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Document 52004IE1199

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Tourismuspolitik und Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“

    ABl. C 74 vom 23.3.2005, p. 7–14 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
    ABl. C 74 vom 23.3.2005, p. 2–2 (MT)

    23.3.2005   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 74/7


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Tourismuspolitik und Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“

    (2005/C 74/02)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 29. Januar 2004 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zum Thema „Tourismuspolitik und Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“ zu erarbeiten.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. Juli 2004 an. Berichterstatter war Herr MENDOZA.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 411. Plenartagung am 15./16. September 2004 (Sitzung vom 15. September) mit 148 gegen 1 Stimme bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Einleitung

    1.1

    Im Rahmen seines Engagements für den Tourismussektor in Europa hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss auf seiner Plenartagung am 29. Oktober 2003 die Stellungnahme „Ein für alle zugänglicher und sozial nachhaltiger Tourismus“ verabschiedet.

    1.1.1

    Diese Stellungnahme wurde dann auf dem Europäischen Tourismusforum 2003 vorgestellt, als Beitrag zur Verbesserung des Tourismus im Allgemeinen und des behindertengerechten Tourismus im Besonderen (im Rahmen des Jahres der Menschen mit Behinderungen 2003).

    1.2

    Die Stellungnahme enthält einen allgemeinen Untersuchungsansatz sowie Prinzipien und Vorschläge bezüglich der vielfältigen Möglichkeiten für die Branche in der Zukunft. Dazu werden zehn Bereiche festgelegt, für die jeweils zehn Initiativen vorgeschlagen werden. Ziel der insgesamt einhundert praxisorientierten Initiativen ist - jede für sich und alle zusammen genommen - die Gestaltung eines nachhaltigen und behindertengerechten Tourismus im 21. Jahrhundert.

    1.3

    Der Ausschuss schlägt in der vorliegenden Stellungnahme „Tourismuspolitik und Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“ Aktionen und Maßnahmen vor, mit denen diese Ziele, die im Folgenden als Bezugspunkte dienen, verwirklicht werden können. Darüber hinaus berücksichtigt er die Einzelpersonen, Organisationen, Unternehmen und Einrichtungen, denen aufgrund ihrer besonderen Zuständigkeiten und Kompetenzen (in Zusammenarbeit mit den übrigen Akteuren) die Umsetzung der einschlägigen Maßnahmen obliegt.

    1.4

    In dieser Stellungnahme sollen Methoden der Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor, insbesondere zwischen Behörden einerseits und Unternehmern und Arbeitgeberverbänden andererseits, untersucht und empfohlen werden. Es sollen aber auch Aspekte berücksichtigt werden, die für andere Akteure des Tourismussektors (Arbeitnehmer und Gewerkschaften, Verbraucherverbände usw.) von Bedeutung sind. Letztlich geht es darum, dass alle Akteure im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs verantwortlich handeln. Gleichzeitig sollen Mechanismen und Instrumente aufgezeigt werden, die eingesetzt werden können, um diese Maßnahmen mit den anderen auf dem Gebiet der Tourismuspolitik und des Tourismusmanagements tätigen Akteuren zu koordinieren, um so die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Sektors zu verbessern.

    1.5

    Hervorzuheben ist, dass im Tourismussektor hinsichtlich seiner Entwicklung und Bedeutung in den einzelnen Ländern Europas große Unterschiede bestehen. Allerdings hat sich die öffentlich-private Zusammenarbeit überall als ein geeignetes Instrument zur Verbesserung der Qualität, der Nachhaltigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors erwiesen.

    1.6

    In der öffentlichen Anhörung am 15. April 2004 in Sevilla, Spanien, wurde deutlich, dass bereits zahlreiche Beispiele für eine erfolgreiche öffentlich-private Zusammenarbeit vorliegen. Der eingeschlagene Weg sollte aber fortgesetzt werden, um eine Verbesserung der Qualität, der Nachhaltigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismussektors zu erreichen. Diese Ziele verdienen noch größere Aufmerksamkeit in einem erweiterten Europa, in dem der Tourismus eine Schlüsselstellung einnehmen wird.

    2.   Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren des Tourismussektors

    2.1

    Ziel dieser Stellungnahme kann keine vollkommene Begriffsbestimmung bzw. Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sein. Zur Veranschaulichung und zur Eingrenzung der Analyse sollen diese beiden Sektoren im Folgenden vereinfacht und nur durch eine Aufzählung beschrieben und ihre Position bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus erklärt werden.

    2.2

    Der öffentliche Sektor hat unterschiedliche Verwaltungsebenen (lokal, regional, national und international) und besteht aus Ämtern und Institutionen, die mehrheitlich von diesen Ebenen abhängen und sich entweder durch Steuern oder öffentliche Mittel finanzieren. Es handelt sich also um ein breites Spektrum an Institutionen, z.B. Bildungs- und Fördereinrichtungen, einschließlich privater und gemischter Unternehmen, die aber klar festgelegte Zuständigkeiten haben. Ihre Rolle in der Gesellschaft unterliegt genauen Vorschriften, wobei das Ziel letztlich in der Förderung des Allgemeinwohls besteht. An dieser Stelle sei auf die Erfahrung öffentlicher Unternehmen hingewiesen, die auf dem Markt tätig sind, z.B. der Paradores in Spanien und der Pousadas in Portugal. Der öffentliche Sektor erbringt im Allgemeinen eine Reihe von Grunddienstleistungen, auf die sich die Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Tätigkeit stützen müssen.

    2.2.1

    Besonders erwähnenswert sind die Einrichtungen, die für die Tourismusinformation und -förderung zuständig sind, da hier die Zusammenarbeit bei der Festlegung von Zielen und gemeinsamen Maßnahmen unabdingbar ist.

    2.2.2

    Für die öffentlichen Akteure können die verschiedenen Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit neue Möglichkeiten der Finanzierung von Maßnahmen eröffnen, vor allem in Bezug auf Werbung, Aufbau von Infrastruktur und Qualitätsverbesserung.

