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Dokument 62011CJ0621

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 18. Juli 2013.
New Yorker SHK Jeans GmbH & Co. KG gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Rechtsmittel - Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke FISHBONE - Widerspruchsverfahren - Ältere nationale Bildmarke FISHBONE BEACHWEAR - Ernsthafte Benutzung der älteren Marke - Berücksichtigung ergänzender, nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegter Beweismittel - Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Art. 42 Abs. 2 und 3 sowie Art. 76 Abs. 2 - Verordnung (EG) Nr. 2868/95 - Regel 22 Abs. 2.
Rechtssache C-621/11 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2013:484

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

18. Juli 2013 ( *1 )

„Rechtsmittel — Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke FISHBONE — Widerspruchsverfahren — Ältere nationale Bildmarke FISHBONE BEACHWEAR — Ernsthafte Benutzung der älteren Marke — Berücksichtigung ergänzender, nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegter Beweismittel — Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Art. 42 Abs. 2 und 3 sowie Art. 76 Abs. 2 — Verordnung (EG) Nr. 2868/95 — Regel 22 Abs. 2“

In der Rechtssache C-621/11 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. Dezember 2011,

New Yorker SHK Jeans GmbH & Co. KG, vormals New Yorker SHK Jeans GmbH, mit Sitz in Kiel (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt V. Spitz,

Klägerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch P. Geroulakos als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Vallis K.-Vallis A. & Co. OE mit Sitz in Athen (Griechenland),

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Mai 2013

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die New Yorker SHK Jeans GmbH & Co. KG, vormals New Yorker SHK Jeans GmbH (im Folgenden: New Yorker Jeans), die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 29. September 2011, New Yorker SHK Jeans/HABM – Vallis K.-Vallis A. (FISHBONE) (T-415/09, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 30. Juli 2009 (Sache R 1051/2008-1) (im Folgenden: streitige Entscheidung) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Vallis K.-Vallis A. & Co OE (im Folgenden: Vallis K.-Vallis A.) und New Yorker Jeans wegen deren Anmeldung der Wortmarke FISHBONE abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 207/2009

2

Durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) wurde die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) kodifiziert und geändert.

3

Art. 15 („Benutzung der Gemeinschaftsmarke“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:

„(1)   Hat der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

…“

4

In Art. 42 („Prüfung des Widerspruchs“) der Richtlinie 207/2009, der zu Abschnitt 4 („Bemerkungen Dritter und Widerspruch“) des Titels IV („Eintragungsverfahren“) dieser Richtlinie gehört, heißt es:

„(1)   Bei der Prüfung des Widerspruchs fordert das [HABM] die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu seinen Bescheiden oder zu den Schriftsätzen anderer Beteiligter einzureichen.

(2)   Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.

(3)   Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.

…“

5

Art. 76 („Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen“) der Verordnung Nr. 207/2009, der zu Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) des Titels IX („Verfahrensvorschriften“) dieser Verordnung gehört, bestimmt:

„(1)   In dem Verfahren vor dem [HABM] ermittelt das [HABM] den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das [HABM] bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

(2)   Das [HABM] braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.“

Verordnung (EG) Nr. 2868/95

6

Regel 22 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 (ABl. L 172, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2868/95) sieht vor:

„Hat der Widersprechende den Nachweis der Benutzung zu erbringen oder den Nachweis, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, so fordert das [HABM] ihn auf, die erforderlichen Beweismittel innerhalb einer vom [HABM] gesetzten Frist vorzulegen. Legt der Widersprechende diese Beweismittel nicht fristgemäß vor, so weist das [HABM] den Widerspruch zurück.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

7

Das Gericht hat in den Randnrn. 1 bis 12 des angefochtenen Urteils die Vorgeschichte des Rechtsstreits folgendermaßen geschildert:

„1

Am 31. Oktober 2003 meldete [New Yorker Jeans] nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 … beim HABM eine Gemeinschaftsmarke an.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen FISHBONE.

