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Document 52020AE1188

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ (COM(2020) 67 final)

    EESC 2020/01188

    ABl. C 364 vom 28.10.2020, p. 101–107 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.10.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 364/101


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“

    (COM(2020) 67 final)

    (2020/C 364/14)

    Berichterstatter:

    Ulrich SAMM

    Mitberichterstatter:

    Jakob Krištof POČIVAVŠEK

    Befassung

    Kommission, 9.3.2020

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    25.6.2020

    Verabschiedung im Plenum

    16.7.2020

    Plenartagung Nr.

    553

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    216/1/3

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt seit jeher die Initiativen der Kommission zur Förderung der Entwicklung der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft und zeigt sich nun zufrieden, dass diese Dynamik durch ein Paket neuer Initiativen in den verschiedensten Bereichen verstärkt wird.

    1.2.

    Der EWSA plädiert für einen europäischen Weg der Digitalisierung, der die Nutzung wirtschaftlicher Chancen mit dem Schutz persönlicher Daten verbindet, damit Privatsphäre und Selbstbestimmung gewahrt bleiben. Der auf den Menschen ausgerichtete Ansatz aller Kommissionsinitiativen wird ausdrücklich begrüßt.

    1.3.

    Nach Auffassung des EWSA hat Europa die richtige Richtung eingeschlagen, aber noch einen weiten Weg zu gehen. Die Digitalisierung entwickelt sich rasant weiter, und die europäischen Rechtsvorschriften müssen damit Schritt halten. Nötig ist deshalb ein solider und anspruchsvoller Rechtsrahmen mit rechtsverbindlichen ethischen Regeln und klaren Haftungsvorschriften. Der EWSA ist davon überzeugt, dass eine solche dynamische Entwicklung auch flexible und anpassungsfähige Prozesse mit einem ständigen Dialog zwischen den Beteiligten erfordert, der insbesondere für Arbeitnehmer verbindlich sein sollte, damit diese die Möglichkeit haben, ihre Meinung einzubringen. Der EWSA ist als Vertreter der Organisationen der Zivilgesellschaft bereit, sich dabei einzubringen.

    1.4.

    Es ist wichtig, in die richtigen Zukunftstechnologien zu investieren, die Ausbildung der Menschen zu fördern und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen. Diese sollten darin bestärkt werden, sich aktiv an den Veränderungen zu beteiligen. Der digitale Wandel muss gerecht, nachhaltig und sozialverträglich sein.

    1.5.

    Der EWSA stimmt mit der Kommission überein, dass wir einen echten europäischen Binnenmarkt für Daten, d. h. einen auf europäischen Regeln und Werten basierenden europäischen Datenraum schaffen müssen. Der EWSA begrüßt die Initiative für eine neue EU-Industriestrategie mit Maßnahmen zur Erleichterung der Umstellung auf eine stärker digitalisierte, saubere, kreislauforientierte und weltweit wettbewerbsfähigere EU-Industrie mit nachhaltigen Unternehmen, die auch eine Strategie für KMU umfasst.

    1.6.

    Der EWSA betont, dass die technologische Souveränität Europas nicht in Abgrenzung zu anderen auf Kosten der Vorteile der globalen Zusammenarbeit definiert werden sollte. Die Bedürfnisse der Europäer und die Anforderungen des europäischen Sozialmodells mit der europäischen Säule sozialer Rechte als Bezugspunkt müssen jedoch auch angemessen berücksichtigt werden.

    1.7.

    Allgemeine und berufliche Bildung, in deren Rahmen digitale Kompetenzen vermittelt werden, sind der Schlüssel für die Vorbereitung auf einen digitalen Alltag. Der EWSA begrüßt den Fokus der Kommission auf digitalen Kompetenzen und Fähigkeiten, fordert sie jedoch auf, besser zwischen technischen und sozialen Kompetenzen zu unterscheiden, wenngleich beide von entscheidender Bedeutung sind. Es müssen zusätzliche Anstrengungen unternommen und Mittel für die Vermittlung von digitalen Kompetenzen an Mitglieder sozial benachteiligter Gruppen bereitgestellt werden.

    1.8.

