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Document 52007AE0795

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz KOM(2006) 514 endg.

ABl. C 175 vom 27.7.2007, p. 28–33 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

27.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 175/28


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“

KOM(2006) 514 endg.

(2007/C 175/07)

Die Kommission beschloss am 21. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 3. Mai 2007 an. Berichterstatter war Herr PEGADO LIZ.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 436. Plenartagung am 30./31. Mai 2007 (Sitzung vom 30. Mai) mit 61 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1

Mit dieser Mitteilung zu der Richtlinie 1997/7/EG erstattet die Kommission dem Rat, dem Europäischen Parlament und dem EWSA Bericht über die Ergebnisse der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie und eröffnet zugleich eine öffentliche Konsultation der interessierten Kreise mit dem Ziel, deren Meinung einzuholen. Die Kommission hält es jedoch nicht für angemessen, einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie vorzulegen, solange die umfassendere „Dialogphase“ im Rahmen der Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz („Acquis“) nicht abgeschlossen ist.

1.2

Der EWSA begrüßt die Initiative, merkt jedoch an, dass die Mitteilung im Vergleich zu den in der Richtlinie gesetzten Fristen verspätet vorgelegt wird. Er stimmt zum großen Teil den Bemerkungen der Kommission zu, von denen sich im Übrigen viele in seinen früheren Stellungnahmen finden (insbesondere in seinen Stellungnahmen zu den Richtlinienvorschlägen für den Fernabsatz im Allgemeinen und den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen im Besonderen), und teilt die Auffassung der Kommission, dass die Regelungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsinstrumenten in Einklang gebracht werden müssen, die in der Zwischenzeit — mitunter ohne die unverzichtbare Koordinierung und Verknüpfung — geschaffen wurden.

1.3

Der EWSA ist jedoch der Meinung, dass eine Überarbeitung dieser Rechtsvorschriften gleichzeitig mit den Vorschriften über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen sowie über bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs am besten sofort stattfinden sollte, anstatt abzuwarten, bis die Arbeiten im Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen „Acquis“ im Verbrauchervertragsrecht abgeschlossen sind, um die auf verschiedene Rechtsinstrumente verteilten Bestimmungen in ihrer Gesamtheit zugänglicher und verständlicher zu gestalten.

1.4

Mit diesem Ziel vor Augen fordert der EWSA die Kommission auf, eine ausführliche Analyse der Antworten vorzunehmen, die auf ihre öffentliche Konsultation hin inzwischen eingegangen sind, diese um zuverlässige statistische Angaben darüber, wo und in welchem Umfang der Fernabsatz im Binnenmarkt zur Anwendung kommt, zu ergänzen und schließlich eine öffentliche Anhörung der interessierten Kreise durchzuführen.

1.5

Der EWSA stimmt den Vorschlägen der Kommission bezüglich einer besseren Formulierung und Strukturierung der Richtlinie grundsätzlich zu, bekräftigt jedoch seinen bereits in früheren Stellungnahmen vertretenen Standpunkt, dass sie sich nicht auf die Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern beschränken sollte, sondern dass es eine große Verbesserung wäre, ihren Geltungsbereich zu überdenken und in den wesentlichen Aspekten mit dem der Rechtsvorschriften über den elektronischen Geschäftsverkehr in Übereinstimmung zu bringen.

1.6

Der EWSA ist anderer Meinung als die Kommission, was die Konsequenzen der Anwendung der „Mindestklausel“ angeht, die seiner Meinung nach nicht für die zu Recht angeprangerten Schwierigkeiten bei der Anwendung der Richtlinie verantwortlich ist; es spricht jedoch nichts dagegen, die Möglichkeit einer vollständigen Harmonisierung mittels einer Verordnung ins Auge zu fassen, sofern ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleistet ist.

1.7

Um einen Beitrag zu einer tiefgreifenden Überarbeitung der einschlägigen Rechtsvorschriften über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zu leisten, gibt der Ausschuss eine ganze Reihe von spezifischen Bemerkungen und Empfehlungen ab. Beim derzeitigen Entwicklungsstand des Binnenmarktes wäre die Berücksichtigung dieser Bemerkungen empfehlenswert, um die Verbrauchersicherheit und das Verbrauchervertrauen zu fördern, indem für diese Art von Transaktionen ein Schutzniveau garantiert wird, das dem gleichwertig ist, das die Verbraucher bei in Anwesenheit der Parteien geschlossenen und erfüllten Verträgen genießen.

