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Document 52015IE1499

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Kultur- und Kreativwirtschaft — eine Trumpfkarte Europas im weltweiten Wettbewerb“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 13 vom 15.1.2016, p. 83–88 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 13/83


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Kultur- und Kreativwirtschaft — eine Trumpfkarte Europas im weltweiten Wettbewerb“

    (Initiativstellungnahme)

    (2016/C 013/13)

    Berichterstatterin:

    Frau Emmanuelle BUTAUD-STUBBS

    Ko-Berichterstatter:

    Herr Nicola KONSTANTINOU

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 22. Januar 2015, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    „Die Kultur- und Kreativwirtschaft: eine Trumpfkarte Europas im weltweiten Wettbewerb“

    (Initiativstellungnahme).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2015 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 510. Plenartagung am 16./17. September 2015 (Sitzung vom 16. September 2015) mit 215 Stimmen ohne Gegenstimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Angesichts des gewichtigen Anteils der Kultur- und Kreativwirtschaft am BIP der Europäischen Union ersucht der EWSA die Europäische Kommission um Erarbeitung einer Mehrjahresstrategie für die Entwicklung dieses Wirtschaftszweigs.

    1.2.

    Der EWSA ist insbesondere der Ansicht, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft, die zur internationalen Ausstrahlung der Europäischen Union beiträgt, in die laufenden Überlegungen der Europäischen Kommission zu einer im Herbst 2015 erwarteten Mitteilung über eine neue Strategie für die Handelspolitik einbezogen werden muss.

    1.3.

    Angesichts der Entwicklung des Arbeitsmarkts in einigen Mitgliedstaaten ist es erforderlich, den Bedürfnissen atypisch Beschäftigter im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen sowie den Gesundheitsschutz und die Sicherheit angemessener Rechnung zu tragen. Der EWSA befürwortet eine Intensivierung der Tarifverhandlungen, insbesondere im Medien- und Kultursektor, entsprechend den nationalen Gepflogenheiten.

    1.4.

    Mehrere weitere Themen verdienen besondere Aufmerksamkeit: die Anpassung an die neuen Markterfordernisse, die Verstärkung der Mobilität der Fachkräfte des Sektors und der Aus- und Weiterbildungsinstrumente und -politik sowie die Entwicklung des Crowdfunding (Crowdfunding-Plattformen).

    1.5.

    Die Werbung für die Werte der EU — Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung, Minderheitenschutz usw. — sollte teilweise „kreativen Köpfen“ überlassen werden, die besser in der Lage sind, mit Apps, Videos, Spielen, Comics usw. ein junges Publikum zu gewinnen.

    1.6.

    Für diese Branche, in der es nicht allen gelingt, einen Wert zu realisieren, ist die Frage der finanziellen Verwertung ihrer immateriellen Vermögenswerte — Kundenportfolio, Bekanntheitsgrad und Ansehen, Marken, Know-how —, die nachhaltig und Quelle künftiger Gewinne sind, von wesentlicher Bedeutung.

    2.   Einleitung

    2.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt seit mehr als elf Jahren die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Lange bevor die Europäische Kommission 2012 ihre Mitteilung „Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor für Wachstum und Beschäftigung in der EU unterstützen“ (1) erarbeitete, hat er zwischen 2004 und 2014 mehrere Stellungnahmen verabschiedet (2).

    2.2.

    Die Kultur- und Kreativwirtschaft nimmt eine strategische Position in der europäischen Gesellschaft ein, die es ihr ermöglicht, ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum („Europa 2020“) zu fördern, da sie beispielsweise nachweislich innovationsfähiger als andere Wirtschaftszweige ist (3).

    2.3.

    Darüber hinaus ist auch die besondere Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft innerhalb der europäischen Gesellschaft bei der Förderung des Pluralismus und der kulturellen Vielfalt sowie der europäischen Identität hervorzuheben (4).

    2.4.

