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Dokument 52004IE1205

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der Frauenorganisationen als nichtstaatliche Akteure bei der Umsetzung des Abkommens von Cotonou“

    ABl. C 74 vom 23.3.2005., str. 39–44 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
    ABl. C 74 vom 23.3.2005., str. 19–19 (MT)

    23.3.2005   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 74/39


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der Frauenorganisationen als nichtstaatliche Akteure bei der Umsetzung des Abkommens von Cotonou“

    (2005/C 74/08)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Juli 2003 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die Rolle der Frauenorganisationen als nichtstaatliche Akteure bei der Umsetzung des Abkommens von Cotonou“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 7. Juli 2004 an. Berichterstatterin war Frau FLORIO.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 411. Plenartagung am 15./16. September 2004 (Sitzung vom 15. September) mit 115 gegen 8 bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Bei den Maßnahmen der Europäischen Union zugunsten der Entwicklungsländer – insbesondere der AKP-Länder – konnte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die Herausformung der Entwicklungszusammenarbeit der EU beobachten. Diese tendiert immer mehr zu einem partizipativen Ansatz, d.h. zur Beteiligung und Anerkennung der Rolle der nichtstaatlichen Akteure (NSA) bei der Definition und Durchführung der Maßnahmen. Institutionen und NSA ergänzen sich dadurch gegenseitig im Sinne einer gesteigerten Wirkung der Entwicklungsprogramme.

    Das Abkommen von Cotonou ist derzeit das einzige Beispiel für die Institutionalisierung einer solchen Beteiligung, denn in ihm werden die Regierungen zur umfassenden Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an den verschiedenen Etappen nationaler Entwicklungsstrategien aufgefordert.

    1.2

    In Anbetracht dieser Grundgedanken sowie der Tatsache, dass der Ausschuss sich bereits in einer Stellungnahme zur „Rolle der Zivilgesellschaft in der europäischen Entwicklungspolitik“ äußerte, erscheint es ihm wichtig, die Frage der Beteiligung der Frauen und ihres grundlegenden, eigenen Beitrags zur Definition und Durchführung entwicklungspolitischer Maßnahmen in den AKP-Ländern im Rahmen des Cotonou-Abkommens zu vertiefen. Der Ausschuss will darauf hinweisen, wie wertvoll ihr Beitrag sein und wie dieser im Rahmen der Cotonou-Abkommen sowie bei allen entwicklungspolitischen Maßnahmen umfassend zur Geltung gebracht werden kann.

    1.3

    Ferner hat der Ausschuss als Sprachrohr der organisierten Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene früher schon „… die grundlegende Rolle der Frauen als erstrangige Akteure der Entwicklung“ hervorgehoben und die Notwendigkeit betont, „ihre Organisationen zu fördern und ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme an den Beratungs- und Entscheidungsgremien zu sichern“ (Stellungnahme zu dem „Grünbuch über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert - Herausforderungen und Optionen für eine neue Partnerschaft“, Berichterstatter: Herr Malosse, EXT 152/1997).

    Von einer wirklichen Beteiligung der nichtstaatlichen Akteure im Allgemeinen und der Frauenorganisationen im Besonderen kann allerdings noch lange nicht gesprochen werden.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1

    Im jüngsten Bericht der Weltbank (World Development Report 2004) ist von einem globalen Markt die Rede, der nicht mehr den Erfordernissen der Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Beschäftigung entspricht, insbesondere was die Beseitigung der Hemmnisse betrifft, die ein gerechtes und nachhaltiges Wachstum in allen Ländern auf der Nord- und Südhalbkugel behindern. Im Jahr 2002 betrug das Pro-Kopf-Einkommen von fünf Sechsteln der Weltbevölkerung weniger als 1.200 Dollar, wohingegen das restliche Sechstel der größtenteils in den reichsten Ländern der Erde lebenden Weltbevölkerung über ein Jahreseinkommen von durchschnittlich über 26 000 Dollar verfügte.

