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Document 52001IE1471

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Europäische Charta für Kleinunternehmen"

ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 11–17 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52001IE1471

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Europäische Charta für Kleinunternehmen"

Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0011 - 0017


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Europäische Charta für Kleinunternehmen"

(2002/C 48/04)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 13. September 2001 gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine ergänzende Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. November 2001 an. Berichterstatter war Herr Giron.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung am 28. und 29. November 2001 (Sitzung vom 28. November) mit 111 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Situation

1.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich in seinen Stellungnahmen vom 24. Mai 2000 und 31. Mai 2001 zur Zweckmäßigkeit und Begründetheit der Europäischen Charta für Kleinunternehmen, nachfolgend "Charta" genannt, geäußert; diese Charta war auf der Europäischen Ratstagung im Juni 2000 in Feira am Ende des portugiesischen Ratsvorsitzes verabschiedet worden. Bei dieser Gelegenheit hatte der Rat die Rolle der Kleinunternehmen als Rückgrat der Wirtschaft und Beschäftigung auf europäischer Ebene anerkannt. Insbesondere hatte er die Notwendigkeit spezifischer Politiken hervorgehoben, die nicht so allgemein gehalten sein sollen wie jene, die undifferenziert unter dem allgemeinen Begriff KMU zusammengefasst werden.

1.1.1. Das Europäische Parlament hat die Charta stark unterstützt und in seinem Bericht über das "Mehrjahresprogramm für Unternehmen und den Unternehmergeist" hervorgehoben, dass die Klein-, Kleinst- und Handwerksunternehmen einen bedeutenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Innovation leisten und bei der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Raumordnung, insbesondere auf dem Land, in den Städten und Vorstädten, eine entscheidende Rolle spielen.

1.2. Mehr als ein Jahr nach Verabschiedung der Charta muss jedoch festgestellt werden, dass die darin ausgesprochenen Empfehlungen zum größten Teil nicht umgesetzt worden sind. Die Charta, die sich ausdrücklich an die Kleinunternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten(1) richtet (Stellungnahme des WSA vom 24. Mai 2000), ist eine politische Erklärung geblieben, der nur wenige und kaum sichtbare Taten folgten, und die in den Mitgliedstaaten erzielten Erfolge wie auch die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen sind kaum bekannt.

1.2.1. Mit mehr als 19 Millionen Unternehmen und 53 % der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft (bezogen auf die privatwirtschaftliche Tätigkeit außer der Landwirtschaft) spielen die Kleinunternehmen aller Art eine erstrangige Rolle für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt Europas. Dennoch werden sie in den sie betreffenden Programmen und Politiken der Gemeinschaft nicht ausreichend berücksichtigt, und zwar in ihrer spezifischen Eigenschaft als Kleinunternehmen, nicht zu verwechseln mit dem üblichen Begriff KMU. Der Ausschuss stellt fest, dass in der Praxis nur wenige Maßnahmen zur Unterstützung der Kleinunternehmen getroffen worden sind und sich die getroffenen Maßnahmen häufig auf punktuelle Aktionen ohne Koordinierung beschränkten.

1.2.2. Der Ausschuss räumt jedoch ein, dass die Kommission bei ihren Maßnahmen und Rechtsakten ihre Berücksichtigung der Kleinunternehmen verstärkt hat, insbesondere im Rahmen des Follow-up der drei europäischen Konferenzen zum Handwerk und den Kleinunternehmen in Avignon 1990, Berlin 1994 und Mailand 1997. Die im Rahmen der Strukturfonds, der Sozial- und Beschäftigungspolitik, der Verwaltungsvereinfachung und der Förderung von Unternehmergeist und Wettbewerbsfähigkeit getroffenen Maßnahmen sind lobenswert und müssen fortgeführt werden.

1.2.3. Der Ausschuss ist jedoch darüber verwundert, dass die zugunsten der Kleinunternehmen und Handwerksbetriebe im Anschluss an die drei europäischen Konferenzen zum Handwerk und durch die im Rahmen der Arbeiten der früheren, für die KMU zuständigen GD XXIII gesammelte reiche Erfahrung ausgelöste Dynamik nach der Umstrukturierung der Kommission bedauerlicherweise verloren gegangen ist.