3

Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören u. a. zu den Klassen 18 und 25 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung …

5

Am 28. Januar 2005 erhob … Vallis K.-Vallis A. … gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren und stützte sich dabei auf:

die am 24. Januar 1994 angemeldete und am 17. Mai 1996 in Griechenland unter der Nr. 121579 für die folgenden Waren der Klasse 25 eingetragene Bildmarke: ‚T-Shirts, Strandanzüge (beach clothes)‘ …

7

Mit Schreiben vom 5. April 2006 ersuchte das HABM entsprechend dem Antrag von [New Yorker Jeans] [Vallis K.-Vallis A.], bis spätestens zum 6. Juni 2006 den Benutzungsnachweis für die ältere nationale Bildmarke nach Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009) zu erbringen. [Vallis K.-Vallis A.] legte mit Schreiben vom 6. Juni 2006 Beweismittel in Form einer eidlichen Erklärung vom 1. Juni 2006, Rechnungen und mehrerer Fotografien vor.

8

Mit Schreiben vom 25. September 2006 machte [New Yorker Jeans] u. a. geltend, dass die vorgelegten Beweismittel nicht ausreichend seien, um eine ernsthafte Benutzung des älteren Rechts nachzuweisen. Mit Schreiben vom 14. November 2006 ersuchte das HABM [Vallis K.-Vallis A.], bis zum 14. Januar 2007 dazu Stellung zu nehmen.

9

Mit am 15. Januar 2007 beim HABM eingegangenen Schreiben legte [Vallis K.-Vallis A.] u. a. weitere Benutzungsnachweise in Form von Katalogen aus 2000, 2001 und 2003 vor.

10

Am 26. Mai 2008 gab die Widerspruchsabteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 dem Widerspruch für einen Teil der angefochtenen Waren statt, nämlich für ‚Taschen, Rucksäcke‘ der Klasse 18 und sämtliche Waren der Klasse 25. Sie stützte ihre Feststellung, dass Verwechslungsgefahr zwischen den in Rede stehenden Marken bestehe, u. a. auf einen der oben genannten Kataloge, der aus dem Jahr 2001 datiert.

11

Am 16. Juli 2008 legte die Klägerin nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

12

Mit [der streitigen Entscheidung] gab die Erste Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde insofern teilweise statt, als sie den Widerspruch für die ‚Taschen, Rucksäcke‘ der Klasse 18 zurückwies, und bestätigte die Entscheidung der Widerspruchsabteilung hinsichtlich der Waren der Klasse 25. Sie stellte zum einen fest, dass die Widerspruchsabteilung zu Recht die am 15. Januar 2007 übermittelten zusätzlichen Beweismittel berücksichtigt habe, und zum anderen, dass im vorliegenden Fall hinreichende Nachweise für die Benutzung der älteren griechischen Marke vorlägen. …“

Angefochtenes Urteil

8

Mit am 14. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob New Yorker Jeans eine Klage, mit der sie beantragte, die streitige Entscheidung dahin abzuändern, dass die Beschwerde vor der Beschwerdekammer für begründet erklärt und der Widerspruch für die Waren der Klasse 25 zurückgewiesen wird. Hilfsweise beantragte New Yorker Jeans, diese Entscheidung aufzuheben, soweit durch sie ihre Beschwerde zurückgewiesen und die Zurückweisung der Anmeldung für diese Waren bestätigt wird.

9

New Yorker Jeans stützte diese Klage u. a. auf einen Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie gegen Regel 22 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 gerügt wird. Sie machte hierzu geltend, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Widerspruchsabteilung rechtmäßig zusätzliche Beweise für die Benutzung der älteren Marke, die nach dem Ablauf der vom HABM gemäß der letztgenannten Bestimmung gesetzten Frist vorgelegt worden seien, habe berücksichtigen können.