    2.3

    Zu den privaten Akteuren gehören die Unternehmen - von Gesellschaften über Genossenschaften bis hin zu Privatunternehmen -, aber auch und vor allem die Sozialpartner – Gewerkschaften und Verbände der Arbeitgeber und der Bürger als Verbraucher und als Privatperson mit unmittelbarem Einfluss auf das Wohl der Gesellschaft. Ihre Interessen und Ziele sind grundsätzlich persönlicher und individueller Natur. Sie verfolgen aber auch insofern soziale Ziele, als sich ihre Tätigkeit direkt oder indirekt auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Deshalb tragen sie sowohl für ihr Handeln als auch für ihr Nichthandeln Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

    2.3.1

    Die zahlreichen Unternehmen unterschiedlicher Art können auch nach ihrer Größe klassifiziert werden: Großunternehmen, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Kleinstunternehmen. Die Größe ist offenbar von Bedeutung, wenn es darum geht, Kooperationsbereiche festzulegen. Dabei zeigen die KMU größeres Interesse an der Zusammenarbeit – vielleicht weil sie abhängiger sind und somit zur Erreichung ihrer Ziele mehr Unterstützung benötigen. Ein weiterer bestimmender Faktor ist das Ausmaß ihres Tätigkeitsbereichs. So sind lokale und regionale Unternehmen eher bereit zu kooperieren als multinationale Konzerne, die wegen ihrer zentralisierten Struktur und ihres uniformen Managementsystems gewöhnlich weniger beweglich sind und vielfältigere Interessen in verschiedenen Fremdenverkehrsorten und an vielen Reisezielen haben.

    2.3.2

    Die Wirtschafts- und Sozialakteure können gemäß den sozialen Gruppen, die sie vertreten, in Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschieden werden. Es ist offensichtlich, dass ihre Verbände bei der Schaffung einer öffentlich-privaten Partnerschaft von größter Bedeutung sind, da sie zwar grundsätzlich private Interessen verfechten, ihre kollektiven Interessen aber denen des Gemeinwohls sehr nahe stehen und deshalb einfacher zu koordinieren sind. Die Professionalität ihrer Vertreter kann für den Erfolg der Schaffung einer Partnerschaft wichtig sein (und sie ist dies gewöhnlich auch).

    2.3.3

    Der soziale Sektor umfasst eine breites Spektrum an privaten Organisationen und Einrichtungen, die sich wie die wirtschaftlichen und sozialen Akteure für private und kollektive Interessen engagieren, z.B. Verbraucher-, Umweltschutz- und Nachbarschaftsverbände. Sie sind normalerweise zuverlässige Partner im Rahmen von im Tourismussektor entwickelten Kooperationsvorhaben, die gelegentlich weitere Akteure zu einer Beteiligung motivieren

    2.3.4

    Auch wenn sie nicht im Mittelpunkt dieser Stellungnahme stehen, soll darauf hingewiesen werden, dass es andere mögliche und wünschenswerte Formen der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Ebenen der öffentlichen Verwaltung einerseits und unterschiedlichen Arten von Unternehmen gibt. Eine solche Zusammenarbeit kann vertikal oder horizontal strukturiert sein.

    3.   Derzeitige Situation

    3.1

    Die Bandbreite der Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren umfasst vier mögliche Szenarien, die in Reinform zwar nur selten vorkommen, aber bestimmte reale Tendenzen widerspiegeln.

    3.1.1

    Antagonismus: Bei diesem Szenario handelt es sich um ein konfrontatives Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, die sehen oder zu sehen glauben, dass die jeweils andere Partei ihre Ziele und Interessen ablehnt oder sogar behindert. Häufig hält der private Sektor den öffentlichen Sektor für einen Störfaktor bei der Erreichung seines Rentabilitätsziels, da letzterer seiner Auffassung nach nicht die Infrastruktur bereitstellt, die für eine angemessene Entwicklung der Tätigkeiten erforderlich wäre, und weil es darüber hinaus zu wenige oder zu schlechte öffentliche Dienstleistungen für Touristen oder Tourismusunternehmen gebe. In anderen Fällen betrachten die Unternehmen die Behörden als Steuereintreiber, die zunehmend einen Sektor schröpfen, der einem dramatischen Preiswettbewerb unterliegt. Oder sie sind der Ansicht, dass die Behörden für Wettbewerbsverzerrungen verantwortlich sind, die auf der unterschiedlichen Besteuerung auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene beruhen, und fordern deshalb eine Steuerharmonisierung, z.B. der Mehrwertsteuer auf touristische Dienstleistungen. Insgesamt haben die privaten Akteure den Eindruck, dass sie sich gegen den öffentlichen Sektor zur Wehr setzen müssen, da dieser ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht fördert, sondern schmälert.

    3.1.1.1

    Im Falle antagonistischer Beziehungen zwischen öffentlichem und privatem Sektor erkennen aber auch die Behörden möglicherweise im privaten Tourismussektor eine Quelle von Problemen, Hindernissen und Verzerrungen bei der Erreichung ihrer öffentlichen Ziele in Bezug auf sozialen Wohlstand, Schutz und Nachhaltigkeit der Naturressourcen, sozialen Zusammenhalt und Verantwortung der Unternehmen gegenüber der ortsansässigen Bevölkerung.

    3.1.1.2

    Durch die Medien wird sich die Gesellschaft mehr oder weniger der aus diesen Beziehungen resultierenden internen und externen Spannungen und Konflikte bewusst; so entsteht ein Klima, das sich durch verhärtete Fronten und fortwährende gegenseitige Anschuldigungen auszeichnet und weder dem privaten noch dem öffentlichen Sektor bei der Verwirklichung ihrer Ziele dienlich ist.

    3.1.1.3

    Natürlich ist ein solches Klima auch nicht besonders dazu geeignet, einen sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen sowie wettbewerbsfähigen Tourismus zu erreichen. Zufrieden mit dieser Situation sind deshalb weder die Verbraucher und die lokale Bevölkerung noch die Unternehmer, die versuchen, das Potenzial des Tourismus auszuschöpfen, um Wohlstand zu schaffen und zu verteilen.

    3.1.2

    Koexistenz: In diesem Szenario tolerieren sich die Behörden und die Privatunternehmen; sie bemühen sich unabhängig voneinander um die Verwirklichung ihrer jeweiligen Ziele, halten sich an ihre jeweiligen Kompetenzbereiche, erfüllen ihre gesetzlichen und sozialen Pflichten und achten die Rechte der anderen Akteure des Tourismussektors. Dieses Szenario der wechselseitigen Toleranz ist zwar dem vorgenannten Szenario vorzuziehen, es reicht aber sicherlich nicht aus, um einen nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, der nach Auffassung des Ausschusses für das 21. Jahrhundert angemessen wäre. Es handelt sich um ein relativ verbreitetes Szenario in Gebieten, in denen der Fremdenverkehr nicht die wichtigste Wirtschaftstätigkeit darstellt, sondern nur das in anderen Sektoren erworbene Einkommen ergänzt, oder in Dörfern und Städten mit diversifizierten Wirtschaftsstrukturen, in denen der Tourismus nur einen geringen Prozentsatz der lokalen Wirtschaftstätigkeit ausmacht.