    Im Januar 2015 beschloss das Präsidium, die Erarbeitung einer neuen Initiativstellungnahme zur Kultur- und Kreativwirtschaft zu genehmigen, da sie eine Trumpfkarte Europas im weltweiten Wettbewerb darstellt. Die USA, Kanada und Korea beispielsweise arbeiten nämlich wirksame „Soft-Power“-Strategien aus, um ihre Kultur und ihre Lebensart zu verbreiten und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Unternehmen zu fördern, die in der Gestaltung, Produktion und Verbreitung von Gütern und Dienstleistungen mit kulturellem Inhalt tätig sind.

    2.5.

    Warum nun will sich der EWSA erneut mit der Entwicklung dieses Wirtschaftszweigs beschäftigen?

    2.5.1.

    Zunächst einmal gewinnt er im Rahmen der europäischen Wirtschaft an Bedeutung. In Anbetracht der unterschiedlichen existierenden Definitionen und der neuesten verfügbaren Statistiken gehört die Kultur- und Kreativwirtschaft zu den dynamischsten Branchen der europäischen Wirtschaft. In der Studie des Beratungsunternehmens TERA Consultants für den Zeitraum 2008-2011 (5) wird darauf hingewiesen, dass ihr Beitrag zum europäischen BIP zwischen 4,4 % (nur die reine Kreativwirtschaft oder „core industries“) und 6,8 % (stark von der reinen Kreativwirtschaft abhängige Branchen bzw. „non-core industries“ hinzugenommen) liegt. Ihr Anteil an der Beschäftigung beläuft sich auf jeweils 8,3 Mio. Arbeitsplätze bzw. 3,8 % der EU-Gesamterwerbsbevölkerung bei der reinen Kreativwirtschaft („core industries“) und 14 Mio. Arbeitsplätze bei Berücksichtigung aller stark abhängigen Branchen („non-core industries“), d. h. 6,5 % aller Erwerbstätigen in der EU. Sie ist also der drittgrößte Arbeitgeber in der EU nach der Bau- und der Getränkebranche.

    2.5.2.

    Das Ausmaß der Staatsschulden hat die Mitgliedstaaten und die Gebietskörperschaften veranlasst, die Subventionen für Kultur- und Musikvereine, Theater, Programmkinos und Orchester zu kürzen. Die aus öffentlicher Hand finanzierten großen Medien Rundfunk und Fernsehen befinden sich in mehreren Mitgliedstaaten in Schwierigkeiten, ebenso wie die Printmedien, deren Geschäftsmodell aufgrund der digitalen Revolution derzeit in einer Krise steckt.

    2.5.3.

    Im Juni 2013 wurden Verhandlungen über eine transatlantische Partnerschaft aufgenommen, von denen bereits neun Runden abgeschlossen sind. Von Anfang an wurde der Kultur eine Ausnahmestellung eingeräumt, und der EWSA unterstützt die Position des Europäischen Parlaments, das in seiner Entschließung vom 23. Mai 2013 zu den Verhandlungen der EU mit den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Handels- und Investitionsabkommen (6) fordert, dass „die Ausklammerung von Diensten mit kulturellen oder audiovisuellen Inhalten, auch online, im Verhandlungsmandat eindeutig festgehalten wird“.

    2.5.4.

    Das Programm „Kreatives Europa“, zu dem sich der Ausschuss bereits geäußert hat (7), ist kürzlich in Kraft getreten und mit Mitteln in Höhe von 1,46 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014-2020 ausgestattet worden.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.    Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Branche

    3.1.1.

    Durch die Krise sind mehrere markante Bereiche der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft geschwächt worden:

    die Klassik- und Volksmusikkonzerte und -orchester;

    die Opern- und Theaterfestivals;

    der europäische Comicsektor leidet unter der Piraterie;

    im Bereich der audiovisuellen Produktion für öffentlich-rechtliche Fernsehsender sind teilweise erheblich die Mittel gekürzt worden.