1.8

Der EWSA weist überdies darauf hin, dass ein besonderer Schwerpunkt auf der effektiven Information der Vertragsparteien und insbesondere der am wenigsten gut informierten Vertragsparteien liegen muss, die durch wirksame Sanktionen für rechtswidrige Praktiken flankiert werden muss.

2.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1

Mit der Mitteilung der Kommission zu der Richtlinie 1997/7/EG vom 20. Mai 1997 [KOM(2006) 514 endg. vom 21. September 2006] sollen der Rat, das Europäische Parlament und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie während des seit ihrer Veröffentlichung vergangenen Zeitraums von ungefähr zehn Jahren unterrichtet werden. Die Kommission kommt damit — wenn auch mit einer Verspätung von ca. sechs Jahren — ihrer Verpflichtung aus Artikel 15 Absatz 4 der Richtlinie nach.

2.2

Die Kommission zeigt einige Probleme bei der Anwendung (1) der Richtlinie auf, die angeblich hauptsächlich auf ihre „Formulierung“ sowie auf „Übersetzungsschwierigkeiten“ in einigen Sprachfassungen zurückzuführen sind. Daneben führt sie aus, inwiefern sich ihrer Meinung nach „- bedingt durch die Inanspruchnahme der Mindestklausel — die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie […] wesentlich unterscheiden“, und dass sich die Richtlinie möglicherweise nicht bewährt hat, um auch „neue Technologien und Absatztechniken“ zu erfassen.

2.3

Und schließlich legt die Kommission einen bis zum 21. November 2006 zu beantwortenden „Fragebogen“ vor, der als Rahmen für die „öffentliche Konsultation“ der interessierten Kreise dienen soll, um die Beobachtungen der Kommission zu belegen bzw. zu entkräften, und zieht außerdem die Durchführung einer öffentlichen Anhörung in Erwägung.

2.4

Die Kommission räumt zwar ein, dass die geschaffenen Regelungen Gestaltungsmängel aufweisen und Auslegungsprobleme aufwerfen, die die Anwendung erschweren, hält es jedoch für „nicht angemessen“, einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie vorzulegen, solange die „Diagnosephase“ im Rahmen der Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz („Acquis“), für die keine feste Frist vorgegeben ist, nicht abgeschlossen ist.

2.5

Bereits während der Ausarbeitung der vorliegenden Stellungnahme hat die Kommission 84 Antworten auf die vorgenannte Konsultation ins Internet gestellt und ein Arbeitsdokument vorgelegt, in dem ein großer Teil der eingegangenen Antworten zusammengefasst wird. Es wird vorgeschlagen, die Analyse der restlichen Antworten abzuschließen und eine vertieftere Folgenabschätzung durchzuführen.

3.   Wichtigste Bemerkungen des EWSA zu den Feststellungen der Kommission

3.1   Allgemeine Bemerkungen

3.1.1

Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission, bemängelt jedoch, dass sie nicht zu dem ursprünglich vorgesehenen Termin (Juni 2001) oder zumindest innerhalb von vier Jahren nach der Frist für ihre Umsetzung (Juni 2004) erfolgt ist. Er ist der Auffassung, dass die meisten der jetzt behandelten Fragen bereits vor mindestens drei Jahren hätten überprüft und bewertet werden können, was eindeutig von Vorteil gewesen wäre.

3.1.2

Der EWSA weist außerdem darauf hin, dass er viele der jetzt in der Mitteilung angesprochenen Fragen bereits in seinen Stellungnahmen aufgeworfen hatte, und zwar sogar noch während der Ausarbeitung der Richtlinie.

In seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (2) hatte er bereits auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, einige der Definitionen in Artikel 2 der Richtlinie zu überarbeiten, insbesondere bezüglich der unter die Richtlinie fallenden Verträge sowie der Bestimmung des Begriffs „Verbraucher“.

