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Document 52004AE1204

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen: Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union - 2007-2013“KOM(2004) 101 endg.

ABl. C 74 vom 23.3.2005, p. 32–39 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
ABl. C 74 vom 23.3.2005, p. 18–18 (MT)

23.3.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 74/32


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen: Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union - 2007-2013“

KOM(2004) 101 endg.

(2005/C 74/07)

Die Kommission beschloss am 18. März 2004, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 13. Juli 2004 an. Berichterstatter war Herr DASSIS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 411. Plenartagung am 15./16. September 2004 (Sitzung vom 15. September) mit 143 gegen 26 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Bezugsrahmen der Stellungnahme

1.1

Am 1. Mai 2004 machte die Europäische Union einen gewaltigen Sprung zur Verwirklichung des Traums der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft von 1952. Dies war auch der Traum von Menschen, die Kriege, Zerstörung und Unglück erlebt und in Armut und Elend gelebt hatten. Der Weg zur tatsächlichen Verwirklichung des europäischen Einigungswerks ist nicht mehr ganz so weit. Das Europa der 25 ist Realität und das Europa der 27 bereits beschlossene Sache.

1.1.1

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gefahr eines Rückschritts mit unabschätzbaren Folgen gebannt wäre. Das gemeinsame europäische Einigungswerk braucht den entsprechenden Rückhalt. Die beste Stütze besteht darin, dass die europäischen Bürger fühlen, dass sie ein fester Bestandteil dieses Einigungswerks sind. Sie müssen stolz darauf sein, dass sie einem großen geographischen Gesamtgefüge angehören, das demokratisch ist, den Frieden und die Respektierung der Menschenwürde sichert und garantiert und Wohlstand für alle anstrebt, dass sie in einem Gemeinwesen leben, in dem die Solidarität von allen als grundlegendes Verhaltensmuster verstanden wird. Die Bürger müssen patriotische Gefühle gegenüber Europa hegen und stolz darauf sein, dort zu leben.

1.2

Damit all dies eintritt, muss die Europäische Union ihre bereits vorhandenen gemeinsamen Politiken konsolidieren und kontinuierlich im Wege demokratischer Verfahren die Konzipierung und praktische Umsetzung der Politik in allen verbleibenden Bereichen vorantreiben, so dass sie neben einer Wirtschafts- und Währungsunion auch eine soziale und politische Einheit bildet.

1.3

Die Konzipierung und Umsetzung dieser Politiken ist gewiss mit gewissen Kosten verbunden, die gerecht und entsprechend den finanziellen Möglichkeiten des einzelnen Bürgers, des einzelnen Landes verteilt werden müssen.

1.4

In dem Anliegen, einen Beitrag zur Diskussion über die Festsetzung des Haushaltsplans während des neuen Planungszeitraums 2007-2013 zu leisten, gibt der von der Kommission mit dem Thema befasste EWSA diese Stellungnahme ab, in der die „Mitteilung der Kommission: Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ (1) in die Überlegungen einbezogen wird.

1.5

Der EWSA beschränkt sich in seiner Stellungnahme aber nicht auf die kritische Betrachtung dieser beiden Dokumente, sondern geht auch auf politische Themen, Fragen und Aspekte ein, die in diesen beiden Dokumenten nicht angeschnitten werden, trotz ihrer substanziellen Bedeutung für den Aufbau der gemeinsamen europäischen Zukunft bzw. das haushaltsmäßige Funktionieren der Union während des betrachteten Planungszeitraums.

1.6

Aufgrund der Wesensart und der Zusammensetzung des EWSA, indes ohne diese Dokumente und dabei zumal die Mitteilung der Kommission über die finanzielle Vorausschau 2007-2013 ignorieren zu wollen, kann man sich deswegen nicht auf eine kritische Betrachtung der Kommissionsmitteilung beschränken, sondern muss sich auch mit politischen Themen, Fragestellungen bzw. Aspekten beschäftigen, die in der Kommissionsmitteilung nicht berührt werden.

1.7

Anders gesagt, neben der Darlegung seiner (zustimmenden oder abweichenden) Auffassung zu den Sichtweisen und Vorschlägen der Europäischen Kommission im Einzelnen muss der EWSA seinen Beitrag leisten, um die Diskussion über die gemeinsame europäische Zukunft weiter voranzubringen, indem er andere mit diesem Fragenkomplex zusammenhängende Aspekte aufzeigt.

2.   Allgemeiner Überblick über die Mitteilung der Europäischen Kommission

2.1

In ihrer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament „Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen: Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union 2007-2013“ (2) legt die Kommission dar, wie sie sich die Zukunft der Europäischen Union und ihre weitere Haushaltsplanung für den Zeitraum 2007-2013 vorstellt.

2.2

Drei Aktionsprioritäten sollen es ermöglichen, die mit der Erweiterung verbundenen Vorteile voll auszuschöpfen und den Wohlstand Europas zu fördern: nachhaltige Entwicklung, Förderung der Interessen der EU-Bürger und Stärkung der Rolle der Union als Global Player.

2.3   Nachhaltige Entwicklung: Wachstum, Kohäsion und Beschäftigung

2.3.1

Auf der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon im Jahr 2000 haben sich die Staats- und Regierungschefs auf ein Aktionsprogramm verständigt, das als Grundlage für den Aufbau Europas dient, mit dem Ziel, Europa „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“.

2.4

Nach Ansicht der Kommission muss dieser Prozess neue Anstöße in Form von überzeugenden, realistischen Zielvorgaben auf nationaler wie auch auf gemeinschaftlicher Ebene erhalten: Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem Binnenmarkt, Intensivierung der F+E-Anstrengungen, Vernetzung Europas, Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Bildungssysteme in der EU, stärkere Förderung der sozialpolitischen Agenda und Unterstützung der Gesellschaft bei der Bewältigung des sozialen Wandels.