    3.1.2.

    Die statistischen Daten von Eurostat für den Zeitraum 2009-2013 belegen einen Rückgang der Beschäftigung beispielsweise im Verlagswesen in Frankreich (146 000 Arbeitnehmer im Jahr 2009 und 112 000 im Jahr 2013) oder bei der Planung und Produktion von Filmen in Polen (25 000 Arbeitnehmer im Jahr 2009 und 19 600 im Jahr 2013).

    3.1.3.

    Aus einem Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in Dublin („Arts, entertainment and recreation: Working conditions and job quality“) (8) geht hingegen hervor, dass im Kunst-, Unterhaltungs- und Freizeitsektor in den Jahren 2010 bis 2012 ein leichter Beschäftigungsanstieg (+2 %) in der EU zu verzeichnen war. In einigen Mitgliedstaaten liegt der Anteil der Arbeitnehmer in diesen Branchen weit über dem europäischen Durchschnitt (1,6 % der erwerbstätigen Bevölkerung): In Großbritannien und in Estland beträgt er 2,6 %, in Schweden 2,5 % (14 % der Unternehmen und 8 % des BIP) und in Lettland 2,3 %.

    3.2.    Aufbau eines Programms „Kreatives Europa 2014-2020“ und Fragen seiner Finanzierung und lokaler Anlaufstellen

    3.2.1.

    Die Unternehmen der Kreativwirtschaft benötigen eine Finanzierung, da sie nur schwer Einnahmemodelle entwickeln können, um den Wert ihrer Produkte umzusetzen. Wenn die KMU bei der Konzipierung von Geschäfts- und Einnahmemodellen eine Orientierungshilfe erhielten, dank derer sie zugleich Wert schaffen und realisieren können, wären sie weniger von öffentlichen Subventionen abhängig.

    3.2.2.

    In der Vergangenheit hat der EWSA Bedenken hinsichtlich des neuen Finanzinstrumentariums geäußert, mit dem den KMU und anderen Akteuren der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert werden soll. Hierbei wurde die fehlende Sachkenntnis des Europäischen Investitionsfonds (EIF) im Bereich Kultur hervorgehoben (9), dabei soll gerade er die diesem Sektor gewährte Garantie in Höhe von 121 Mio. EUR übernehmen.

    3.2.3.

    Gemäß dem Programm Kreatives Europa soll die Garantie eine Hebelwirkung von 5,7 % entfalten, wodurch rund 700 Mio. EUR für eine Ausschreibung bereitgestellt werden und die Auswahl von Einrichtungen ermöglicht wird, die mit dem Kapazitätenausbau für den Garantiemechanismus beauftragt sind.

    3.2.4.

    Wichtig wäre ferner, die Finanzierungsarten zu diversifizieren. Durch das Crowdfunding, auch in seiner grenzüberschreitenden Dimension, werden der Zugang zur Projektfinanzierung erleichtert und das Risiko für die Anleger gesenkt („La Tribune“, 11. Februar 2014).

    3.2.5.

    Generell stellt sich die Frage der finanziellen Bewertung der immateriellen Vermögenswerte. Die Europäische Kommission erkennt zwar die Bedeutung dieser immateriellen Vermögenswerte an, doch schlägt sie keine einheitliche Methode für die finanzielle Bewertung dieser immateriellen Vermögenswerte vor.

    3.2.6.

    Unzureichende Zahl lokaler Anlaufstellen: Es gibt ein bis vier Anlaufstellen für das Programm Kreatives Europa pro Mitgliedstaat, die sich in der Hauptstadt oder in einer Großstadt befinden. Dieses Netz ist sicher nicht engmaschig genug, um eine Förderung der Programme in allen stark auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichteten Regionen zu gewährleisten.

    3.3.    Anpassung des Rechts des geistigen Eigentums angesichts der digitalen Revolution

    3.3.1.