Zum andern hatte der EWSA bereits die Auffassung vertreten, dass die Kommission klarere Regelungen für das in der Richtlinie vorgesehene Widerrufsrecht vorsehen sollte, das seiner Meinung nach im Kontext des Rechts auf Bedenkzeit gesehen werden muss. Das Widerrufsrecht darf nicht mit dem Recht des Verbrauchers verwechselt werden, einen Vertrag zu kündigen, wenn dieser nicht erfüllt wurde oder wenn betrügerische Praktiken festgestellt werden, und darf dieses Recht auch nicht in Frage stellen.

Der EWSA hatte überdies darauf hingewiesen, dass ein Widerrufsrecht von 7 Tagen unter dem in anderen Richtlinien und in den bereits in einigen Mitgliedstaaten bestehenden Rechtsvorschriften geltenden Zeiträumen liegt, und der Kommission geraten, die Fristen für die Wahrnehmung dieses Rechts zu vereinheitlichen. Die Forderung des EWSA nach Klarstellung der Regelungen für die Bedenkzeit wurde in der Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (3) ebenfalls bekräftigt.

Auch in den renommiertesten Fachkreisen wird in diesen Punkten bereits seit langem Kritik geübt (4).

3.1.3

Der EWSA ist überrascht über die Aussage, dass der Kommission keine Informationen über das Datum des Inkrafttretens der Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in verschiedenen Mitgliedstaaten vorliegen (5), und hält es auch für verwunderlich, dass angesichts der eklatanten Verstöße einiger Mitgliedstaaten bei der Umsetzung nichts über Verstoßverfahren gegen diese Mitgliedstaaten oder den Ausgang derartiger Verfahren vermerkt wird.

3.1.4

Außerdem wäre es nach Ansicht des EWSA für ein wirklich partizipatives Vorgehen passender gewesen, wenn die öffentliche Konsultation der Mitteilung vorausgegangen wäre, statt im Anschluss daran stattzufinden; dadurch hätte vermieden werden können, dass sich viele Beobachtungen und Feststellungen der Kommission lediglich auf subjektive „Eindrücke“ oder „Meinungen“ (6) stützen.

Der Ausschuss erinnert im Übrigen an den Bericht vom 10. März 2000 über Verbraucherbeschwerden im Zusammenhang mit Fernabsatz (KOM(2000) 127 endg.) und empfiehlt ein ähnliches Vorgehen, in diesem Fall anhand einer objektiven Analyse aller auf die öffentliche Konsultation hin eingegangenen Antworten, indem die Daten aktualisiert und abgeglichen werden, um so eine objektive Ausgangsgrundlage für Überlegungen zu schaffen.

3.1.5

Unter den gegebenen Umständen unterstützt der EWSA die Anregung der Kommission und dringt auf die Durchführung einer öffentlichen Anhörung mit allen interessierten Parteien, wobei dieses Thema allerdings nicht in der weitergefassten Debatte über den gemeinschaftlichen Besitzstand im Verbraucherrecht untergehen darf, zu dem erst kürzlich eine umfangreiche technische Studie von rund 800 Seiten (7) sowie das „Grünbuch“ der Kommission (8) veröffentlicht wurde.

3.1.6

Angesichts der Art und Weise, wie die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Referenzrahmen (9) vonstatten gehen, bezweifelt der EWSA, dass es nützlich oder ratsam wäre, die Überarbeitung der hier erörterten Richtlinie vom Abschluss der Arbeiten und Konsultationen zu dem gesamten gemeinschaftlichen Besitzstand im Verbraucherrecht sowie den schließlich getroffenen Entscheidungen abhängig zu machen, auch wenn es sich nur um die komprimierte Fassung handelt, die von der Kommission zuletzt vorgelegt wurde (10).

3.1.7

Nach Ansicht des EWSA könnte es außerdem ratsam sein, über die Rechtsnatur des bei einer künftigen Überarbeitung der Richtlinie zu verwendenden Gemeinschaftsinstruments nachzudenken, sofern man zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen gegeben sind, um die wesentlichen Aspekte in diesem Bereich auf dem Wege einer Verordnung zu regeln (11), wobei die maßgeblichen Zielsetzungen gewahrt bleiben müssen — d.h. die Wiederherstellung des Gleichgewichts und der Gleichheit zwischen den Parteien, wie dies bei geschäftlichen Transaktionen in Anwesenheit der Parteien zu erwarten ist.