    Europas digitale Zukunft auf der Grundlage eines menschenzentrierten Ansatzes wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Menschen Vertrauen haben können. Der EWSA stellt fest, dass die Kommission eine klare Unterscheidung anstrebt zwischen Anwendungen mit hohem Risiko, für die strenge Vorschriften gelten sollten, und Anwendungen mit geringem Risiko, bei denen es ausreicht, sich auf Selbstregulierung und Marktmechanismen zu verlassen. Der EWSA begrüßt diesen allgemeinen Ansatz, betont jedoch auch, dass eine eingehende und gründliche Analyse der verschiedenen Anwendungen erforderlich ist.

    1.9.

    Der EWSA begrüßt auch den menschenzentrierten Ansatz bei Herausforderungen für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Online-Plattformen. Ein verbesserter Rechtsrahmen, der prekäre Arbeitsbedingungen verhindert und die Rechte der Arbeitnehmer einschließlich Tarifverhandlungen in der Online-Wirtschaft sicherstellt, ist einer der wichtigen Aspekte dieses Ansatzes.

    1.10.

    Nach Auffassung des EWSA bleibt die Entwicklung digitaler öffentlicher Dienste für die digitale Zukunft unberücksichtigt, insbesondere da grenzübergreifende elektronische Behördendienste den (digitalen) Binnenmarkt stärken und die öffentliche Regulierung und Koordinierung verbessern könnten.

    1.11.

    Die derzeit herrschende COVID-19-Pandemie hat der Gesellschaft praktisch vor Augen geführt, wie wichtig die Nutzung der digitalen Technologie eigentlich ist. Dies bringt zahlreiche neue Herausforderungen mit sich. Heute, da viele Menschen von zu Hause aus kommunizieren, lernen und arbeiten müssen, zeigt sich, dass viele von ihnen nicht angemessen für die effiziente Nutzung neuester digitaler Technologien gerüstet sind und dass auch die digitale Infrastruktur nicht in der Lage ist, einen gleichberechtigen Zugang und eine inklusive digitale Teilhabe sicherzustellen.

    1.12.

    Die Verhaltensänderungen, die aufgrund der Maßnahmen der nationalen Regierungen zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 notwendig geworden sind, könnten Verbrauchergewohnheiten und Arbeitsbeziehungen auf lange Sicht dauerhaft verändern. Die positiven ebenso wie die negativen Auswirkungen dieser Veränderungen müssen bei der Gestaltung neuer Maßnahmen in diesem Bereich berücksichtigt werden. Der digitale Wandel sollte im Wege einer umfassenden und von der EU finanzierten arbeitsorientierten Forschungsinitiative zum Thema „Digitalisierung für gute Arbeit“ überwacht werden. Der EWSA ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung langfristig nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Systeme der Industrie 4.0 einem effizienten und arbeitnehmerfreundlichen Ansatz folgen (1).

    2.   Einleitung und Inhalt der Mitteilung

    2.1.

    Mit dieser Mitteilung legt die neue Kommission ein Rahmendokument vor, in dem eine Reihe von Initiativen zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas beschrieben werden. Europa muss beim gerechten Übergang zu einem gesunden Planeten und auf dem Weg in eine neue digitale Welt die Führung übernehmen. Die Herausforderungen des ökologischen und des digitalen Wandels müssen deshalb zusammen angegangen werden, damit die digitalen Technologien den Grünen Deal gemäß den Nachhaltigkeitszielen unterstützen.

    2.2.

    Zu diesem Zweck hat die Kommission ein Paket von Initiativen angekündigt. Die verschiedenen, für dieses und für das nächste Jahr vorgestellten bzw. angekündigten Initiativen lassen sich in drei Hauptbereiche gliedern:

    Technologie im Dienste der Menschen:

    Weißbuch zur künstlichen Intelligenz (COM(2020) 65 final, siehe INT/894);

    Strategie für Quantentechnologien, Blockchain und Hochleistungsrechnen;

    Aktionsplan für 5G und 6G (vorgelegt als COM(2020) 50 final, siehe TEN/704);

    Aktionsplan für digitale Bildung und verbesserte Kompetenzagenda;

    Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern;

    Standards für einen sicheren Datenverkehr und sichere Datendienste ohne Grenzen im öffentlichen Sektor.

    Eine faire und wettbewerbsfähige Wirtschaft:

    Europäische Datenstrategie (vorgelegt als COM(2020) 66 final, siehe TEN/708);

    Eignungsprüfung der EU-Wettbewerbsregeln;

    Paket zur Industriestrategie;

    Mitteilung über die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert;

    neue Verbraucheragenda.