2.5

Den Zielen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sollte auch im Rahmen der nächsten Reihe regional- und kohäsionspolitischer Maßnahmen höchste Priorität eingeräumt werden, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf Regionen mit Entwicklungsrückstand liegen muss. Wachstum und Kohäsion müssen einander mehr denn je ergänzen.

2.6

Die Kohäsionspolitik der Zukunft muss sich systematisch mit dem Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit befassen, damit immer mehr EU-Regionen einen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leisten können.

2.7

Außerdem verweist die Kommission in ihren Vorschlägen ausdrücklich auf die Beschlüsse des Rates von 2003, die Gemeinsame Agrarpolitik zu reformieren und die Agrarausgaben für Marktstützungsmaßnahmen wie auch für Direktbeihilfen bis 2013 festzulegen. Mit dieser Reform wird durch die Entkopplung von Beihilfen und Produktion eine radikale Neuausrichtung der GAP auf eine nachhaltige Entwicklung angestrebt. Die künftige, in einem einzigen Instrument zusammengeführte Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums soll die Wettbewerbsfähigkeit im Agrarbereich steigern, den Umweltschutz verbessern und die Vielfalt des ländlichen Raums fördern. Der dadurch entstehende Mehrbedarf wird durch eine teilweise Umschichtung der Finanzierungsmittel von den Direktzahlungen an die Landwirte auf zusätzliche Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum gedeckt.

2.8

Die neue reformierte Gemeinsame Fischereipolitik zielt auch weiterhin schwerpunktmäßig auf eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen ab. Die Umweltpolitik soll sowohl den Erwartungen der einzelnen Bürger, die nach einer besseren Lebensweise und mehr Solidarität zwischen den Generationen streben, gerecht werden, als auch den Verpflichtungen der Union auf internationaler Ebene nachkommen sowie Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit fördern.

2.9   Gesellschaft der Bürger

2.9.1

Seit dem Vertrag von Amsterdam wurde die Mehrzahl der politischen Maßnahmen in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft verlagert. Heutzutage kann den politischen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit der Einwanderung, der Asylproblematik und der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus stellen, mit Maßnahmen ausschließlich auf nationalstaatlicher Ebene nicht mehr hinlänglich begegnet werden. Gleiches gilt auch für Interventionen im Falle von Naturkatastrophen oder Gesundheits- und Umweltkrisen, für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sowie für Verbraucherschutz und Gesundheit.

2.10

Das die EU auf all diesen Gebieten die nötigen Maßnahmen ergreift, soll durch ein verbessertes Instrumentarium und ausreichende Finanzierungsmittel ermöglicht werden.

2.11   Stellung der Europäischen Union in der Welt

2.11.1

Die erweiterte Union wird künftig eine bedeutendere Rolle zu spielen haben - sowohl in ihrer Führungsposition auf regionaler Ebene als auch als globaler Partner. Sie kann diesen Erwartungen nur gerecht werden, wenn es ihr gelingt, zu einem politisch verantwortlichen Akteur auf einem ihrem wirtschaftlichen Gewicht entsprechenden Niveau zu werden.

2.12

Die Union muss aber auch auf der weltpolitischen Bühne und im Bereich der strategischen Sicherheit die ihr zustehende Rolle angemessen wahrnehmen. Hierbei geht es um die Verteidigung gegen äußere Bedrohungen, die Gewährleistung der zivilen Sicherheit und den Schutz der Bürger vor verschiedenen Gefahren.

2.13   Finanzierungsbedarf

2.13.1

Diese Zielsetzungen lassen sich für eine Union mit 27 Mitgliedstaaten ohne eine Anhebung des derzeitigen Ausgabenplafonds erreichen.

2.14

Die Herausforderung, die in der Entwicklung eines politisch glaubwürdigen Projekts besteht, kann nur durch die Bereitstellung der notwendigen Finanzierungsmittel bewältigt werden. Die Kommission hat für den Bezugszeitraum ein durchschnittliches Ausgabenniveau von 1,14 % errechnet. Innerhalb des EU-Haushalts wird eine signifikante Gewichtsverlagerung zugunsten der neuen Prioritäten vorgenommen werden. Das Ausgabenniveau wird zunächst ansteigen, um die Auswirkungen der Erweiterung aufzufangen, sich bis zum Ende des Zeitraums dann jedoch auf einem praktisch dem Ausgangsstand entsprechenden Wert einpendeln. Das Zahlungsvolumen bliebe unterhalb der derzeitigen Obergrenze von 1,24 % des BNE.

2.15

Die Kommission schlägt vor, die Einführung eines allgemeinen Korrekturmechanismus ins Auge zu fassen, der als transparentes und objektives Ausgleichsinstrument für die Haushaltsbelastung eines Mitgliedstaats im Verhältnis zu seinem relativen Wohlstand eintreten soll.

2.16

Noch in diesem Jahr wird die Kommission Vorschläge für entsprechende Rechtsakte sowie einen konkreten Zeitplan für die Verwirklichung der Zielvorgaben unterbreiten.

3.   Bemerkungen des EWSA zum Text und zu den Vorschlägen der Kommission

3.1

Der EWSA befürwortet grundsätzlich die Kommissionsmitteilung. Im Einzelnen lässt sich dieses Dokument insgesamt charakterisieren als:

kohärenter Text, dessen einzelne Abschnitte logisch aufgebaut sind und ein in sich geschlossenes Ganzes ohne Widersprüchlichkeiten, Ungereimtheiten und Lücken bilden;

Text mit einem soliden und visionären politischen Unterbau: er steckt in ausführlicher, umfassender und visionärer Weise die politische Basis für die Ziele ab, die das Streben nach einer gemeinsamen Zukunft rechtfertigen;

Text mit klaren und logischen Optionen und Prioritäten für die politische Praxis: es werden Aktionen und die Ergreifung von nach den festgelegten politischen Zielen ausgerichteten Maßnahmen vorgeschlagen;

ausgewogener Text: Kompromisse oder die Schaffung mannigfaltiger neuer Gleichgewichte und entsprechender Formationen werden nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Text hebt darauf ab, die verfügbaren Finanzmittel auf die entsprechenden Erfordernisse abzustimmen, die für die Erreichung der politischen Ziele im Wege der spezifischen politischen Weichenstellung gegeben sein müssen.

