This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52010IE0263
Opinion of the European Economic and Social Committee on ‘Promotion of socioeconomic aspects in EU-Latin America relations’ (own-initiative opinion)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte in den Beziehungen EU/Lateinamerika“ (Initiativstellungnahme)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte in den Beziehungen EU/Lateinamerika“ (Initiativstellungnahme)
ABl. C 347 vom 18.12.2010, p. 48–54
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
18.12.2010 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 347/48 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte in den Beziehungen EU/Lateinamerika“
(Initiativstellungnahme)
(2010/C 347/07)
Berichterstatter: José María ZUFIAUR NARVAIZA
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 26. Februar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
„Die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Aspekte in den Beziehungen EU/Lateinamerika“.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 3. Februar 2010 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 460. Plenartagung am 17./18. Februar 2010 (Sitzung vom 17. Februar) mit 110 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Empfehlungen
1.1 Einen Qualitätssprung in der strategischen biregionalen Partnerschaft EU/Lateinamerika erreichen: Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hält es im neuen globalen Kontext für unabdingbar, den politischen Dialog zu intensivieren und eine tragfähigere Agenda festzulegen, in deren Mittelpunkt die gegenseitigen Abhängigkeiten sowie jene Fragen stehen, die eine bessere internationale Regulierung erfordern, z.B. Umweltschutz, Abbau von Ungleichheiten, Migration, Frieden und Sicherheit. Auf biregionaler Ebene sollten die Schlussfolgerungen der Gipfeltreffen wirksamer umgesetzt werden.
1.2 Die traditionelle Politik neu beleben: Das impliziert Folgendes: Verankerung der Migration als ein zentrales Thema der biregionalen Agenda; Behandlung des sozialen Zusammenhalts mittels eines globalen Ansatzes, bei dem die zielgerichtete Zusammenarbeit eine wichtigere Rolle spielt; Schaffung von Mechanismen der strukturellen Konvergenz; Anregung bereichsspezifischer Maßnahmen und Entwicklung von Rahmenbedingungen für menschenwürdige Arbeit. In den Assoziierungsabkommen sollten die bestehenden Asymmetrien angemessen berücksichtigt werden, indem Instrumente genutzt werden wie Nachhaltigkeitsprüfungen, die Anerkennung des Grundsatzes der besonderen und gesonderten Behandlung von Ländern mit Entwicklungsrückstand, die Festlegung von Ausnahmeregelungen und Übergangszeiträumen in Wirtschaftszweigen, wo dies erforderlich ist, und ein differenziertes Konzept für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Ländern mit mittlerem Einkommensniveau sollte auf makroökonomische Stabilitätsziele, die Stärkung der Institutionalität, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Handelskapazitäten, Steuerreformen, Innovation und Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Technik ausgerichtet werden.
1.3 Eine Innovationsagenda festlegen, die als Faktor für die Entwicklung und Umgestaltung der Produktionsprozesse dient und die soziale Aspekte der Innovation in Rechnung stellt: Der EWSA fordert die Berücksichtigung der sozialen Dimension der Innovation in all ihren Ausprägungen: Bedeutung der sozialen und kulturellen Zusammenhänge in den Prozessen der technologischen Innovation; soziale, die Innovation bremsende Hürden wie Armut; soziale Folgen der Innovationspolitik; Potenzial der Innovation, das soziale Gefüge zu verbessern; Notwendigkeit, jene soziale Innovation zu berücksichtigen und in öffentliche Maßnahmen zu übersetzen, die von der Gesellschaft selbst geschaffen wird, aus überlieferten, kollektiven oder praktischen Kenntnissen herrührt und u.a. im sozialen und ökologischen Bereich zutage tritt; Bedeutung der Teilhabe der Zivilgesellschaft für die Akzeptanz und Integration der (politischen) Innovationsmaßnahmen.
1.4 Die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt der strategischen Partnerschaft EU/Lateinamerika stellen: Zu diesem Zweck fordert der EWSA: Festlegung der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Organisationen und ihrer regionalen Vertretungsinstanzen und -organe in Lateinamerika als eine Priorität der Kooperationspolitik der EU und der neunten Auflage des Programms EUROsociAL; Einrichtung eines Verfahrens der biregionalen Koordinierung der Vertretungsinstanzen der organisierten Zivilgesellschaft beider Weltregionen; Beteiligung des EWSA am Direktorium der künftigen Stiftung EU/Lateinamerika; Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an den Assoziierungsabkommen EU/Lateinamerika durch die Einsetzung Gemischter Beratender Ausschüsse und die Aufnahme spezifischer gesellschafts-, beschäftigungs- und umweltbezogener Kapitel in diese Abkommen; Institutionalisierung der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an der strategischen Partnerschaft EU/Mexiko; Beteiligung der Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft an der Festlegung und Entwicklung des Programms EUROsociAL sowie an den Foren für sozialen Zusammenhalt EU/Lateinamerika.