2. Ziel der vorliegenden Stellungnahme

2.1. Die Umsetzung der Charta obliegt nicht ausschließlich den Unterzeichnerstaaten, sondern auch allen europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission, was in der Charta ausdrücklich vermerkt wurde. Über ihre Rolle bei der Erarbeitung des Mehrjahresberichts über die Umsetzung der Charta vor jeder Europäischen Ratstagung im Frühjahr hinaus könnte die Kommission auch einen wirklichen operationellen Mehrjahresplan für Aktionen und Maßnahmen auf gemeinschaftlicher und nationaler Ebene aufstellen, um eine tatsächliche und wirksame Umsetzung der Charta zu erreichen.

2.2. Zur Behebung dieser Situation hat sich der belgische Ratsvorsitz in seinem am 4. Juli 2001 dem Parlament vorgelegten Wirtschaftsprogramm verpflichtet, die Umsetzung der Charta stärker in den Vordergrund zu rücken.

2.3. In der vorliegenden Stellungnahme werden die wesentlichen ersten Aktionen und Maßnahmen dargestellt, die es in den nächsten Jahren durchzuführen gilt, um die Charta wirksam werden zu lassen.

3. Die Umsetzung der Charta in den Mitgliedstaaten

3.1. Gemäß den Leitlinien der Charta und den Forderungen des Parlaments muss der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung jährlich die von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Charta erzielten Fortschritte kontrollieren. Der Ausschuss fordert den Rat und die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Bericht die spezifische Lage der verschiedenen Arten von Kleinunternehmen und nicht nur die Situation der KMU im Allgemeinen behandelt. Außerdem muss sich dieser Bericht von anderen Veröffentlichungen wie dem Bericht über die Umsetzung des BEST-Verfahrens zur Verwaltungsvereinfachung oder dem Aktionsplan zur Förderung des Unternehmergeistes und der Wettbewerbsfähigkeit unterscheiden.

3.1.1. In diesem Zusammenhang bringt der Ausschuss eine gewisse Unzufriedenheit mit dem kurzen Jahresbericht über die Umsetzung dieser Charta zum Ausdruck, den die Kommission am 7. März 2001 zur Vorbereitung der Europäischen Ratstagung in Stockholm vorgelegt hat. Denn darin werden nur die KMU im allgemeinen Sinne behandelt, und es werden weder die tatsächlichen Auswirkungen der elf vorgelegten Projekte zu Klein- und Kleinstunternehmen noch die Ergebnisse von Maßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsprogramme, die von anderen Kommissionsdienststellen als der GD Unternehmen verwaltet werden, dargestellt.

3.2. Der Ausschuss empfiehlt, diesem Bericht konkrete Maßnahmen folgen zu lassen, und schlägt Leitlinien für Aktionen zugunsten der Kleinunternehmen vor. Er regt an - ebenso wie im Rahmen der beschäftigungspolitischen Leitlinien Empfehlungen an die Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden -, dass dem Bericht über die Umsetzung der Charta Empfehlungen bzw. Leitlinien für die Mitgliedstaaten über die Wirtschaftsentwicklung der Kleinunternehmen und die Stärkung ihrer Rolle bei der Beschäftigungsstrategie folgen sollen.

3.2.1. Wie es im Wortlaut der Charta selbst heißt, vom Parlament in Erinnerung gerufen und vom Ausschuss bekräftigt wird, ist die Charta unmittelbarer Bestandteil der Logik der Prozesse von Luxemburg, Cardiff und Köln. Ohne bezüglich der Charta den Begriff "Prozess von Feira" verwenden zu wollen, ist sie doch völliger Bestandteil dieser Logik und einer ihrer Grundpfeiler. Daher hielte der Ausschuss solche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten für nützlich.

4. Die Umsetzung der Charta auf Gemeinschaftsebene

4.1. Vorbemerkungen

4.1.1. Viele Bereiche der Politik zugunsten der Kleinunternehmen befinden sich zwar weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, jedoch sind die europäische Ebene und die Einbeziehung der Gemeinschaft immer stärker präsent, wenn es um Berufsbildung, Qualifizierung, Besteuerung, ja selbst die Ausübung bestimmter Berufstätigkeiten wie im Bereich der allgemeinen Sicherheit oder der Nahrungsmittelsicherheit geht. Die Kleinunternehmen haben von nun an bei allen Zielen der EU eine entscheidende Rolle zu spielen, auch bei den großen Zukunftszielen wie der Erweiterung, dem Regieren in Europa und dem wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Ihre Interessen, Erwartungen und wirklichen Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden.