10

Nachdem das Gericht in den Randnrn. 23 und 24 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul (C-29/05 P, Slg. 2007, I-2213, Randnr. 42), darauf hingewiesen hatte, dass sich aus Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ableiten lasse, dass als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift die Beteiligten Tatsachen und Beweismittel auch dann noch vorbringen könnten, wenn die für dieses Vorbringen nach den Bestimmungen dieser Verordnung geltenden Fristen abgelaufen seien, und dass es dem HABM keineswegs untersagt sei, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, hat das Gericht den von New Yorker Jeans dazu vorgebrachten Klagegrund zurückgewiesen, wobei es in den Randnrn. 25 bis 34 im Wesentlichen Folgendes festgestellt hat:

„25   Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 sieht vor, dass in Fällen, in denen der Widersprechende nach Art. 42 Abs. 2 oder 3 den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu erbringen hat, das HABM ihn auffordert, die erforderlichen Beweismittel innerhalb einer vom Amt gesetzten Frist vorzulegen. Ergänzend bestimmt Regel 22 Abs. 2 Satz 2, dass das HABM den Widerspruch zurückweist, falls der Widersprechende diese Beweismittel nicht fristgemäß vorlegt.

26   Aus diesem Satz 2 folgt, dass eine Vorlage von Beweisen für die Benutzung der älteren Marke, die nach Ablauf der dafür gesetzten Frist erfolgt, grundsätzlich zur Zurückweisung des Widerspruchs führt, ohne dass das HABM insoweit über ein Ermessen verfügt. …

30   … [Es] ist davon auszugehen, dass [Vallis K.-Vallis A.] die in Regel 22 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehene Frist dadurch eingehalten hat, dass sie relevante Beweismittel wie eine eidliche Erklärung, Rechnungen und Fotografien fristgemäß, nämlich am 6. Juni 2006, vorlegte. Zudem ist unstreitig, dass das HABM im Anschluss an die Bemerkung der Klägerin, die Beweismittel seien unzureichend, [Vallis K.-Vallis A.] die Gelegenheit gab, bis zum 14. Januar 2007 ihre Stellungnahme einzureichen. Insoweit waren die von [Vallis K.-Vallis A.] unter Wahrung dieser Frist zusammen mit der Stellungnahme vorgelegten Beweismittel zur Berücksichtigung durch die Widerspruchsabteilung geeignet.

31   Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 ist dahin zu verstehen, dass die Berücksichtigung ergänzender Beweismittel, die lediglich anderen innerhalb der gesetzten Frist vorgelegten Beweismitteln hinzugefügt werden, nicht ausgeschlossen ist, da die ursprünglichen Beweismittel nicht irrelevant sind, sondern von der anderen Partei als unzureichend gerügt wurden. Diese Erwägung, durch die die vorgenannte Regel keineswegs überflüssig wird, ist umso zutreffender, als [Vallis K.-Vallis A.] die gesetzten Fristen nicht durch bewusste Verzögerungstaktiken oder durch offensichtlich erkennbare Fahrlässigkeit missbraucht hat.

33   Da es sich im vorliegenden Fall bei den Beweismitteln, die [Vallis K.-Vallis A.] nach Ablauf der von der Widerspruchsabteilung gesetzten Frist vorlegte, nicht um die ursprünglichen und einzigen Benutzungsnachweise handelte, sondern vielmehr um ergänzende Beweismittel zu fristgemäß vorgelegten relevanten Nachweisen, genügte der Umstand, dass die Klägerin diese Nachweise rügte, zur Rechtfertigung dafür, dass [Vallis K.-Vallis A.] im Rahmen ihrer Stellungnahme zusätzliche Beweise vorlegte. Die Berücksichtigung dieser Beweismittel ermöglichte es der Widerspruchsabteilung und anschließend der Beschwerdekammer, eine Entscheidung über die ernsthafte Benutzung der älteren Marke anhand aller relevanten Tatsachen und Beweismittel zu treffen.

34   … [D]ie Feststellung, dass die Widerspruchsabteilung völlig zu Recht die ihr am 15. Januar 2007 vorgelegten Kataloge berücksichtigte, [dürfte] auch im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Widerspruchsverfahrens stehen, in dessen Kontext Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dahin ausgelegt wurde, dass selbst verspätet vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen sind, sofern sie relevant zu sein scheinen und sofern das Verfahrensstadium, in dem sie vorgelegt werden, und die Begleitumstände ihrer Vorlage nicht entgegenstehen.“

11

Da das Gericht auch die anderen von New Yorker Jeans geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen hat, hat es die Klage abgewiesen.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

12

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt New Yorker Jeans, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihrer Klage im ersten Rechtszug stattzugeben, hilfsweise, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen. Darüber hinaus beantragt sie, das HABM zur Tragung sämtlicher Kosten zu verurteilen.