1.5 In Bezug auf Freihandelsabkommen, über die die EU derzeit mit den Regionen und Ländern Lateinamerikas verhandelt, unterstreicht der EWSA, dass die Achtung der Menschenrechte und der grundlegenden Sozial- und Arbeitsrechte eine notwendige Bedingung für die Unterzeichnung solcher Abkommen durch die europäischen Institutionen sein muss. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass hinsichtlich solcher Abkommen Weiterverfolgungs-, Bewertungs- und Anhörungsmechanismen - einschließlich der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft - geschaffen werden müssen. Er fordert insbesondere die Europäische Kommission auf, die Berücksichtigung dieser Grundsätze in den Verhandlungen über die Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru sicherzustellen. Er drängt darauf, in den Institutionen eingehende politische Debatten zu führen, bevor ein Abkommen initiiert - geschweige denn: ratifiziert - wird, so wie es das designierte Kommissionsmitglied DE GUCHT in Aussicht gestellt hat. Der Ausschuss und die repräsentativen Organisationen der Zivilgesellschaft müssen in diese Debatten einbezogen werden.
2. Eine positive Bilanz der Beziehungen EU/Lateinamerika
2.1 Der sechste Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU und Lateinamerikas findet in einem globalen, europäischen und lateinamerikanischen Kontext statt, der sich deutlich von den Rahmenbedingungen des Gipfels von Rio im Jahr 1999 unterscheidet, auf dem das Fundament für die strategische Partnerschaft EU/Lateinamerika gelegt wurde (1).
2.2 Die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika reichen mehr als drei Jahrzehnte zurück: Sie bestehen seit der Aufnahme des parlamentarischen Dialogs EP/Parlatino in den 70er Jahren, dem Prozess von San José und dem Dialog EG/Rio-Gruppe. Obschon es die Organisationen der Zivilgesellschaft vorgezogen hätten, dass größere Fortschritte auf diesem Gebiet erreicht, einige Assoziierungsabkommen bereits vor Jahren unterzeichnet und die Schlussfolgerungen der Gipfeltreffen in viel größerem Umfang in die Praxis umgesetzt worden wären, ist die Bilanz des bisher Erreichten doch zweifellos sehr positiv. In den 80er Jahren waren die Beziehungen durch die dringende Notwendigkeit von Frieden und Demokratie geprägt, was sich im bedeutenden Beitrag der Europäischen Gemeinschaft zu den Friedensprozessen in Lateinamerika widerspiegelte. In jüngerer Zeit hat die EU den Regionalismus und die strategische biregionale Partnerschaft in den Vordergrund gestellt, mit einem auf jede Teilregion abgestimmten Konzept sowie einer Strategie zur Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen infolge der Globalisierung (z.B. in den Bereichen Umweltschutz, Energie, Lebensmittelsicherheit und Migration) und als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise. Ferner wurde das Ziel des sozialen Zusammenhalts und der Bereitstellung globaler und regionaler Kollektivgüter auf die biregionale Agenda gesetzt. Gleichzeitig wirkten sich die biregionalen Beziehungen wegen ihrer Verfechtung eines effektiven Multilateralismus auf die Weltordnungspolitik aus. Wie die Europäische Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung feststellt (2), wurden zwischenzeitlich konkrete Instrumente geschaffen, wie etwa die Gipfeltreffen und die Schritte zur Schaffung eines Netzes von Assoziierungsabkommen (einschließlich derartiger Abkommen mit Chile und Mexiko). Auch wurde eine strategische Partnerschaft mit Brasilien und mit Mexiko eingegangen. Zur Unterstützung bereichsspezifischer Maßnahmen wurden Instrumente wie EUROsociAL, EUrocLima sowie weitere bildungsbezogene Instrumente geschaffen. Darüber hinaus wurde die Europäisch-Lateinamerikanische Parlamentarische Versammlung (EuroLat) ins Leben gerufen. Die EU ist für die Region weiterhin der wichtigste Investor, der zweitwichtigste Handelspartner und der wichtigste Entwicklungshilfegeber.
2.3 Im Bereich der Zivilgesellschaft wurde ein Kontaktnetz mit den Vertretungsinstanzen der organisierten Zivilgesellschaft der Teilregionen Lateinamerikas aufgebaut; es wurde ein effektiver Beitrag zur Koordinierung zwischen verschiedenen Sektoren (Unternehmen, Gewerkschaften, dritter Sektor) auf beiden Kontinenten geleistet; die Zusammenarbeit mit den Regionalparlamenten wurde verbessert; der EWSA erhielt Beobachterstatus in der EuroLat, mit der er ein Kooperationsprotokoll unterzeichnet hat, das auch zivilgesellschaftlichen Institutionen in Lateinamerika offensteht. Im Rahmen der strategischen Partnerschaft EU/Brasilien wurde das Diskussionsforum EU/Brasilien eingerichtet, an dem sich der EWSA und der brasilianische Rat für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (CDES) beteiligen. Der EWSA hat seinerseits ebenfalls zur Stärkung der Beteiligungsinstanzen der Zivilgesellschaft in den Integrationsprozessen der Teilregionen Lateinamerika beigetragen; auch gab es - wenngleich nicht in zufriedenstellendem Maße - Schritte zur Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die Verhandlungen, zur Anerkennung des Grundsatzes der Institutionalisierung von Verfahren zur Weiterverfolgung der Fortschritte- und zur Anhörung in den Assoziierungsabkommen sowie betreffend die Notwendigkeit, in diesen Abkommen eine soziale, eine beschäftigungspolitische und eine umweltpolitische Dimension zu verankern.
