EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52013AE6185

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“ COM(2013) 654 final

ABl. C 214 vom 8.7.2014, p. 31–35 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.7.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 214/31


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“

COM(2013) 654 final

2014/C 214/06

Berichterstatter: Gonçalo LOBO XAVIER

Mitberichterstatter: Pavel TRANTINA

Die Europäische Kommission beschloss am 25. September 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien

COM(2013) 654 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. Februar 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 496. Plenartagung am 26./27. Februar 2014 (Sitzung vom 26. Februar) mit 226 Stimmen gegen 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

IKT-Instrumente finden in sämtlichen Lebensbereichen eines jeden zunehmend Verwendung. Der EWSA ist der Meinung, dass ein digitaler Ansatz in den Bildungssystemen zur Verbesserung der Qualität und Kreativität der Bildungsangebote für die Allgemeinheit beitragen kann — insbesondere dann, wenn er mit gesundem Menschenverstand verfolgt wird.

1.2

Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Lehrkräfte für den Erfolg der Initiative „Die Bildung öffnen“ von zentraler Bedeutung sind. Ihre Beteiligung an der Konzipierung und Umsetzung der Initiative ist — in Verbindung mit einer geeigneten Ausbildung — unverzichtbar, um die Bildung mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien innovativ und im Kontext der „Bildung für alle“ zu öffnen.

1.3

Der EWSA betont, dass die Mobilisierung sämtlicher Akteure und die Förderung des Entstehens von „Lernpartnerschaften“ in der Gesellschaft unter Einbindung der Schulen, Unternehmen, Kommunalverwaltungen, Sozialpartner, zivilgesellschaftlichen Organisationen, in der Jugendarbeit tätigen NGO, Jugend- und anderen Sozialarbeiter, sowie der Eltern und Schüler in die Gestaltung und Umsetzung der Lehrpläne von entscheidender Bedeutung ist, damit die Initiative Erfolg hat und im Rahmen eines wünschenswerten Paradigmenwechsels im Bildungswesen konkrete Ergebnisse zeitigt.

1.4

Der EWSA weist darauf hin, dass die europäischen und vor allem auch die nationalen Finanzierungsprogramme effektiv genutzt werden müssen, um den optimalen, an die Lehrpläne angepassten Einsatz neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien zu unterstützen. Die in einigen Mitgliedstaaten vorhandenen bewährten Verfahren — beispielsweise was Anreize für Unternehmen angeht, die Schulen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ausstatten möchten — müssen verfolgt, verbreitet und gefördert werden.

1.5

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Instrumente zur Anerkennung der mithilfe der IKT erworbenen Kompetenzen allen Beteiligten gänzlich bekannt sein müssen und dass ihre Anwendung regelmäßig bewertet werden muss. Der derzeit entwickelte Europäische Raum der Kompetenzen und Qualifikationen sollte zu diesen Bemühungen um Transparenz und Validierung der Fähigkeiten beitragen. Dies ist entscheidend für die Akzeptanz des Systems seitens aller Interessenträger.

1.6

Der EWSA teilt nachdrücklich die Auffassung, dass ein gut durchdachter und umfassender Ansatz für die Umsetzung von Maßnahmen erforderlich ist, mit denen der Einsatz neuer Technologien in Lernprozessen gefördert werden soll, was sowohl offene Online-Lehrveranstaltungen (Massive Open Online Courses, MOOCs) als auch frei zugängliche Lehr- und Lernmaterialen (Open Educational Resources, OER) betrifft. Lehrkräfte werden durch angemessene Ausbildungs- und Anreizmaßnahmen zweifellos auch künftig im gesamten Bildungsprozess eine zentrale Rolle spielen. Die technologiebasierte Bildung bringt neue Herausforderungen für Europa mit sich. Technologie ohne Lehrkräfte verliert ihren Bildungswert; hingegen tragen mit digitalen Medien vertraute Lehrkräfte weiterhin entscheidend dazu bei, Bildung für die Lernenden attraktiv zu machen.