    2.2

    Bis heute kann keine der internationalen Institutionen (IWF, Weltbank, WTO, IAO, UNO usw.) uneingeschränkt als demokratische und weltweit agierende Regelinstanz operieren und von sich aus die Ungleichheit der wirtschaftlichen Entwicklung von Ländern und sozialen Schichten eindämmen.

    2.3

    Ferner sind die Entwicklungsländer insbesondere in einer Zeit eines in den meisten Ländern schwachen Wirtschaftswachstums dazu gezwungen, von internationalen Einrichtungen empfohlene oder geforderte strukturökonomische Anpassungsmaßnahmen durchzuführen, die für sie schwer tragbar sind und in erster Linie die ärmeren Bevölkerungsteile treffen. Strukturwandel ohne angemessene soziale Schutzmaßnahmen hat zum Anstieg der Armut, prekären Lebensverhältnissen und zu Unsicherheit in den einkommensschwächsten Bevölkerungsgruppen – sowohl des Nordens wie des Südens – geführt.

    2.4

    Im Laufe der letzten Jahre verschärfte sich außerdem die Diskrepanz zwischen regulärer Weltwirtschaft und lokaler Schattenwirtschaft. Personen mit irregulären Beschäftigungsverhältnissen haben keine Arbeitnehmerrechte, auch wenn sie einen realen Beitrag zum Wirtschaftswachstum ihres Landes leisten.

    2.5

    In dem von diesem Phänomen betroffenen Bevölkerungssegment stellen die Frauen die Mehrheit und sind deshalb am meisten durch diese Verhältnisse benachteiligt. Frauen, die in den Entwicklungsländern in Armut leben, haben nicht nur keinen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, sondern sind häufig auch Opfer schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte sowie gegen ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rechte.

    2.6

    Gerade Frauen sind von Armut, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung betroffen.

    2.7

    Auf den verschiedenen Konferenzen der Sonderorganisationen und Organe der Vereinten Nationen wurden zahlreiche Vorschläge für frauenfördernde Maßnahmen, Aktionen und Projekte erarbeitet. Unlängst wurden auf dem Millenniumsgipfel der VN zwei Schlüsseldokumente zu den „Millenniums-Entwicklungszielen“ angenommen. In beiden Texten gehören die Gleichstellung der Geschlechter und die volle Teilhabe der Frauen an den Entscheidungsprozessen sowie die Notwendigkeit der Prävention von Krankheiten und die Gesundheitsfürsorge zu den wichtigsten Themen.

    3.   Europäische Institutionen und Maßnahmen zum „gender mainstreaming“

    3.1

    Nach Artikel 3 EGV wirkt die EU bei allen vorgesehenen Tätigkeiten – einschließlich Entwicklungszusammenarbeit - darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.

    3.2

    Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben die auf der vierten Weltfrauenkonferenz in 1995 in Peking verabschiedete Erklärung und Aktionsplattform unterzeichnet. Darin wurde eine umfassende Strategie zur Beseitigung aller Hindernisse, die der Gleichstellung im Wege stehen, lanciert und der Grundsatz des „mainstreaming“ zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter festgelegt. Als direkte Folge der in Peking eingegangenen Verpflichtungen und der Unterstützung für die Aktionsplattform wurde die Verordnung (EG) Nr. 2836/98 über die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive bei der Entwicklungszusammenarbeit angenommen.

    3.3

    Dieses Rechtsinstrument, das bis Dezember 2003 galt, wurde durch eine neue Verordnung für den Zweijahreszeitraum 2004-2006 ersetzt, welche die Zielsetzungen, d.h. „mainstreaming“ zusammen mit spezifischen Maßnahmen der Frauenförderung unter Förderung der Gleichstellung der Geschlechter verstärkt und als wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung bekräftigt. Darin wird ferner die Unterstützung für öffentliche und private Aktionen in den Entwicklungsländern festgeschrieben, die das Ziel der Förderung der Gleichstellung verfolgen.

