu den Beihilfen der EU an den Airbus-Hersteller zusätzliche Zölle auf europäische Erzeugnisse zu erheben. Betroffen davon sind hauptsächlich Agrarerzeugnisse und Lebensmittel aus den EU-Mitgliedstaaten. Wirksame Schutzmaßnahmen der EU für die Stahlbranche sind traditionell ein Kernanliegen der CCMI. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Stahlindustrie sollten sie neu bewertet werden, um weitere Schäden von einheimischen Stahlunternehmen abzuwenden und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen und Arbeitnehmer in der EU zu gewährleisten.

    Der EWSA unterstreicht, dass die US-amerikanischen Stahlzölle zu gravierenden Handelsumlenkungen von Stahlerzeugnissen aus Drittstaaten geführt haben, die verstärkt auf den europäischen Markt drängen und die insbesondere in Bauaufträgen für öffentliche Infrastrukturprojekte eingesetzt werden.

    4.3

    Der EWSA stellt fest, dass sich nach vernünftigem Ermessen zwar kaum ein Land aus der Globalisierung auskoppeln kann, ohne dafür einen sehr hohen Preis zu zahlen, dass aber dennoch ein reales Risiko gegeben ist, dass das multilaterale Handelssystem zusammenbrechen könnte, was die EU stets im Auge behalten muss. Er begrüßt daher das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2020 mit seiner Initiative für eine Reform der WTO bis Ende 2020 sowie den vorgelegten Aufbauplan.

    4.4

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass die EU entschiedener vorgehen und dafür Sorge tragen muss, dass in der Praxis wirkliche Gegenseitigkeit herrscht und gegen Protektionismus beim Zugang zu Beschaffungsmärkten in Drittländern vorgehen vorgegangen wird.

    Auf dem chinesischen Markt für öffentliche Beschaffungen und beim Schutz der Rechte des geistigen Eigentums sind Abweichungen von den internationalen Standards beobachtet worden. Obwohl China WTO-Mitglied geworden ist, bleibt das Land nach wie vor ein weitgehend geschützter Markt. Darüber hinaus ist China noch nicht dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beigetreten, obwohl es seine Zusage bei der Aufnahme in die WTO gegeben hat. Die Debatte über China ist in der EU zu einem heiklen Thema geworden. Ehrgeizige Programme wie die Initiative „One Belt, One Road“, oder die Strategie „Made in China 2025“ und die „16+1-Leitlinien (2017 Budapest, 2018 Sofia, 2019 Dubrovnik)“ (6) haben die Aufmerksamkeit einiger privater und öffentlicher Akteure, u. a. der EU-Institutionen, auf sich gezogen. Durch die 5G-Problematik wurde die Frage der digitalen Sicherheit aktuell. Hier eröffnet sich eine günstige Perspektive, um etwas für die digitale Unabhängigkeit der EU zu tun. Die Förderung von EU-Programmen für Investitionen in Forschung und Innovation scheint in dieser Hinsicht der sinnvollste und lohnendste Ansatz zu sein.

    4.5

    Politische Empfehlungen und konkrete Maßnahmen sollten auf zwei strategische Faktoren abzielen. Da wäre erstens die G20, die zu einem globalen politischen Forum hätte werden können, das ergänzend zum System der Vereinten Nationen ebenfalls bei den globalen Ungleichgewichten und der Ungleichheit ansetzt. Sie hat jedoch viel an Gewicht verloren. Eng damit verbunden ist zweitens, dass der EU eine echte „Außenwirtschaftspolitik“ fehlt. Die Industriepolitik und andere EU-Politikbereiche, die Produktionsfaktoren (wie Energie, Binnenmarkt, Forschung und Innovation, Verkehr usw.) betreffen, sind von den Außenbeziehungen der EU (Handel und auswärtiger Dienst) sowie von den Exportkreditagenturen der Mitgliedstaaten, die ihre Kräfte bündeln sollten, entkoppelt oder spiegeln sich nur zum Teil darin wider. Dadurch wird es schwieriger, sich mit wichtigen internationalen Akteuren auseinanderzusetzen. Dies schwächt die Rolle der EU in multilateralen und internationalen Foren und bei der Verhinderung von Marktverzerrungen.