4.1.1.1. Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass die Bedürfnisse auf europäischer Ebene nur teilweise und unvollständig bekannt sind. Die Wissenschaft und die Wirtschaft haben sich bislang nicht für eingehende Studien über Kleinunternehmen aller Art interessiert. Der Ausschuss fordert daher, diesen Mangel rasch zu beheben.

4.1.2. Es darf nicht vergessen werden, dass die Charta alle Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft betrifft, die sich auf Kleinunternehmen auswirken können. Die Verantwortung für die Umsetzung der Charta liegt nicht bei einer einzigen Kommissionsdienststelle, und es wäre eine Koordinierung erforderlich. Im Sinne einer wirklichen und offenen Politik der Koordinierung für Kleinunternehmen regt der Ausschuss an, die Konzertierung zwischen den betroffenen Kommissionsdienststellen sowie die Koordinierung mit den europäischen repräsentativen Verbänden der Kleinunternehmen zu stärken.

4.1.3. Im Übrigen obliegt es der EU, alles daran zu setzen, die Übernahme der Charta durch die Bewerberländer zu erleichtern. Denn die Charta stellt für diese Länder eine äußerst wichtige politische Grundlage dar, die es ihnen ermöglicht, die öffentlichen und privaten Anstrengungen zugunsten von Kleinunternehmen und Handwerksbetrieben zu strukturieren und wirksame Wirtschafts- und Sozialpolitiken durchzuführen.

4.1.3.1. Zu diesem Zweck fordert der Ausschuss die Kommission, den Rat und das Parlament auf, Maßnahmen des Austauschs zwischen den repräsentativen Organisationen zu ergreifen bzw. zu verstärken sowie die Gründung zwischengeschalteter Organisationen der Unternehmen zu fördern und zu erleichtern.

4.2. Auf europäischer Ebene im Rahmen der Aktionslinien der Charta geforderte Maßnahmen

4.2.1. Schulung und Ausbildung im Unternehmergeist

- Analyse und Verbreitung der Praktiken der Unternehmensorganisationen und insbesondere der lokalen Operationen am Standort der Organisationen, die den betroffenen Bürgern am nächsten stehen;

- Organisation technischer Treffen zum Austausch zwischen den Koordinatoren dieser Aktionen auf Gemeinschaftsebene und zwischen Mitgliedstaaten sowie Flankierung durch finanzielle Maßnahmen zur Erleichterung des Austauschs;

- Einführung eines spezifischen Programms von Finanzmitteln für die Bewerberländer einschließlich der Organisation von Städtepartnerschaften bzw. der Zusammenarbeit mit Organisationen von Kleinunternehmen aus der EU;

- Aufnahme von Maßnahmen zur Annäherung zwischen Schule und Kleinunternehmen in die Lehrpläne.

4.2.2. Kostengünstigere Registrierung und schnellere Einschreibung

- Verbreitung der Ergebnisse der laufenden Studien unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Situation in den einzelnen Kategorien von Kleinunternehmen;

- Untersuchung der rechtlichen, administrativen und steuerlichen Probleme, die sich den bestehenden Unternehmen stellen, die vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden wollen, insbesondere in den Grenzregionen, aber auch der Probleme, mit denen Unternehmensgründer zu kämpfen haben, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Wirtschaftstätigkeit aufnehmen wollen;

4.2.3. Verbesserung der gesetzlichen und sonstigen Vorschriften

- Systematische Einbeziehung der repräsentativen europäischen Organisationen von Kleinunternehmen schon zu Beginn des Legislativprozesses der Gemeinschaft und Finanzierung von Treffen mit und Reisekostenerstattungen für Sachverständige;

- Systematisierung der Folgenabschätzungsbögen für die Auswirkungen der gemeinschaftlichen Rechtsakte auf die Klein- und Kleinstunternehmen;

- Erleichterung der Übernahme der gemeinschaftlichen Rechtsakte in Kleinunternehmen, indem die zuständigen zwischengeschalteten Organisationen praktische Leitfäden mit bewährten Vorgehensweisen verfassen und verbreiten, die an die praktischen Realitäten jeder Unternehmenskategorie bzw. Berufsgruppe angepasst sind, und diese Leitfäden zwischen den entsprechenden Organisationen verschiedener Mitgliedstaaten austauschen;