    Eine offene, demokratische und nachhaltige Gesellschaft:

    neue und überarbeitete Vorschriften zur Vertiefung des Binnenmarkts für digitale Dienste;

    Überarbeitung der eIDAS-Verordnung;

    Aktionsplan für die Medien und den audiovisuellen Sektor;

    Europäischer Aktionsplan für Demokratie;

    Cybersicherheitsstrategie der Europäischen Union;

    Initiative zur Entwicklung eines digitalen Hochpräzisionsmodells der Erde;

    eine Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Geräte;

    Förderung elektronischer Patientenakten.

    2.3.

    Ferner werden eine globale Strategie für die digitale Zusammenarbeit und eine Normungsstrategie angekündigt, um die Interessen Europas als globaler Akteur geltend zu machen.

    3.   Der europäische Weg — die Menschen in den Mittelpunkt der Digitalisierung stellen

    3.1.

    Die Digitalisierung eröffnet den Menschen in bisher ungekannter Weise eine Fülle neuer Entscheidungsmöglichkeiten für ein besseres Leben. Je stärker die Digitalisierung jedoch unser Leben beeinflusst und je stärker wir vernetzt sind, desto anfälliger sind wir für böswillige Cyberaktivitäten, Manipulationen und Technologien, die unsere Autonomie untergraben.

    3.2.

    Der EWSA plädiert daher für einen europäischen Weg der Digitalisierung auf der Grundlage der europäischen Werte, der die Nutzung wirtschaftlicher Chancen mit dem Schutz persönlicher Daten verbindet, damit Privatsphäre und Selbstbestimmung gewahrt bleiben. Der auf den Menschen ausgerichtete Ansatz aller Kommissionsinitiativen wird ausdrücklich begrüßt.

    3.3.

    Der EWSA begrüßt auch den menschenzentrierten Ansatz bei Herausforderungen für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Online-Plattformen. Ein verbesserter Rahmen, der prekäre Arbeitsbedingungen verhindert und die Rechte der Arbeitnehmer einschließlich Tarifverhandlungen in der Online-Wirtschaft sicherstellt, ist einer der wichtigen Aspekte dieses Ansatzes. Der EWSA betont, dass auf Plattformen sowohl Selbstständige als auch abhängig Beschäftigte arbeiten. Selbstständige befinden sich in einer B2B- oder einer B2C-Beziehung (Business to Business bzw. Business to Consumer). Auf europäischer Ebene erstellte Verhaltenskodexe und Geschäftsbedingungen für die B2B-Beziehungen sollten einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen aller Größen sicherstellen und Scheinselbstständigkeit verhindern.

    3.4.

    Der EWSA betont auch die Notwendigkeit digitaler Lösungen für die Umsetzung des Grünen Deals, insbesondere in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft. Der Energieverbrauch, die Rohstoffe für IKT und die Recyclingfähigkeit von IKT-Geräten gehören jedoch zu den weiteren Herausforderungen auf diesem Weg.

    3.5.

    Europa hat die richtige Richtung eingeschlagen, aber noch einen weiten Weg zu gehen. So waren etwa die Datenschutz-Grundverordnung und die ethischen Leitlinien für KI wichtige Schritte. Die Digitalisierung entwickelt sich jedoch rasant weiter, und die europäischen Rechtsvorschriften müssen damit Schritt halten. Der EWSA fordert einen soliden und anspruchsvollen Rechtsrahmen mit rechtsverbindlichen ethischen Regeln und klaren Haftungsvorschriften. Der EWSA ist davon überzeugt, dass diese dynamische Entwicklung auch flexible und anpassungsfähige Prozesse mit einem ständigen Dialog zwischen den Beteiligten erfordert. Der EWSA ist als Vertreter der Organisationen der Zivilgesellschaft bereit, sich dabei einzubringen.

    3.6.