3. Hin zu einem Qualitätssprung in der strategischen biregionalen Partnerschaft EU/Lateinamerika
3.1 Der aktuelle politische Kontext ist gekennzeichnet durch die Weltwirtschaftskrise, die ökologischen Herausforderungen, den wirtschaftlichen Aufstieg Asiens, den Stillstand der WTO-Verhandlungen, die Zunahme der Migrationsströme und die Intensivierung der Süd-Süd-Beziehungen auf allen Gebieten sowie das Entstehen neuer Foren der Weltordnungspolitik (G-20, BRIC). Vor diesem Hintergrund spielen die Entwicklungsländer eine immer aktivere Rolle, wobei diese auf weitere Organisationen wie die internationale Finanzinstitutionen oder den Organisationen des Systems der Vereinten Nationen ausgeweitet werden sollte (3). All dies erfordert eine Aktualisierung der Agenda der Beziehungen EU/Lateinamerika und die Einrichtung spezifischerer und funktionellerer Mechanismen, um den Schlussfolgerungen der Gipfeltreffen und allen Aspekte der bilateralen Beziehungen Substanz zu verleihen.
3.2 Gleichzeitig entstehen neue Integrationsprojekte in Lateinamerika, bei denen die Dimensionen Politik, Sicherheit und Verteidigung, die Infrastruktur sowie die Koordinierung der Energie- oder Finanzmaßnahmen im Vordergrund stehen, z.B. im Falle der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR). Außerdem steigt durch die zunehmende - insbesondere durch die Krise zu Tage getretene - Notwendigkeit einer Politik der internationalen Zusammenarbeit auch der Stellenwert anderer als handelsbezogener Fragen auf der biregionalen Agenda (Umweltrisiken, Energie, Lebensmittelsicherheit, Migration, Armut und Ungleichheit, internationale Finanzstabilität).
3.3 Der EWSA ist der Auffassung, dass in dieser neuen Phase ein intensiverer politischer Dialog und eine überarbeitete Agenda erforderlich sind, in deren Mittelpunkt die gegenseitigen Abhängigkeiten sowie jene Fragen stehen, die eine stärkere und bessere internationale Regulierung erfordern (Umweltschutz, Migration, zunehmende Ungleichheiten, Frieden und Sicherheit usw.). Damit einhergehen sollten die Festlegung gemeinsamer Pläne zur Bewältigung der sozialen Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie eine engere Zusammenarbeit im Hinblick auf den Klimawandel und seine negativen Auswirkungen, der Wandel des Energiemodells, Forschung und Entwicklung sowie die Weltordnungspolitik. Daneben ist es weiterhin notwendig, an den traditionellen Zielen der biregionalen Beziehungen festzuhalten: Förderung des sozialen Zusammenhalts, regionale Integration, Intensivierung und Anpassung der Kooperationsprogramme und Schaffung eines neuen Impulses für die Umsetzung der bestehenden Assoziierungsabkommen (daher sind Verfahren einzuführen, mit denen den Asymmetrien Rechnung getragen wird und der soziale Zusammenhalt besser gewährleist werden kann). Auch wenn es in dieser Hinsicht noch Verbesserungspotenzial gibt, begrüßt der EWSA, dass die Kommission angekündigt hat, einen „Investitionsmechanismus für Lateinamerika“ (MIAL) zu schaffen, um die Integration und die regionale Vernetzung sowie die Entwicklung bereichsspezifischer Maßnahmen zu fördern, denn so werden - neben anderen wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen - der Aspekt des sozialen Zusammenhalts in den Abkommen gestärkt und die Initiativen zur Einrichtung von Kohäsionsfonds gefördert, etwa der bestehende Fonds für die strukturelle Konvergenz des Mercosur (FOCEM), oder der angekündigte Kohäsionsfonds im Rahmen der 2007 in Mittelamerika errichteten Zollunion.
4. Für eine stärkere Berücksichtigung der organisierten Zivilgesellschaft in den Zielen und Programmen der strategischen Partnerschaft
4.1 Im Lichte seiner eigenen Erfahrung mit der europäischen Integration vertritt der EWSA die Auffassung, dass die Stärkung der strategischen biregionalen Partnerschaft und ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ziele eine entschlossenere, strukturiertere und effizientere Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in alle Prozessphasen erfordert. Die soziale Partizipation ist unerlässlich, um diese Beziehungen offener und transparenter zu gestalten und sie besser bekannt zu machen, um so das Gefühl der Teilhabe der betreffenden Gesellschaften an diesen Beziehungen zu stärken und die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Die Beziehungen EU/Lateinamerika gingen vor über drei Jahrzehnten aus einem Kontaktnetz hervor, das von politischen Gruppierungen und sozialen Organisationen geschaffen worden war. Eben deshalb müssen zur Wiederbelebung des biregionalen Dialogs nicht nur neue Themen in die Agenda aufgenommen und diese flexibler und effizienter gestaltet, sondern auch die verschiedenen Akteure aus allen Bereichen am Dialog beteiligt werden.
4.2 Damit die regionalen Integrationsprozesse angestoßen und legitimiert werden können, bedarf es eines Impulses von unten nach oben, also ausgehend von den zivilgesellschaftlichen Organisationen. Ebenso müssen zur Umsetzung öffentlicher Maßnahmen für den sozialen Zusammenhalt Institutionen für die Einbindung der Sozialpartner geschaffen und gefördert werden. In diesem Sinne fordert der EWSA die Kommission auf, bei der Erneuerung des Programms EUROsociAL ein Programm zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Organisationen und ihrer regionalen Vertretungsinstanzen und -organe zu erwägen.