    3.1.3

    Koordinierung: Dieses Szenario zeichnet sich durch eine gewisse Koordinierung der Maßnahmen, Strategien und Aktionen zwischen den verschiedenen öffentlichen und privaten Akteuren im Tourismussektor aus. Zwar verfolgen die Akteure eigene Ziele, sehen aber auch, dass die Verwirklichung gemeinsamer Ziele durch Partnerschaftlichkeit und wechselseitige Information erleichtert wird, was schließlich der Gesellschaft als Ganzes zugute kommt. Die Hauptinstrumente sind in diesem Szenario Information und Kommunikation (sowohl in Bezug auf Politiken als auch auf Maßnahmen) zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Kommunikation entsteht im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten wie Arbeit in Arbeitsgruppen, Foren, Informationsveranstaltungen usw. Voraussetzung ist eine relativ hohe Kooperationsbereitschaft der öffentlichen und privaten Akteure, was nach Auffassung des Ausschusses dem Ziel der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit des Tourismus förderlich ist. Dieses Szenario findet sich meist in typisch touristischen Situationen und Orten mit ausgeprägtem Fremdenverkehr und mit öffentlichen und privaten Akteuren, die sich der Bedeutung des Fremdenverkehrs für die lokale Bevölkerung bewusst sind.

    3.1.4

    Zusammenarbeit: In diesem Szenario verfolgen alle öffentlichen und privaten Akteure eigene Ziele; sie einigen sich aber auch auf gemeinsame Ziele in Bezug auf Maßnahmen und Strategien und sogar Politiken. Dies setzt die Vereinbarkeit der Ziele und die Vision einer hoch entwickelten, aber schwer realisierbaren Tourismusaktivität voraus. Notwendig ist zudem die konsequente Anwendung kurz-, mittel- und langfristiger Kriterien der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Nach Auffassung des Ausschusses handelt es sich hier um das fortschrittlichste Szenario, das mittels des neuen Konzepts des nachhaltigen Tourismus verwirklicht werden muss, um zu gewährleisten, dass die Tourismusindustrie auch künftig wirtschaftlich, sozial und ökologisch nutzbringend ist.

    3.1.4.1

    Es gibt unterschiedliche Instrumente, um diese Form der Zusammenarbeit zu erreichen: Gemeinschaftsunternehmen, Schirmherrschaften, Stiftungen, gemeinsame Institutionen, Beiräte, Partnerschaften usw. In jedem Falle sind aber die gemeinsame Nutzung von Erfahrungen und Fachwissen sowie langfristige Investitionsvorhaben Schlüsselelemente der Zusammenarbeit und der Optimierung der Maßnahmen. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenarbeit die größten Möglichkeiten auf lokaler Ebene bietet, wo öffentliche und private Interessen konkret und unmittelbar zusammenfallen. Auf genau dieser Ebene kann das geeignete Umfeld entstehen, in dem der Tourismus die Entwicklung vorantreiben sowie hochwertige und sozial nachhaltige Arbeitsplätze schaffen kann.

    3.1.4.2

    Ein Tätigkeitsbereich, in dem diese Form der Zusammenarbeit häufig vorkommt, ist die gemeinsame Schaffung von Tourismusprodukten durch öffentliche und private Akteure. Es gibt einige Beispiele für erfolgreiche Produkte, die auf diese Weise erzeugt wurden.

    3.2

    Bei der Betrachtung der derzeitigen Situation kann festgestellt werden, dass die zuvor beschriebenen Szenarien tatsächlich existieren – gelegentlich in Reinform, aber meist mit einer Kombination von Merkmalen, was zu einer Vielzahl von Abstufungen führt. In der vorliegenden Stellungnahme wird angenommen, dass die Zusammenarbeit ein mögliches und wünschenswertes Ziel für den Tourismussektor in Europa und überall in der Welt ist, da sie die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Fremdenverkehrs verbessert. Darüber hinaus sollten die bewährten Verfahren anerkannt und verbessert werden, die in Europa und der Welt im Tourismussektor angewandt werden und die in manchen Fällen vom öffentlichen Sektor initiiert und in vielen Fällen vom privaten Sektor gefördert bzw. geschaffen wurden.

    3.3

    Allgemein lässt sich sagen, dass im Falle der Tourismusorte und -aktivitäten, bei denen die öffentlich-private Zusammenarbeit die Grundlage für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung, Entwicklungsplanung, Krisenbewältigung usw. darstellt, die Effizienz und die Rentabilität der Maßnahmen erheblich verbessert werden. Dies macht die Orte bzw. Aktivitäten letztlich wettbewerbsfähiger.

    3.3.1

    Im Falle von Konfrontation, fehlender Koordinierung oder bloßer Unkenntnis, die bewusster oder unbewusster Natur sein können, werden hingegen die bestehenden Probleme nur noch verschlimmert, Lösungen verzögert, die Wettbewerbsfähigkeit verringert und die Rentabilität erschwert.

    3.3.2

    Mehrere Untersuchungen haben gezeigt und bestätigt, dass nach Ansicht von Touristen die Qualität der während einer Reise oder eines Urlaubs erhaltenen Dienstleistungen zu etwa 50 % von den Dienstleistungen des öffentlichen Sektors und zu etwa 50 % von den Dienstleistungen des privaten Sektors (die vor allem von privaten Unternehmen, genauer gesagt deren Angestellten, erbracht werden) abhängt. Dass Touristen unterschiedliche Qualitätskriterien zu Grunde legen und diese ihren Gesamteindruck von der Qualität eines Produkts beeinflussen, zeigen z.B. mehrere von der Gemeinde Calvià (und anderen Gemeinden in Spanien) im Rahmen der Pläne für touristische Spitzenleistungen durchgeführte Untersuchungen.

    3.4

    Es ist ermutigend zu sehen, dass eine stetige Tendenz hin zu Kooperations- und weg von Konfrontationsszenarien besteht, die vielleicht in den Anfangsjahren der Tourismusindustrie besonders verbreitet waren – also in den Zeiten des raschen Wachstums, als für die Entwicklung der besten Orte an den Küsten oder auf dem Lande noch keine Beschränkungen existierten. In diesen Zeiten verdeckte das Streben nach kurzfristigen Profiten bestimmte Nachhaltigkeitskriterien, die selbst der öffentliche Sektor nicht zu berücksichtigen, in seine Strategien einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor weiterzuentwickeln vermochte.