    Derzeit wird über die Änderung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (10) über das Urheberrecht debattiert, insbesondere auf der Grundlage einer Mitteilung vom 19. Mai 2010 (COM(2010) 245 final „Eine digitale Agenda für Europa“), wobei es über folgende heikle Fragen zu entscheiden gilt:

    Muss ein einheitliches Unionsurheberrecht eingeführt werden?

    Wie lässt sich das derzeitige, äußerst vielfältige und komplexe Urheberrecht auf nationaler Ebene an neue kulturelle Ausdrucksformen anpassen?

    Ist es wünschenswert, die Schutzdauer des Urheberrechts EU-weit zu harmonisieren?

    Hat der Gesetzgeber bereits die Revolution des 3D-Drucks berücksichtigt?

    3.3.2.

    Ein weiteres heikles Thema ist die Vergütung der Urheber und Künstler/Interpreten entsprechend den Einnahmen aus der Online-Verwertung ihrer Werke und Darbietungen.

    3.3.3.

    Der EWSA weist nachdrücklich auf die Notwendigkeit eines ausgewogenen Systems hin, das eine gerechte und faire Vergütung aller Rechteinhaber, insbesondere der Schöpfer von Inhalten, der ausübenden Künstler und der Produzenten, ermöglicht.

    3.3.4.

    Es ist auch wichtig, die KMU und Kleinstunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft beim Schutz ihrer Rechte des geistigen Eigentums zu unterstützen (11), insbesondere im Mode- und im Designsektor.

    3.3.5.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission außerdem auf, einen kohärenten Ansatz zu verfolgen und auch die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (12) über den elektronischen Geschäftsverkehr zu überarbeiten, um alle Beteiligten (Akteure/Rechteinhaber, Provider, Suchmaschinen, Anbieter von Zahlungslösungen usw.) bei der Bekämpfung der Piraterie in die Pflicht zu nehmen.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1.    Dringender Bedarf an territorialen Anreizen

    4.1.1.

    Der EWSA betont, dass es die lokale Ebene ist, auf der Formen der Zusammenarbeit entstehen — bzw. nicht entstehen — werden. Hervorzuheben ist die Schlüsselrolle kultureller Cluster, der „Kreativ-Zonen“ und der leicht zugänglichen und kostenlosen Begegnungsstätten, die von Städten und Regionen zur Verfügung gestellt werden, wie bei der Anhörung vom 15. Juni 2015 von mehreren Teilnehmern (Wallonien, Rhône-Alpes) berichtet wurde. Die Fachleute des Europäischen Netzwerks für Kultur äußern in ihrem Bericht über die Stabilität der Kultur- und Kreativwirtschaft (13) die Ansicht, dass die öffentlichen Maßnahmen zur Förderung von Kultur und Kreativität offenbar größere Wirkung auf subnationaler Ebene haben.

    4.1.2.

    Im Jahresprogramm für die Durchführung der Initiative „Kreatives Europa“ sind Mittel in Höhe von 4,9 Mio. EUR für Anlaufstellen des Programms vorgesehen. Es gibt zu wenige Anlaufstellen und sie befinden sich in den Haupt- oder Großstädten, was nicht unbedingt die beste Wahl im Hinblick auf den Standort der Akteure ist.

    4.2.    Notwendige Reaktion auf die zuweilen prekäre Lage atypisch Beschäftigter in der Kultur- und Kreativwirtschaft (ausgenommen Luxusgüter)

    4.2.1.

    Laut einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom Mai 2014 über die Arbeitsbeziehungen in der Medien- und der Kulturbranche (14):

    werden in der Verlags-, Video- und Fernsehbranche 2,3 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt;

    arbeiten 1,2 Mio. Menschen in den Bereichen Druck und Medienveröffentlichungen;

    gibt es 1 Mio. Künstler, davon die Hälfte mit Einzelunternehmerstatus.