3.2

Der EWSA wertet auch bestimmte im Kommissionstext dargelegte Optionen und Sichtweisen als positiv (oder äußerst positiv) und unterstützt sie denn auch, und zwar:

3.2.1

Bedeutung und Inhalt des Begriffs nachhaltige Entwicklung und das entsprechende Zusammenspiel des wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekts.

3.2.1.1

In Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Sichtweisen der Europäischen Kommission stellt der EWSA fest, dass nachhaltige Entwicklung ein komplexer Begriff ist, der Folgendes beinhaltet:

den Schutz der natürlichen Ressourcen der Europäischen Union ( Umweltdimension );

die Schaffung eines Klimas, das

1)

der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ( wirtschaftlich-quantitative Komponente ) sowie

2)

der Steigerung der Solidarität (sozial-qualitative Komponente) zuträglich ist, wobei den Bürgern, die der Gefahr der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird; die Gewährleistung größeren Wohlstands und größerer Sicherheit für alle Europäer.

3.2.1.2

Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung beschränkt sich also nicht auf quantitative Elemente wirtschaftlichen Wachstums, sondern beinhaltet auch qualitative (soziale, ökologische) Komponenten.

3.2.1.3

Der EWSA kritisiert, dass in anderen Texten die Begriffe „nachhaltiges Wachstum“ und „nachhaltige Entwicklung“ durcheinandergeworfen werden. In seiner Stellungnahme zur „Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung“ (3) stellt der EWSA fest, dass die Finanzielle Vorausschau eine Gelegenheit wäre, der nachhaltigen Entwicklung einen entscheidenden Impuls zu geben. Ferner gibt er zu bedenken, dass es nicht ausreicht, bisherige Politiken, die sich durchaus als problematisch für die nachhaltige Entwicklung erwiesen haben, fortzusetzen und sie zukünftig unter dem Haushaltstitel „Nachhaltiges Wachstum“ zu führen. Außerdem trägt er vor, dass „nachhaltiges Wachstum“ und „nachhaltige Entwicklung“ zwei unterschiedliche Dinge sind, die miteinander in Konflikt geraten können.

3.2.1.4

Der EWSA bekräftigt seine Auffassung, dass für die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklung dringlichst mehr Mittel als bisher und selbst mehr Mittel als in der finanziellen Vorausschau 2007-2013 vorgesehen bereitgestellt werden müssen. Da aber die Finanzmittel nicht ausreichen und die Umwelt ein öffentliches Gemeingut darstellt, das die Grenzen überschreitet, aber auch ein substanzielles Element der Strategie für nachhaltige Entwicklung bildet, fragt sich der EWSA, ob es nicht angezeigt wäre, die betreffenden Investitionen aus der Berechnung des Haushaltsdefizits, wie sie im Rahmen des Stabilitäts- und Entwicklungspakts vorgesehen ist, herauszunehmen (4).

3.2.1.5

Europa hat das Zeug, eine maßgebliche Rolle in der globalisierten Wirtschaft zu spielen und die Entwicklungen in Richtung einer stärker nachhaltigen Entwicklung zu beeinflussen. Aber dafür reichen die vorgesehenen Mittel nicht aus. Die Europäische Union muss mit einer Stimme sprechen. Die Mitgliedstaaten, so groß und bedeutend sie auch sein mögen, können die weltweite Entwicklung nur sehr wenig beeinflussen. Die Abstimmung ihrer Anstrengungen auf die Verwirklichung gemeinsamer Ziele als Europäische Union ist zwingend geboten.

3.2.2

Die wirtschaftliche Effizienz des sozialen Zusammenhalts und die eindeutige Feststellung, dass der Prozess des Zusammenhalts neben seiner sozialen Funktion und dem Abbau von Unterschieden auch quantitative Verbesserungen der Elemente des wirtschaftlichen Wachstums an sich herbeiführt.

3.3

Das gesamte Konzept für die Inangriffnahme und Verwirklichung dieser politischen Gesamtvision (politisches Projekt) basiert auf der Grundidee der nachhaltigen Entwicklung, wie sie im Gefüge ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension zu verstehen ist.

3.4

Entsprechend den diesbezüglichen Analysen des „Dritten Berichts über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ wirft die Kommission das Problem und die Frage der Organisation und des Verfahrens der Förderung der interregionalen Zusammenarbeit auf.

3.4.1

Es wird vorgeschlagen, die „Ergänzungen zur Programmplanung“ der GFK bzw. die Gemeinsamen Förderkonzepte als Verwaltungsinstrument überhaupt abzuschaffen und durch einen entsprechenden Text über eine gemeinschaftsweit ausgewogene Strategie für den Zusammenhalt zu ersetzen.

3.4.2

Ferner wird festgestellt, dass die bisherige Praxis mit den in den alten Texten festgeschriebenen 60-70 Prioritäten sich nicht bewährt hat, und es wird vorgeschlagen, für jeden Mitgliedstaat differenziert jeweils 3-4 Prioritäten vorzusehen, allerdings mit der Verwaltungsreform als gemeinsamer Priorität. Um den besonderen Gegebenheiten der Mitgliedstaaten besser Rechnung zu tragen, könnte die Europäische Kommission flexiblere und dezentralere Verwaltungsmodalitäten festlegen, bei denen gleichwohl volle Transparenz und strikte Einhaltung der Vorschriften gegeben sein muss.

3.4.3

Genauso wichtig dürfte der Vorschlag sein, die Methode für die Kontrolle der Haushaltsführung zu modifizieren: Statt einer Kontrolle jedes einzelnen Vorhabens wird vorab ein Vertrauenspakt unterzeichnet, durch den die Verwaltungsbestimmungen festgelegt werden. Dies bedeutet allerdings, dass die Kontrollmethode in einem einheitlichen Rahmen zur Anwendung kommt und von allen betroffenen Institutionen akzeptiert wird.