    3.4.1

    Die Gesellschaft ist sich der langfristigen Faktoren und Grenzen vor allem in Bezug auf die Naturressourcen bewusster geworden, und die Formen des Tourismus stehen heute stärker in Einklang mit sozialen Zielen als in der Vergangenheit.

    4.   Derzeitige Ziele der öffentlich-privaten Zusammenarbeit

    4.1

    Grundsätzlich kann gesagt werden, dass der Hauptzweck der Zusammenarbeit in der Förderung und Bündelung der Ziele bestehen muss, die sich in den Aufgabenbereichen, Strategien und Plänen der beiden Seiten widerspiegeln und deren gegenwärtige und künftige gesellschaftliche Daseinsberechtigung ausmachen. Jede Seite muss ihre eigenen – sowohl individuellen als auch kollektiven – Ziele einbringen und versuchen, sie mit denen der übrigen Akteure zu verbinden.

    4.2

    Es können mehrere Arten von Zielen für die Zusammenarbeit im Tourismussektor unterschieden werden.

    4.2.1

    Sektorspezifische Ziele: Wie bereits mehrfach und auf unterschiedliche Weise gezeigt wurde, ist die Tourismusindustrie von strategischer Bedeutung für die Verwirklichung der vielfältigen Ziele, die den Kern der raison d'être der Europäischen Union, für ihre Politiken und ihren Willen bilden, ein besseres Europa für heutige und künftige Generationen zu gestalten.

    4.2.1.1

    Wegen ihrer direkten Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in dem Umfeld, in dem sie sich vollzieht, kann und muss die Entwicklung des Tourismus ein vorrangiges Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität der europäischen Bürger sein. Um jedoch zu gewährleisten, dass dieses Potenzial auch langfristig genutzt wird, muss der Tourismus eine Reihe von Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die alle Betroffenen (öffentliche und private Einrichtungen, Unternehmen und Verbraucher) beachten müssen. Die öffentlich-private Zusammenarbeit kann und muss hauptsächlich auf die langfristige Sicherung der Entwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismussektors abzielen.

    4.2.1.2

    Es ist zu unterstreichen, dass sich die öffentlich-private Zusammenarbeit als sehr effizient erwiesen hat bei der Bewältigung von Rezessionen oder gar Krisensituationen im Tourismussektor an etablierten Urlaubsorten, die ihre Möglichkeit zur Wohlstandsmehrung zu verlieren drohen. Es bedarf des gemeinsamen Handelns aller Akteure, um die Wirksamkeit und Sichtbarkeit der eingeleiteten Maßnahmen zu verbessern.

    4.2.1.3

    Darüber hinaus zeigt sich, dass in Krisensituationen wie am 11. September 2001 in New York oder jüngst am 11. März 2004 in Madrid alle öffentlichen und privaten Akteure und Entscheidungsträger aufgefordert sind, gemeinsam zu handeln, um die negativen Folgen solcher Tragödien für den Tourismus zu mildern.

    4.2.1.4

    Ein Bereich, in dem sich öffentlich-private Bündnisse und Kooperationen im sektorspezifischen Umfeld als wirkungsvoll herausstellen können, ist der Verkehrssektor. Hier hat die massive Zunahme von Billigfluglinien eine generelle Absenkung der Transportkosten zur Folge gehabt. Öffentlich-private Bündnisse sollten bei dieser Art von Angeboten entsprechende Bedingungen hinsichtlich der Qualität der Dienstleistungen, der Beschäftigung und der Sicherheit gewährleisten.

    4.2.1.5

    Die Ausbildung von Fachkräften in einer bestimmten Branche ist ein klares Ziel im Rahmen jeder menschlichen Tätigkeit. In einer Branche wie dem Tourismus, der eine eindeutige und bedeutende menschliche Komponente aufweist, ist sie umso wichtiger. Die diesbezügliche öffentlich-private Zusammenarbeit ist von wesentlicher Bedeutung, da es im Interesse beider Sektoren ist, die allgemeine und berufliche Bildung der Arbeitnehmer zu verbessern.

    4.2.2

    Soziale Ziele: Es ist nicht möglich, Ziele für die öffentlich-private Zusammenarbeit festzulegen, ohne die sozialen Ziele zu berücksichtigen, die jede menschliche Tätigkeit umfassen sollte. Genauer gesagt sind die lokale Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen grundlegende Ziele des Tourismussektors und folglich auch der Zusammenarbeit in diesem Sektor.

    4.2.2.1

    Die Tatsache, dass Tourismus eine hauptsächlich auf durch Personen erbrachten Dienstleistungen beruhende Wirtschaftsaktivität ist, bedeutet, dass jede neue Tourismusaktivität Arbeitsplätze schafft, auch wenn ein hochwertiger und nachhaltiger Tourismus nur unter entsprechenden Beschäftigungsbedingungen möglich ist.

    4.2.2.2

    Die Verbesserung der sozialen Bedingungen der touristisch orientierten Gemeinden muss sicherlich eines der Ziele einer wirkungsvollen Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor sein. Die jüngsten und die künftigen Änderungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik betreffen eine Reihe europäischer Regionen, die entsprechende Anpassungen vornehmen müssen. Urlaub auf dem Bauernhof könnte als Möglichkeit gefördert werden, die traditionelle landwirtschaftliche Tätigkeit mit einer neuen Aktivität, dem Tourismus, zu verbinden und dabei eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Auch sollte die Förderung des Tourismus als neue Aktivität in Gebieten, die von der Umstrukturierung der Industrie, des Bergbaus usw. betroffen sind, untersucht werden. Diese Alternative für die betroffenen Regionen soll in einer Initiativstellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses ausführlich behandelt werden.