    4.2.2.

    In den meisten dieser Berufe, insbesondere im Kultur- und Mediensektor, hat die sogenannte atypische Beschäftigung im Laufe der letzten Jahrzehnte zugenommen, die Zahl der Teilzeitverträge und befristeten Arbeitsverträge sowie der Leiharbeitnehmer und Scheinselbstständigen ist stark gestiegen.

    4.2.3.

    Der EWSA befürwortet die von der IAO im Mai 2014 angenommenen Konsenspunkte (15), wonach die Grundsätze und Grundrechte am Arbeitsplatz ungeachtet der Art des Arbeitsverhältnisses für alle Arbeitnehmer in der Medien- und Kulturbranche gelten. Er stellt fest, dass bestimmte Beschäftigte des Medien- und Kultursektors über keinen ausreichenden Sozialschutz (Arbeitslosen-, Renten- und Sozialversicherung usw.) verfügen und dass die Sicherheits- und Gesundheitsrisiken durch die zunehmende Unterauftragsvergabe und den sehr unterschiedliche Status der atypisch Beschäftigten der Kultur- und Kreativwirtschaft zunehmen können.

    4.2.4.

    Der EWSA spricht sich dafür aus, die Tarifverhandlungen in diesen verschiedenen Branchen zu intensivieren, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

    4.2.5.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, ein ehrgeiziges Legislativpaket zur Mobilität vorzulegen, mit dem sich die Probleme der Mobilität der Fachkräfte der Kultur- und Kreativwirtschaft in der EU auf angemessene Weise lösen lassen und sich die Vergabe von Visa im Rahmen des Austauschs mit Drittländern erleichtern lässt.

    4.3.    Anstehende Veränderungen in den Bildungs- und Ausbildungsinstrumenten in der Kultur- und Kreativwirtschaft

    4.3.1.

    Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass die Kenntnisse über die Kultur- und Kreativwirtschaft im Bereich der Grund- und Berufsbildung im Einklang mit der internationalen Charta des Kunsthandwerks („International Charter of Artistic Craftmanship“) gefördert werden müssen (16).

    4.3.2.

    In diesem Zusammenhang ist die große Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks als wichtigstem Instrument zur kulturellen Erziehung und bei der Ausstrahlung stark literarisch, historisch und künstlerisch geprägter Sendungen hervorzuheben.

    4.3.3.

    Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass in einer Zeit des raschen Wandels der Wirtschaftsmodelle, insbesondere aufgrund von Änderungen der Verbrauchergewohnheiten, in der Ausbildung für Berufe der Kultur- und Kreativwirtschaft Kenntnisse über Wirtschaft, Unternehmensführung und Strategie vermittelt werden sollten. Auch die Führungskräfte und Unternehmer der Kultur- und Kreativwirtschaft müssen im Rahmen der beruflichen Weiterbildung Zugang zu diesen Ausbildungsmaßnahmen haben.

    4.3.4.

    Der EWSA hat in mehreren Stellungnahmen betont, wie wichtig die Bildung bei der Weitergabe seltenen handwerklichen Know-hows ist. In mehreren Mitgliedstaaten wird jedoch immer offenkundiger, dass eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Lehrinhalten und den Marktanforderungen besteht, was einige Akteure der Zivilgesellschaft dazu bewogen hat, sich im Bildungsbereich zu engagieren, indem sie private Einrichtungen ins Leben gerufen haben, oder im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften praxisorientierte, auf bestimmte Berufe ausgerichtete Kurzausbildungen (vier Wochen) bereitzustellen, dank derer junge Menschen mit und ohne Abschluss innerhalb kürzester Zeit einsatzfähig sind.

    4.3.5.

    Im November 2014 hat der Europäische Qualifikationsrat für die audiovisuelle Branche und die darstellenden Künste seine Arbeit aufgenommen. Der EWSA verfolgt interessiert dessen Arbeiten, die zu einer besseren Vorausschätzung des Bedarfs an beruflicher Erstausbildung und Weiterbildung führen dürften.

