Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52012IE1526

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gesellschaftliche Einbeziehung und Teilhabe älterer Menschen“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 11 vom 15.1.2013, p. 16–20 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2013   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 11/16


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gesellschaftliche Einbeziehung und Teilhabe älterer Menschen“ (Initiativstellungnahme)

    2013/C 11/04

    Berichterstatterin: Maureen O'NEILL

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 19. Januar 2012 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    "Gesellschaftliche Einbeziehung und Teilhabe älterer Menschen"

    (Initiativstellungnahme).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 23. Oktober 2012 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 484. Plenartagung am 14./15. November 2012 (Sitzung vom 14. November) mit 144 Stimmen bei 3 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Schlussfolgerungen

    1.2   Ältere Menschen sind dynamische, fähige und unverzichtbare Mitglieder unserer Gesellschaft. Sie geben Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen an die nächsten Generationen weiter. Sie tragen einzeln und in ihrer Gesamtheit zu unserer Wirtschaft, unserem Lebensumfeld und zur lebendigen Erinnerung an unsere Geschichte bei. Als Familienmitglieder übernehmen ältere Menschen die Verantwortung, einen stärkeren Zusammenhalt und mehr Solidarität in unserer Gesellschaft zu fördern.

    1.3   Empfehlungen

    1.3.1

    Der EWSA spricht folgende Empfehlungen aus:

    Der Schwerpunkt sollte auf die Fähigkeiten und den Beitrag älterer Menschen statt auf ihr kalendarisches Alter gelegt werden. Der Staat, NGO und die Medien sollten dies positiv hervorheben.

    Die aktive gesellschaftliche Teilhabe aller Altersgruppen sowie mehr Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den und innerhalb der Generationen sollten unterstützt werden.

    Der Staat und die zuständigen Stellen sollten die verbindliche Verpflichtung eingehen, ältere Menschen aktiv an der Beschlussfassung zu beteiligen und ihre Rolle im Gemeinschaftsleben zu würdigen.

    Der Staat sollte mit geeigneten Partnern zusammenarbeiten, um die Hindernisse zu beseitigen, die einer umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe älterer Menschen im Wege stehen.

    Alle Akteure sollten an der weiteren Entwicklung eines Ansatzes arbeiten, bei dem das lebenslange Lernen für ältere Menschen, Arbeitgeber und Gemeinschaften im Mittelpunkt steht.

    Der Staat muss die digitale Inklusion und die Schulung älterer Menschen sicherstellen.

    Ältere Menschen sollten sich als Kandidaten zur Wahl stellen, sich an Wahlen beteiligen und sich als Mitglieder in Aufsichtsräten von Unternehmen, staatlichen Einrichtungen und NGO engagieren.

    Der Beitrag informeller Betreuer und informell Betreuter muss anerkannt und ihre jeweiligen Rechte und Pflichte müssen angemessen gefördert werden.

    Ältere Menschen sollten ermuntert werden, sich als Freiwillige zu engagieren, wofür Leitlinien für bewährte Verfahren zugrunde gelegt werden sollten.

    Älteren Arbeitnehmern sollte es ermöglicht werden, bis zum gesetzlichen Rentenalter oder darüber hinaus im aktiven Berufsleben zu verbleiben – wenn sie dies wünschen.

    Arbeitgeber sollten das Arbeitsumfeld entsprechend anpassen und geeignete, auf die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer zugeschnittene vertragliche Vereinbarungen treffen.

    Ältere Menschen müssen als Verbraucher anerkannt werden, Unternehmen sollten dazu angeregt werden, Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft entsprechen.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die Lenkungsgruppe der Europäischen Kommission für das aktive Altern formuliert ihre Vision für Aktivität und Gesundheit im Alter folgendermaßen: " ‧Aktives und gesundes Altern‧ ist ein Prozess, in dem die Möglichkeiten im Hinblick auf Gesundheit, Teilhabe und Sicherheit optimiert werden, um die Lebensqualität der alternden Personen zu verbessern. Dies betrifft sowohl Einzelne als auch ganze Bevölkerungsgruppen. ‧Gesundheit‧ bezieht sich auf das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden. Das Wort ‧aktiv‧ bezieht sich auf die fortgesetzte Teilnahme am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, geistigen und bürgerschaftlichen Leben und nicht nur auf die Fähigkeit, körperlich aktiv zu sein oder am Erwerbsleben teilzunehmen" (1).

    2.2

    In dieser Stellungnahme soll hervorgehoben werden, in welchen Bereichen und in welchem Maße ältere Menschen derzeit europaweit aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben, die Hindernisse, die einer Beteiligung von mehr Menschen im Wege stehen, sollen beleuchtet werden, und es soll hervorgehoben werden, dass sich eine solche Teilhabe bzw. Beteiligung durch das ganze Leben zieht. Der Aufbau eines alternsfreundlichen (2) Europas beginnt in einer langfristigen Perspektive bereits mit der Geburt. Diese Stellungnahme stützt sich auf frühere Stellungnahmen des EWSA zum Thema ältere Menschen und Altern (3).