- individuelle Analyse der rechtlichen und steuerlichen Situation der Unternehmen und Vergleich mit der Situation von Kapitalunternehmen sowie Vorschläge für geeignete Maßnahmen;

- Untersuchung einer europäischen Satzung der Personengesellschaft (siehe Stellungnahme des WSA, in Vorbereitung; Berichterstatter: Herr Malosse);

- Studie über die Sicherheit des Familienvermögens selbständiger Unternehmer und Einführung eines besonderen Statuts;

- das Fehlen eines europäischen Patents ist für Kleinunternehmen wegen ihrer begrenzten Umsatzzahlen ein Nachteil, der dringend behoben werden muss.

4.2.4. Berufsausbildung, Zugang und Gleichwertigkeit

- Stärkung der Austauschprogramme für Lehrlinge und Verabschiedung eines europäischen ERASMUS-Programms für Auszubildende nach dem Vorbild der Programme für Studenten, die ihre Wirksamkeit bewiesen haben und die Tausenden von Studenten zugute kommen;

- Schaffung eines europäischen Statuts des Auszubildenden zur Vereinfachung der Austauschverfahren und des Lehrstellenwechsels, des sozialen Schutzes und der Konzertierung zwischen den Ausbildungsverantwortlichen;

- Entwicklung der Konzertierung und Zusammenarbeit zwischen Berufsverbänden und Ausbildungsstätten zur Unterstützung einer hochqualifizierten Ausbildung;

- Analyse der Probleme der Kleinunternehmen angesichts des Mangels an qualifizierten Fachkräften und Aufzeigen von Lösungen;

- Erstellung einer europäischen Tabelle der Gleichwertigkeit von Berufsabschlüssen zur Vereinfachung der Anmeldeverfahren angehender Unternehmensgründer in einem anderen Mitgliedstaat.

4.2.5. Verbesserung des Online-Zugangs

- Unterstützung der Unternehmensorganisationen bei der Strukturierung eines angemessenen Online-Dienstleistungsangebots, vor allem in den Bereichen Grundausbildung und lebenslange Weiterbildung, Beratung, Schaffung und Übernahme von Unternehmen.

4.2.6. Bessere Nutzung der Möglichkeiten des Binnenmarktes

In diesem Zusammenhang sind mehrere Maßnahmenbereiche zu nennen:

4.2.6.1. Hinsichtlich der Kenntnisse über Kleinunternehmen und deren Bedürfnisse

- Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse von Kleinunternehmen des Verarbeitungs- oder Dienstleistungssektors bei der Überprüfung der Definition von KMU, was das Kriterium "Umsatz" beitrifft.;

- Durchführung eines Programms statistischer und wirtschaftlicher Studien sowie von "Best-practices"-Analysen durch Wissenschaft und Universitäten im Rahmen der Europäischen Beobachtungsstelle für KMU über Handwerksbetriebe, Kleinstunternehmen und Kleinunternehmen von Freiberuflern;

- statistische und wirtschaftliche Analysen der Klein- und Kleinstunternehmen der Bewerberländer;

- spezifische Analysen und Studien über die Zukunft der Kleinunternehmen und Handwerksbetriebe im Rahmen der Leitlinien der künftigen europäischen Politik zur Zukunft Europas: Zusammenhalt und Erweiterung, Regieren in Europa, Globalisierung;

- gemeinsame Erstellung durch die Kommission und die europäische Handwerksakademie eines Arbeitsprogramms zu den Kenntnissen über Kleinunternehmen, zur Umsetzung der Charta und zur Durchführung von Aktionen, wie sie in der Stellungnahme des WSA über Handwerk und KMU in Europa vom 30. Mai 2001 beschrieben wurden.

4.2.6.2. Zu den Wettbewerbsvorschriften

- Einführung eines Systems zur Beobachtung von Wettbewerbsverzerrungen, mit denen die Kleinunternehmen insbesondere in Grenz- oder Inselregionen zu kämpfen haben, und Entwicklung einer Methode zur raschen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten.