3.2   Besondere Bemerkungen

3.2.1

Die Kommissionsmitteilung enthält zwei Arten von Bemerkungen/Kommentaren zu der Richtlinie:

a)

zur Abfassung und zum Aufbau und

b)

zur Anwendung der Richtlinie.

A)   Abfassung/Aufbau der Richtlinie

3.2.2

Was die Abfassung und den Aufbau der Richtlinie angeht, stimmt der EWSA der Kommission in folgenden Punkten zu:

a)

einige Begriffe und Definitionen müssen genauer herausgearbeitet werden (12);

b)

die Fristen und Modalitäten für die vorherige Unterrichtung müssen deutlicher angegeben werden, um abweichende Auslegungen zu vermeiden;

c)

einige Bestimmungen müssen mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Einklang gebracht werden (13);

d)

es ist eine verstärkte Unterrichtung über die Preise für Premium Rate Services notwendig;

e)

es besteht die Notwendigkeit einer vollständigeren Charakterisierung, Kategorisierung und Definierung der Rücktrittsfrist („cool down“) in ihrer Doppelfunktion als Maßnahme zum Schutz des vertraglichen Willens, um das volle Einverständnis des Verbrauchers zu garantieren, und als Sanktion für die Nichteinhaltung der Formalitäten, die der Anbieter erfüllen muss, um seiner Unterrichtungspflicht nachzukommen  (14), im Gegensatz zu den ähnlichen, aber juristisch klar unterschiedenen Konzepten der „Bedenkzeit“ („warm up“), des Widerrufs- und Kündigungsrechts;

f)

der Vereinheitlichung bedürfen auch die vorgenannte Frist, die Art ihrer Berechnung, die — insbesondere finanziellen — Auswirkungen, ihre Wahrnehmung (Rückzahlung, Rückgabe usw.), der Mangel aufgrund ihres ausdrücklichen oder stillschweigenden Ausschlusses in Verträgen sowie die Ausnahmeregelungen (15);

g)

es muss insbesondere der Ausschluss der „Auktionen“ überprüft werden, wobei nicht nur berücksichtigt werden muss, dass derselbe Begriff in den verschiedenen Übersetzungen und nationalen Rechtstraditionen unterschiedliche juristische Bedeutung hat (16), sondern auch, dass Internet-„Auktionen“ spezifische Probleme mit sich bringen, die zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Richtlinie nicht vorstellbar waren (17).

3.2.3

In folgenden Punkten ist der EWSA jedoch anderer Ansicht als die Kommission:

a)

bezüglich der Tatsache, dass Finanzdienstleistungen von vornherein völlig aus einer einzigen Richtlinie über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz ausgeklammert werden (18);

b)

bezüglich der Zweckmäßigkeit, die Unterscheidung zwischen den Richtlinien über „Vertragsabschlüsse im Fernabsatz“ und der Richtlinie über den „elektronischen Geschäftsverkehr“ beizubehalten, da sie sich inhaltlich teilweise überlappen und da sie in wesentlichen Aspekten einander widersprechende Bestimmungen für identische Sachverhalte enthalten (19), was nur damit begründet werden könnte, dass der interne „Ursprung“ der Rechtstexte nicht derselbe ist oder dass sie zwischen den Diensten nicht gebührend abgestimmt wurden.

3.2.4

Der EWSA empfiehlt außerdem, dass sich die Kommission bemühen sollte, die Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz, die auf verschiedene Rechtsinstrumente verteilt sind, in ihrer Gesamtheit zugänglicher und verständlicher zu gestalten.

B)   Anwendung der Richtlinie

3.2.5

Was die Anwendung der Richtlinie angeht, kann der EWSA — in Anbetracht seiner Kenntnis bestimmter Erfahrungen in einigen Mitgliedstaaten — den Bemerkungen der Kommission alles in allem zustimmen, ist allerdings der Ansicht, dass eine gründlichere Auseinandersetzung mit der Thematik notwendig ist, um einen erschöpfenden und nicht nur rein kursorischen Überblick über die Divergenzen/Unvereinbarkeiten bei der Umsetzung/Auslegung der Richtlinie in sämtlichen Mitgliedstaaten zu erhalten.