    2.3

    Derzeit leben 85 Millionen Menschen über 65 Jahren in Europa, und bis 2060 wird diese Zahl auf 151 Millionen ansteigen. Wichtig ist, sich nicht ausschließlich auf das kalendarische Lebensalter zu konzentrieren, sondern die Teilhabe in allen Altersstufen zu würdigen und entsprechende Kapazitäten aufzubauen sowie anzuerkennen, dass sich ältere Menschen (dies sind im Sinne dieser Stellungnahme Menschen über 65 Jahren) trotz etwaiger gesundheitlicher Einschränkungen durchaus gesellschaftlich engagieren können.

    2.4

    "Eine aktive soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Teilhabe älterer Menschen ist auf zeitgerechte Altersbilder angewiesen" (4). Mit der übermäßigen Dramatik der Medien und der Regierungen bei der Beschreibung einer alternden Gesellschaft muss Schluss gemacht werden.

    2.5

    Der Altersdiskriminierung muss ein Ende gesetzt werden, da sie dem Altersbild schadet und ältere Menschen von der Teilhabe abhält. Dies führt zum Verlust äußerst wichtiger Beiträge und zu vermehrten Spannungen zwischen den Generationen. Wir sollten es als Erfolg ansehen, dass wir alle länger und dabei gesünder leben können, was einer besseren Bildung und einer besseren Ernährung sowie der Bekräftigung des Generationenvertrags zu verdanken ist.

    2.6

    Bei einer negativen Einstellung gegenüber älteren Menschen wird deren Rolle als Erwerbstätige, Verbraucher, Mitwirkende an Gemeinschaftsvorhaben, Betreuer und Pflegende ausgeblendet. Eine negative Wahrnehmung älterer Menschen schadet, denn Diskriminierung schwächt das Selbstvertrauen, und sie hält ältere Menschen davon ab, sich stärker zu engagieren und somit mehr zur Wirtschaft beizutragen. Die Lebenserwartung ist aufgrund neuer Entwicklungen in der Medizin, Pharmakologie und Technologie sowie durch ein größeres Gesundheitsbewusstsein und bessere Aufklärung gestiegen. "Forschungsergebnisse zeigen, dass sehr alte Menschen ihre eigene Lebensqualität häufig besser einschätzen, als allgemein anerkannt wird. Wir müssen unsere Einstellung zum Altern ändern, die zu oft von einer negativen Fehleinschätzung und von Vorurteilen geprägt ist" (5).

    2.7

    Der demografische Wandel bietet Wachstumschancen für die Seniorenwirtschaft, da ältere Menschen in vielen Bereichen durch Konsum und Beschäftigung einen Beitrag leisten.

    2.8

    Die Beseitigung der Altersdiskriminierung durch Rechtsvorschriften, innovative Maßnahmen und die Erzeugung einer neuen Dynamik in der Politikgestaltung sollte daher eine Priorität bei der Förderung des aktiven Alterns und der Erschließung des Potenzials der älteren Bevölkerung sein, damit diese umfassend an der Entwicklung des sozialen und wirtschaftlichen Kapitals eines Landes mitwirken kann.

    2.9

    Wir sollten der Ansicht entgegentreten, dass man mit 65 zum Empfänger von Dienstleistungen wird und keinen eigenen Beitrag mehr leistet. Altersbarrieren sollten abgebaut werden. Ältere Menschen mutieren allein aufgrund ihres Alters nicht zu einer homogenen Gruppe, sondern behalten ihre unterschiedlichen Ansichten, Energien, Erfahrungen, Vorurteile, Bedürfnisse und Wünsche. Wir alle werden älter, und um den Erwartungen des Jahres 2060 gerecht zu werden, ist stetige Anpassung erforderlich.

    2.10

    Statistische Angaben zu älteren Menschen sind mit Vorsicht zu behandeln, um der Annahme vorzubeugen, dass der Gesundheitszustand, der Grad der Teilhabe usw. für alle zwischen 65 und 100 gleich sind, da die Bedürfnisse und Fähigkeiten unterschiedlich sind. Von Annahmen, die sich nur auf das Alter stützen, und von Schubladendenken sollte Abstand genommen werden.