4.3 Der EWSA befürwortet voll und ganz das Vorhaben, für die biregionale strategische Partnerschaft ein spezifischeres und funktionsfähigeres Programm aufzulegen, das kontrolliert und evaluiert werden kann. Um möglichst wirksam zu sein, würde dies u.a. die strukturierte Beteiligung der verschiedenen Vertretungsinstanzen der organisierten Zivilgesellschaft Lateinamerikas und der EU erfordern: Beratendes Wirtschafts- und Sozialforum des Mercosur, Beratender Ausschuss des SICA, Beratende Arbeitnehmer- und Arbeitgeberausschüsse der Andenstaaten, Beratender Ausschuss der indigenen Völker der Andengemeinschaft, Arbeitsgruppe der Andengemeinschaft für Verbraucherrechte und weitere Gremien, die in Chile und Mexiko entstehen könnten, sowie der EWSA selbst. Diese Gremien könnten gemeinsam einen positiven Beitrag zur Entwicklung von Maßnahmen (z.B. in den Bereichen sozialer Zusammenhalt, Klimawandel, Innovation, Migration und menschenwürdige Arbeit) leisten, die voraussichtlich auf dem Gipfel beschlossen werden und Bestandteil der biregionalen Agenda sind. Der EWSA bietet zu diesem Zweck an, die Schaffung eines Verfahrens zur biregionalen Koordinierung der Vertretungsinstanzen der organisierten Zivilgesellschaft der beiden Weltregionen zu fördern, um entsprechende Beiträge in den Zeiträumen zwischen den Gipfeln EU/Lateinamerika zu kanalisieren.
4.4 Der EWSA begrüßt die angekündigte Gründung einer Stiftung EU/Lateinamerika und Karibik, die die Gipfeltreffen vorbereiten und weiterverfolgen und ggf. zur Realisierung der Aufträge der Gipfeltreffen beitragen könnte; er erachtet die mögliche Aufgabe dieser Stiftung, nämlich die Vernetzung und Beteiligung der verschiedenen Akteure, in dieser Hinsicht als sehr positiv. Der EWSA, die wichtigste Vertretungsinstanz der europäischen organisierten Zivilgesellschaft, fordert zudem, am Direktorium dieser künftigen Stiftung beteiligt zu werden.
4.5 Wie bereits in Bezug auf alle bisherigen Gipfeltreffen gefordert wurde, sollte sich die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft an den Assoziierungsabkommen wie folgt widerspiegeln: Einsetzung Gemischter Beratender Ausschüsse im Rahmen dieser Abkommen; Berücksichtigung der Dimensionen Soziales, Beschäftigung und Umwelt in diesen Abkommen; Beteiligung und Anhörung der Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit den Folgeabschätzungen zu diesen Abkommen.
4.6 Darüber hinaus und entsprechend der Beteiligung, die der Zivilgesellschaft der beiden Seiten in der strategischen Partnerschaft EU/Brasilien durch die Schaffung eines Diskussionsforums der beiden repräsentativen Institutionen zuerkannt wurde, fordert der EWSA eine ähnliche Form der Beteiligung an der strategischen Partnerschaft EU/Mexiko.
4.7 Der EWSA ist der Ansicht, dass eine wirksame Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in die biregionale strategische Partnerschaft eine vertiefte Zusammenarbeit in der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika (EuroLat) voraussetzt. Er wird zu diesem Zweck ein effizientes Kommunikationssystem mit der EuroLat aufbauen. Auch wird er als Beobachter in der EuroLat Beiträge der Organisationen der Zivilgesellschaft zu Themen vorbringen, die Gegenstand der Diskussion und Abstimmung in dieser Institution sind. Mit der Einrichtung eines biregionalen Koordinierungsmechanismus (siehe Ziffer 4.3) wird dazu ein sehr wichtiger Beitrag geleistet.
4.8 Gleichzeitig fordert der EWSA eine stärkere Beteiligung der wirtschaftlichen und sozialen Organisationen an der Konzipierung und Ausgestaltung der zweiten Phase des Programms EUROsociAL. Außerdem merkt er an, dass er einen wirksameren Beitrag zum Forum für den sozialen Zusammenhalt leisten könnte, wenn er in dessen Vorbereitung und Umsetzung stärker einbezogen würde.
5. Wirtschaftliche und soziale Aspekte der Beziehungen EU/Lateinamerika
5.1 Einwanderungspolitik EU/Lateinamerika
5.1.1 Die zunehmenden Migrationsströme von Lateinamerika nach Europa machen es erforderlich, den Dialog EU/Lateinamerika über Migrationsfragen weit oben auf die biregionale Tagesordnung zu setzen. Dieser Dialog sollte es ermöglichen, Einvernehmen zu erzielen und dabei der Entwicklung präventiver Migrationsmaßnahmen, die legale Migrationswege eröffnen, und der Förderung geeigneter Integrationsmaßnahmen Priorität einzuräumen. Zu diesem Zweck wäre es erforderlich: die Grundrechte von Migranten - insbesondere ihre Rechte in den Bereichen Arbeit und Soziales - zu gewährleisten; Abkommen über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen von Einwanderern zu schließen; die Verfahren für die befristete Migration und die Familienzusammenführung für in der EU wohnhafte Arbeitsmigranten zu erleichtern; und Vereinbarungen über die Förderung des Rechts von Einwanderern auf politische Teilhabe zu treffen. Ferner sollte die Gleichbehandlung der Personen sichergestellt werden, die aus der EU nach Lateinamerika auswandern.