    3.4

    Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die „Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit“ ist ein wichtiger Bezugspunkt für die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Als prioritäres und wichtiges Handlungsfeld wird die Möglichkeit von Frauen genannt, auf Ressourcen und Leistungen - insbesondere in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und Teilhabe an der politischen Beschlussfassung - zurückzugreifen und darauf Einfluss zu nehmen. In dem Dokument wird auch die Notwendigkeit geschlechts- und altersspezifischer Statistiken betont, damit neue Methoden für die Maßnahmen, Untersuchungen, Wirkungsanalysen usw. entwickelt und verbreitet werden können.

    4.   Cotonou: Partizipativer Ansatz und Geschlechterfragen

    4.1

    Das am 23. Juni 2000 mit den AKP-Ländern unterzeichnete Abkommen von Cotonou stellt einen Wendepunkt in der Wirtschafts- und Handelspolitik der EU dar. Denn erstmals wird darin die Einbindung der nichtstaatlichen Akteure (NSA) in die Ausarbeitung der nationalen Entwicklungsstrategien festgeschrieben, denen somit neben den staatlichen Institutionen eine wichtige Rolle zukommt. In dem Abkommen werden als NSA definiert: der Privatsektor, die wirtschaftlichen und sozialen Gruppen einschließlich der Gewerkschaftsorganisationen sowie die Zivilgesellschaft in all ihren einzelstaatlichen Ausprägungen.

    4.2

    Das Abkommen sieht vor, dass die nichtstaatlichen Akteure über die Kooperationspolitiken und -strategien, über die Prioritäten der Zusammenarbeit in dem sie unmittelbar betreffenden Bereich und über den politischen Dialog informiert und angehört werden, Zugang zu den Mitteln für die Förderung der lokalen Entwicklungsprozesse erhalten und in die Durchführung der Strategien und Programme in den sie betreffenden Gebieten oder Sektoren einbezogen werden müssen. Außerdem sollen sie Unterstützung und Hilfe beim Ausbau ihrer Kapazitäten erhalten. Dadurch sollen ihre Kompetenzen gesteigert werden, insbesondere in Bezug auf die Organisation, Vertretung und Durchführung der Verfahren der Konsultation, des Austausches und des Dialogs zum Zweck der Förderung strategischer Bündnisse.

    4.3

    Darüber hinaus rückt das Abkommen entsprechend der geltenden Gemeinschaftspolitik den Bezug zwischen Politik, Handel und Entwicklung in den Vordergrund. So stützt sich denn auch die Partnerschaft auf die Wechselbeziehung folgender fünf Säulen: umfassende politische Dimension, Förderung des partizipativen Ansatzes, Ziel der Armutsbekämpfung, Schaffung eines neuen Rahmens für die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit und Reform der finanziellen Zusammenarbeit.

    4.4

    Die Entwicklungsstrategien sollen darüber hinaus systematisch die Gleichstellung von Männern und Frauen berücksichtigen, die eine von drei Querschnittsfragen des Abkommens (Artikel 8 und 31) darstellt.

    4.5

    Vor diesem Hintergrund institutionalisiert das Abkommen von Cotonou die Rolle des Ausschusses als bevorzugter Ansprechpartner der wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen der AKP-Länder. Er hat einen ausdrücklichen Konsultationsauftrag für die Organisationen der Zivilgesellschaft.

    5.   Mitwirkung der Vereinigungen, NRO und Organisationen von Frauen

    5.1

    Mit Blick auf die Leitlinien der Union für die Beteiligung und Geschlechterperspektive und angesichts der Bedeutung, die dem Ausschuss in diesem Abkommen zugewiesen wird, soll die spezielle Rolle der Frauen und ihre Mitwirkung am zivilen Dialog im Rahmen des Abkommens von Cotonou genauer beleuchtet werden.