4.2.6.3. Zur Zusammenarbeit zwischen den Organisationen und zwischen den Unternehmen

- Wiederaufnahme der INTERPRISE-Programme zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach einer neuen geeigneteren und flexibleren Formel.

4.2.6.4. Zur Beteiligung der Unternehmen an den Gemeinschaftsprogrammen und -aktionen

- Vereinfachung der Verfahren für die Bewerbung und Bescheinigung von Ergebnissen für Kleinunternehmen und systematischer Einsatz der zwischengeschalteten Beratungs- und Begleitungsorganisationen der Unternehmen;

- Flexibilisierung der Verfahren bei der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen und Neubelebung der Möglichkeit von Direktfinanzierungen in beiderseitigem Einverständnis für transnationale Pilot- und Testaktionen, die sich an eine sehr große Zahl von Unternehmen richten, auf Vorschlag der zwischengeschalteten einzelstaatlichen und europäischen Organisationen.

4.2.6.5. Zur Normung

- Gewährleistung der Beteiligung der Klein- und Kleinstunternehmen an den europäischen Normungsarbeiten und Einführung eines Systems zur Finanzierung der sie vertretenden Sachverständigen. Nach Ansicht des Ausschusses muss das Experiment NORMAPME besonders unterstützt und gestärkt werden;

- Schaffung von spezifischen Instrumenten und technischen Handbüchern, die auf die verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen abgestimmt sind;

- Schaffung und Unterstützung eines Netzes sachverständiger Berater in den zwischengeschalteten Organisationen und Berufsverbänden der Kleinunternehmen, die mit Information und Beratung bei der Umsetzung der Vorschriften und des CE-Zeichens beauftragt sind.

4.2.6.6. Zum Umweltschutz

- systematische Einbeziehung der "Logik der Kleinunternehmen" bei der Erarbeitung von EG-Texten und Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse von Anfang an;

- Vereinfachung der Verfahren nach dem Vorbild der neuen EMAS-Verordnung (Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung), das für die kleinsten Unternehmen stark vereinfachte Verfahren einführt und den Handwerkskammern, den zwischengeschalteten Einrichtungen und Berufsverbänden die Möglichkeit einräumt, auf die Kleinunternehmen abgestimmte Umweltbetriebsprüfungen durchzuführen;

- Einführung und Unterstützung eines Netzes von Umweltratgebern und -vermittlern in den zwischengeschalteten Organisationen zur Information, Ausbildung und Beratung der Kleinunternehmen;

- Schaffung von Steueranreizen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Investitionen und die Einhaltung der Umweltvorschriften.

4.2.7. Steuerliche und finanzielle Fragen

4.2.7.1. Anpassung der steuerlichen Belastung

- Verstärkung der probeweisen Maßnahmen zur Mehrwertsteuersenkung durch allgemeine Mehrwertsteuersenkung für alle beschäftigungsintensiven Wirtschaftstätigkeiten.

4.2.7.2. Eröffnung von Krediten und Förderung gegenseitiger Bürgschaften

- den Kleinunternehmen soll tatsächlich ein besserer Zugang zu den und die Nutzung der bestehenden oder zu schaffenden Instrumente der europäischen Institutionen (EIB, EIF, Kommission) ermöglicht werden, um ihnen den Zugang zu Krediten im Zusammenhang mit Investitionen, den neuen Technologien und den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die Einhaltung der technischen und ökologischen Vorschriften sowie immaterielle Investitionen in die Berufsbildung zu erleichtern; zu diesem Zweck soll die Nutzung dieser Produkte durch Kleinunternehmen analysiert und sollen neue Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs vorgeschlagen werden;

- Schaffung einer wirklichen europäischen Strategie zur Unterstützung bei der Entwicklung gegenseitiger Bürgschaften;

- die vom Basler Ausschuss (Basel II) vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bankenreform, die von der Kommission demnächst in eine Richtlinie aufgenommen werden, dürfen nicht zu einer Verteuerung der tatsächlichen Kreditkosten und einer Verknappung der Kredite für Kleinunternehmen und bei Kleinkrediten führen.