1.7

Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit einer stärkeren Inklusion beim Einsatz von IKT-Instrumenten im Bildungsbereich. Dies gilt insbesondere für die Inklusion sozial benachteiligter Schüler, die sich die erforderlichen Geräte und Inhalte nicht leisten können und keinen angemessenen Internetzugang haben. Es gibt eine Fülle von Beispielen für bewährte Methoden aus ganz Europa, mit denen diese Hürden überwunden und den Betroffenen die notwendigen Werkzeuge an die Hand gegeben werden können. Solche bewährten Verfahren müssen ausgetauscht und gefördert werden.

1.8

Der EWSA ist auch der Ansicht, dass neue internetbasierte Technologien einen grenzüberschreitenden Wissenstransfer ermöglichen und damit die Bildungskonvergenz in den Mitgliedstaaten fördern. Das ist wichtig für die Mobilität künftiger Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf den vereinten Märkten der EU, wovon sie profitieren wird.

1.9

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Europäische Kommission die notwendigen Unterstützungs- und Koordinierungsmechanismen für die schnelle und wirksame Umsetzung der in diesem Dokument behandelten Vorschläge, die Messung der Fortschritte und die Förderung des Austauschs bewährter Verfahren auf EU-Ebene gewährleisten sollte. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der Vorschläge auch dazu beitragen wird, die allgemeinen Ziele der Europa-2020-Strategie zu erreichen.

2.   Hintergrund

2.1

Die Europäische Kommission hat mit der Initiative „Die Bildung öffnen“ einen Aktionsplan gegen die unzureichende bzw. ineffektive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Bildung sowie zur Lösung anderer digitaler Probleme auf den Weg gebracht, die Schulen und Universitäten daran hindern, eine hochwertige Bildung und jene digitalen Kompetenzen zu vermitteln, die 90 % der Arbeitsplätze im Jahr 2020 erfordern werden.

2.2

Diese gemeinsame Initiative der EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, Androulla Vassiliou, und der für die Digitale Agenda zuständigen Kommissionsvizepräsidentin Neelie Kroes hat drei Schwerpunkte:

Schaffung von Innovationschancen für Organisationen, Lehrkräfte und Schüler bzw. Studierende;

intensivere Nutzung frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien, wobei sicherzustellen ist, dass alle aus öffentlichen Haushalten finanzierten Lehrmittel für alle zugänglich sind; und

bessere IKT-Infrastrukturen und Konnektivität in den Schulen.

2.3

Initiativen im Rahmen der Strategie „Die Bildung öffnen“ sollen mit Unterstützung durch Erasmus+, das neue EU-Programm für die allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, Horizont 2020, das neue Forschungs- und Innovationsprogramm, sowie die EU-Strukturfonds finanziert werden. Beispielsweise sollen im Rahmen von Erasmus+ Mittel für Bildungsträger bereitgestellt werden, um zu gewährleisten, dass die Geschäftsmodelle an den technologischen Wandel angepasst werden, und um die Lehrerfortbildung mittels frei zugänglicher Online-Kurse zu unterstützen. Alle durch Erasmus+ kofinanzierten Lehrmittel werden lizenzfrei und damit der Öffentlichkeit zugänglich sein.

2.4

Die Wirkung der Initiative „Die Bildung öffnen“ soll durch Empfehlungen verstärkt werden, die die hochrangige Gruppe zur Modernisierung der Hochschulbildung im nächsten Sommer veröffentlichen soll. Die von Kommissarin Androulla Vassiliou eingesetzte Gruppe unter dem Vorsitz der ehemaligen irischen Präsidentin Mary McAleese untersucht derzeit, wie die neuen Lehr- und Lernmethoden in der Hochschulbildung am besten zum Einsatz kommen können.

2.5

Diese Initiative steht auch im Einklang mit der Großen Koalition für digitale Arbeitsplätze, einer Plattform für unterschiedliche Interessenträger, die sich mit dem Mangel an IKT-Kompetenzen und dem Problem der bis zu 9 00  000 unbesetzten Stellen in der IT-Branche befasst.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

„Bildung ist ein sozialer Prozess“ (John Dewey) und wird dies auch bei massivem Einsatz von IKT bleiben. Ihre Aufgabe ist nicht nur der Wissenstransfer, sondern auch die Bürgerbildung.