    5.2

    Selbstverständlich können die Frauen der AKP-Länder nicht als eine homogene Gruppe betrachtet werden, da sie in einer sehr großen Anzahl von Ländern in unterschiedlichen Regionen leben. Dabei handelt es sich um grundlegende Unterschiede in puncto Religion, kulturellem Hintergrund, wirtschaftlicher und gesellschaftliches Stellung, Einkommenshöhe oder ländliches bzw. städtisches Lebensumfeld. Gleichwohl muss nach Wegen gesucht werden, die Frauen in die im Cotonou-Abkommen eingeführten Partizipationsprozesse einzubeziehen – wobei sich Verallgemeinerungen allerdings nur schwer vermeiden lassen.

    5.3

    Eine erste Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass die Geschlechterfragen in den „Leitlinien für die Grundsätze und guten Praktiken einer Mitwirkung der nichtstaatlichen Akteure“ an den Konsultationen und im Dialog über die Entwicklung nur am Rande erwähnt werden. Auch in der „Ersten Bewertung der Bestimmungen des Abkommens von Cotonou im Hinblick auf die Beteiligung der nichtstaatlichen Akteure an den Planungsprozessen“ (vom 23.1.2004) fehlen noch quantitative und qualitative Daten über die Beteiligung der Frauen.

    5.4

    Aussagen in verschiedenen Foren und regionalen Seminaren zufolge scheint in den meisten Fällen die Beteiligung der Vereinigungen, NRO und Organisationen von Frauen an der Ausarbeitung der nationalen Strategien bislang ziemlich dürftig zu sein.

    5.5

    Offenbar klafft zwischen den Absichtsbekundungen und den Erklärungen des Abkommens und ihrer tatsächlichen Umsetzung eine große Kluft. Eher spärlich sind wohl auch die Aktionen und Maßnahmen zur Förderung der Frauenbeteiligung.

    5.6

    Natürlich ist es in einem Umfeld, in dem die Errichtung und Strukturierung eines Dialogs mit der Zivilgesellschaft an sich schon schwierig ist, noch schwieriger, den Raum zu vergrößern, der den Frauen zukommt. Darüber hinaus ist die Umsetzung der Bestimmungen des Abkommens in Bezug auf die Beteiligung von Frauen ein Prozess, der noch in den Anfängen steckt und bei dem sowohl der Kommission, deren Rolle unserer Meinung nach ausschlaggebend sein kann, als auch den Regierungen und den nichtstaatlichen Akteuren selbst, deren Leistungsfähigkeit, Befugnisse und Organisationsgrad je nach Bereich unterschiedlich ausgeprägt sind, die Schlüsselrolle zukommt.

    5.7

    Die Hindernisse, die der Umsetzung eines partizipativen Ansatzes im Allgemeinen im Wege stehen, sind vielfältig und unterschiedlicher Natur. U.a. wurde in einer früheren Stellungnahme (1) auf folgende Punkte hingewiesen:

    der vehemente Widerstand der meisten Regierungen der Drittstaaten gegen einen Dialog mit den nichtstaatlichen Akteuren;

    auch dort, wo dieser Dialog vorgesehen ist, sind die Möglichkeiten der nichtstaatlichen Akteure, de facto Einfluss auf die Festlegung der Programme und der Entwicklungsstrategien zu nehmen, sehr stark begrenzt;

    aufgrund des hohen Zentralisierungsgrades der Verwaltung in diesen Ländern, der die Teilnahme der nichtstaatlichen Akteure im Allgemeinen nicht fördert, werden die lokalen Betroffenen an der Peripherie, vor allem die Betroffenen im ländlichen Raum, die besonders schwer zu erreichen und häufig auch am ärmsten sind, ins Abseits gedrängt;

    es fehlen präzise Regeln und Normen für eine wirksame Teilnahme der nichtstaatlichen Akteure; in vielen Fällen ist die Zivilgesellschaft in den Drittstaaten kaum organisiert: oft ist das Hauptproblem die Entwicklung der Fähigkeiten der Personen, die am Prozess teilnehmen sollten;

    der Zugang zu Finanzmitteln, der in engem Zusammenhang mit der Verbreitung und dem Zugang zu Informationen steht. Die nichtstaatlichen Akteure in den Drittländern beklagen, dass häufig keinerlei systematische Informationsverbreitung erfolgt, und die Verfahren für die Gewährung von Krediten sind – wie die nichtstaatlichen Akteure belegen – in den meisten Fällen allzu aufwendig und kompliziert.