    5.   Auswirkungen der durch die Coronavirus-Pandemie (COVID-19) verursachten Krise

    5.1

    Der Ausbruch von COVID-19 hat gewaltige makroökonomische und haushaltspolitische Folgen, deren volle Trageweite immer noch nicht abzusehen ist. Der EWSA teilt die Auffassung, dass es keine Alternative zu den unlängst angekündigten finanzpolitischen Maßnahmen bzw. einer expansiven Geldpolitik gibt, weder in der EU noch weltweit. Große Probleme zeichnen sich in Form einer unvollständigen, uneinheitlichen Konjunkturbelebung und eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit ab. Obwohl die Gegenmaßnahmen die Arbeitslosigkeit in Grenzen halten dürften, werden die erforderlichen politischen Maßnahmen zu öffentlichen Defiziten führen und die Staatsverschuldung in die Höhe treiben.

    5.2

    Der EWSA sieht schwerwiegende Langzeitfolgen diese Krise auf die EU zukommen. Da politisch bedingt ein koordiniertes Engagement der EU bei der Pandemiebekämpfung lange nicht möglich war, könnte es zu einem Vertrauensverlust in die Politik im Allgemeinen kommen.

    5.3

    Sonstige mögliche Risiken sind ein unerwartet längeres Andauern der Pandemie, finanzielle Instabilität weltweit und in der EU, zunehmender Protektionismus, die Zersplitterung des Binnenmarkts und gravierende strukturelle Unterschiede.

    5.4

    Nach Auffassung des EWSA braucht Europa dringend ein neues Projekt für die innere Integration, eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- (einschließlich der Koordinierung des Gesundheitswesens), Fiskal-, Energie- und Umweltstrategie sowie eine kohärente Handelspolitik. Das Fehlen einer wirksamen europäischen Strategie ist alarmierend und muss im Sinne eines neuen gemeinsamen europäischen Ansatzes korrigiert werden.

    5.5

    Es bedarf eines umfangreichen Konjunktur- und Wiederaufbaupakets für Investitionen nach der Krise. Es muss ein Element im neuen mehrjährigen Finanzrahmen sein, um die EU-Wirtschaft wieder anzukurbeln, und zwar zusätzlich zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Zentralbank. Der erforderliche Plan zur Stimulierung von Investitionen sollte weiter aus bestehenden EU-Fonds, Finanzinstrumenten und Konjunkturanleihen finanziert werden; diese müssen klar anhand der durch die Corona-Krise ausgelösten Probleme definiert und durch den EU-Haushalt garantiert werden. In diesem Zusammenhang betrachtet der EWSA den unlängst von der Europäischen Kommission vorgelegten Aufbauplan als einen konkreten ersten Schritt in diese Richtung.

    5.6

    Der EWSA hält den regelbasierten Handel in Krisenzeiten für unverzichtbar. Auch in der EU-Strategie zur Überwindung dieser Krise hat er seinen Platz. Die EU-Mitgliedstaaten müssen den Binnenmarkt aufrechterhalten und dafür sorgen, dass es keine EU-internen Hemmnisse für den Handel gibt. Sie können dies durch die Aufnahme umfassender Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen erreichen, mit dem für gleiche Wettbewerbsbedingungen gesorgt wird. Ein solches Abkommen würde außerdem den Weg zu einer möglichen dauerhaften Liberalisierung der Zölle auf medizinisches Material ebnen und dazu beitragen, dass die globalen Lieferketten in diesem so wichtigen Sektor reibungslos funktionieren. Neben diesen Maßnahmen könnten die Liberalisierung der Zölle und die Ausfuhrfinanzierung, die gut zwischen den jeweiligen EU-Organen und den Mitgliedstaaten koordiniert werden muss, die Unternehmen entlasten und Marktverzerrungen verhindern.

    Brüssel, den 16. Juli 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/november/tradoc_157516.pdf.

    (2)  EPRS, CETA implementation: SMEs and regions in focus, eine Studie im Auftrag des AdR, 18. November 2019. Verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document.html?reference=EPRS_IDA(2019)644179.

    (3)  Flash Eurobarometer 42, Internationalisation of Small and Medium-sized Enterprises, Oktober 2015.

    (4)  Belgien, Deutschland, Spanien, Italien, Niederlande und Vereinigtes Königreich.

    (5)  EPRS, Wechselwirkungen zwischen Handel, Investitionen und Trends in der EU-Industrie: EU-Regionen und internationaler Handel, Studie im Auftrag des AdR, 27. Oktober 2017, verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document.html?reference=EPRS_STU(2017)608695.

    (6)  2017: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjdt_665385/2649_665393/t1514534.shtml;

    2018: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjdt_665385/2649_665393/t1577455.shtml;

    2019: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjdt_665385/2649_665393/t1655224.shtml.


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