    Nach Auffassung des EWSA muss klar herausgearbeitet werden, dass tragfähige demokratische Strukturen für den Kapazitätsaufbau und die Herstellung von Vertrauen zwischen den Sozialpartnern notwendig sind. Der EWSA ist überzeugt, dass grundlegende Veränderungen durch die Digitalisierung in den Unternehmen nur dann erfolgreich vollzogen werden können, wenn Vertrauen zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmervertretern herrscht. Der Aufstieg populistischer Bewegungen im 21. Jahrhundert stellt jedoch die traditionelle Form der Vertrauensbildung durch die Vertretung sozialer Interessen in Frage. Deshalb müssen geeignete Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs auf EU-Ebene ergriffen werden. Dabei geht es um Sozialvorschriften im Unternehmen, dessen Wirtschaftsleistung und die Stärkung demokratischer Veränderungen insgesamt.

    4.   Eine faire und wettbewerbsfähige Wirtschaft

    4.1.

    Daten sind zu einem wirtschaftlichen Schlüsselfaktor geworden. Der EWSA stimmt mit der Kommission überein, dass wir einen echten europäischen Binnenmarkt für Daten, d. h. einen auf europäischen Regeln und Werten basierenden europäischen Datenraum schaffen müssen. Der EWSA begrüßt die Initiative für eine neue EU-Industriestrategie mit Maßnahmen zur Erleichterung der Umstellung auf eine stärker digitalisierte, saubere, kreislauforientierte und weltweit wettbewerbsfähigere EU-Industrie, die auch eine Strategie für KMU umfasst.

    4.2.

    Der EWSA ist auch der Auffassung, dass zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen Vorschriften, die offline gelten — von Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften über Verbraucherschutzregelungen bis hin zu Bestimmungen über geistiges Eigentum, Steuern und Arbeitnehmerrechte — auch online gelten sollten.

    4.3.

    Nach Überzeugung des EWSA ist eine erhebliche Erhöhung der Investitionen (in den EU-Mitgliedstaaten) in Verbindung mit einem starken europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm erforderlich, um ein Weltniveau im Hochleistungsrechnen aufrechtzuerhalten. Ein industrieller Ansatz für die Entwicklung der nächsten Mikroprozessorgeneration mit niedrigem Stromverbrauch in Europa wird die Importabhängigkeit der EU verringern.

    4.4.

    Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass Innovation und (insbesondere öffentliche) Investitionen auch dazu beitragen können, regionale Entwicklungsunterschiede zu beseitigen, wenn der Zugang zur digitalen Infrastruktur und damit zum digitalen Markt auch in abgelegenen Gebieten verfügbar ist. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, beim digitalen Wandel niemanden zurückzulassen.

    4.5.

    Der EWSA betont, dass die technologische Souveränität Europas nicht in Abgrenzung zu anderen auf Kosten der Vorteile der globalen Zusammenarbeit definiert werden sollte. Allerdings müssen auch die Bedürfnisse der Europäer und die Erfordernisse des europäischen Sozialmodells angemessen berücksichtigt werden, wobei die Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Stärkung der europäischen Säule sozialer Rechte als Referenz dienen sollten. Die Anwendung europäischer Werte (Datenschutz, Privatsphäre, Sozialschutz, Nachhaltigkeit) könnte zu einem Wettbewerbsvorteil werden, wenn in der Öffentlichkeit und bei den Unternehmen das Bewusstsein für die Methoden der Datennutzung durch Dritte (USA) und das Überwachungspotenzial digitaler Systeme (China) zunimmt.

    4.6.

    Die Kommission erklärt zu Recht, dass wir sicherstellen müssen, dass die systemische Rolle bestimmter Online-Plattformen und die von ihnen erworbene Marktmacht die Fairness und Offenheit unserer Märkte nicht gefährden. Dazu und auch zur Förderung der Entwicklung von Online-Plattformen in der EU sollten die EU-Vorschriften gleiche Wettbewerbsbedingungen und Zugang zu den wichtigsten Triebkräften für digitale Innovation (2) (insbesondere Daten) und zum Ökosystem der von den Verbrauchern genutzten Produkte gewährleisten.

    4.7.