3.2

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Europäischen Kommission „Die Bildung öffnen“ als Mittel zur Förderung eines modernen Bildungssystems, das die Entwicklung der Fähigkeiten der Schüler bzw. Studierenden, der Lehrkräfte und der Gesellschaft insgesamt ermöglicht, indem der Einsatz neuer digitaler Kompetenzen und neuer IKT-Lösungen im Interesse eines effektiveren Wissenstransfers gefördert wird.

3.3

Bildung ist eine der tragenden Säulen einer modernen Gesellschaft und ein Menschenrecht. Kein Land kann ohne ein gutes Bildungssystem überleben oder sich weiterentwickeln. Heutzutage besteht der Schüssel zum Erfolg in der Anwendung von IKT beim Wissenstransfer durch die Kombination moderner und traditioneller Methoden. Bildung muss auf einem adäquaten Ansatz beruhen, auf die ganzheitliche Entwicklung jedes Einzelnen ausgerichtet sein und gleichzeitig die Kompetenzerfordernisse des realen Marktes erfüllen. Darüber hinaus müssen die EU-Bildungssysteme — ohne die Erfordernisse gewinnorientierter Märkte zu vernachlässigen — auch den Erfordernissen nicht gewinnorientierter Märkte Rechnung tragen, wie z. B. bestimmter Bereiche von Forschung, Wissenschaft und Kunst.

3.4

Die Schulen waren bei der Innovation stets führend. Der EWSA hält deshalb das Gleichgewicht zwischen sog. traditionellen Lehrmethoden und dem Einsatz neuer Technologien und Konzepte für den Schlüssel zum Erfolg im Bildungsbereich. Der EWSA ist überdies der Ansicht, dass die Bildungssysteme an die globalen gesellschaftlichen Veränderungen und die neuen Herausforderungen angepasst werden müssen.

3.5

Der EWSA beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Frage innovativer Bildungskonzepte (1). So hat der EWSA beispielsweise in seiner unlängst verabschiedeten Stellungnahme zum Thema „Neue Denkansätze für die Bildung“ betont, dass die Vermittlung von Wissen in Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik („STEM“) weiterhin besondere Aufmerksamkeit seitens der Bildungssysteme verdient, weil diese von zentraler Bedeutung für die Entwicklung unserer Technologiegesellschaft sind, in der es eine enorme Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitnehmern mit wissenschaftlichen und technologischen Kenntnissen geben wird. Diese Themen müssen den Lernenden jedoch auf kreativere und spannendere Weise präsentiert werden — und das bereits im Kindergarten. Dieser Ansatz der frühkindlichen Bildung hat sich als erfolgreich erwiesen und kann als ein bewährtes Verfahren mehrerer Mitgliedstaaten betrachtet werden.

3.6

Sowohl digitale als auch internetbasierte Bildungsansätze sind wichtig. Der EWSA vertritt aber die Auffassung, dass bei der Verwendung neuer Materialien, Formate und Kompetenzen zur Gewährleistung des Wissenstransfers Inhalte, Lerneffizienz und Lernergebnisse unbedingt verbessert werden müssen.

3.7

Der EWSA erachtet die Beteiligung der Lehrkräfte wie auch der Sozialpartner, die ihre Interessen vertreten, als wesentlich für einen wirksamen Prozess zur Öffnung der Bildung. Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA den Vorschlag, Freiwilligennetze der Lehrkräfte zu fördern, um bewährte Verfahren auszutauschen und neue Initiativen auf den Weg zu bringen.

3.8

In wirtschaftlicher Hinsicht erkennt der EWSA die enormen Möglichkeiten, die das neue digitale Konzept bzw. Umfeld mit sich bringt. Dennoch sollte seiner Ansicht nach Vorsicht walten, insbesondere bei der Nutzung „frei zugänglicher Quellen“ (open sources). Der EWSA ist der Auffassung, dass frei zugängliche Kurse und Ressourcen zwar eine wichtige Rolle spielen, der Markt aber eine gewisse (freiwillige) Klassifizierung und Standardisierung unter Berücksichtigung der Zertifizierungsverfahren und der Rechte des geistigen Eigentums erfordert (2). Eine kritische Analyse der Qualität der Lehr- und Lernmaterialien ist ebenfalls wichtig und ratsam.