3.4.4

Des Weiteren ist der EWSA besorgt über die wachsende Kluft zwischen den Mittelbewilligungen und den Ausgaben. Es wird angenommen, dass die Differenz am Ende des Programmzeitraums 2007-2013 sich auf 188 Mrd. Euro belaufen wird, d.h. dem Budget eines Haushaltsjahres entsprechen wird. Die Möglichkeit zur Streckung der Mittelausführung der im Rahmen der Strukturfonds eingegangenen Verpflichtungen um ein weiteres Jahr (Umwandlung der n+2-Regel in eine n+3-Regel) wird die bequemere und zeitdruckfreie und somit rationellere und effizientere Nutzung und Valorisierung der bereitgestellten Mittel erleichtern.

3.5

Bei der Diskussion sollte die Feststellung im Mittelpunkt stehen, dass der Gemeinschaftshaushalt und die Finanzinstrumente der EU unmittelbar abhängen vom Grad der wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Mitgliedstaaten und der Höhe ihres BIP.

3.5.1

Deswegen schafft der Gemeinschaftshaushalt durch seinen Beitrag zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung auch der zehn neuen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für eine künftige Verbesserung und Erweiterung der Grundlage für die Berechnung der Eigenmittel. Die Stärkung der einzelstaatlichen Kapazitäten und die Steigerung des BIP der einzelnen Mitgliedstaaten bewirken eine Stärkung des Gemeinschaftshaushalts aufgrund der höheren Beiträge der Mitgliedstaaten (Prozentwert auf breiterer Grundlage).

3.5.2

Ferner ist festzustellen, dass die Integration der Märkte der neuen Mitgliedstaaten in den EU-Binnenmarkt die Verbesserung der Wachstumsperspektiven der EU-15 garantiert. Es wäre nicht besonders schwierig, die Größenordnung des zusätzlichen Wachstums zu bewerten, das jeder einzelne Mitgliedstaat der EU-15 von den vielschichtigen Auswirkungen der Entwicklung der neuen Mitgliedstaaten und der Integration ihrer Märkte in den europäischen Binnenmarkt erwarten kann. Auf jeden Fall wird dieses zu erwartende zusätzliche Wachstum der Mitgliedstaaten der EU-15 ein Mehr an Mitteln für den Gemeinschaftshaushalt bedeuten.

3.5.3

Darüber hinaus sollte nach dem Dafürhalten des EWSA mit Blick auf eine Verteilung der EU-Mittel entsprechend dem grundlegenden Ziel – der Konvergenz – vorrangig den Bedürfnissen der neuen Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden, in denen sich der größte Teil der weniger entwickelten Regionen befindet und der Integrationsprozess noch nicht abgeschlossen ist.

3.5.4

Der EWSA ist der Ansicht, dass nicht nur bei der Obergrenze des EU-Haushalts, sondern auch bei den Prognosen für diesen Haushalt besondere Umsicht an den Tag gelegt werden muss. Denn der Haushaltsplan basiert auf dem Bruttoeinkommen der EU, das jedoch nur anhand einer Arbeitshypothese hinsichtlich des Wirtschaftswachstums, der Wechselkursrelation zwischen Euro und Dollar, des Rohölpreises usw. vorausgeschätzt werden kann. Folglich gibt es zahlreiche Unwägbarkeiten, die den Gesamtumfang der Finanzmittel beeinflussen. Deswegen empfiehlt der EWSA der Europäischen Kommission, alternative Szenarien auf der Grundlage pessimistischer bzw. optimistischer Annahmen auszuarbeiten, um zu einer Bandbreite zu gelangen, in der sich die Haushaltspläne in den Jahren 2007-2013 bewegen.

3.6

Das Problem, die beiden Parameter finanzielle Bewertung (Abschätzung der Kosten) der großen politischen Ziele und verfügbare (unzureichende) Mittel unter einen Hut zu bringen, lässt sich nach Meinung des EWSA dadurch lösen, dass geprüft wird, inwieweit die verfügbaren Mittel ausreichen, um die Ziele zu verwirklichen.

3.7

Bei dem Prozess der Vereinbarung dieser beiden Faktoren ergibt sich folgendes Dilemma: müssen die politischen Ziele und die sich darauf gründenden Visionen entsprechend den verfügbaren Mitteln heruntergeschraubt werden oder aber müssen die Mittel entsprechend aufgestockt werden, damit die hohen Ziele erhalten bleiben können? Wenn in realistischer und effizienter Weise darauf hingewirkt wird, dass die entsprechenden Mittel verfügbar sind, kann dieser Konflikt rein theoretisch bleiben.

3.8

Da diese Ziele jedoch für die effiziente Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Zukunft als notwendig anzusehen sind, erscheint jedwede „Verwässerung“ dieser Ziele problematisch. Deswegen ist nicht recht einzusehen und auch schwer nachzuvollziehen, warum die Europäische Kommission die erforderlichen Gleichgewichte neu definieren möchte, denn dadurch würden ihre politischen Ziele mit Sicherheit beeinträchtigt.

4.   Optionen für die Obergrenze der Finanzierung des EU-Haushalts

4.1

Wie aus der Kommissionsmitteilung hervorgeht, hat die Europäischen Kommission vor der Unterbreitung ihres Kompromissvorschlags drei denkbare Optionen für die Obergrenze der Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts erwogen und dabei die jüngsten einschlägigen Entwicklungen in die Überlegungen einbezogen.

4.2

Die erste Option bestand darin, die Obergrenze auf 1 % des BIP festzusetzen, was auch den erklärten Vorstellungen einiger Mitgliedstaaten entsprach. Die Europäische Kommission bewertet diese Höhe des Beitrags zur Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts ohne Umschweife als völlig unzureichend.