13

Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und die Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Zum Rechtsmittel

Vorbringen der Parteien

14

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt New Yorker Jeans einen einzigen Rechtsmittelgrund an, mit dem ein Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie gegen Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 gerügt wird.

15

Sie macht geltend, das Gericht habe die genannten Bestimmungen verletzt, indem es entschieden habe, dass das HABM die am 15. Januar 2007 von Vallis K.-Vallis A. vorgelegten ergänzenden Beweismittel für die Benutzung der älteren Marke zu Recht berücksichtigt habe.

16

Da die innerhalb der vom HABM ursprünglich gesetzten Frist vorgelegten Beweismittel nicht ausgereicht hätten, um die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachzuweisen, war das HABM nach Ansicht von New Yorker Jeans verpflichtet, den Widerspruch gemäß der Bestimmung in Regel 22 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95, die insoweit eine Ausnahme von der in Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Regel normiert, zurückzuweisen.

17

Eine solche Auslegung stelle keine ungebührliche Benachteiligung der Widerspruchspartei dar, da diese vor Erhebung des Widerspruchs gewusst habe, dass sie bei sonstiger Zurückweisung ihres Widerspruchs dazu aufgefordert werden könnte, die ernsthafte Benutzung ihrer älteren Marke nachzuweisen, ihr dafür eine ausreichende Frist gewährt worden sei und sie darüber hinaus die Möglichkeit gehabt habe, eine Verlängerung dieser Frist zu beantragen. Des Weiteren behalte die Widerspruchspartei selbst im Fall der Zurückweisung ihres Widerspruchs das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt die Nichtigerklärung der neu eingetragenen Marke zu beantragen.

18

Hilfsweise macht New Yorker Jeans unter Bezugnahme auf Randnr. 44 des Urteils HABM/Kaul geltend, dass, selbst wenn man davon ausgehen müsste, dass ergänzende Beweismittel noch vorgebracht werden könnten, das Gericht dann die sich aus Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebende Regel verkannt habe, nach der das HABM prüfen müsse, ob die verspätet vorgelegten Beweismittel relevant seien und das Verfahrensstadium, in dem diese Vorlage erfolge, ihrer Berücksichtigung nicht entgegenstehe. Das HABM habe insoweit sein Ermessen missbraucht und seine Verpflichtung vernachlässigt, den wirkungsvollen Ablauf des Verfahrens sicherzustellen, als es nicht geprüft habe, ob neue Gesichtspunkte zur Rechtfertigung dieser verspäteten Vorlage gegeben seien, da die bloße Rüge der von der Widersprechenden vorgelegten Beweismittel durch die andere Partei keinen solchen neuen Gesichtspunkt darstelle.

19

Das HABM macht geltend, dass das Gericht im angefochtenen Urteil Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 korrekt ausgelegt habe, als es davon ausgegangen sei, dass, wenn relevante Nachweise der Benutzung der Marke wie im vorliegenden Fall innerhalb der nach dieser Bestimmung gesetzten Frist vorgelegt worden seien, diese Bestimmung nicht der späteren Vorlage von ergänzenden Benutzungsnachweisen entgegenstehe.

20

Eine derartige Auslegung der genannten Regel 22 Abs. 2 stimme übrigens mit den vom Gerichtshof im Urteil HABM/Kaul herausgearbeiteten Grundsätzen überein, und die Zulassung solcher streng ergänzenden Beweismittel entspreche im Allgemeinen den verschiedenen in diesem Urteil aufgeführten Kriterien.

Würdigung durch den Gerichtshof

21

Was erstens den Hauptteil des von New Yorker Jeans geltend gemachten Rechtsmittelgrundes angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt, dass das HABM Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen braucht.