3.9

Der EWSA erkennt an, dass eine „Industrie frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“ Vorteile hat, sofern diese für die Bildungsprozesse relevant sind und das Sprachenlernen fördern können. Ein umfassender Zugang rund um die Uhr zu hochwertigen frei zugänglichen Bildungsinhalten ist sinnlos, wenn diese Inhalte von der Zielgruppe nicht genutzt werden können, weil sie in einer Sprache verfasst sind, die die meisten Angehörigen dieser Zielgruppe nicht beherrschen.

3.10

Für den EWSA steht fest, dass trotz der im Dokument befürworteten Politik auf europäischer Ebene die tatsächliche Umsetzung der Lösungen davon abhängt, wie die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen ausgestalten werden. Der EWSA fordert daher ein echtes Engagement der politischen Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten, um die Umsetzung der vorgeschlagenen Lösungen auf europäischer Ebene sicherzustellen, und zwar ungeachtet der unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen.

3.11

Wie jede große Veränderung erfordert, wie gesagt, auch diese „Revolution“ eine starke politische Führung seitens der einzelnen Mitgliedstaaten. Angesichts dessen fordert der EWSA einen effektiven Einsatz der europäischen und vor allem auch der nationalen Finanzierungsprogramme zur Förderung dieser Bildungs-„Revolution“. Obgleich sich mit dem Erasmus+-Programm und einigen Horizont-2020-Maßnahmen — trotz der höchst löblichen Mittelaufstockung — nicht sämtliche Probleme lösen lassen, können die Bildungssysteme durch eine angemessene Koordinierung der nationalen Haushaltsmittel mit diesen Programmen wirkliche Impulse erhalten. Ein solcher Ansatz erfordert die richtigen Strategien und politischen Entscheidungen aller Mitgliedstaaten, wobei zu bedenken ist, dass es keine Patentlösungen gibt.

3.12

Ungeachtet dessen, was über die Bedeutung digitaler Technologien gesagt wurde, muss das Bildungswesen auch offen für andere Lernformen sein (z. B. die außerschulische nichtformale Bildung). In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Medien (als informelle Lernressourcen) im Bildungsprozess noch eine relativ unbedeutende Rolle spielen — trotz ihres beträchtlichen Potenzials als Ergänzung zur formalen Bildung und trotz ihres Beitrags zum Verständnis digitaler Inhalte.

3.13

Die Förderung des Einsatzes der neuen Technologien muss auf den Grundsätzen der Zugänglichkeit für alle Lernenden und deren sozialer Inklusion basieren, wobei insbesondere der unterschiedlichen sozialen Herkunft der Schüler bzw. Studierenden und den durch diese Herkunft bedingten unterschiedlichen Formen des Kontakts zur digitalen Welt Rechnung getragen werden muss.

3.14

Der EWSA betont nochmals, dass nicht nur die Lernenden, sondern die gesamte Gesellschaft an der Festlegung bewährter Verfahren und Vorgehensweisen beteiligt werden müssen, die entscheidend zur Verbesserung der Bildungsergebnisse beitragen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Offene Lernumgebungen

4.1.1

Es muss mehr und gezielter in die Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung investiert werden, um das Kompetenzniveau und die Beschäftigungsfähigkeit in den EU-Mitgliedstaaten zu verbessern. Insbesondere in bestimmten Mitgliedstaaten müssen die Prioritäten für alle Beteiligten klar ersichtlich sein. Investitionen in Infrastrukturen sind unsinnig, wenn gleichzeitig zu wenig in die Ausbildung der Lehrkräfte investiert wird. Die Investitionen müssen auf zweierlei ausgerichtet sein: i) die logistischen Kapazitäten der Schulen und die ergänzenden Infrastrukturen zu stärken und ii) die Wissenskomponente des Bildungsprozesses zu verbessern. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um die im Rahmen der verschiedenen europäischen und nationalen Finanzierungsprogramme verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten voll zu nutzen.