4.3

Die zweite Option sah eine Obergrenze von 1,3 % des BIP vor. Nach Einschätzung der Kommission ist dieser Beitragssatz nicht übermäßig hoch, ermöglicht es aber der Europäischen Union, den Erfordernissen für eine Erreichung ihrer sämtlichen politischen Ziele besser gerecht zu werden.

4.4

Die dritte Option war die Festsetzung der Obergrenze auf 1,24 % des BIP, sprich den derzeit geltenden Finanzrahmen. Die Europäische Kommission stellt allerdings fest, dass wenn die Wahl letztlich auf eine Obergrenze von 1,24 % des BIP fällt, Umstellungen im EU-Haushaltsplan vorgenommen werden müssen, um entsprechenden Handlungsspielraum für die Finanzierung neuer Prioritäten zu haben.

4.5

Schließlich entschied sich die Europäische Kommission für die dritte Option, die aber zwangsläufig Folgendes nach sich zieht:

4.5.1

Erstens die Beibehaltung des derzeitigen Haushaltsrahmens: Dies wirft die Frage auf, ob es letztlich möglich sein wird, mit denselben Haushaltsmitteln, die bislang für weniger Prioritäten verwendet werden, auch neue Prioritäten in Angriff zu nehmen und zu finanzieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Entwicklungsstand der meisten der 10 (und später dann 12) neuen Mitgliedstaaten beträchtlich hinter dem Entwicklungsniveau der Mitgliedstaaten der EU-15 zurückbleibt, und deswegen werden für die effiziente finanzielle Förderung zur Sicherstellung der Entwicklung der neuen Mitgliedstaaten umfangreiche neue Mittel erforderlich sein. In der Kommissionsmitteilung wird hierzu Folgendes festgestellt: „In der erweiterten Union wird das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP mehr als 12 % niedriger liegen als in der Union der Fünfzehn, das Einkommensgefälle wird sich insgesamt verdoppeln.“

4.5.2

Zweitens Umstrukturierungen und Neugewichtungen beim Gemeinschaftshaushalt: Dies wirft die Frage auf, ob diese erforderlichen Umstellungen und Neugewichtungen nicht zu einer „Verwässerung“ der in der Mitteilung der Europäischen Kommission abgesteckten politischen Ziele führen und dadurch die Grundlagen für den Aufbau einer neuen europäischen Zukunft Schaden nehmen.

4.5.3

Drittens wird mit der Verabschiedung und Inkraftsetzung des Verfassungsvertrags die EU in größerem Maße eine bundesstaatliche Struktur und Funktionsweise annehmen im Sinne rückläufiger Subsidiarität, der Erweiterung und des Ausbaus der gemeinsamen europäischen Politiken und folglich auch der hierfür erforderlichen Mittel.

4.5.4

Der EWSA greift einige Textpassagen der Mitteilung heraus, in denen aufgezeigt wird, welche Finanzlücken während des Planungszeitraums 2007-2013 möglicherweise auftreten könnten, so dass die politischen Prognosen über den Haufen geworfen würden und das abgesteckte und vorgeschlagene Projekt nicht in Angriff genommen werden könnte.

4.5.5

Die konziliante, gemäßigte und ausgewogene Darstellungsweise des Kommissionsdokuments hindert die Kommission nicht daran, in (der Einleitung) ihrer Mitteilung folgende Feststellung zu machen: „Da aber die Erweiterung einen asymmetrischen Effekt für den Gemeinschaftshaushalt haben wird - die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen - bedeutet selbst die einfache Erhaltung des “Besitzstandes„ eine Intensivierung der finanziellen Anstrengungen.“ Diese elegant formulierte Feststellung lässt keinen Zweifel daran, dass (nicht etwa eine Steigerung sondern die) schlichte Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Besitzstands nicht möglich sein wird, wenn die Finanzmittel nicht aufgestockt werden.

4.5.6

Die Kommission untermauert ihre Feststellung (in der Einleitung der Kommissionsmitteilung) mit ihrem Verweis auf die Vergrößerung der Kluft zwischen den politischen Ambitionen der EU und der Unfähigkeit ihrer Umsetzung sowie die wegen des mangelnden politischen Willens und unzureichender Ressourcen eingeschränkte Fähigkeit der EU, die Versprechungen in vielen der neuen prioritären Bereiche zu erfüllen.

4.5.7

Feststellungen dieser Art sind auch an anderen Stellen in der Mitteilung zu finden. So wird beispielsweise (in Kapitel II) festgestellt dass, „die Kluft zwischen den Forderungen, die an die Union gestellt werden, und den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln … zu breit geworden ist“, und unmittelbar anschließend wird folgender Warnhinweis gegeben: „Der Union eine Reihe von Zielen aufzutragen und ihr dann die dafür erforderlichen Mittel zu verweigern, würde bedeuten, sie der berechtigten Kritik der Bürger auszusetzen, die sich in ihren legitimen Erwartungen enttäuscht sehen.“

4.5.8

Nach Meinung des EWSA trifft die Erklärung der Kommission zu, dass wenn eine Einigung über die Ziele des europäischen Projekts nicht zustande kommt und die dazu erforderlichen Mittel nicht bereitgestellt werden, „alle Mitgliedstaaten nur verlieren können“.

4.5.9

Diese Einschätzung muss im Verbund mit der Feststellung gesehen werden, dass infolge der im Rahmen des neuen Programmzeitraums 2007-2013 vorgenommenen Integration des Europäischen Entwicklungsfonds in den Gemeinschaftshaushalt der Gemeinschaftshaushalt real nicht mehr in gleicher Höhe bleibt, sondern geringer ausfällt.

4.5.10

Während des neuen Planungszeitraums 2007-2013 würden die gemeinsamen europäischen Politiken gestärkt, während die entsprechenden einzelstaatlichen Politiken begrenzt würden. Diese Entwicklung ist dadurch gerechtfertigt, dass die EU nicht zum reinen Verwalter einzelstaatlicher Politiken mutieren darf. Das gemeinsame Interesse erfordert die Konzipierung und Umsetzung gemeinsamer europäischer Politiken.