    5.8

    Im Hinblick auf die Beteiligung der Frauen werden diese Hindernisse noch durch objektive Bedingungen verschärft, die einerseits auf sozioökonomische, kulturelle und religiöse Faktoren und andererseits darauf zurückzuführen sind, dass viele Regierungen mit den Grundrechten im Allgemeinen und mit denen der Frauen im Besonderen nur in geringem Maße vertraut sind.

    5.9

    Unter diesem Gesichtspunkt beruft sich das Cotonou-Abkommen auf die Achtung der Menschenrechte, der Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit als wesentliche Elemente der Partnerschaft und sieht vor, dass im Falle schwerwiegender Verstöße entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und diese dem Vertragspartner mitzuteilen sind. Es wäre gleichwohl wünschenswert - und der Ausschuss hat darauf bereits in einer früheren Stellungnahme (Partnerschaftsabkommen AKP-EU, 521/2002, Baeza San Juan) hingewiesen -, dass genauere Kriterien für die Achtung dieser Grundsätze festgelegt werden.

    6.   Frauen in Entwicklungsprozessen und wichtigste Handlungsfelder

    6.1

    Im Grunde steht die Frage nach der Mitwirkung der weiblichen Zivilgesellschaft in engem Zusammenhang mit der Rolle der Frau in den Entscheidungsprozessen und im gesamten Entwicklungsprozess. Von daher wäre ein breiterer Überlegungshorizont angebracht.

    6.2

    Frauen können nicht nur einen wichtigen Beitrag zu Entwicklungsprozessen leisten, sondern sie sollten auch von den Vorteilen und Chancen der Entwicklung profitieren können.

    6.3

    Denn in den Entwicklungsländern und insbesondere in den AKP-Staaten sind die Frauen ein schwaches Glied der Gesellschaft und leiden noch stärker an Armut und Entbehrungen, gerade weil sie keinen ausreichenden Zugang zu den Ressourcen und ihrer Kontrolle haben, was es ihnen ermöglichen würde, die eigenen Lebensbedingungen zu verbessern und zur Wirtschaftsentwicklung ihres Landes beizutragen.

    6.4

    Der Zugang zu den Ressourcen und ihrer Kontrolle erweist sich somit als eine unabdingbare Voraussetzung für die Bekämpfung von Armut und das Ingangsetzen zukunftsfähiger und nachhaltiger Entwicklungsprozesse.

    Ferner erfolgt die Beteiligung von Frauen am Wirtschaftsleben meistens im Rahmen der Schattenwirtschaft, die aber gerade von makroökonomischen Strukturmaßnahmen am unmittelbarsten betroffen ist.

    6.5

    Trotz der Millenniums-Entwicklungsziele, die die Union in der Absicht befürwortet hat, die Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren, besteht die Gefahr, dass sich die Verhandlungsführer beider Seiten nur um politische und makroökonomische Wirkungen kümmern und darüber die umfassenderen Ziele der Auswirkungen der ausgehandelten Ziele auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen außer Acht lassen. Die Initiativen, welche die Europäische Kommission zur Schaffung von Überwachungsinstrumentarien zur Bewertung der Auswirkungen dieser Abkommen ergreift, müssen unterstützt werden.