4.1.2

Es bedarf eines weitreichenden Austauschs bewährter Verfahren. Zwar gibt es Unterschiede (nicht nur struktureller, sondern auch kultureller Art) zwischen den Mitgliedstaaten, doch können Ideen, Prozesse und Konzepte an die lokalen Gegebenheiten in einem bestimmten Land angepasst werden. Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, ein Netz auf europäischer Ebene aufzubauen, das bewährte Verfahren fördern und allen Mitgliedstaaten zugänglich machen soll.

4.1.3

Schüler bzw. Studierende mögen zwar mit den digitalen Technologien aufgewachsen sein, müssen aber noch zu einem nutzbringenden Einsatz neuer Technologien für Bildungszwecke angeleitet werden, wenn der Prozess der digitalen Bildung erfolgreich sein soll. Bestimmte technologische Gewohnheiten werden sie ebenfalls ändern müssen. So müssen sie sich daran gewöhnen, Aufgaben mithilfe von Technologien zu erledigen, was anfangs sicherlich schwierig, später aber lohnend sein dürfte. In vielerlei Hinsicht müssen sich die Schüler bzw. Studierenden ebenso sehr ändern wie die Lehrkräfte; es sind also gemeinsame Anstrengungen erforderlich.

4.1.4

Technologie muss als Instrument und nicht als Selbstzweck angesehen werden. Wenn die Lehrenden und Lernenden nicht entsprechend geschult sind, dann werden sie diese neuen Werkzeuge letztendlich auf althergebrachte Weise verwenden. Direktoren und andere Bildungsverantwortliche müssen sicherstellen, dass die Eltern über alle neuen Lernmethoden informiert werden, wenn sie wollen, dass diese wirklich fest integriert werden. Der Bildungssektor braucht Führungspersönlichkeiten mit Visionen.

4.1.5

Im Bildungsprozess sind die Lehrkräfte wichtiger als die Größe des Klassenzimmers, die Unterrichtsdauer, das Vorhandensein bzw. Fehlen von Technologie oder die Schul- bzw. Klassenorganisation. Die „Invasion“ der Technologie im Unterricht kann als Chance zur Verbesserung des Status der Lehrkräfte begriffen werden, und zwar im Zuge der Anerkennung und Stärkung ihrer entscheidenden Rolle seitens der Interessenträger. Die Einbindung neuer Lehrmethoden und Lehrtechniken in den Unterricht ist keine leichte Aufgabe: sie erfordert qualifizierte und motivierte Lehrer, die bei dem Wandel vorangehen.

4.1.6

Die politischen Entscheidungsträger müssen deshalb gewährleisten, dass die Technologie der Bildung nicht so aufgezwungen wird, dass darunter die Professionalität und das Engagement der Lehrkräfte leiden. Die Technologie muss sich dem von den Lehrkräften gelenkten Bildungsprozess unterordnen, nicht umgekehrt.

4.1.7

Die Investitionen in die Lehrerausbildung sollten generell die Summen übersteigen, die für die Technologien selbst ausgegeben werden.

4.1.8

Technologie hilft tendenziell denjenigen Schülern am meisten, die am wenigsten Hilfe brauchen. Statistisch betrachtet schließen Studierende und Graduierte überdurchschnittlich häufig einen MOOC ab. MOOCs reichen zwar nicht aus, um die drängendsten Bildungsprobleme zu bewältigen, doch wäre es von Vorteil, sie in die Sekundarschulbildung und Berufsausbildung einzubinden.

4.1.9

Transparenz und Anerkennung der durch IKT (inner- und außerschulisch) erworbenen Kompetenzen sind von großer Bedeutung, wie auch die Gewährleistung der Qualität des Anerkennungsprozesses. Lernende, Lehrende und Arbeitgeber müssen in die Konzipierung der Anerkennungsprozesse eingebunden und durch diese motiviert werden.