4.5.11

Die Steigerung des Mehrwerts kann nicht den einzelstaatlichen Politiken überlassen werden. Die Kommission stellt in aller Deutlichkeit und unmissverständlich fest, dass eine wirksame Steigerung des Mehrwerts eine größere kritische Masse auf transnationaler Ebene erfordert und folglich am besten im Wege gemeinsamen politischen Handelns ins Werk gesetzt wird (Seite 4 der Kommissionsmitteilung).

4.5.12

Deshalb wäre es ein Fehler, dieses Problem durch eine einfache Umverteilung von Ressourcen zwischen den Mitgliedstaaten angehen zu wollen. Es muss vielmehr als Frage der Maximierung der Wirkung der gemeinsamen europäischen Politiken mit dem Ziel einer weiteren Steigerung des Mehrwerts der hierfür bereitgestellten EU-Haushaltsmittel verstanden werden (Seite 4 der Kommissionsmitteilung).

4.5.13

Des Weiteren macht die Kommission in ihren zahlreichen Feststellungen auch auf die Bedeutung gemeinschaftlichen Handelns und die entsprechende Herbeiführung eines europäischen Mehrwerts bei jedem Euro, der aus dem EU-Haushalt ausgegeben wird, aufmerksam.

4.5.14

Ähnliche Hinweise finden sich auch an folgenden Stellen der Kommissionsmitteilung:

in der Einleitung, in der es unter anderem heißt: „Ziel muss es sein, die Wirkung öffentlicher Ausgaben zu maximieren und nationale und europäische Bemühungen so auszurichten, dass sie mehr als die Summe der Einzelelemente darstellen“;

im Abschnitt I.A.1 e), in dem die Funktion der gemeinsamen europäischen Politiken als Katalysator für die Umsetzung der sozialpolitischen Agenda, eines integralen Bestandteils der Lissabon-Strategie, seitens der Mitgliedstaaten analysiert wird;

im Abschnitt I.A.2, in dem der Zusatznutzen der Kohäsionspolitik untersucht wird;

im Abschnitt I.A.3, in dem der von der GAP bewirkte Zusatznutzen aufgezeigt wird;

in Abschnitt I.C., in dem es u.a. heißt: „kohärente Außenbeziehungen können ihren Einfluss weit über das hinaus ausdehnen, was die Mitgliedstaaten für sich oder auch unter Beachtung paralleler Handlungslinien erreichen können“;

in Abschnitt I.C.2, in dem folgendes ausgesagt wird: „die Hebelwirkung der EU-Finanzhilfen (...) würde durch eine derartige gemeinsame Präsenz in den Organen der multilateralen Wirtschaftssteuerung, etwa in der Weltbank, im IWF und in den UN-Wirtschaftsagenturen beträchtlich gesteigert, insbesondere würde der Gegenwert für jeden in diesem neuen Kontext ausgegebenen Euro deutlich zunehmen“;

in Abschnitt I.C.3, in dem der zusätzliche Nutzen der Unterstützung betrachtet wird, die die EU Drittländern gewährt (Vorteile eines EU-Konzepts bei der Krisenbewältigung im Außenbereich);

in Abschnitt III.B, in dem es um die Frage des Zusatznutzens der Einrichtung und des Einsatzes eines neuen Nachbarschaftsinstruments geht.

4.5.15

Der EWSA legt Wert auf die Feststellung, dass es keinen Sinn macht, mit weniger Mitteln mehr Europa erreichen zu wollen. Außerdem wird die Begrenzung der Eigenmittel auf 1 % des BNE letztlich zu Kürzungen der Finanzmittel für die Strukturpolitiken und der Politiken für den Zusammenhalt führen. Bei dem für die GAP bis 2013 vorgesehenen Finanzrahmen werden etwaige weitere Kürzungen infolge der Verringerung des Gemeinschaftshaushalts die Politik für den Zusammenhalt treffen mit dramatischen Folgen bezüglich der Herausforderungen und Erfordernisse, die sich aus der EU-Erweiterung ergeben. Außerdem wird eine derartige Entwicklung alle Entwicklungsinitiativen und –anreize ihres Inhalts und Werts berauben.

4.5.16

Im Lichte der vorstehenden Feststellungen sollten die Vorbehalte der Kommission überwunden werden und eine Anhebung der Eigenmittel des Gemeinschaftshaushalts für den neuen Planungszeitraum 2007-2013 gegenüber dem derzeitigen Finanzrahmen auf eine Obergrenze von 1,30 % des BNE vorgesehen werden. Hierbei muss gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass bei der Annäherung an diese Obergrenze von Jahr zu Jahr keine ungewöhnlichen Abweichungen auftreten.

4.5.17

Diese Auffassung wird durch die Feststellung untermauert, dass ein Teil der aus den Strukturfonds bereitgestellten Mittel über die Ausfuhren der EU-Nettozahler wieder in deren Wirtschaft zurückfließt. Dieser Fragenkomplex wurde bereits auf EU-15-Ebene untersucht und es wird angenommen, dass dieser Mechanismus in gleicher Weise in der EU-25 funktionieren wird. Folglich wird ein wesentlicher Teil der Finanzmittel, die für die Entwicklung der zehn neuen Mitgliedstaaten bereitgestellt werden, in die Nettozahlerländer zurückfließen (IKT-Markt, Erbringung hochspezialisierter Dienstleistungen, Know-how-Importe usw.). Diese Dimension darf mit Blick auf die Konzipierung des neuen Gemeinschaftshaushalts nicht außer Acht gelassen werden. In der Mitteilung nimmt die Kommission auf diesen speziellen Aspekt Bezug mit der Bemerkung, dass die Anwendung der Binnenmarktregeln auf die Kohäsionspolitik einen messbaren Zusatznutzen infolge eines Anstiegs des innergemeinschaftlichen Handels zwischen den rückständigeren Mitgliedstaaten und Regionen einerseits und dem Rest der EU andererseits herbeiführt. Diese Steigerung des innergemeinschaftlichen Handels ist darauf zurückzuführen, „dass rund ein Viertel der Ausgaben des Programms für diese Gebiete in Form verstärkter Exporte in den Rest der Union zurückfließt.“