Er fordert die Kommission daher eindringlich auf, im Anschluss an die Analyse der auf den Fragebogen hin eingegangenen Antworten auf der Grundlage der Ergebnisse eine derartige Untersuchung vorzunehmen.

Außerdem hat die Kommission bislang keine statistischen Daten vorgelegt, anhand derer die relative Bedeutung des Fernabsatzes an Verbraucher im Rahmen der grenzüberschreitenden Geschäfte oder sein Anteil an den Verbraucherverträgen in den einzelnen Mitgliedstaaten bewertet werden kann; derartige Informationen können nicht mit der notwendigen Objektivität den jüngsten Eurobarometer-Daten (20) entnommen werden, sind jedoch unverzichtbar, um die Kriterien für die Aufnahme in die Richtlinie und die Berechtigung der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen zu bewerten.

3.2.6

Der EWSA betrachtet mit Besorgnis die Haltung der Kommission, die auf der einen Seite verschiedene Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie aufzeigt, auf der anderen Seite jedoch Zweifel an ihrer Relevanz für das Vertrauen der Verbraucher bekundet, auf Änderungen verzichtet und keine energischen Maßnahmen zur Lösung der Umsetzungsprobleme ankündigt.

3.2.7

Zunächst einmal stellt die Kommission in Bezug auf den Geltungsbereich der Richtlinie 1997/7/EG selbst fest, dass die vorgesehenen Ausnahmen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt wurden und einige dieser Ausnahmen überdacht werden müssen. Der EWSA ersucht daher die Kommission, in diesem Bereich konkretere Initiativen zu ergreifen.

3.2.8

Was die Auswirkungen der Inanspruchnahme der „Mindestklausel“ angeht, teilt der EWSA nicht die Ansicht der Kommission, dass alle von ihr aufgeführten Problemfälle auf eine unkorrekte Anwendung der Mindestklausel gemäß Artikel 14 zurückzuführen sind.

3.2.8.1

Der EWSA ist im Gegenteil der Meinung, dass die festgestellten tatsächlichen Diskrepanzen zumeist nicht die Folge eines unkorrekten Gebrauchs der Mindestklausel sind, sondern auf bereits aufgezeigte Mängel bei der Konzipierung, Formulierung und Umsetzung der Richtlinie zurückzuführen sind.

3.2.8.2

Der Ausschuss vertritt den Standpunkt, dass die Mindestklausel, die es den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit Artikel 153 des EG-Vertrags erlaubt, bei Richtlinien zur Mindestharmonisierung strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, ein nützliches Instrument für einen hohen Verbraucherschutz ist, das es ermöglicht, die kulturellen, sozialen und juristischen Besonderheiten der Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.

3.2.8.3

Desungeachtet spricht sich der EWSA dafür aus, bestimmte Rechtsbereiche vollständig zu harmonisieren — vorzugsweise auf dem Wege einer Verordnung, um ihre einheitliche Anwendung sicherzustellen, wie dies auch bei der hier erörterten Richtlinie der Fall sein könnte —, wenn ein höheres Verbraucherschutzniveau effektiv gewährleistet werden kann.

C)   Nicht behandelte Fragen

3.2.9

Nach Ansicht des EWSA sollten bei einer Überarbeitung der Richtlinie weitere Fragen nochmals überprüft werden, die in der Mitteilung nicht behandelt wurden.