    Die Kommission stellt fest, dass die Gewährleistung von Fairness in der digitalen Wirtschaft zwar eine große Herausforderung darstellt, jedoch unabdingbar ist. Daher unterstützt der EWSA die Absicht, zusätzliche Vorschriften einzuführen, um Wettbewerbsfähigkeit, Fairness und Innovation sowie die Möglichkeit des Marktzutritts sicherzustellen und öffentliche Interessen zu wahren, die über den Wettbewerb oder wirtschaftliche Erwägungen hinausgehen. Der EWSA stellt fest, dass die Besteuerung der digitalen Wirtschaft erhebliche Auswirkungen in dieser Hinsicht haben wird. Von Bedeutung werden deshalb internationale und europäische Lösungen in diesem Bereich sein, und die EU sollte darauf hinwirken, dass die Besteuerung der digitalen Wirtschaft gerecht erfolgt und Fragmentierung und einseitige Maßnahmen nicht zulässt.

    4.8.

    Der EWSA begrüßt die Initiative, mit der die Arbeitsbedingungen der Plattformarbeiter verbessern werden sollen, insbesondere durch Konzentration auf Kompetenzen und Bildung, weist jedoch darauf hin, dass zugleich auch Herausforderungen etwa in Bezug auf den Beschäftigungsstatus, die Vertretung und Schritte zur Verbesserung des sozialen Schutzes der Plattformarbeiter sowie Streitbeilegung und die Durchsetzung von Rechten angegangen werden müssen. Dies gilt insbesondere für grenzüberschreitende Erwerbstätige. Auf Ersuchen des bevorstehenden deutschen Ratsvorsitzes wird der EWSA eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Gute Arbeit in der Plattformökonomie“ erarbeiten.

    4.9.

    Nach Auffassung des EWSA bleibt die Entwicklung digitaler öffentlicher Dienste für die digitale Zukunft in der Mitteilung der Kommission unberücksichtigt, insbesondere da grenzübergreifende elektronische Behördendienste den (digitalen) Binnenmarkt stärken und die öffentliche Regulierung und Koordinierung verbessern könnten.

    5.   Bildung zur Vorbereitung auf einen digitalen Alltag

    5.1.

    Allgemeine und berufliche Bildung, in deren Rahmen digitale Kompetenzen vermittelt werden, sind der Schlüssel für die Vorbereitung auf einen digitalen Alltag. Der EWSA begrüßt den Fokus der Kommission auf digitalen Kompetenzen und Fähigkeiten, fordert sie jedoch auf, besser zwischen technischen und sozialen Kompetenzen zu unterscheiden, wenngleich beide von entscheidender Bedeutung sind. Die Herstellung von „Arbeitsfähigkeit“ anstelle bloßer Korrekturen an der „Beschäftigungsfähigkeit“ erfordert Maßnahmen zur kontinuierlichen Unterstützung des lebenslangen Lernens.

    5.2.

    Die meisten Fachkräfte werden künftig technische Fähigkeiten (Programmieren auf verschiedenen Ebenen) benötigen. Dies ist für die Bildungssysteme und Berufsbildungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten eine Herausforderung. Die Fachkräfte müssen für neue Instrumente geschult werden, und sie müssen sich über deren Eigenschaften, Grenzen und Gefahren bewusst sein, da letztlich sie die Verantwortung tragen. Dennoch müssen möglichst viele Bürger zumindest grundlegende technische Fähigkeiten erwerben, um digitale Technologien und Instrumente auf produktive, inklusive und sichere Weise verstehen, nutzen und handhaben zu können. Die Vermittlung grundlegender technischer Kenntnisse ist erforderlich, um Menschen aller Altersstufen zu unterstützen, insbesondere jedoch ältere Menschen, damit sie digitale Technologien und Instrumente verstehen und sicher nutzen können.

    5.3.

    Soziale Kompetenzen erfordern kein besonderes technisches Wissen, jedoch sollten sie so früh wie möglich vermittelt werden. Diese Kompetenzen ermöglichen es Kindern, Verbrauchern und Bürgern, den Hintergrund digitaler Systeme zu verstehen und sie optimal zu nutzen. Sie tragen dazu bei, mögliche Bedrohungen infolge von Manipulation oder Kriminalität zu erkennen und die Flut der erhaltenen Informationen zu bewerten. Der EWSA erinnert daran, dass allgemeine Bildung nach wie vor die beste Vorbereitung auf künftige Entwicklungen ist.

    5.4.

    Für die Nutzung von und Arbeit mit künstlicher Intelligenz sind besondere Kompetenzen und Kenntnisse sowie ein entsprechendes Verständnis erforderlich. Der EWSA möchte dazu auf die Erfahrungen Finnlands zurückgreifen, das vorschlägt, so viele Menschen wie möglich im Bereich KI über Online-Kurse zu schulen.