    6.6

    Unter den von den Vereinten Nationen, der FAO und anderen internationalen Organisationen ausgemachten Problembereichen lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – folgende prioritäre Handlungsbereiche herausfiltern:

    —   Bildung und Ausbildung

    Es ist belegt, dass die Förderung der Bildung und Ausbildung nicht nur das Leben des Einzelnen verbessert, sondern auch positive Folgen für die lokale Gemeinschaft zeitigt. Die Korrelation zwischen Bildung und anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen und ihre Auswirkung auf die Rolle der Frauen (mit Schulbildung) geht aus vielen Untersuchungen, Forschungen und Statistiken hervor. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung, dass schulische Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten auch in den ländlichen und den am meisten benachteiligten Gebieten der Entwicklungsländer zur Verfügung stehen und der kostenlose Zugang sowohl für Frauen als auch für Männer gewährleistet ist. Weltweit besuchen selbst heute noch 24 % der Mädchen im Grundschulalter keine Bildungseinrichtung (bei Jungen beträgt diese Quote 16 %). In den Entwicklungsländern verfügen 61 % aller Männer zumindest über eine Grundschulausbildung, dagegen nur 41 % der Frauen.

    —   Zugang zu Ressourcen

    Der Zugang von Frauen zu Kapitalmitteln, insbesondere die Möglichkeit des leichten Zugangs zu Bank- und Kleinstkrediten, zu Sparmöglichkeiten und Versicherungsdienstleistungen muss als vordringliches Handlungsfeld angesehen werden. Die Verbreitung von Informationen über diese Instrumente gehört zu den zentralen Handlungsmöglichkeiten. Von den Vereinten Nationen wurde bereits eine Reihe diesbezüglicher Empfehlungen vorgelegt, die insbesondere die Verbesserung des Zugangs von Frauen zu Finanzmitteln betreffen. Ferner müssten in Anbetracht der raschen Veränderungen der Wirtschaft und des Weltmarkts alle Aspekte förderungsrelevanter Ressourcen unter frauenspezifischen Gesichtspunkten untersucht werden. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Zugang zu und der Kontrolle von wirtschaftlichen Ressourcen, öffentlichen Gütern und Dienstleistungen sowie Grundeigentum haben die Frauen ihrer Grundrechte, ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, ihres Einflusses und einer unabhängigen Position in den politischen und sonstigen Entscheidungsprozessen beraubt.

    —   Beschäftigungspolitische Maßnahmen

    Trotz einiger kleiner Fortschritte im Bereich der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt kann in den AKP-Ländern in Bezug auf den Zugang zum offiziellen Arbeitsmarkt mit angemessenen Löhnen sicherlich nicht von Chancengleichheit gesprochen werden. In den Entwicklungsländern bietet die Schattenwirtschaft die größten Verdienst- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen. In vielen AKP-Ländern ging der Verlust von Arbeitsplätzen vor allem zu Lasten der Frauen, und häufig ist das Schicksal der Frauen von Arbeitslosigkeit oder von rechtlich nicht geschützter Arbeit, von Schwarzarbeit oder von prekären Arbeitsverhältnissen mit oft unterhalb des Existenzminimums liegender Entlohnung gekennzeichnet. Die Möglichkeit des Zugangs zu Kleinstkrediten, der Förderung von Kleinstunternehmerinnen sowie des Landbesitzes ist für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens des Großteils der Männer und Frauen von grundlegender Bedeutung. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen wird dieses Recht Frauen in zahlreichen Entwicklungsländern praktisch verwehrt. Eine Untersuchung der Kreditvergabe in fünf afrikanischen Ländern hat ergeben, dass 10 % der Kredite für Kleinlandwirte an Frauen ausbezahlt wurden – und die restlichen 90 % an Männer.

    —   Frauen und Gesundheit

    Die reproduktive Gesundheit und das allgemeine Recht der Frau auf Gesundheit sind in vielen Entwicklungsländern keine geläufigen Begriffe, und dies hat äußerst negative Folgen nicht nur für die einzelnen Frauen, die lebensgefährlichen Risiken ausgesetzt sind, sondern für die Gesellschaft insgesamt. Die Schwierigkeiten bei der Behandlung und Prävention von HIV/AIDS sowie die Auswirkungen der Verbreitung der Krankheiten auf Wirtschaft und Gesellschaft in zahlreichen Ländern – vor allem in Subsahara-Afrika – sind ein Beispiel für den Ernst der Lage.