5.1.2 In Bezug auf die Migrationsströme - sowohl zeitweilige (Entsendung von Arbeitnehmern) als auch dauerhafte („klassische“ Auswanderung) - sollten Lösungen erarbeitet werden, damit die im Bereich der Dienstleistungserbringung und der Unternehmensinvestitionen für bestimmte Zeit von der EU nach Lateinamerika bzw. von Lateinamerika in die EU entsandten Arbeitnehmer keine doppelten Sozialbeiträge im Herkunfts- und Arbeitsland entrichten müssen. Diese doppelte Entrichtung von Beiträgen zum Sozialsystem könnte durch bilaterale Instrumente vermieden werden, in denen eine nur einmalige Anwendung der Rechtsvorschriften zu regeln wäre.
5.1.3 Hinsichtlich der eher „klassischen“ Auswanderung ist es unerlässlich, Regelungen für die Exportierbarkeit von Leistungen (insbesondere Rentenleistungen) festzulegen. Die Annahme bzw. Umsetzung solcher Mechanismen - so wie sie in ähnlicher Form bereits in anderen Bereichen existieren - sowohl seitens der EU als auch seitens Lateinamerikas würde die institutionellen Beziehungen bereichern und die Situation von Arbeitsmigranten begünstigen, die nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in ihre Heimatländer mit ihren durch ihre Arbeits- und Beitragsleistungen erworbenen Rentenansprüchen zurückkehren könnten.
5.1.4 Damit die Arbeitsmigranten nicht zu Familienzusammenführungen von kurzer Dauer genötigt - und so nicht aus ihren Heimatländern „entwurzelt“ - werden, könnte die Anerkennung von Familienleistungen für den Fall vorgesehen werden, dass ein Arbeitnehmer seine Beschäftigung in einem Staat ausübt, seine Familienangehörigen aber in einem anderen Staat wohnen. Das würde die Übertragung von Ansprüchen anstelle des Umzugs der Familienmitglieder ermöglichen - mit entsprechenden Vorteilen für alle Betroffenen. In dieser Hinsicht sollte als erstes dafür gesorgt werden, dass in die bereits existierenden oder noch auszuhandelnden Assoziierungsabkommen EU/Lateinamerika und Karibik Sozialklauseln aufgenommen werden, die mit denen in den Europa-Mittel-Abkommen vergleichbar sind (4). Schließlich könnte unter Berücksichtigung des multilateralen Abkommens über soziale Sicherheit (5)in Lateinamerika und der EU-Verordnung Nr. 883/2004 die Möglichkeit einer Koordinierung zwischen diesen beiden Instrumenten im Interesse von Arbeitnehmern und Unternehmen erwogen werden. Das würde zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika beitragen.
5.1.5 Der EWSA hält es für wesentlich, in das nächste Programm EUROsociAL II das Thema „Migration zwischen EU und Lateinamerika“ als vorrangiges Aktionsfeld aufzunehmen. Darüber hinaus plädiert er für die Umsetzung des Vorschlags des Europäischen Parlaments zur Einrichtung einer biregionalen Beobachtungsstelle für Migration.
5.2 Sozialer Zusammenhalt
5.2.1 Europa hat die Erfahrung gemacht, dass die Kohäsionspolitik über die Existenz der Strukturfonds hinaus einen umfassenden und kohärenten Ansatz erfordert, der eine ganze Palette von Politikbereichen - von der makroökonomischen Stabilität bis zur Diskriminierungsbekämpfung - abdeckt. Kohäsion hängt im Wesentlichen von einzelstaatlichen Maßnahmen und Mitteln ab; deshalb sollten Lateinamerika und die Karibik ihr Augenmerk stärker auf interne Politikfelder richten: Steuerpolitik, Sozialschutz, aktive Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen.
5.2.2 Die Förderung des sozialen Zusammenhalts in den regionalen Integrationsprozessen ist ihrerseits mit einem Bündel von Maßnahmen verbunden: Anerkennung der Asymmetrien zwischen Ländern und Regionen und weitere Maßnahmen in Bezug auf Infrastruktur, Kohäsionsfonds, Harmonisierung von Rechtsvorschriften, Regulierung, wirksame Konfliktlösung, Harmonisierung des Arbeitsrechts, gemeinsame Migrationssteuerung, Industriepolitik und Rahmenbedingungen für die einzelnen Industriezweige. Über rein institutionelle Konzepte hinaus müssen nach Auffassung des EWSA im Interesse der biregionalen Partnerschaft in den Dialogen in den einzelnen Bereichen Fortschritte erreicht werden, um einen biregionalen Aktionsplan zu erarbeiten, der integrationsfördernd ist und durch die Behandlung der internen Asymmetrien zwischen Ländern und Regionen zur wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz in der Region beiträgt.
5.2.3 Der EWSA ist der Auffassung, dass ein deutlicher Impuls für einen demokratischen Rahmen der Arbeitsbeziehungen, die Ausweitung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen, die Regulierung der Schattenwirtschaft, der Sozialschutz, die Tarifverhandlungen und der soziale Dialog wesentliche Faktoren für den sozialen Zusammenhalt sind. Deshalb fordert er im Hinblick auf das Programm EUROsociAL II, die Sozialpartner in die Bewertung der ersten einschlägigen Erfahrungen mit EUROsociAL sowie in die Erarbeitung und Verwaltung des Nachfolgeprogramms einzubeziehen.