4.6

Der EWSA ist voll und ganz mit den Sichtweisen der Kommission bezüglich der Auswirkungen der Verwirklichung der Unionsbürgerschaft einverstanden. Die Vorteile dürfen sich nämlich nicht auf die Freiheiten des Marktes beschränken. Neben Freiheit, Recht und Sicherheit muss auch der Zugang zu den öffentlichen Grunddiensten auf europäischer Ebene garantiert sein. Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass sichergestellt werden muss, „dass der Nutzen eines Europas ohne Grenzen für alle zu gleichen Bedingungen zugänglich ist“. Die Union muss die diesbezüglichen Bemühungen der Mitgliedstaaten ergänzen, was jedoch mit gewissen Kosten verbunden ist.

4.7

Zutreffend ist nach Meinung des EWSA auch die Darstellung der Kommission, dass die geeigneten Instrumente, aber auch die entsprechenden Mittel erforderlich sind, um diese Instrumente nutzen zu können, so dass Europa tatsächlich als regionaler Leader auftreten kann (Entwicklungshilfe, Handelspolitik, Außenpolitik, Sicherheitspolitik, externe Aspekte anderer Politikbereiche - vgl. S. 5 der Kommissionsmitteilung).

4.7.1

Außerdem beschränkt sich aufgrund der Bestimmungen des zur Verabschiedung anstehenden EU-Verfassungsvertrags der von der EU angestrebte Schutz des europäischen Bürgers nicht auf die Anerkennung dieses Schutzanspruchs, sondern schafft auch eine entsprechende rechtliche Zuständigkeit der EU für die Gewährleistung dieses Schutzes und folglich auch Schadenersatzansprüche und -verpflichtungen (beispielsweise Opfer von Terroranschlägen oder Naturkatastrophen).

4.8

Der EWSA befürwortet die Fortschritte bei bestimmten Haushaltstiteln. Allerdings darf dabei die Angemessenheit der finanziellen Umstellungen nicht außer Acht gelassen werden. Für das Kapitel „Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht“ wird für den Zeitraum 2007-2013 eine Anhebung der Mittel um 162 % vorgesehen, die aber nur 2,239 Milliarden Euro entspricht. Im gleichen Zeitraum werden die Agrarmittel um 3 % (1,442 Milliarden Euro) gekürzt. Am Ende des Programmzeitraums werden die Mittel der beiden Kapitel 2 bzw. 26 % des Haushalts betragen. Beim Anteil der Agrarmittel ist zu beachten, dass durch die EU-Erweiterung und Reform weiterer Gemeinsamer Marktorganisationen neue große Herausforderungen für die GAP zu bewältigen sind.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Ein Aspekt, der weder in der Kommissionsmitteilung noch im „Dritten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ angesprochen wird, sich aber je nach Handhabung auf den Gemeinschaftshaushalt auswirken dürfte, ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den zehn neuen Mitgliedstaaten auf den Arbeitsmärkten der 15 bisherigen Mitgliedstaaten und die Anwendung des zwei-, fünf- oder siebenjährigen Übergangszeitraums. Es wäre zu untersuchen, in welchem Maße die Beschränkungen der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den zehn neuen Mitgliedstaaten in den 15 alten Mitgliedstaaten die zu erwartende wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Beitrittsstaaten beeinträchtigen würde.

5.2

Ein weiterer erörternswerter Punkt wäre, die Bereitstellung von Gemeinschaftsmitteln an den Grad der ordnungsgemäßen Umsetzung und Erfüllung der Verpflichtungen zu koppeln, die die zehn neuen Mitgliedstaaten bereits eingegangen sind.

5.3

Die Prüfung der wirtschaftlichen Perspektiven eines Zeitraums erfordert auch die gesonderte Betrachtung der Eigenmittel gegenüber den Haushaltsausgaben. In diese Richtung geht auch der Denkansatz der Kommissionsmitteilung: In Abschnitt IV wird der neue Finanzrahmen mit besonderem Schwergewicht auf dem Ausgabenaspekt erörtert, während in Abschnitt V dann Überlegungen zum Finanzierungssystem angestellt werden.

5.4

In der vorliegenden Stellungnahme liegt das Hauptgewicht auf dem Ausgabenaspekt, denn der EWSA möchte auf das Kapitel Eigenmittel wieder zurückkommen, wenn die Kommission dem Rat den diesbezüglichen Bericht vorgelegt hat.

5.5

In der jetzigen Phase möchte der EWSA trotzdem seine Ansicht in zwei Punkten umreißen:

Die Einführung bestimmter EU-Steuern (die unmittelbar von den europäischen Bürgern an den Gemeinschaftshaushalt abgeführt werden, um dessen Mittel zu erhöhen) ist ein positiver und durchaus interessanter Vorschlag. Bei der Verwirklichung dieses Ansatzes ist allerdings besonders große Umsicht geboten, um zu vermeiden, dass möglicherweise antieuropäische Reaktionen geweckt werden.

Die Einführung eines neuen Beitragssystems, das gerechter ist als das derzeitige System, erscheint wünschenswert. Die einfache Betrachtung der Zahlungsbilanz der Mitgliedstaaten im Vergleich zu ihren Ausgaben zeigt, dass beim gemeinschaftlichen Beitragssystem, so wie es heute angelegt ist, das Pro-Kopf-Einkommen der einzelnen Mitgliedstaaten – das ein zuverlässiger Indikator für den Wohlstand der Bürger des betreffenden Landes ist – nicht berücksichtigt wird.