    Die sexuellen und biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau spiegeln sich auch im Gesundheitswesen und der Körperpflege wider. Die den Frauen zugeteilten Rollen sowie ihr Status werden ihrem Bedürfnis nach angemessenem Zugang zu Gesundheitsfürsorge und zu Arzneimitteln nicht gerecht und missachten außerdem ihre gesellschaftliche Verantwortung. Den unterschiedlichen frauenspezifischen Bedürfnissen wird äußerst geringe Aufmerksamkeit zuteil, was über die gesamte Lebenszeit der Frauen hinweg negative Auswirkungen nach sich zieht. Diese Lage ist dort noch dramatischer, wo das soziokulturelle Umfeld zur Rechtfertigung physischer, psychischer und sexueller Gewalt gegen Frauen neigt.

    —   Bekämpfung aller Arten von Gewalt gegen Frauen

    Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, selbst die Quantifizierung des Problems, bleibt eines der schwierigsten Unterfangen, wenn man an das – auch in westlichen Gesellschaften schwer ans Licht zu bringende – Phänomen der häuslichen Gewalt, die Verstümmelung von Geschlechtsorganen oder an den Menschenhandel denkt. Letztgenanntes Problem, dem Frauen und Mädchen in besonderem Maße ausgesetzt sind, nimmt offenbar ständig zu. Die häufig sehr jungen Opfer sind der sexuellen Sklaverei und anderen Arten von Zwangsarbeit ausgesetzt. Frauen, die in von Kriegen und Konflikten heimgesuchten Ländern leben, sind besonders stark allen Arten der Verletzung ihrer Menschenrechte ausgesetzt.

    7.   Empfehlungen

    7.1

    Diese Ausführungen machen deutlich, dass die Zielsetzungen für die Unterstützung der Frauen und die zu ergreifenden Maßnahmen eindeutiger und entschlossener definiert werden müssen, wenn die Europäische Union tatsächlich auf die Lebensbedingungen von Frauen und armen Menschen positiv einwirken möchte. Unverzichtbar ist vor allem eine größere Aufmerksamkeit in Bezug auf jene Anpassungspolitiken, deren Auswirkungen die Frauen und generell die schwächsten Bevölkerungsgruppen benachteiligt haben. Die Vorteile, die auch für diese gesellschaftlichen Gruppen bestehen, müssen deutlich gemacht werden.

    7.2

    In diesem Zusammenhang muss nach Auffassung des Ausschusses die Bewertung der Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten – insbesondere mit den AKP-Ländern – spezifische Untersuchungen ihrer Auswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen und auf Geschlechterfragen beinhalten.

    7.3

    Mittel zur Stärkung von Verbänden und NRO, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter und für das „empowerment“ der Frauen engagieren, sind von grundlegender Bedeutung für eine umfassende Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen in den Entwicklungsländern und für die Konsolidierung des sozialen Fortschritts und eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums.

    7.4

    In Anbetracht dessen geht es also nicht nur darum, eine umfassendere Einbindung der weiblichen Zivilgesellschaft zu fördern, sondern Grundvoraussetzungen für ihre tatsächliche Mitwirkung, Aufwertung und Förderung zu schaffen, damit sie in gleichem Maße wie die Männer an der Entwicklung ihrer Länder teilhaben können. Die Stärkung der Rolle der Frauen im partizipativen Prozess ist für die Erlangung von Entscheidungsbefugnissen ein entscheidender Faktor.

    7.5

    Die wichtigste Voraussetzung ist in jedem Fall, dass den Frauen ein gleichberechtigter Zugang zur Bildung und Ausbildung gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang sollten alle Programme und Projekte, die dieses Ziel verfolgen, gefördert werden – von der ersten Alphabetisierung bis hin zur Unterstützung der Informatisierung und der Vernetzung von Frauenverbänden, um die Mitwirkung und die Aufwertung der Rolle von Frauen in der nationalen Entwicklung zu untermauern und zu gewährleisten.