    4.2.2.3

    Der Schutz des kulturellen, archäologischen und architektonischen Erbes gehört zu den sozialen Zielen, die durch öffentlich-private Zusammenarbeit am besten verwirklicht werden können. Dies zeigt sich am Beispiel der Paradores in Spanien und der Pousadas in Portugal, durch die zahlreiche historische Gebäude restauriert und Touristen zugänglich gemacht werden konnten und die Quelle eines beachtlichem Wohlstands in ihrer näheren Umgebung sind. Es handelt sich hier um eine Möglichkeit, öffentliche Güter in staatlicher Hand zu belassen, um für deren praktische Nutzung und Aufwertung zu sorgen. Ähnliches gilt für ländliche Gebiete, die vielen kleinen und mittleren Unternehmen wirtschaftliche Chancen eröffnen. Initiator solcher Maßnahmen müssen aber nicht nur die Behörden sein; im Gegenteil: es gibt viele Beispiele für Paläste und Denkmäler, die privat restauriert wurden und jetzt dank des Fremdenverkehrs gewinnbringende Objekte sind (wie auch bei einer Besichtigung im Rahmen der Anhörung in Sevilla festgestellt werden konnte). Der Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zur EU, die ein außergewöhnliches, noch in Stand zu setzendes Kulturerbe besitzen, bietet die neuartige, große Chance, Tourismus und Denkmalpflege zu verbinden. Bei der Erreichung dieses Ziels kommt den verschiedenen Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit eine große Bedeutung zu.

    4.2.2.4

    Die Tourismusbranche kann auch in anderen Bereichen von der öffentlich-privaten Zusammenarbeit profitieren. Dies gilt zum Beispiel für die Gastronomie als kulturell und touristisch bereicherndem und wichtigem Element, wo sich eine stärkere öffentlich-private Zusammenarbeit zur Verbesserung des Angebots an Delikatessen und Lebensmittelprodukten mit Herkunftsbezeichnungen in Zukunft sicher auch auf das touristische Angebot auswirken wird.

    4.2.2.5

    Ein positiver Schritt könnte die allgemeine Anwendung des Globalen Ethik-Kodex für den Tourismus sein, der vor einigen Jahren von der Welttourismusorganisation (WTO) verabschiedet wurde. Dies würde die Notwendigkeit der öffentlich-privaten Zusammenarbeit unterstreichen.

    4.2.3

    Wirtschaftliche Ziele: Nach allgemeiner Auffassung spielt der wirtschaftliche Aspekt im Tourismussektor eine wesentliche Rolle. Wie bereits festgestellt wurde, hat sich die Tourismusindustrie praktisch in der ganzen Welt, besonders deutlich aber in Europa (und hier vor allem in den Mittelmeerländern) als kraftvoller Motor der Schaffung von Beschäftigung und Wohlstand erwiesen. In diesem Zusammenhang machen die Nachhaltigkeitsziele eine strategische, langfristige (und nicht mittel- oder kurzfristige) Planung erforderlich. Das heißt, es sollten touristische Produkte im Hinblick auf ihre derzeitige und künftige Wettbewerbsfähigkeit entwickelt werden, die kurz-, mittel- und langfristig Gewinne erzeugen und kurz-, mittel- und langfristig ganzjährig sichere und hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Zu den gemeinsamen Zielen einer wirksamen Zusammenarbeit zählen somit die Erreichung und der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und der Wirtschaftlichkeit des Tourismussektors.

    4.2.3.1

    Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind ein weiterer wichtiger Aspekt für die wirtschaftlichen Ziele des Tourismussektors, bei dem Kooperationen notwendig sind, um die Ziele sowohl der Fremdenverkehrsorte (normalerweise vertreten durch die öffentlichen Akteure) als auch der Wirtschaftstätigkeit des Verkaufs touristischer Dienstleistungen (normalerweise vertreten durch die Unternehmen) zu erreichen. Allen – auch den Regionen in Randlage – zugängliche touristische Informationen sind für die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors unabdingbar.

    4.2.3.2

    Mit Blick auf die wirtschaftlichen Ziele der Zusammenarbeit ist darauf zu achten, dass beim Eingreifen des öffentlichen Sektors einerseits unlauterer Wettbewerb vermieden und andererseits Wettbewerbsbedingungen (z.B. Steuervorschriften, die die Markttransparenz beeinträchtigen können) vereinheitlicht werden.

    4.2.4

    Umweltziele: Die Tourismusindustrie ist ein Wirtschaftszweig, vielleicht sogar der einzige, dessen Grunderzeugnis in seiner „natürlichen Anziehungskraft“ besteht, also in Elementen, bei denen die Erfahrung der Natur mit ihrer Vielfalt an Landschaften, Tieren und Pflanzen sowie der Umweltschutz eine wesentliche Bedeutung für die Qualität und Attraktivität des Produkts haben, das die Verbraucher, sprich Touristen, wünschen. Es ist durchaus möglich und erstrebenswert, dass sowohl die öffentlichen als auch die privaten Akteure als Kooperationsziel die Beibehaltung dieser Bedingungen festlegen, die die Nachhaltigkeit der Naturressourcen und einen rationalen und nachhaltigen Umgang mit ihnen und damit ihre Einträglichkeit gewährleisten.

    4.2.4.1

    Der Umweltschutz ist einer der Bereiche, in denen die öffentlich-private Zusammenarbeit ein Instrument zur Erreichung der Umweltqualität sein könnte. In jüngster Zeit haben Ereignisse wie die durch die „Prestige“ ausgelöste Ölpest gezeigt, dass der Umweltschutz sowohl Sache des privaten als auch des öffentlichen Sektors sein muss.

    4.3

    Schließlich müssen die etwaigen Ziele einer angemessenen öffentlich-privaten Zusammenarbeit immer in Einklang mit einem Nachhaltigkeitskonzept stehen, das einerseits drei Dimensionen (Wirtschaft, Gesellschaft und Natur) und andererseits drei Zeiträume (kurz-, mittel- und langfristig) sowie als wesentliches und verbindendes Element die Beteiligung aller Akteure des Tourismussektors umfasst. Nachhaltigkeitspolitik und einschlägige Maßnahmen bilden die Grundlage für diese Form der Zusammenarbeit.

    5.   Grundsätze und Kriterien der Zusammenarbeit

    5.1

    Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Bereich des Tourismus muss sich nach einer Reihe von Grundsätzen richten.

    5.1.1

    Zuständigkeit: Es liegt auf der Hand, dass die betreffenden Akteure zur Schaffung einer soliden, dauerhaften Partnerschaft in der Lage sein müssen, ihre in gegenseitigem Einvernehmen festgelegten Ziele unabhängig voneinander zu verfolgen, und dass ihr jeweiliger Zuständigkeitsbereich deshalb – entweder in Form eines ausdrücklichen rechtlichen Mandats, einer Vollmacht oder nur einer formellen bzw. informellen Vertretungsfunktion – anerkannt sein muss.

    5.1.2

    Mitverantwortung: Die einzelnen Akteure müssen entweder direkt oder indirekt von der Situation, für die die Partnerschaft geschaffen wird, betroffen bzw. daran beteiligt sein.