5.2.4 Nach Meinung des EWSA ist es für den sozialen Zusammenhalt unerlässlich, dass die Rechte der indigenen Völker gemäß der IAO-Konvention 169 aus dem Jahr 1989 über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Staaten anerkannt werden.
5.3 Assoziierungsabkommen
5.3.1 Aus der Sicht des EWSA müssen die bestehenden Asymmetrien zwischen den betreffenden Teilregionen Lateinamerikas und der Karibik und der EU in den Assoziierungsabkommen, die mit tiefgreifenden Prozessen der wirtschaftlichen Liberalisierung verbunden sind, angemessen berücksichtigt werden, um die laufenden Verhandlungen über diese Abkommen zu erleichtern sowie zur Verwirklichung der biregionalen Ziele des sozialen Zusammenhalts beizutragen. Dazu sollten Instrumente genutzt werden wie die Nachhaltigkeitsprüfung (einschließlich einer kontinuierlichen Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft im Rahmen der Folgeabschätzungen), die Anerkennung des Grundsatzes der besonderen und gesonderten Behandlung von Ländern mit Entwicklungsrückstand, die Festlegung von Ausnahmeregelungen und Übergangszeiträumen in Wirtschaftszweigen, in denen dies erforderlich ist, ein differenziertes Konzept für die Entwicklungszusammenarbeit und die Förderung durch die Konvergenzfonds.
5.3.2 Der EWSA hält es andererseits für wesentlich, dass die EU an ihrer Politik zur Unterstützung des Prozesses der regionalen Integration in Lateinamerika und der Karibik festhält. Ferner ist er der Ansicht, dass sowohl die mit einigen Ländern eingeleiteten multilateralen Verhandlungen als auch die mit anderen Ländern eingegangenen strategischen Partnerschaften einen Beitrag zur Erzielung regionaler Abkommen sowie zur Stärkung der Integrationsprozesse leisten müssen. Dazu sollte auf Strategien und Maßnahmen zurückgegriffen werden, wie sie in Ziffer 5.2.2 genannt sind. Nach Auffassung des EWSA handelt sich dabei um eine Grundlage für die biregionale strategische Partnerschaft und eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Europa und Lateinamerika und die Karibik globale Partner im Rahmen einer multilateralen Weltordnung werden.
5.3.3 Der EWSA fordert die Ausgestaltung und Umsetzung der Bestimmungen des Assoziierungsabkommens EU/Chile über die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Er drängt deshalb darauf, dass er und die repräsentativen Organisationen der chilenischen Zivilgesellschaft angehört werden. Darüber hinaus ersucht der EWSA den Assoziationsrat EU/Mexiko darum, im Rahmen des Abkommens einen Gemischten Beratenden Ausschuss als Gremium für die Überwachung der Umsetzung und für die Anhörung der organisierten Zivilgesellschaft einzusetzen.
5.4 Zusammenarbeit
5.4.1 In den letzten Jahren wurden im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit der EU große Anstrengungen unternommen, um den Veränderungen auf der Entwicklungsagenda (auch in Bezug auf Länder mit mittlerem Einkommensniveau) gerecht zu werden. Nach dem Dafürhalten des EWSA muss die EU ihre Mittel zwar weiterhin vorrangig den Ländern mit geringem Einkommen in der Region zuweisen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Ländern mit mittlerem Einkommensniveau fortsetzen und auf strategische Ziele ausrichten, wie z.B. die Stabilität der Volkswirtschaften und des Finanzsystems, den Aufbau institutioneller Kapazitäten, die Effizienz der öffentlichen Maßnahmen, Steuerreformen, Produktionskapazitäten und die Investitionen ins Humankapital, Innovation und die Unterstützung der Sozialpartner als Förderer institutioneller und rechtlicher Veränderungen.
5.4.2 Zum Abschluss von Assoziierungsabkommen müssten die Kooperationsprogramme stärker angepasst werden, um so die Maßnahmen für die Umgestaltung der Produktion und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf die Kapazitäten der KMU, die Erleichterung des Handels und die physische Vernetzung der Märkte.
5.4.3 Ebenso wäre es notwendig, die Handelskapazitäten auszubauen und die Annahme gemeinsamer Maßnahmen im Rahmen der regionalen Integrationsprozesse zu fördern, und zwar zugunsten des sozialen und territorialen Zusammenhalts und der Verringerung der internen Asymmetrien. Zugleich können durch Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft und Technik der Wandel der Produktionsstrukturen und die einzelstaatlichen Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation (FuEuI) sowohl über öffentliche Einrichtungen als auch über Anreizprogramme für die Privatwirtschaft gefördert werden.
6. Innovation, Veränderung der Produktionsstrukturen und Entwicklung
Vor dem 6. Gipfeltreffen EU/Lateinamerika und Karibik haben die Regierungen beschlossen, ihre Debatten auf das Thema Innovation zu konzentrieren.
6.1 Innovation ist ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Entwicklungsmotor und ein grundlegender Faktor für die Ermöglichung langfristiger und nachhaltiger Wachstums- und Wohlstandsphasen. Obschon das verarbeitenden Gewerbe für den technischen Fortschritt weiterhin grundlegende Bedeutung hat, findet Innovation auch in anderen Wirtschaftszweigen statt: Dienstleistungen, Landwirtschaft und Energie. Sie ist deshalb für die Produktivitätssteigerung in vielen anderen Bereichen von fundamentaler Bedeutung.