4.2.8. Stärkung und Dynamisierung der technologischen Kapazität der Kleinunternehmen

- Unterstützung der Einsetzung von Technologieberatern/-vermittlern in den zwischengeschalteten Organisationen von Kleinunternehmen und Förderung einer vernetzten Zusammenarbeit;

- Berücksichtigung der Kleinunternehmen und insbesondere der traditionellen Unternehmen im 6. Rahmenprogramm Forschung und Entwicklung;

- Erleichterung der Ausarbeitung von Maßnahmen der gemeinsamen Forschung durch die zwischengeschalteten Organisationen in Verbindung mit der Wissenschaft.

4.2.9. Bewährte Modelle des elektronischen Handels und qualitative Unterstützung der Kleinunternehmen

4.2.9.1. Zum elektronischen Handel

- Unterstützung der von den zwischengeschalteten Organisationen der Unternehmen eingeführten Informations-, Sensibilisierungs- und Experimentiermaßnahmen im Zusammenhang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Beratungsmaßnahmen;

- Unterstützung der Investitionen in Material, in den Erwerb von Software und in die Berufsbildung der Klein- und Kleinstunternehmen.

4.2.9.2. Zur Förderung der Qualitätssicherung in Kleinunternehmen

- auf europäischer Ebene Entwicklung einer wirklichen Politik der Vernetzung zwischen den Organisationen, die Unterstützungsdienste leisten;

- Einführung eines europäischen Pflichtenhefts für Unterstützungsdienstleistungen, in dem die zu erfuellenden Mindestbedingungen zur Entwicklung eines solchen Dienstes in Europa festgelegt werden;

- auf europäischer Ebene Schaffung eines Ausbildungsgangs für Unternehmensberater, der den Forderungen des Pflichtenhefts genügt;

- Unterstützung der Bewerberländer bei der Entwicklung ihres Netzes von Unterstützungsdienstleistungen gemäß den europäischen Bestimmungen.

4.2.10. Entwicklung, Stärkung und effizientere Gestaltung der Interessensvertretung der Kleinunternehmen auf EU- und nationaler Ebene

4.2.10.1. Zur Interessensvertretung der Kleinunternehmen

- Stärkung und Systematisierung der direkten Konzertierung mit den repräsentativen nationalen und europäischen Organisationen der Kleinunternehmen in allen gemeinschaftlichen Bereichen;

- Förderung und Unterstützung der Konzertierung zwischen den Kammern, zwischengeschalteten Organisationen, den Berufs- und Branchenverbänden der Klein- und Kleinstunternehmen sowie der Handwerksbetriebe in den verschiedenen Mitgliedstaaten und ihrer Vertretungen auf Gemeinschaftsebene, damit diese Unternehmen ihre Prioritäten im Rahmen der sie betreffenden allgemeinen und branchenbezogenen Rechtsakte leichter vorbringen können;

- Förderung der Schaffung und der Arbeitweise zwischengeschalteter Organisationen und Branchenverbände dieser Unternehmen in den Beitrittsländern, Unterstützung ihrer Aktionen gegenüber den Unternehmen und der Partnerschaft mit den Schwesterorganisationen der bisherigen Mitgliedstaaten.

4.2.10.2. Zu den Kleinunternehmen im sozialen Dialog

- Gewährleistung der direkten und automatischen Beteiligung der Vertretungseinrichtungen der Kleinunternehmen und Handwerksbetriebe an allen Konsultations- und Beschlussfassungsverfahren auf europäischer Ebene sowie bei allen politischen Treffen auf hoher Ebene;

- bessere Überwachung der Umsetzung der zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten Vereinbarungen und Förderung einer besseren Vertretung der repräsentativen Organisationen des Handwerks und der Kleinunternehmen im sozialen Dialog auf allen Ebenen (auf europäischer, nationaler, sektoraler, branchenspezifischer und betrieblicher Ebene);

- Erstellung einer Sammlung bewährter Praktiken im Bereich der sozialen Verantwortung in Kleinunternehmen und Unterstützung der Verbreitung dieser Sammlung bei den Entscheidungsträgern;

- Unterstützung der Kleinunternehmen, die ihre soziale Verantwortung aktiv wahrnehmen, bei der besseren Informierung ihrer Partner über ihre Maßnahmen.

5. Schlussfolgerungen

5.1. Der Ausschuss betrachtet die Charta als eine erstrangige Chance und Gelegenheit, womit alle politischen Ebenen der EU den 19 Millionen Kleinunternehmen und ihren Beschäftigten beweisen können, dass sie sich der Probleme der Klein- und Kleinstunternehmen bewusst sind und diese berücksichtigen.