    4.3.6.

    Der EWSA hält es in diesem Zusammenhang für wichtig, dass die Sozialpartner und der Europäische Qualifikationsrat eng in die Arbeit der mehrsprachigen europäischen Klassifizierung für Fähigkeiten, Kompetenzen, Qualifikationen und Berufe (ESCO) (17) eingebunden werden.

    4.3.7.

    Der EWSA plädiert für größere Synergien zwischen den „Wissensallianzen“ des Programms Erasmus+ und dem Programm Kreatives Europa.

    4.4.    Wachsamkeit gegenüber der weltweiten Konkurrenz

    4.4.1.

    Angesichts der Bedeutung dieses Sektors für die Wirtschaft muss all seinen Dimensionen Rechnung getragen werden: Beschäftigung, Kompetenzen, Ausbildung, geistiges Eigentum usw. Die externe Dimension muss in den laufenden bi- und multilateralen Verhandlungen berücksichtigt werden. Der Anteil der Güter und Dienstleistungen mit ausgeprägtem kreativem und kulturellem Inhalt an den Ausfuhren aus der EU wächst zunehmend. Gemäß dem ECCIA entfielen 2013 rund 17 % der gesamten EU-Exporte auf Luxusgüter.

    4.4.2.

    Zur Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Wirtschaftszweigs im Hinblick auf seinen Inhalt gehört es auch, den Rechten des geistigen Eigentums und der Regulierung des elektronischen Geschäftsverkehrs größere Aufmerksamkeit zu schenken.

    4.5.    Eine attraktive Story über die Werte der Europäischen Union

    4.5.1.

    Die Werte der EU sollten in den sozialen Netzen in attraktiver Form gefördert und verbreitet werden.

    4.5.2.

    Ein an Videomacher, Grafiker, Zeichner, Musiker usw. gerichteter Aufruf zur Einreichung von Projekten würde es ermöglichen, bilderreiche und lebendige Inhalte zu entwickeln, die sich unter jugendlichen Zielgruppen durch virales Marketing verbreiten lassen.

    4.6.    Förderung der wechselseitigen Befruchtung

    4.6.1.

    Das Ziel der Schaffung und Entwicklung von Synergien zwischen den verschiedenen Bereichen der Kreativ- und Kulturwirtschaft ist Teil des konzeptionellen Rahmens der Europäischen Kommission für das Programm Kreatives Europa (18).

    4.6.2.

    Vielversprechende Versuche gibt es hier und da beispielsweise zwischen Gastronomie, digitaler Wirtschaft und Tourismus, zwischen Kunst- und Luxusgüterbranche sowie zwischen Kultur und Tourismus.

    4.6.3.

    Solche Versuche einer wechselseitigen Befruchtung zwischen den einzelnen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie zwischen dieser und anderen Wirtschaftszweigen lassen sich häufig nicht auf einen industriellen Maßstab übertragen, da sie auf dem Verständnis der Merkmale beruhen, die jeder Branche eigen sind.

    4.6.4.

    Darüber hinaus ermöglicht die Praxis der wechselseitigen Befruchtung, die sich in der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt, dank der technischen Fortschritte (3D-Druck, Digitaldruck) die Konzipierung von auf Kreation und Innovation ausgerichteten Berufsbildern, die Motoren für die künftige Beschäftigung sind.

    4.7.    Wirtschaftliche Aufwertung des architektonischen Erbes

    4.7.1.

    Die EU ist der Teil der Welt mit der höchsten Dichte an Natur- und Kulturstätten, die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurden (363 von 981 weltweit). Die Touristenströme aus Indien, China, Japan oder den USA lassen sich nachweislich in erster Linie durch diesen Reichtum an Kulturgütern erklären (19). Lockerungen der Visum-Politik wären in den Grenzen der von den Mitgliedstaaten und den betreffenden Drittstaaten bestimmten Sicherheitserfordernisse zu begrüßen.