6.2 Innovation ist auch ein entscheidender Faktor für zwei wichtige Tendenzen, die die Globalisierung der Wirtschaft prägen: die Entwicklung einer wissensbasierten Wirtschaft und der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft. In diesen Bereichen ist die Verzahnung zwischen globalen und lokalen Aspekten der Innovation eine unabdingbare Voraussetzung.
6.3 Der EWSA wird den zivilgesellschaftlichen Institutionen in Lateinamerika vorschlagen, dass sich die Teilnehmer am 6. Gipfel der organisierten Zivilgesellschaft EU/Lateinamerika zu der Bedeutung der Innovation für die Veränderung der Produktionsstrukturen, der Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie der verschiedenen Aspekte der sozialen Dimension der Innovation äußern sollten. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beziehungen auf die Einrichtung eines „Netzes“ von Assoziierungsabkommen (einschließlich Freihandelszonen) abzielen, erscheint dies besonders relevant. Die ehrgeizigen Wirtschaftsliberalisierungsziele dieser Abkommen, die als eine Art „WTO+“ betrachtet werden, weil sie über die Vereinbarungen auf Ebene der WTO hinausgehen, sind möglicherweise mit erheblichen Anpassungskosten verbunden. Diese Kosten müssen mit aktiven Maßnahmen zur Umgestaltung und Modernisierung der Produktionsstrukturen und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit angegangen werden; dabei sollte die Schaffung nationaler Forschungs-, Innovations- und Entwicklungssysteme eine herausragende Rolle spielen.
6.4 Ein wesentlicher Aspekt ist der Technologietransfer, der in den Innovationsprozessen eine Schlüsselstellung einnimmt. Die hohen Anforderungen der Assoziierungsabkommen hinsichtlich des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums können einen Anreiz bzw. eine Garantie für den Technologietransfer seitens der europäischen Investoren sein - gleichzeitig aber auch ein erhebliches Hemmnis bei der Schaffung und Übertragung von Technologie und Innovation, worauf einige Regierungen in der Region bereits hingewiesen haben. Deshalb ist es besonders wichtig, dass diese Abkommen flexibler gestaltet werden und Bestimmungen enthalten, die den großen Asymmetrien zwischen beiden Weltregionen in diesem Bereich Rechnung tragen (einschließlich, wie bereits erwähnt, des Rückgriffs auf die Entwicklungszusammenarbeit der EU).
6.5 Die EU verfügt über eine Vielzahl von Instrumenten zur Zusammenarbeit mit Lateinamerika und der Karibik bei Forschung und Entwicklung und Innovation (FuEuI). Nennenswert sind hier die Instrumente im Rahmen des 7. Rahmenprogramms und die Abkommen über technologische Zusammenarbeit mit den Ländern mit dem höchsten Entwicklungsniveau in der Region sowie Programme für die Stipendienvergabe und biregionale Hochschulzusammenarbeit (ALBAN, ALFA) sowie die von der GD Bildung der Kommission verwalteten Programme. Dennoch gibt es bis heute keine integrierte Strategie, die alle Instrumente umfasst und sie mit den Zielen der biregionalen Partnerschaft verbindet. Es ist dringend notwendig, die gegenwärtige Zersplitterung der Instrumente zu überwinden (vor allem innerhalb der Kommission) und sicherzustellen, dass diese zum Aufbau der nationalen Kapazitäten im Bereich FuEuI beitragen. In diesem Zusammenhang ist an die Bedeutung der Schaffung eines gemeinsamen Raums für Hochschulbildung und Forschung EU/Lateinamerika und Karibik als Teil einer strategischen biregionalen Partnerschaft und einer Agenda der beiden Regionen für Innovation und Entwicklung zu erinnern. Durch Bildungs-, Wissenschafts- und Technologiezusammenarbeit können die Umgestaltung der Produktionsstrukturen und die Förderung nationaler FuEuI-Maßnahmen unterstützt werden.
6.6 Die Innovation berührt auch viele weitere Aspekte, die für die biregionale Partnerschaft von Bedeutung sind, z.B. die Verbesserung des Lebensstandards und der Lebensqualität der Bevölkerung, indem sie die Produktivität in der Nahrungsmittelerzeugung begünstigt und damit zur Nahrungsmittelautarkie beiträgt. Ähnliches gilt für innovative Methoden, Techniken, Produkte und Dienste u.a. in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit. In diesen Fällen werden der Zugang der Bevölkerung zu den Dienstleistungen erleichtert und Diskriminierungen beseitigt, wie sie bei der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien auftreten können. Dass Innovation wichtig ist, um die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, veranschaulichen die neuen Technologien zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, zur Erhöhung der Energieeffizienz, zur Verminderung der Umweltbelastung durch fossile Energieträger sowie zur Lösung von Problemen beim Zugang zu Trinkwasser und zur Bekämpfung der Desertifikation.