    5.1.3

    Freiwilligkeit: Nur die, die sich freiwillig entscheiden, aktiv an einer Partnerschaft teilzunehmen, müssen auch den diesbezüglichen Verpflichtungen nachkommen.

    5.1.4

    Demokratie: Die Regeln für Beschlussfassungsprozesse und Vertretungsfunktionen müssen eindeutig sein und im Einklang mit den Prinzipien der partizipativen Demokratie stehen.

    5.2

    Zu den Kriterien für Maßnahmen im Rahmen von Partnerschaften, die die wirkungsvolle Erreichung der Ziele gewährleisten, gehören:

    5.2.1

    Konkretheit: Die Ziele müssen explizit, spezifisch und, falls möglich, in wirtschaftlicher Hinsicht quantifizierbar und befristet sein sowie auf Vereinbarungen beruhen.

    5.2.2

    Relevanz: Die Ziele müssen für alle betreffenden Akteure von direkter oder indirekter Bedeutung sein.

    5.2.3

    Kontrollierbarkeit: Es ist wichtig, dass alle Betroffenen die Ergebnisse ihrer Beteiligung an einer Partnerschaft klar erkennen können; andernfalls verlieren sie das Interesse und ziehen sich zurück.

    5.2.4

    Verhältnismäßigkeit: Es ist unerlässlich, dass die Beteiligung der betreffenden Akteure im Verhältnis zur Größe der zu bewältigenden Aufgabe steht.

    6.   Instrumente und Formen des Zusammenschlusses und der Zusammenarbeit

    6.1

    Um Instrumente und Formen des Zusammenschlusses zu beschreiben, ist es zunächst erforderlich, eine geeignete Ebene zu bestimmen, auf der die Zusammenarbeit sinnvoll ist; das bedeutet, dass die Ebene analysiert und definiert werden muss, auf der sich die Aufgabe stellt, eine Lösung gefunden werden kann und die Kompetenzen aller Akteure aufeinander treffen. Folglich handelt es sich um die lokale Ebene, wenn das Problem ausschließlich lokaler Natur ist und die Kompetenzen zur Ermittlung und Anwendung der Lösungen auf lokaler Ebene liegen. Entsprechendes gilt für die regionale und nationale Ebene.

    6.2

    Ein weiteres grundlegendes Merkmal ist das der Allgemeinheit. Es ist wichtig, dass alle Akteure etwas zur Lösung beitragen können, sei es durch Mittel, Informationen oder die Koordinierung der Aktivitäten.

    6.3

    Es gibt u.a. folgende konkrete Typen der Partnerschaft:

    6.3.1

    Informelle Partnerschaften: Die betreffenden Akteure schließen sich zu einem informellen strategischen Bündnis, einer Arbeitsgruppe, einem Forum o.Ä. (allerdings ohne Rechtspersönlichkeit) zusammen. Beschlüsse werden in diesem Fall mehrheitlich getroffen, sollten aber weder verbindlich sein, noch Verpflichtungen für die Beteiligten enthalten (mit Ausnahme freiwilliger Verpflichtungen).

    6.3.2

    Formelle Partnerschaften: Es handelt sich hier um Konsortien, Stiftungen, öffentliche Unternehmen, Gemeinschaftsunternehmen, Vereinigungen usw., die über Statuten verfügen, in denen die Bedingungen für den Abschluss und die Durchführung von Abkommen festgelegt sind.

    6.3.3

    Die Beteiligung der wirtschaftlichen und sozialen Akteure an der Schaffung eines dauerhaften Rahmens für die auf Rechten basierenden Arbeitsbeziehungen und die Entwicklung von Kollektivverhandlungen werden sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit, Rentabilität, Stabilität und soziale und wirtschaftliche Effizienz des Tourismus auswirken. Neben öffentlichen Behörden und Einrichtungen müssen auch wirtschaftliche und soziale Akteure am sozialen Dialog beteiligt werden, falls das zu erörternde Thema einen solchen Dreierdialog erfordert.

    7.   Bedeutung der Netze der Akteure: Kommunen, Unternehmen, konkrete Projekte

    7.1

    In unserer globalisierten Welt kann eine Wirtschaftstätigkeit nicht ohne die Berücksichtigung anderer Akteure ausgeübt werden. Dieser Grundsatz gilt auch für Kommunen, und im vorliegenden Fall für Fremdenverkehrsorte und Akteure. Nach Auffassung von Fachleuten auf diesem Gebiet wird sich die neue Weltwirtschaft in territorialer Hinsicht auf Netze von Kommunen gründen, die sich um eine Koordinierung ihrer Maßnahmen bemühen. Obwohl die Verantwortlichen in Fremdenverkehrsorten zunächst Wettbewerbsstrategien verfolgen, um Finanzmittel zu erhalten, die Verkaufszahlen zu steigern und ihr internationales Profil zu stärken – kurz, um besser, wettbewerbsfähiger und wachstumsstärker zu werden –, erkennen sie in einer späteren Phase die Notwendigkeit, Beziehungen zu anderen Fremdenverkehrsorten zwecks gemeinsamer Werbemaßnahmen und gemeinsamen Lobbyings bei nationalen Regierungen und/oder internationalen Organisationen aufzubauen.

    7.2

    Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass der Informationsaustausch zwischen Fremdenverkehrsorten in der ganzen Welt notwendig ist, um den gemeinsamen Zielen der Nachhaltigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit ein Stück näher zu kommen. Dazu bedarf es mehrerer positiver Aspekte, insbesondere der Fähigkeit der Vermeidung strategischer Fehler und der Berücksichtigung der besten Instrumente der nachhaltigen Bewirtschaftung der Ressourcen. Ein Netz kann eine Ergänzung und eine Alternative zu den organisierten Vertretungsformen von Kommunen, Unternehmen und Institutionen sein. Nützlich ist dabei die Kommunikations- und Informationstechnologie, da sie informelle, unmittelbare und zweckdienliche Beziehungen zwischen den Mitgliedern des betreffenden Netzes ermöglicht.

    7.3

    Die Einrichtung von Netzen ist nicht immer frei von Schwierigkeiten und negativen Aspekten. Es kommt mitunter zu Interessenkonflikten, die die Zusammenarbeit erschweren, und manchmal sind die stärksten Mitglieder eines Netzes auch die größten Profiteure.

    7.4

    Wie für Gemeinden sind Netze auch für Unternehmen ein effizientes Mittel zur Bereitstellung und zum Austausch von Informationen mit dem Ziel, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihr Ansehen bei den öffentlichen Einrichtungen zu verbessern.