    7.6

    Im Rahmen des von der Kommission angestoßenen Dezentralisierungsprozesses kommt den in den „Leitlinien für die Grundsätze und guten Praktiken einer Mitwirkung der nichtstaatlichen Akteure (24.2.2002)“ aufgeführten Delegationen besondere Bedeutung zu. Diese verfügen über einen großen Ermessensspielraum bei der Wahl der geeigneten Mittel und haben für eine größtmögliche Einbeziehung der nichtstaatlichen Akteure Sorge zu tragen. In den Leitlinien sind zwar keine expliziten Empfehlungen zu Teilhabe und Rolle von Frauenorganisationen zu finden, doch können die Delegationen nach Auffassung des Ausschusses eine wichtige Rolle bei der Ermittlung von Frauenverbänden und ihrer Beteiligung am zivilen Dialog, ihrer Vernetzung und der Formulierung einer Strategie zur Kapazitätsförderung für Frauen spielen.

    Den Delegationen sollte bei der Förderung des „Gender mainstreaming“ besondere Verantwortung übertragen werden, und mindestens ein Kommissionsvertreter in den betreffenden Außenstellen müsste eine besondere Fortbildungsmaßnahme für Gleichstellungsfragen absolvieren.

    7.7

    Besondere Aufmerksamkeit muss deshalb darauf verwandt werden, Aufschluss über Umfang und Art bestehender Frauenorganisationen zu bekommen, da diesbezüglich häufig einschlägige Informationen fehlen.

    Der Ausschuss kann bei der Suche nach europäischen Verbänden und Organisationen behilflich sein, die sich für die Unterstützung und Teilhabe von Frauen in den AKP-Ländern einsetzen.

    7.8

    In den Dokumenten zu den einzelstaatlichen Strategien müssten sowohl die Beteiligung der Frauen an der Redaktion als auch Maßnahmen und Aktivitäten zur Stärkung von Frauenverbänden ausdrücklich vorgesehen werden. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Kommission dabei ihren Einfluss geltend machen kann.

    Der Ausschuss fordert die Kommission auf, eine besondere Haushaltslinie für Frauenorganisationen der Zivilgesellschaft in den AKP-Ländern einzurichten.

    7.9

    Generell müssten mit Blick auf die Förderkriterien für nichtstaatliche Akteure sowie auf den Zugang zu Finanzmitteln bevorzugte Kommunikationskanäle für Frauenorganisationen geschaffen werden.

    7.10

    Im Rahmen des Cotonou-Abkommens geschaffene Ausbildungsangebote zur Förderung der Tätigkeiten von Frauenorganisationen und -verbänden, die auf lokaler Ebene aktiv sind, können sich als ein nützliches Instrument zur Durchführung dieses Abkommens erweisen.

    7.11

    Der Ausschuss wird in diesem Sinne die Veranstaltung von Seminaren zur Ermittlung und Vertiefung der Fragen im Zusammenhang mit dem Status und der Teilhabe der Frauen in den AKP-Ländern unterstützen.

    7.12

    Der Ausschuss achtet auf eine ausgeglichene Beteiligung weiblicher Delegationen an den von ihm veranstalteten Seminaren und Treffen mit Frauen und Verbänden der AKP-Länder und mit Drittländern im Allgemeinen.

    7.13

    Der Ausschuss hat die Absicht, vor Ablauf der ersten Halbjahrs 2005 eine Konferenz mit Frauen und zivilgesellschaftlichen Organisationen der AKP-Länder mit folgenden Zielen zu veranstalten: verstärkte Beteiligung von Frauen an den Entscheidungsprozessen, Ermittlung der Hemmnisse sowie Konzeption von Strategien auf der Grundlage der Standpunkte der weiblichen Akteure der Entwicklungsprozesse.

    Brüssel, den 15. September 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Die Rolle der Zivilgesellschaft in der europäischen Entwicklungspolitik (REX 097/2003).


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