6.7 Es besteht Einvernehmen darüber, dass Innovation auf drei Säulen fußt: Wissen, Institutionen, Unternehmen. Daher sind die wichtigsten Akteure des Innovationsprozesses - grosso modo - die Hochschulen, die öffentlichen Einrichtungen und die Produktionszentren. Allerdings kann Innovation aus verschiedenen Formen des Wissens herrühren, nämlich aus wissenschaftlichem, technologischem, tradiertem oder akkumuliertem Wissen (z.B. Dorfbewohner, die die Eigenschaften von Pflanzen kennen, oder qualifizierte Mitarbeiter eines Unternehmens). Ebenso wird, wenn die Rede von (nicht marktbezogenen) Institutionen ist, auf Agenturen und ähnliche öffentliche Einrichtungen Bezug genommen. Aber auch andere Arten von Institutionen sind wichtig, um die Innovation zu fördern, z.B. jene, die die Arbeitsbeziehungen regeln. Schließlich hat Innovation nicht nur etwas mit der Produktion und den Unternehmen zu tun, sondern auch mit den Bereichen Soziales (Gesundheit, Bildung, Wohnraum. Verteidigung, Justiz, Sicherheit) und Ökologie (Wasser, Boden, Artenvielfalt, Verödung usw.).
6.8 In theoretischen Abhandlungen wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Innovation aus einer umfassenden sozialen Perspektive zu behandeln, da sie als systemisches Ganzes gilt, das die Gesellschaft insgesamt und alle Wirtschaftszweige betrifft und dabei eine ganze Reihe von Aspekten umfasst - von rein wissenschaftlichen und technischen bis hin sozialen und institutionellen. Seit den 90er Jahren finden deshalb zunehmend soziokulturelle und organisatorische Aspekte der Innovation Berücksichtigung, welche vorher kaum eine Rolle gespielt hatten. Aus historischer Sicht geht die technologische Innovation Hand in Hand mit der sozialen Innovation bzw. der sozialen Dimension der Innovation (und umgekehrt). Die Beziehung zwischen sozialer Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung erscheint offenkundig, weshalb der sozialen Dimension der Innovation eine übergeordnete Bedeutung zugemessen werden könnte, insbesondere im Zusammenhang mit einer beginnenden strukturellen Entwicklung.
6.9 Ein weiteres wesentliches Merkmal der Innovation ist ihr Potenzial, ein soziales Gefüge zu schaffen, indem sie soziale Bindungen zwischen Individuen, Gruppen, Kollektiven und Institutionen auf der Grundlage eines Basiskonsenses (gemeinsames Wohl, Interesse, Schicksal usw.) herstellt, wobei diese Bindungen wiederum ein soziales Umfeld erzeugen können, das für die Einführung, Übernahme und Verbreitung von Innovationen günstig ist.
6.10 Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es soziale Hürden wie Armut gibt, die Innovationsprozesse objektiv behindern, weil sie die Assimilierung von innovationsbedingten Produktionssteigerungen einschränken - einerseits aufgrund der fehlenden solventen Nachfrage und andererseits aufgrund des fehlenden Humankapitals, das die Innovationsprozesse fördern und umsetzen könnte.
6.11 Über das zuvor Gesagte hinaus resultiert Innovation aus einem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Akteuren, die verschiedene Formen des Wissens erzeugen, verbreiten und anwenden. Innovation erfordert in vielen Fällen (z.B. Industrie- und Entwicklungszentren/-cluster) eine ausgeprägte regionale und lokale Dynamik, die ohne die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft nicht möglich wäre. Innovation impliziert einen tiefgreifenden kulturellen Wandel und rückt damit in den Mittelpunkt wirtschaftlicher und sozialer Strategien. Auf Unternehmensebene setzt Innovation umfangreiche und langfristige Investitionen voraus. Das erfordert die soziale Akzeptanz von Veränderungen und Systemen der Arbeitsbeziehungen, die auf Verhandlung und Konsens gründen, sowie eine Politik der Fortbildung des Humankapitals in allen Phasen und auf allen Ebenen, z.B. durch berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen.
6.12 Mit Blick auf die Zielsetzung dieser Stellungnahme lassen die vorhergehenden Ausführungen nur den Schluss zu, dass die soziale Dimension der Innovation von großer Bedeutung ist. Um das mit einem technokratischen Innovationsverständnis einhergehende Risiko zu vermeiden, muss herausgestellt werden, dass in den betreffenden Prozessen die soziale Teilhabe und die institutionellen Rahmenbedingungen maßgeblich sind, die Innovation ermöglichen und fördern. Das hält der EWSA für besonders relevant, und er fordert deshalb die effektive Beteiligung der sozialen Akteure und ihrer Vertretungsorgane an den Vorschlägen hinsichtlich des Humankapitals und generell hinsichtlich der Aufnahme sozialer Aspekte in den auf dem Gipfel zu erarbeitenden Aktionsplan für Innovation.
Brüssel, den 17. Februar 2010
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Bisherige Gipfeltreffen: Rio de Janeiro 1999, Madrid 2002, Mexiko 2004, Wien 2006, Lima 2008.
(2) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Die Europäische Union und Lateinamerika: Global Players und Partner (KOM(2009) 495 endg.).
(3) In diese Richtung zielen die Empfehlungen des EWSA in seinem Programm für Europa: „Die Europäische Union sollte sich für ein größeres Mitspracherecht der Entwicklungsländer in den internationalen Organisationen, insbesondere im IWF und der Weltbank, einsetzen“ (18.3).
(4) Beschluss des Rates und der Kommission vom 24. Januar 2000 über den Abschluss des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (2000/204/EG, EGKS) - ABl. L 70 vom 18.3.2000, S. 1 (insbesondere Artikel 64 und 68).
(5) http://www.oiss.org/IMG/pdf/Convenio_2007_esp.pdf [Anm.d. Übers.: Nur auf Spanisch verfügbar].