    4.7.2.

    Allerdings sind aufgrund der hohen Verschuldung mehrerer Mitgliedstaaten mit zahlreichen Baudenkmälern — Griechenland (17), Frankreich (39), Italien (47) oder Spanien (44) — Schwierigkeiten mit der Bewahrung und der Pflege dieses Erbes festzustellen. Da dieser kulturelle und architektonische Reichtum Europas eine enorm wichtige Trumpfkarte darstellt, dank derer auch weiterhin der Kulturtourismus ausgebaut werden kann, wird die Europäische Kommission aufgefordert, eine Bestandsaufnahme des aktuellen Zustands der zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Stätten in der EU vorzunehmen.

    4.8.    Einrichtung eines europäischen Multi-Stakeholder-Forums

    4.8.1.

    Der EWSA hat sich bereits in diesem Sinne ausgesprochen (20). Der Ausschuss der Regionen schließt sich dieser Forderung an und empfiehlt die Einrichtung eines Europäischen Kreativitätsforums (21), „in dem öffentliche, private und Freiwilligen-Gruppen zusammenkommen, um zu untersuchen, wie Europa kreative Lösungen für drängende lokale und europäische Probleme anwenden könnte“.

    Brüssel, den 16. September 2015.

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  COM(2012) 537 und die dazugehörigen Arbeitsunterlagen zur Mode- bzw. Luxusgüterbranche: SWD(2012) 286 und SWD(2012) 284 (ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 39).

    (2)  Siehe bereichsübergreifende und themenspezifische Stellungnahmen des EWSA, unter anderem: ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 34. ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 68. ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 43. ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 35. ABl. C 44 vom 11.2.2011; ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 14. ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 1. ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 75. ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 64. ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 18. ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 47.

    (3)  Siehe die Studie des British Council: „Mapping the creative industries: a toolkit“, http://creativeconomy.britishcouncil.org/media/uploads/resources/mapping_the_creative_industries_a_toolkit_2-2.pdf

    (4)  ABl. C 51 vom 17.2 2011, S. 43.

    (5)  TERA Consultants, „The Economic Contribution of the Creative Industries to EU GDP and Employment“, 2014.

    (6)  P7_TA (2013)0227 Ziffer 11.

    (7)  ABl. C 198 vom 10.7 2013, S. 39.

    (8)  http://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef1384en14.pdf

    (9)  ABl. C 181 vom 21.6 2012, S. 35.

    (10)  ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

    (11)  Siehe Stellungnahme des EWSA zu dem „EU-Aktionsplan für einen neuen Konsens über die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten“ (ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 72).

    (12)  ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1.

    (13)  http://www.eenc.info/fr/eencdocs-fr/rapports/la-resilience-de-lemploi-dans-les-secteurs-culturels-et-creatifs-sccs-pendant-la-crise/

    (14)  Employment relationships in the media and culture industries (Mai 2014), http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_dialogue/---sector/documents/publication/wcms_240701.pdf

    (15)  Internationale Arbeitsorganisation, GDFMCS/2014/7, Forum für den weltweiten Dialog über Arbeitsverhältnisse in der Medien- und Kulturbranche, Genf 14./15. Mai 2014, Konsenspunkte.

    (16)  Siehe Fußnote 4.

    (17)  Die ESCO-Klassifizierung wurde 2010 von der Europäischen Kommission eingeführt. Sie ist Teil der Europa-2020-Strategie.

    (18)  Verordnung (EU) Nr. 1295/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung des Programms Kreatives Europa (2014-2020) (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 221).

    (19)  ABl. C 44 vom 11. 2.2011, S. 75.

    (20)  ABl. C 198 vom 10.7 2013, S. 39.

    (21)  ABl. C 218 vom 30.7 2013, S. 7.


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