3.2.10

Dies gilt insbesondere für folgende Punkte:

a)

die Zweckmäßigkeit, die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen parallel zu der hier erörterten Richtlinie zu überarbeiten; der Ausschuss vertritt hier ausdrücklich eine andere Auffassung als die Kommission in ihrer Mitteilung vom 6.4.2006 (KOM(2006) 161 endg.);

b)

die Beibehaltung des Grundsatzes der „ausschließlichen“ Verwendung von Fernkommunikationstechniken statt einer „überwiegenden“ Verwendung (Artikel 2 Absatz 1);

c)

die Rechtsnatur des Vertragsangebots als Kaufaufforderung und die wesentliche Bedeutung seiner Bedingungen und Merkmale als wesentliche Elemente des Gegenstands des Kaufvertrags selbst;

d)

die „Beweislast“ insgesamt, die in der Richtlinie nicht bzw. nur schlecht geregelt ist, indem auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten verwiesen wird, die auf Verbraucherverträge anzuwenden sind, sofern nicht der in Artikel 11 Absatz 3 vorgesehene Mechanismus der Umkehrung der Beweislast zur Anwendung kommt;

e)

die Beibehaltung der Beziehungen zu den „Verbrauchern“ — unabhängig von der Diskussion über die Richtigkeit der entsprechenden Definition, worüber die Meinungen auseinandergehen — als einziger Schwerpunkt der Richtlinie, wo doch die Materie generell mit einer bestimmten Form des Verkaufs mit bestimmten Merkmalen zu tun hat und nicht einzig und allein mit dem Empfänger, wie dies im Übrigen in der Richtlinie über den „elektronischen Geschäftsverkehr“ zu Recht vorgesehen ist;

f)

die Klarstellung, was unter „Fernkommunikationstechnik“ und „für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem“ zu verstehen ist, und die Notwendigkeit eines eingehenderen Nachdenkens über die Berechtigung der Beibehaltung dieses Kriteriums und über die Gründe, die dafür sprechen, Verbraucher, die Verträge im Fernabsatz mit Unternehmen schließen, die diese Mittel nur sporadisch nutzen, von dem speziellen Schutz auszunehmen;

g)

die Beibehaltung der ungerechtfertigt erscheinenden Ausnahmeregelungen für Pauschalreisen, Teilnutzungsrechte an Immobilien und den Fernabsatz von Lebensmitteln, die nicht unter die Richtlinie fallen;

h)

die Nichtaufnahme der Kundendienstleistungen und Händlergarantien in die Liste der Informationen, die der Verbraucher vor Abschluss eines Vertrages erhalten muss und die im Einklang mit der Richtlinie über Garantien überarbeitet werden muss (21);

i)

die Regelung des Nießbrauchrechts, der Verwahrungspflicht und des Risikos des Verlusts oder der Beschädigung der Sache während der Rücktrittsfrist sowie während ihrer Beförderung vom Verkäufer zum Verbraucher und umgekehrt, im Falle ihrer Rückgabe unabhängig von den Gründen (Rücktritt oder Nichtkonformität/Mangel/Schaden) und in Verbindung mit den Regelungen gemäß der Richtlinie über Garantien;

j)

die Frage der Vertragssprache, die nicht mehr den „Mitgliedstaaten“ überlassen bleiben sollte (Erwägungsgrund 8);

k)

die Definition, was unter „Werktag“ im Gemeinschaftsrecht zu verstehen ist, da dies für eine einheitliche Berechnung der Fristen entscheidend ist, insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften, oder schlicht und einfach die Angabe sämtlicher Fristen in aufeinanderfolgenden Kalendertagen;

l)

die Form der Benachrichtigung über die Wahrnehmung des Rücktrittsrechts — mit Empfangsbestätigung oder nicht — mit den jeweiligen rechtlichen Folgen;

m)

die Vermeidung der Risiken der Nichterfüllung des Vertrags und die Regelung im Falle einer nicht in allen Punkten vertragsgemäßen oder einer mangelhaften Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen zur Lieferung der Waren bzw. Erbringung der Dienstleistungen (22);

n)

die Beibehaltung der Ausklammerung von Gütern, die nach den Spezifikationen des Verbrauchers hergestellt werden;

o)

die Notwendigkeit einer stärkeren Beachtung des immer häufiger auftretenden Phänomens von Verkaufsgesprächen per Telefon oder Mobiltelefon („M-Commerce“), wobei die Festlegung einer allgemeinen „Opt-in“-Regelung zum Schutz gegen unerwünschte Angebote in Erwägung gezogen werden sollte;

p)