    5.5.

    Der EWSA hat bereits in der Vergangenheit betont, dass es im digitalen Zeitalter mit seinen raschen Veränderungen nicht genügt, den Einzelnen dabei zu unterstützen, ein Mindestmaß an Kompetenzen zu erwerben, und dass unbedingt sicherzustellen ist, dass die Kompetenzgarantie zu einem garantierten Ausbildungsweg wird, der den Menschen Anreize zur Weiterbildung bietet und ihnen Fortschritte und den Aufstieg bis zum höchsten jeweils erreichbaren Qualifikationsniveau ermöglicht (3).

    5.6.

    Der EWSA bekräftigt die Rolle der Sozialpartner bei der Verwirklichung eines fairen und gerechten Übergangs. Es ist grundlegend, mit der Strategie den Qualifikationsbedarf zu antizipieren und somit auch die rechtzeitige und angemessene Umschulung und Fortbildung zu unterstützen. Die Rolle der Sozialpartner und ihre Einbeziehung sind in diesem Zusammenhang ebenso wie bei Diskussionen über die Einführung neuer Technologien von größter Bedeutung.

    6.   Vertrauen und Verantwortung im digitalen Alltag

    6.1.

    Europas digitale Zukunft auf der Grundlage eines menschenzentrierten Ansatzes wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Menschen Vertrauen haben können. Der EWSA fordert angemessene Garantien für den Schutz der Privatsphäre, die Sicherheit und die Daten-Governance und schließlich die Transparenz der KI-Algorithmen, um dieses Vertrauen zu gewinnen.

    6.2.

    Der EWSA stellt fest, dass die Kommission eine klare Unterscheidung anstrebt zwischen Anwendungen mit hohem Risiko, für die strenge Vorschriften gelten sollten, und Anwendungen mit geringem Risiko, bei denen es ausreicht, sich auf Selbstregulierung und Marktmechanismen zu verlassen. Der EWSA begrüßt diesen allgemeinen Ansatz, betont aber auch, dass eine eingehende und gründliche Analyse der verschiedenen Anwendungen sowohl jetzt als auch für künftige Entwicklungen erforderlich ist. Im Zweifelsfall sollten Anwendungen als mit hohem Risiko behaftet eingestuft werden. Der EWSA unterstützt insbesondere die Entscheidung, jene Anwendungen als mit einem hohen Risiko behaftet einzustufen, die Auswirkungen auf die Rechte von Arbeitnehmern und Stellenbewerbern haben, und schlägt vor, an dieser Entscheidung festzuhalten, um die digitalen Rechte von Arbeitnehmern zu stärken.

    6.3.

    Der EWSA hat bereits die Entwicklung von Standardtestverfahren zur Bewertung der Funktionalität und der Grenzen digitaler Systeme (bedingt durch Voreingenommenheit, Vorurteile, Diskriminierung, Widerstandsfähigkeit, Robustheit, Sicherheit usw.) gefordert. Je nach Höhe des Risikos können solche Tests entweder von Entwicklern und Unternehmen selbst oder von unabhängigen Einrichtungen durchgeführt werden. Der EWSA begrüßt die Überlegungen der Kommission zu einem freiwilligen Kennzeichnungssystem. Er hat mit einem europäischen Zertifikat für vertrauenswürdige KI bereits einen ähnlichen Ansatz vorgeschlagen.

    6.4.

    Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, eine breite Debatte über Ausnahmefälle einzuleiten, in denen Gesichtserkennung für biometrische Fernidentifizierung zugelassen werden kann. Unverhältnismäßige Überwachung am Arbeitsplatz und Diskriminierung auf der Grundlage voreingenommener Algorithmen sollten ebenfalls gesetzlich untersagt sein.

    6.5.

    Der EWSA hebt hervor, dass Vertrauen allein nicht ausreicht. Kritisches Denken auf der Grundlage von Allgemeinbildung ist nach wie vor von zentraler Bedeutung. Dies ist besonders wichtig bei der Abwehr von demokratiegefährdender Desinformation.

    6.6.