4.2   Frei zugängliche Lehr- und Lernmaterialien

4.2.1

Um die Nutzung digitaler Hilfsmittel und Inhalte zu fördern, ist es ganz klar notwendig, den Erwerb von Fremdsprachen (insbesondere Englisch) nicht nur bei den Lernenden, sondern auch bei den Lehrenden zu fördern.

4.2.2

Zur Schaffung digitaler Klassenzimmer benötigen ihre Entwickler entsprechende pädagogische und organisatorische Fähigkeiten. Die Klassenzimmer können die Wirkung des digitalen Lernens verstärken, wenn sie für aktives Lernen konzipiert, auf die Schüler ausgelegt und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet sind, um den Bildungserfordernissen aller Arten von Lernenden gerecht zu werden.

4.2.3

Der EWSA stimmt zu, dass die Schaffung des Internetportals „Open Education Europa“ ein wichtiger Schritt ist, damit die Interessenträger den Prozess begleiten können. Seiner Meinung nach müssen die Nutzung dieses Portals angemessen gefördert sowie seine Inhalte kontinuierlich beobachtet und bewertet werden. Besondere Aufmerksamkeit muss der Sprachenvielfalt der Ressourcen geschenkt werden, damit sie verstärkt genutzt werden können.

4.3   Konnektivität und Innovation

4.3.1

Der EWSA ist sich der unterschiedlichen Infrastrukturkapazitäten der Mitgliedstaaten bewusst; diese wichtige Tatsache muss bei der Umsetzung der verschiedenen Vorschläge berücksichtigt werden. Allerdings sollte die Entwicklung der Breitbandinfrastruktur insbesondere in entlegenen Gebieten zumindest Priorität erhalten bzw. behalten.

4.3.2

Es ist wichtig, den Breitbandzugang zu IKT für benachteiligte Gruppen zu gewährleisten und so ihre Integration zu ermöglichen. Gemeindedienste/-zentren, die den Zugang zum Internet und zu Online-Kursen gewährleisten, bieten ebenso wie „elektronische Bibliotheken“ ein großes Potenzial.

4.4   Die Chancen der digitalen Revolution durch abgestimmtes Handeln nutzen

4.4.1

Der EWSA hält die Messung der Wirkung dieser Maßnahmen für grundlegend. Wie zuvor erwähnt, gibt es unterschiedliche Ansätze und Grade der Beteiligung der betroffenen Akteure am Bildungsprozess. Die „digitale Revolution“ muss über zentrale Leistungsindikatoren gemessen werden können, die nicht nur praktische Aspekte erfassen (Prozentsatz der Schüler bzw. Studierenden im Bildungssystem, Zahl der neuen Nutzer frei zugänglicher Materialien, Zahl der Rechner und elektronischen Bücher im Klassenzimmer usw.), sondern auch die Auswirkungen der neuen digitalen Methoden auf Schulen, Lernende und Lehrende, auch was die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse betrifft.

4.4.2

Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass sämtliche Interessenträger an dem Prozess beteiligt werden müssen. Die zentrale Rolle der Lehrkräfte wurde bereits gebührend hervorgehoben, aber es muss auch die maßgebliche Bedeutung der Familien und des sozialen Umfelds anerkannt werden. Bei der Umsetzung innovativer und inklusiver bildungspolitischer Maßnahmen werden die Familien insofern immer entscheidend sein, als sie den Schülern bzw. Studierenden dabei helfen, sich an die neuen digitalen Lerninstrumente anzupassen. Es ist unerlässlich, dass die Familien an diesem Umstellungsprozess positiv mitwirken. Der EWSA erkennt auch den besonderen Beitrag der Jugend- und Sozialarbeiter an, die im Rahmen ihrer Berufsausübung Menschen aller Altersklassen dazu befähigen und motivieren, verschiedene Bildungsinitiativen in Anspruch zu nehmen.

Brüssel, den 26. Februar 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 181, vom 21.6.2012, S. 143; ABl. C 68, vom 6.3.2012, S. 11 und ABl. C 68, vom 6.3.2012, S. 1.

(2)  ABl. C 191, vom 29.6.2012 - Kapitel 4.


Top