der Verweis in den Bestimmungen der Richtlinie auf Fragen der Fälschung und der Zertifizierung von Gütern sowie auf den Schutz der Urheberrechte und der damit verbundenen Rechte, die im Fernabsatz eine besondere Schwachstelle sind;

q)

die Ausweitung der Informationspflicht auf alle interessierten Parteien, insbesondere auf die schutzbedürftigsten Verbrauchergruppen wie z.B. Minderjährige, alte Menschen und Menschen mit Behinderung ähnlich den Bestimmungen, die in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken bereits vorgesehen sind;

r)

die Notwendigkeit, wirksame und ausreichend abschreckende Sanktionsregelungen für die Nichterfüllung der in der Richtlinie enthaltenen Verpflichtungen vorzusehen.

3.2.11

Nach Auffassung des EWSA ist eine angemessene Auseinandersetzung mit diesen Fragen von entscheidender Bedeutung, um das Ziel der Richtlinie zu verwirklichen — nämlich sicherzustellen, dass die Verbraucher bei Transaktionen von Gütern und Dienstleistungen im Fernabsatz ein genauso hohes Schutzniveau genießen wie bei Verträgen, die in Anwesenheit der Parteien geschlossen werden.

Brüssel, den 30. Mai 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Bei ihren Bemerkungen und Kommentaren will die Kommission Aspekte wie „unbestellte Waren oder Dienstleistungen“, „Zahlungen per Bezahlkarte“ und „Rechtsbehelfe bei Gericht oder Verwaltungsbehörden“ ausdrücklich ausklammern.

(2)  EWSA-Stellungnahme veröffentlicht in ABl. C 19 vom 25.1.1993, S. 111, Berichterstatter: Roberto BONVICINI.

(3)  EWSA-Stellungnahme veröffentlicht in ABl. C 169 vom 16.6.1999, S. 43, Berichterstatter: Manuel ATAÍDE FERREIRA.

(4)  Vgl. zu sämtlichen Punkten „La protection des consommateurs acheteurs à distance“, Protokolle des vom CEDOC veranstalteten Kolloquiums, Hrsg. Bernd Stauder, 1999, wobei insbesondere die Texte von Hans MICKLITZ, Jules STUYCK, Peter ROTT und Geraint HOWELLS hervorzuheben sind (Bruylant, 1999).

(5)  Belgien(?), Ungarn, Lettland, Litauen.

(6)  Vgl. z.B. Abschnitt 3 zweiter Absatz „… dürfte nach ihrer Einschätzung …“ und dritter Absatz „Die Kommission ist der Über-zeugung …“.

(7)  „EC Consumer Law CompendiumComparative Analysis“, Prof. Dr. Hans Schulte-Nolke, Dr. Christian Twigg-Flesner und Dr. Martin Ebers, 12.12.2006, Universität Bielefeld (erstellt für die Europäische Kommission im Rahmen des Dienstleistungs-auftrags Nr. 17.020100/04/389299: „Annotated Compendium including a comparative analysis of the Community consumer acquis“).

(8)  KOM(2006) 744 endg. vom 8.2.2007; für die Ausarbeitung der Stellungnahme zu diesem Grünbuch wurde eine Studiengruppe eingesetzt, Berichterstatter wird Herr ADAMS sein.

(9)  Dessen Nutzen in einigen der besten neueren Fachveröffentlichungen in Frage gestellt wird (vgl. „The need for a European Contract LawEmpirical and Legal Perspectives“, JAN SMITS, Europa Law Publishing, Groningen, 2005).

(10)  Von ursprünglich 22 gemeinschaftlichen Rechtsinstrumenten, die die Kommission im Mai 2003 aufgeführt hatte, wurde der Umfang mittlerweile auf nur 8 Richtlinien verkleinert.