    Der EWSA betont, dass Vertrauen auch die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte auf Unterrichtung und Anhörung einschließt, die im Falle von Veränderungen am Arbeitsplatz gemäß den EU-Verträgen zur Anwendung kommen und aus „Arbeitnehmern“„Bürger am Arbeitsplatz“ machen.

    6.7.

    Der EWSA betont, dass die EU-Rechtsvorschriften von besonderer Bedeutung für den Schutz der Verbraucher und Arbeitnehmer sind, die nicht über professionelle digitale Kompetenzen verfügen.

    7.   Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Digitalisierung

    7.1.

    Die derzeit herrschende COVID-19-Pandemie hat der Gesellschaft praktisch vor Augen geführt, wie wichtig die Nutzung der digitalen Technologie eigentlich ist. Dies bringt zahlreiche neue Herausforderungen mit sich. Heute, da viele Menschen von zu Hause aus kommunizieren, lernen und arbeiten müssen, zeigt sich, dass viele von ihnen nicht angemessen für die effiziente Verwendung neuester digitaler Technologien gerüstet sind und dass auch die digitale Infrastruktur nicht in der Lage ist, einen gleichberechtigen Zugang und eine inklusive digitale Teilhabe sicherzustellen. Die digitalen Netze sind noch nicht hinreichend ausgebaut, um der gestiegenen Belastung gewachsen zu sein, und es müssen ausreichend Investitionen getätigt werden, um eine effiziente Datenübertragung mit hohen Geschwindigkeiten nicht nur für kommerzielle, sondern auch für private Zwecke bereitzustellen, und dies auch in abgelegenen Gebieten.

    7.2.

    Besonderes Augenmerk muss auf benachteiligte Gruppen gerichtet werden. Insbesondere ältere Menschen, die nicht über ausreichende Kenntnisse, Erfahrung bzw. nicht einmal die nötige Ausrüstung zur Nutzung von Internetplattformen verfügen, stehen nun ohne geeignete Kommunikationsmittel da. Es ist schwerer für sie, soziale Kontakte zu Familienmitgliedern und anderen Menschen zu halten, und soziale und sonstige öffentliche Dienstleistungen sind für sie nicht verfügbar oder zumindest weniger leicht zugänglich. Es müssen zusätzliche Anstrengungen unternommen und Ressourcen für die Vermittlung von digitalen Kompetenzen an Mitglieder sozial benachteiligter Gruppen bereitgestellt werden.

    7.3.

    Zudem zeigen Quarantänemaßnahmen und die vorübergehende Schließung der Grenzen zwischen Mitgliedstaaten, dass es mit Blick auf Grenzgänger und Telearbeit noch weitere Auswirkungen und Mängel in Bezug auf den aktuellen Stand des digitalen Binnenmarktes gibt. Die COVID-19-Krise hat zudem einen gewaltigen Aufschwung des Onlinehandels und bargeldloser Zahlungsmethoden mit sich gebracht und zugleich zur Zunahme unlauterer und betrügerischer Praktiken geführt. Die Verhaltensänderungen, die aufgrund der Maßnahmen der nationalen Regierungen zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 notwendig geworden sind, könnten Verbrauchergewohnheiten und Arbeitsbeziehungen auf lange Sicht dauerhaft verändern. Die positiven ebenso wie die negativen Auswirkungen dieser Veränderungen müssen bei der Gestaltung neuer Maßnahmen in diesem Bereich berücksichtigt werden.

    7.4.

    Die digitale Welt wurde umfassend mobilisiert, um Fachwissen im Kampf gegen COVID-19 zu liefen. Viel wird über Tracing-Apps (Apps zur Kontaktnachverfolgung) diskutiert, durch die Personen informiert werden, die in den zurückliegenden Tagen Kontakt zu anderen Personen hatten, bei denen COVID-19 festgestellt wurde. Der EWSA bedauert, dass keine Einigung über die europäische Initiative zur digitalen Überwachung solcher Kontakte (PEPP-PT — Pan European Privacy Preserving Proximity Tracing) erzielt wurde, die es ermöglicht hätte, standardisierte Anwendungen in die nationalen Gesundheitsstrategien aufzunehmen.

    Brüssel, den 16. Juli 2020

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 17.

    (2)  De STREEL, A., Contribution to Growth: European Digital Single Market. Delivering improved rights for European citizens and businesses, European Parliament, Luxembourg, 2019.

    (3)  ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 45.


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