    7.5

    Eine Reihe konkreter Tourismusprojekte basiert auf Netzen. Ein Beispiel ist das EU-Programm URB-AL, das auf die Einrichtung von Städtenetzen für die Zusammenarbeit in zahlreichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und städteplanerischen Bereichen abzielt. Zu diesen Aspekten wird gelegentlich auch der Austausch von Erfahrungen im Zusammenhang mit nachhaltigem Tourismus gefördert.

    8.   Positive Beispiele für die öffentlich-private Zusammenarbeit im europäischen Tourismus

    8.1

    Während der Anhörung am 15. April 2004 in Sevilla wurden verschiedene positive Beispiele für die öffentlich-private Zusammenarbeit erörtert. Folgende Beispiele sind besonders erwähnenswert:

    8.1.1

    Turisme de Barcelona: Dieses Unternehmen wurde 1993 von der Handelskammer Barcelonas, dem Stadtrat Barcelonas und der Stiftung Barcelona Promoció gegründet, um Barcelona als Reiseziel zu fördern. In den letzten zehn Jahren hat Turisme de Barcelona dazu beigetragen, sowohl das Image als auch die touristische Infrastruktur der Stadt zu verbessern. Diese positive Entwicklung spiegelt sich in einer Zunahme von Angebot und Nachfrage, einer stärkeren Hotelauslastung und weiteren Indikatoren wider. Am aufschlussreichsten ist vielleicht, dass in diesen zehn Jahren der Anteil der öffentlichen Zuschüsse am Gesamtbudget von Turisme de Barcelona von 70 % auf nur 20 % gesunken ist, wobei die übrigen Einkünfte aus der Vermittlung von Hotelzimmern stammen. Nennenswert sind auch mehrere erfolgreiche Tourismusprodukte wie Barcelona Bus Turistic, Barcelona Card oder Barcelona Pass sowie die Programme Barcelona Convention Bureau oder Barcelona Shopping Line. Der Erfolg dieser Produkte beruht zweifellos auf der engen und verständnisvollen Zusammenarbeit der Fremdenverkehrsunternehmen und der Behörden, die sich gemeinsam für die Verbesserung der touristischen Infrastruktur in Barcelona einsetzen.

    8.1.2

    ICTE (Institut für spanischen Qualitätstourismus): Anfang der 90er Jahre wurden verschiedene Instrumente zur aktiven Qualitätsverbesserung entwickelt. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Gründung des Instituts für spanischen Qualitätstourismus im Jahr 2000, die als Reaktion auf die Tatsache zu sehen ist, dass die Spitzenposition der spanischen Tourismusindustrie durch den anderswo aufkeimenden Fremdenverkehr im Mittelmeerraum, in der Karibik usw. allmählich ins Wanken geriet. Es wurde eine klare Strategie für eine allgemeine Qualitätsverbesserung festgelegt, die auf der Notwendigkeit der Beteiligung sämtlicher Akteure des Tourismussektors beruht. An sämtlichen Tätigkeiten sind die im Zusammenhang mit dem Sektor stehenden Akteure beteiligt: Hotels, Restaurants, Reiseagenturen, Transportunternehmen, Anbieter von Urlaub auf dem Lande, Golfklubs, Kurorte, Gemeinden und Provinzen. Heute beteiligen sich mehr als 250 Unternehmensverbände, staatliche Stellen, die Autonomen Gemeinschaften und Stadträte, mehr als 3.000 Tourismusunternehmen, die technische Unterstützung erhalten, und 463 Unternehmen und Gremien mit einem Qualitätstourismus-Zertifikat am Integrierten System für spanischen Qualitätstourismus. Wie im Falle Barcelonas ist das ICTE ein positives Beispiel für die öffentlich-private Zusammenarbeit als Mittel zur allgemeinen Qualitätsverbesserung, einem Kernelement der Tourismusaktivität.

    8.1.3

    Weitere Beispiele, die während der Anhörung in Sevilla vorgestellt wurden: Das Modell für öffentlich-private Kooperation in Andalusien, das sich seit zwei Jahrzehnten entwickelt, hat bereits zu fünf Kooperationsabkommen geführt, die alle Produktionssektoren, einschließlich des Tourismussektors, betreffen. Dieses Modell beruht auf der Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft, der Arbeitgebervereinigung Andalusiens und den wichtigsten andalusischen Gewerkschaften, der Unión General de Trabajadores (UGT) und den Comisiones Obreras (CCOO). Es hat insgesamt ein Klima des Vertrauens und der Stabilität geschaffen, die für die Tourismusaktivität notwendig sind.

    8.2

    Ein positives lokalpolitisches Beispiel ist nach Auffassung des Ausschusses, dass der Bürgermeister von Sevilla im Rahmen der Anhörung zum Thema „Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“ die wirtschaftlichen und sozialen Akteure sowie den Tourismussektor im Allgemeinen aufgefordert hat, einen Pakt zu schließen, um zu gewährleisten, dass alle Betroffenen an der Gestaltung, Erarbeitung, Planung, Umsetzung und Bewertung der Tourismuspolitik in ihrem jeweiligen Bereich uneingeschränkt beteiligt sind. Im Rahmen der Förderung der Zusammenarbeit auf lokaler Ebene könnte diese Initiative – zusammen mit anderen derzeit erarbeiteten Initiativen – beispielhaft für Großstädte und Gemeinden unterschiedlicher Größe sein.

    8.3

    Es gibt mehrere Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich des sozialen Tourismus, die darauf abzielen, möglichst vielen Menschen den Zugang zu Urlaubs- und Tourismusaktivitäten zu ermöglichen. Erwähnenswert sind hier die „Urlaubsgutscheine“ (franz. chèques-vacances), die in Frankreich von der Agence Nationale pour les Chèques-Vacances (ANCV, Nationale Agentur für Urlaubsgutscheine) und in Ungarn von der Magyar Szabadidő Társaság (Nationale Gesellschaft für Freizeitgestaltung) verwaltet werden. Weitere nennenswerte Beispiele sind die Seniorentourismus-Programme des Instituto Nacional para o Aproveitamento do Tempo Livre dos Trabalhadores (INATEL, Nationales Institut für die Freizeitgestaltung von Arbeitnehmern) in Portugal und des Instituto Nacional de Servicios Sociales (INSERSO, Nationales Institut für soziale Leistungen) in Spanien, die Förderung von Jugendherbergen in Brüssel durch die Commission Communautaire Française (COCOF, Kommission der französischsprachigen Gemeinschaft) sowie von öffentlichen Bildungsprogrammen und Maßnahmen zur Renovierung von Ferienzentren, die Verbänden wie dem Centro Turistico Giovanile (CTG, Jugendtourismuszentrum) in Italien angehören.