22

Wie der Gerichtshof entschieden hat, folgt aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift die Beteiligten Tatsachen und Beweismittel auch dann noch vorbringen können, wenn die für dieses Vorbringen nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem HABM keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (Urteil HABM/Kaul, Randnr. 42).

23

Denn mit der Klarstellung, dass das HABM in einem solchen Fall die fraglichen Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“, räumt die genannte Bestimmung dem HABM ein weites Ermessen ein, um unter entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob die Beweismittel zu berücksichtigen sind oder nicht (Urteil Kaul/HABM, Randnr. 43).

24

Was insbesondere die Vorlage von Nachweisen der ernsthaften Benutzung der älteren Marke im Rahmen von Widerspruchsverfahren anbelangt, ist festzustellen, dass Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zwar vorsieht, dass auf Verlangen des Anmelders der Inhaber einer Marke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis der ernsthaften Benutzung dieser Marke bei sonstiger Zurückweisung des Widerspruchs zu erbringen hat, die genannte Verordnung aber keine Bestimmung zur Angabe der Frist enthält, innerhalb deren solche Beweismittel eingereicht werden müssen.

25

Dagegen sieht Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 hierzu vor, dass, falls ein solches Verlangen geäußert wird, das HABM den Inhaber der älteren Marke auffordert, innerhalb einer vom HABM festgesetzten Frist den Nachweis der Benutzung der Marke oder den Nachweis, dass berechtigte Gründe für deren Nichtbenutzung vorliegen, zu erbringen.

26

Im vorliegenden Fall wandte die Widerspruchsabteilung des HABM die letztgenannte Bestimmung an und setzte Vallis K.-Vallis A. eine Frist für die Vorlage eines solchen Nachweises. Es steht außerdem fest, dass Vallis K.-Vallis A. innerhalb dieser Frist verschiedene Beweismittel hinsichtlich der Benutzung der älteren Marke vorlegte.

27

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Regel 22 Abs. 2 in ihrem zweiten Satz zudem bestimmt, dass der Widerspruch zurückgewiesen wird, wenn der Nachweis der Benutzung der Marke nicht innerhalb der vom HABM gesetzten Frist erbracht wird.

28

Insoweit geht zwar aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung hervor, dass das HABM, wenn innerhalb der von diesem festgesetzten Frist keinerlei Nachweis der Benutzung der betroffenen Marke vorgelegt wird, den Widerspruch von Amts wegen zurückweisen muss, doch ist ein solches Ergebnis nicht zwingend, wenn sehr wohl Beweismittel für diese Benutzung innerhalb der genannten Frist vorgelegt werden.

29

In einem solchen Fall und sofern die genannten Beweismittel nicht völlig irrelevant für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke erscheinen, ist das Verfahren durchzuführen. So hat das HABM insbesondere, wie es Art. 42 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorsieht, die Beteiligten so oft wie möglich aufzufordern, ihre Stellungnahmen zu den an sie adressierten Mitteilungen oder zu den Schriftsätzen anderer Beteiligter einzureichen. Wenn in einem solchen Zusammenhang eine Zurückweisung des Widerspruchs im Nachhinein ausgesprochen wird, weil ein ausreichender Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke fehlt, ergibt sich diese Zurückweisung nicht aus einer Anwendung von Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95, einer im Wesentlichen verfahrensrechtlichen Bestimmung, sondern ausschließlich aus der Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmung in Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009.

30

Aus alledem geht hervor, dass entsprechend der richtigen Entscheidung des Gerichts im angefochtenen Urteil, wenn wie im vorliegenden Fall Beweismittel, die als relevant für den Nachweis der Benutzung der in Rede stehenden Marke betrachtet werden, innerhalb der vom HABM nach Regel 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 gesetzten Frist vorgelegt worden sind, die Vorlage ergänzender Nachweise einer solchen Benutzung nach dem Ablauf der genannten Frist weiterhin möglich ist. In einem solchen Fall ist es, wie das Gericht ebenfalls richtig entschieden hat, entsprechend den Ausführungen in den Randnrn. 22 und 23 des vorliegenden Urteils dem HABM keinesfalls untersagt, auf diese Weise verspätet vorgelegte Beweismittel unter Gebrauch des Ermessens, das ihm gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zukommt, zu berücksichtigen.