5.5.1

Andererseits meldet der EWSA erhebliche Vorbehalte hinsichtlich des allgemeinen Korrekturmechanismus an, der nur dazu führen würde, das Prinzip der „angemessenen Gegenleistung“ zu institutionalisieren. Hierbei handelt es sich um eine Form der Solidarität der ärmeren Länder mit den reicheren Ländern, die nicht hinnehmbar ist. In einem Bericht von 1998 (5) hatte die Kommission bereits Simulationen in Bezug auf die Auswirkungen eines solchen Mechanismus durchgeführt. Daraus ergab sich Folgendes: wäre im Jahr 1996 der allgemeine Korrekturmechanismus auf fünf Länder (UK, DE, NL, AT, SE; 48,7 % des BIP) angewandt und wären diese von der Finanzierung der Korrektur ausgeschlossen worden, wäre die finanzielle Last auf die übrigen zehn Länder mit 48,9 % des BSP der EU verteilt worden! Die jüngst erfolgte Erweiterung auf Länder mit einem niedrigeren Lebensstandard würde diese Ungerechtigkeit noch verstärken.

5.5.2

Für den Fall, dass sich ein allgemeiner Korrekturmechanismus als erforderlich erweisen würde, sollten nach Ansicht des EWSA auf jeden Fall bei der Korrektur der Ungleichgewichte nicht die Ausgaben für Strukturmaßnahmen berücksichtigt werden, da mit diesen ausdrücklich das Ziel einer Umverteilung verfolgt wird.

5.5.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass im Hinblick auf einen gegebenenfalls einzuführenden allgemeinen Korrekturmechanismus die Haushaltssalden nur an Hand der operativen Ausgaben berechnet werden sollten, wie dies bereits 1999 in Berlin erwogen worden war. So könnten nachteilige Auswirkungen vermieden werden, die dadurch entstehen, dass die Verwaltungsausgaben der Union und die Ausgaben für die gemeinschaftlichen Politikbereiche dem Land zugewiesen werden, in dem diese Ausgaben tatsächlich getätigt werden. Das entspräche im Übrigen eher dem Konzept der „maßnahmenbezogenen Mittelveranschlagung“, bei der die Verwaltungsausgaben an die sie verursachenden operativen Ausgaben gekoppelt sind und die Mittel für Verwaltungsausgaben auf alle Ausgabenkategorien aufgeschlüsselt werden.

5.6

Was im Übrigen den Bereich der indirekten Steuern angeht, möchte der EWSA den Vorschlag aufgreifen, der in seiner Stellungnahme zur allgemeinen Einführung und der Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft (6) ausgeführt ist und dem zufolge ein europäischer Verkehrsinfrastrukturfonds eingerichtet werden könnte, der durch die Erhebung von 1 Eurocent pro Liter Kraftstoff, der von sämtlichen Kfz verbraucht wird, gespeist werden soll.

5.7

Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission, den Zeitraum der Finanziellen Vorausschau auf die Mandatsperiode der europäischen Institutionen (Europäisches Parlament, Kommission) abzustimmen.

5.7.1

Der EWSA begrüßt, dass die Finanzielle Vorausschau in der Verfassung verankert wurde. Dies wird dem Haushaltsrahmen der EU eine größere Stabilität verleihen.

5.7.2

Der EWSA bedauert jedoch, dass sich der Europäische Rat nicht die Fortschritte des Europäischen Konvents zunutze machen konnte, die die mittelfristige Verabschiedung der Finanziellen Vorausschau mit qualifizierter Mehrheit beinhalteten. Der Europäische Rat hat es bevorzugt, die einstimmige Beschlussfassung beizubehalten und sie mit der Möglichkeit zu kombinieren, zur qualifizierten Mehrheit überzugehen, sofern dies einstimmig vom Europäischen Rat beschlossen wird! Der EWSA befürchtet, dass das Festhalten an der Einstimmigkeit die Union in eine schwere Verfassungskrise stürzen könnte oder die politischen Ambitionen der Union nach unten revidiert werden könnten.

5.8

Der EWSA unterstützt den Vorschlag, dem zufolge das Europäische Parlament zum maßgeblichen, für den Gemeinschaftshaushalt zuständigen Gremium erhoben wird, dergestalt, dass das Parlament für den gesamten Haushalt (sprich die obligatorischen wie auch die nicht-obligatorischen Ausgaben) zuständig ist.

5.9

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass trotz der von der Lissabon-Strategie geschaffenen Herausforderungen und des von ihr implizierten Bedarfs an Initiativen im Kommissionstext keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen werden, die geeignet sind, Initiativen zur wirtschaftlichen Entwicklung in der EU auszulösen. Die einzige konkrete Idee, die im Kommissionstext angesprochen wird, ist die Einrichtung eines „Sonderfonds zur Förderung des Wirtschaftswachstums“ (IV. Der neue Finanzrahmen: C. Flexibilität). Die für diesen Fonds vorgesehene Mittelausstattung ist aber völlig unzureichend. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Umsetzung der Lissabon-Ziele von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 3 % im Jahr ausgeht, die Prognosen für die kommenden Jahre aber lediglich mit lediglich 2,3 % für die EU-27 angenommen werden. Dies bedeutet, dass das dürftige Wirtschaftswachstum seit dem Jahre 2000 den Ausgleich dieses „Wirtschaftswachstumsdefizits“ nicht gestatten wird.

5.10

Folglich müssen diese Mittel nach oben korrigiert werden, damit die grundlegende Voraussetzung für die Förderung und Verwirklichung der Strategie von Lissabon erfüllt werden kann, die eine Änderung unseres Systems für die Investition in Bildung und Forschung nahe legt.

Brüssel, den 15. September 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  KOM(2004) 107 endg.

(2)  KOM(2004) 101 endg. vom 10. Februar 2004.

(3)  CESE 661/2004 vom 28.4.2004.

(4)  Stellungnahme EWSA „Haushaltspolitik und Investitionen“, ABl. C 110 vom 30.4.2004, S. 111.

(5)  Die Finanzierung der Europäischen Union: Bericht der Kommission über das Funktionieren des Eigenmittelsystems.

(6)  ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 36, Ziffer 4.1.


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