    8.4

    Es gibt zweifellos viele weitere Beispiele für den Erfolg der öffentlich-privaten Zusammenarbeit in Europa und der Welt. Erwähnenswert sind die Beispiele in der sehr nützlichen Veröffentlichung der WTO und der kanadischen Tourismuskommission mit dem Titel „Co-operation and Partnership in Tourism – A Global Perspective“ (2003). Diese Publikation enthält 18 Beispiele für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Tourismussektor auf globaler Ebene, die als bewährte Methoden gelten können und deshalb besondere Aufmerksamkeit verdienen.

    9.   Kooperationsförderung auf europäischer Ebene

    9.1

    Das erweiterte Europa bietet in sämtlichen Sektoren ein sehr dynamisches Umfeld, vor allem im Tourismussektor, der zahlreichen sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite betreffenden Veränderungen unterliegt. Auf dem Gipfel von Lissabon wurde das strategische Ziel festgelegt, die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, bedarf es einer weitgehenden Zusammenarbeit und Abstimmung sowohl auf institutioneller Ebene als auch auf der Ebene des öffentlichen und des privaten Sektors. In der Vergangenheit hat sich die Tourismusindustrie als Motor für Beschäftigung und Wohlstand erwiesen, und sie muss dies auch in einer EU mit 25 und mehr Mitgliedstaaten bleiben. Der Ausschuss fordert die Kommission deshalb auf, die Möglichkeit der Schaffung eines Europäischen Tourismusrates als konkrete Grundlage für die Umsetzung des Kooperationsprinzips auf europäischer Ebene zu prüfen.

    9.2

    Ein solcher Rat könnte sich wie folgt zusammensetzen: Vertreter der europäischen Institutionen (Kommission, Parlament, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss und Ausschuss der Regionen), des Europäischen Jugendrates, der Mitgliedstaaten, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften (in gleich hoher Zahl), Vertreter von europäischen Verbraucher-, Umweltschutz- und Behindertenorganisationen, Vertreter von Verbänden für sozialen Tourismus und Hochschulen sowie anerkannte Fachleute.

    9.3

    Der Europäische Tourismusrat könnte Daten über die bisherige und die künftige Entwicklung des Tourismus sammeln und auswerten, Möglichkeiten zur Förderung der bzw. Beteiligung an den Maßnahmen der Kommission vorschlagen, einen von den verschiedenen Akteuren in anderen Tourismusbereichen der Union weiterzuentwickelnden Referenzrahmen für die Zusammenarbeit vorlegen sowie das Europäische Tourismusforum vorbereiten und die hier erzielten Abkommen überwachen.

    9.4

    Für den Fall, dass die Kommission diesen Vorschlag für angemessen hält, erklärt sich der Ausschuss bereit, an der Gründung des Europäischen Tourismusrates mitzuarbeiten, damit er noch vor dem Europäischen Tourismusforum 2005 voll einsatzbereit ist.

    10.   Schlussbemerkungen

    10.1

    Wir leben in einer globalisierten und doch spezialisierten Welt, die uns zwingt, die Modelle zu überdenken, auf die sich unsere Tätigkeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Raumordnung und Stadtplanung gründet. Dies gilt auch für den Tourismus, der die betreffenden Akteure vor zahlreiche Herausforderungen in Fragen der Qualität, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit stellt.

    10.2

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Ansicht, dass nur durch eine positive Einstellung der öffentlichen und privaten Akteure gegenüber der Zusammenarbeit jene großen Herausforderungen bewältigt werden können, die sich im Rahmen jeder menschlichen Aktivität stellen, insbesondere aber im Tourismussektor, der strategische Bedeutung hat, und durch die Erbringung von Dienstleistungen für Menschen geprägt ist und den kulturellen Austausch ermöglicht.

    10.3

    Die öffentlich-private Zusammenarbeit ist ein zunehmend wichtiger Aspekt positiver Maßnahmen im Tourismussektor. Dieser Aspekt sollte auf möglichst vielfältige Weise gefördert werden, da er zur Verwirklichung der Ziele des Sektors beiträgt. Er muss angesichts der derzeitigen globalen Veränderungen von allen Akteuren in ihren jeweiligen Handlungsstrategien berücksichtigt werden.

    10.4

    Der Ausschuss begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission, auch künftig jedes Jahr ein Europäisches Tourismusforum zu veranstalten, da hier auf europäischer Ebene unter Beteiligung der Akteure des Sektors (vor allem der wirtschaftlichen und sozialen Akteure, Behörden und anderen Einrichtungen) Kooperationsrichtlinien und -kriterien festgelegt werden können, die zu vergleichbaren Initiativen in den Mitgliedstaaten, Regionen und Städten der Europäischen Union, aber auch in bestimmten Sektoren führen können.

    10.5

    Der Ausschuss möchte zur Zusammenarbeit im Tourismussektor beitragen, indem er Begegnungen, Gespräche und Abkommen zwischen Vertretern des Sektors fördert, vor allem zwischen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren, nationalen, regionalen und lokalen Behörden sowie auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung tätigen Verbänden (z.B. Verbraucher-, Umwelt-, Sozialwirtschafts- und Behindertenverbänden). Er wird auch die Zusammenarbeit mit der Welttourismusorganisation (WTO) und dem Internationalen Büro für sozialverträglichen Tourismus (BITS) fortsetzen. Der Ausschuss bekräftigt deshalb sein Angebot, denjenigen als Forum zu dienen, die der Ansicht sind, dass der Tourismus ein individuelles Recht ist und nicht nur als Industrie und als eine Wirtschaftstätigkeit, sondern auch als wichtiger Faktor der persönlichen und menschlichen Selbstverwirklichung, des Verständnisses, der Annäherung und des Friedens zwischen den Völkern betrachtet werden sollte.

    10.6

    Der Ausschuss wird jedes Jahr den Welttourismustag, der von der Welttourismusorganisation ins Leben gerufen wurde, mit einer Erklärung unterstützen. Unter dem Titel „Erklärung von Sevilla zur Tourismuspolitik und zur Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor“ stellt die vorliegende Stellungnahme den Beitrag des Ausschusses zum diesjährigen Welttourismustag sowie zum Europäischen Tourismusforum 2004 in Budapest dar.

    Brüssel, den 15. September 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


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