31

Daraus ergibt sich, dass der Hauptteil des einzigen geltend gemachten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist.

32

Zweitens trägt New Yorker Jeans durch den hilfsweise geltend gemachten Teil des genannten Rechtsmittelgrundes vor, dass es das Gericht zu Unrecht unterlassen habe, die missbräuchliche Ausübung des Ermessens zu sanktionieren, die das HABM dadurch vorgenommen habe, dass es nicht geprüft habe, ob die verspätet vorgelegten Beweismittel relevant seien und das Verfahrensstadium, in dem diese Vorlage erfolge, ihrer Berücksichtigung nicht entgegenstehe.

33

Was die Ausübung dieses Ermessens des HABM bezüglich der etwaigen Berücksichtigung verspätet vorgelegter Beweismittel angeht, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass eine solche Berücksichtigung durch das HABM, wenn es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zum einen die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingelegten Widerspruchs sein können und dass zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer solchen Berücksichtigung nicht entgegenstehen (Urteil HABM/Kaul, Randnr. 44).

34

In diesem Zusammenhang geht aus den Tatsachenfeststellungen des Gerichts insbesondere in den Randnrn. 33 und 34 des angefochtenen Urteils hervor, dass die Berücksichtigung der von Vallis K.-Vallis A. verspätet vorgelegten Beweismittel in Ergänzung zu den von ihr ursprünglich vorgelegten relevanten Beweismitteln es der Widerspruchsabteilung, sodann der Beschwerdekammer, erlaubte, aufgrund aller relevanten Tatsachen- und Beweisbestandteile auf das Vorliegen einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu schließen, und dass das Verfahrensstadium, in dem diese zusätzlichen Beweismittel vorgelegt wurden, und die Begleitumstände einer solchen Vorlage nicht entgegenstanden.

35

Da somit feststeht, dass die Berücksichtigung der verspätet vorgelegten zusätzlichen Beweismittel es dem HABM ermöglichte, auf das Vorliegen einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke zu schließen, kann das Argument, mit dem New Yorker Jeans dem HABM vorwirft, nicht geprüft zu haben, ob die genannten Beweismittel relevant seien, offensichtlich nicht aufrechterhalten werden.

36

Ferner ist festzuhalten, dass das Gericht in Randnr. 31 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass Vallis K.-Vallis A. die gesetzten Fristen nicht durch bewusste Verzögerungstaktiken oder durch offensichtlich erkennbare Fahrlässigkeit missbraucht habe, sondern sich darauf beschränkt habe, ergänzende Schriftstücke vorzulegen, nachdem die von ihr ursprünglich vorgelegten relevanten Beweismittel von New Yorker Jeans gerügt worden seien.

37

Die verschiedenen vom Gericht auf diese Weise vorgenommenen Feststellungen, die, wie aus Randnr. 28 des angefochtenen Urteils hervorgeht, zu den Erwägungen gehören, die das Gericht dazu bewegt haben, das Vorbringen von New Yorker Jeans zurückzuweisen, wonach die Beschwerdekammer zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Widerspruchsabteilung im vorliegenden Fall verspätet vorgelegte Kataloge habe berücksichtigen dürfen, weisen keinerlei Rechtsirrtum auf.

38

Aus all diesen Erwägungen geht hervor, dass der hilfsweise geltend gemachte Teil des einzigen geltend gemachten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Klägerin gegenüber dem Gericht rügt, dieses habe den Missbrauch des Ermessens, das dem HABM nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zukomme, nicht sanktioniert, keinen Erfolg haben kann.

39

Da somit der einzige Rechtsmittelgrund mit keinem seiner beiden Teile begründet ist, ist er zurückzuweisen.

Kosten

40

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel zurückgewiesen wird.

41

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM die Verurteilung von New Yorker Jeans beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die New Yorker SHK Jeans GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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