5.2. Der Ausschuss bringt seine große Besorgnis und seine Befürchtung zum Ausdruck, dass sich diese Millionen Unternehmer, Selbständige und Beschäftigte von der EU abwenden könnten, wenn die politischen Ebenen ihre Bedürfnisse und Besonderheiten nicht berücksichtigen. Die Auswirkungen dieses Unverständnisses und dieser Distanz wären verheerend für den Aufbau, die Konsolidierung und die Erweiterung der EU zu einer Zeit, da der europäische Zusammenhalt angesichts des internationalen Umfelds noch wichtiger geworden ist.

5.2.1. Die vorliegende Stellungnahme bringt die Besorgnis der Kleinunternehmer und Handwerksbetriebe zum Ausdruck. Die Europäische Kommission sollte in diesem Text die Grundelemente dessen finden, was für das Ergreifen äußerst öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen erforderlich ist, um gemäß den Grundsätzen von Lissabon die Rolle und das Gewicht der Kleinunternehmen im Rahmen eines immer schärferen internationalen Wettbewerbs zu stärken.

5.3. Es ist angezeigt, sich nun für eine wirkliche, wirksame und sichtbare Gesamtpolitik einzusetzen, die einen rechtlichen, steuerlichen und sozialen Rahmen mit europäischer Dimension schafft, der für die Entwicklung der Kleinunternehmen unerlässlich ist. Dieser muss alle schon eingeleiteten und künftigen Einzelmaßnahmen der verschiedenen Kommissionsdienststellen auf Gemeinschaftsebene zu einem operationellen Mehrjahresaktionsplans für Kleinunternehmen zusammenfassen und koordinieren. Der Ausschuss wünscht, dass die Kommission eine dienststellenübergreifende Konzertierung einführt, um ihre Maßnahmen für Kleinunternehmen zu koordinieren und ihre Vorgehensweisen aufeinander abzustimmen. Nach dem Vorbild der Gruppe der Kommissionsmitglieder, die sich mit der Chancengleichheit befassen, würde die europäische Politik zugunsten der Kleinunternehmen viel an politischer und operationeller Wirksamkeit gewinnen, wenn zwischen den höchsten Instanzen der Kommission eine solche Vorgehensweise in die Wege geleitet werden würde.

5.4. Zu diesem Zweck fordert der Ausschuss die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Charta durch einen solchen Mehrjahresaktionsplan schnellstmöglichst in Verbindung mit dem Parlament, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und den wirklich repräsentativen Organisationen des Handwerks und der Kleinunternehmen konkret umzusetzen. Die wirksame Umsetzung dieses Plans und der Erfolg einer europäischen Politik zugunsten der Kleinunternehmen können nur durch einen wirklichen, direkten Dialog und die Konsolidierung der Zusammenarbeit mit den zwischengeschalteten repräsentativen Organisationen des Handwerks und der Kleinunternehmen und den Sozialpartnern gewährleistet werden, indem deren engmaschige und traditionsreiche Strukturen auf allen Ebenen genutzt werden, sowie durch ihre unmittelbare Beteiligung am gesamten Entscheidungs- und Durchführungsprozess, gesichert werden.

5.5. Der Ausschuss fordert den Rat auf, auf einer seiner nächsten Tagungen einen Beschluss zur Umsetzung der Charta durch diesen Mehrjahresaktionsplan zu fassen, der alle Initiativen enthält, die die Kleinunternehmen betreffen, sowie alle Initiativen, die in der vorliegenden Stellungnahme vorgeschlagen werden, und die entsprechenden Haushaltsmittel aus den betreffenden Programmen dafür bereitzustellen. Daher regt der Ausschuss an, das Parlament und der Rat mögen dem im letzten Jahr bei der Prüfung des Mehrjahresprogramms für Unternehmen und den Unternehmergeist unterbreiteten Vorschlag der Einplanung besonderer Haushaltsmittel zustimmen, die der Unterstützung der in der Charta enthaltenen, nicht durch die anderen Programme abgedeckten innovativen Maßnahmen dienen sollen.

Brüssel, den 28. November 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) Empfehlung der Kommission, ABl. L 107 vom 30.4.1996.

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