(11)  Die Entscheidung für eine Verordnung würde es ermöglichen, die verschiedenen von der Kommission aufgezeigten Problemfälle zu lösen, in denen die Richtlinie nicht oder nicht richtig umgesetzt wurde, z.B. bezüglich Artikel 4 Absatz 2 über den Grundsatz der Lauterkeit oder Artikel 6 über Rückzahlungen bei Widerruf und die Regelungen für die Fälle, in denen das Widerrufsrecht nicht ausgeübt werden kann. In einer solchen Verordnung könnte z.B. insbesondere Folgendes geregelt werden: Begriffsbestim-mungen, materieller und personeller Geltungsbereich und die jeweiligen Ausnahmen, Struktur, Inhalt, Umfang der Informationen und Zeitpunkt der Unterrichtung, Ausübung und Konsequenzen des Widerrufsrechts, Erfüllung des Vertrags und Zahlungs-modalitäten sowie die besonders im Handel anzuwendenden Grundsätze der Lauterkeit.

(12)  Z.B. die Begriffe „Vertriebssystem“, „Betreiber einer Kommunikationstechnik“, „Rechte an Immobilien“, insbesondere Teilzeit-nutzungs-rechte („Timesharing“), „häufige und regelmäßige Fahrten“, „Beförderung“ einschließlich Autovermietung, „besondere Umstände“, „dauerhafte Datenträger“ usw.

(13)  Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005, ABl. L 149 vom 11.6.2006; EWSA-Stellungnahme: ABl. C 108 vom 30.4.2004.

(14)  Vgl. Cristine AMATO, „Per un diritto europeo dei contratti con i consumatori“, S. 329, Gruffé Editore, Milano, 2003.

(15)  Es ist daran zu erinnern, dass der Rat bei der Annahme der Richtlinie 97/7/EG eine Erklärung abgab, in der er die Kommission aufforderte, die Möglichkeit einer Harmonisierung der Berechnungsmethode für die Bedenkzeit in den Verbraucher-schutzricht-linien zu prüfen.

(16)  Der Begriff „leilão“ im portugiesischen Recht deckt sich juristisch nicht mit „vente aux enchères“, „auction“ und „vendita all'asta“ im französischen, angelsächsischen bzw. italienischen Recht.

(17)  Siehe den wichtigen Artikel von Prof. Gerard SPINDLER von der Universität Göttingen „Internet-Auctions versus Consumer Protection: The Case of the Distant Selling Directive“, in „German Law Journal“, Vol. 6 2005, S. 725 ff.

(18)  Diese Auffassung hatte er im Übrigen bereits in seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (CESE-Stellungnahme veröffentlicht in ABl. C 169 vom 16.6.1999, S. 43, Berichterstatter: Manuel ATAÍDE FERREIRA) vertreten; das Europäische Parlament gelangte in seinen beiden Lesungen zu derselben Meinung.

(19)  Richtlinie 2000/31/EG vom 8. Juni 2000 (ABl. L 178 vom 17.7.2000); diese Auffassung hatte er im Übrigen bereits in seiner Stellung-nahme zu dieser Richtlinie vertreten (ABl. C 169 vom 16.6.1999, S. 36, Berichterstatter: Harald GLATZ).

(20)  Vgl. Special Eurobarometer 252, „Consumer protection in the Internal Market“, September 2006, im Auftrag der GD Gesundheit und Verbraucherschutz und koordiniert von der GD Kommunikation, deren Daten indessen einige Rückschlüsse auf die allge-meinen Tendenzen bei der Haltung der Verbraucher angesichts der Maßnahmen der Gemeinschaft zur Vollendung des Binnen-marktes erlauben.

(21)  Richtlinie 1999/44/EG vom 25. Mai 1999 (ABl. L 171 vom 7.7.1999). Der EWSA hatte bereits in seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz darauf hingewiesen, dass die Verbraucher über die Existenz von Garantie-regelungen insbesondere bei Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung des Vertrags unterrichtet werden sollten.

(22)  Der EWSA hat seinen Standpunkt in dieser Sache bereits in seiner Stellungnahme zu der Richtlinie über den Fernabsatz kund-getan, in der er die Kommission auf die Notwendigkeit aufmerksam machte, die Wahrung der finanziellen Interessen und die Vermeidung der aus der Nichterfüllung des Vertrags entstehenden Risiken sicherzustellen, z.B. mittels der Festlegung von Ver-tragsstrafen. Der EWSA schlug außerdem vor, von den in dieser Branche tätigen Unternehmen einen Garantiefonds für derartige Fälle schaffen zu lassen.


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