    2.11

    Die Würde und das Wohlergehen älterer Menschen lassen sich unmöglich losgelöst von Strategien betrachten, die mit Einkommen, Gesundheit und Sozialfürsorge und dem Erhalt lokaler sozialer Netze und Gemeinschaftsinitiativen verbunden sind. Diese Themen spielen in Bezug auf mögliche Hindernisse für die Teilhabe eine besondere Rolle. Die Fähigkeit, Zugang zu Dienstleistungen zu erlangen und aktiv teilzuhaben, ist abhängig von einem ausreichenden Einkommen, was bei einer Rentenreform umfassend zu berücksichtigen ist.

    3.   Staatsbürgerliche Aspekte

    3.1

    Laut dem vor kurzem veröffentlichten Bericht "Gold Age Pensioners" (6) sind ältere Menschen "das, was die Gesellschaft zusammenhält". Dies unterstreicht den Beitrag, den ältere Menschen in ihren Familien und ihrem jeweiligen Umfeld durch freiwilliges Engagement und die Mitwirkung in demokratischen Institutionen leisten.

    3.2

    Die Wahlbeteiligung liegt bei älteren Menschen bei allen Wahlen über dem Durchschnitt. Aus dem Eurostat-Bericht (7) geht hervor, dass 50 % der Bürgerinnen und Bürger über 55 ihr Wahlrecht ausgeübt haben und dass das Interesse an der Politik im Alter zunimmt. Der wachsende Anteil älterer Menschen an der Gesellschaft bringt einen erheblichen politischen Einfluss mit sich, der in den USA als "grey power" ("die graue Macht") bekannt ist – und dieser Einfluss wird auch geltend gemacht.

    3.3

    Das Durchschnittsalter der Abgeordneten des Europäischen Parlaments liegt bei 54 Jahren, das älteste Mitglied ist 84. Dieses Bild wiederholt sich in anderen staatlichen Institutionen und auch im EWSA, was unterstreicht, dass das Alter kein Hindernis für die Beteiligung auf egal welcher Ebene sein sollte.

    3.4

    Viele ältere Menschen bringen ihre Erfahrungen und ihr im Laufe ihres Berufslebens erworbenes Fachwissen in die Aufsichtsräte von NGO, staatlichen Einrichtungen und Unternehmen ein.

    4.   Mitwirkung an der Beschlussfassung

    4.1

    Aus dem Umfang des gesellschaftlichen Beitrags älterer Menschen, der auf unterschiedliche Arten geleistet wird, könnten Rückschlüsse über die soziale Inklusion älterer Menschen und ihre Beteiligung an Beschlussfassungsprozessen gezogen werden. Ältere Menschen fühlen sich jedoch in Bezug auf Beschlüsse über ihr Wohlergehen bzw. die Gemeinschaft, in der sie leben, häufig "übergangen". Der Einzelne muss persönlich ermutigt werden, und in Organisationen müssen Mechanismen entwickelt werden, um den Ansichten älterer Menschen Rechnung zu tragen.

    4.2

    2010 veröffentlichte die europäische Plattform für ältere Menschen (AGE) einen Bericht (8), in dem die Verfahren beschrieben werden, die in verschiedenen Mitgliedstaaten entwickelt wurden und u.a. nationale und kommunale Seniorenräte und öffentliche Anhörungen vorsehen. Für die soziale Inklusion in Europa ist es von grundlegender Bedeutung, dass die betroffenen Akteure an der Entwicklung von Lösungen für sie betreffende Probleme beteiligt sind. Ebenso wichtig wie die Teilhabe ist allerdings, dass man ihnen aufmerksam zuhört, so dass Veränderungen entstehen.

    4.3

    Denjenigen, die von sozialer Ausgrenzung aufgrund eines schlechten Gesundheitszustands, einer Behinderung oder von Armut betroffen sind, muss geholfen und die Rechte und Möglichkeiten des Einzelnen müssen gestärkt werden. Die schottische Demenz-Arbeitsgruppe ist ein leuchtendes Beispiel für Menschen, bei denen Demenz diagnostiziert wurde und die entschlossen sind, Entscheidungsfreiheit und Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Die Gruppe hat sich durch begeisterte und mutige Kampagnen für ein besseres Verständnis von Demenz und Lobbyarbeit für bessere Dienstleistungen einen beeindruckenden nationalen und internationalen Ruf erworben. Demenzpatienten leiten die Organisation und sind Hauptredner auf Konferenzen oder Berater der Regierung (9).

    4.4

    Eine wirksame Teilhabe erfordert zur Beteiligung einladende Strukturen und die Verpflichtung von Regierungsorganen und NGO, Arbeitgebern und anderen Institutionen, älteren Menschen als Interessenträgern ernsthaft zuzuhören; sie setzt eine jargonfreie Sprache sowie barrierefreie und mit erschwinglichen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbare Orte für Treffen voraus. Ältere Menschen müssen sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sein und sich mit den zur Erörterung anstehenden Themen vertraut machen können, weswegen Aufklärung und Schulung, darunter auch im Umgang mit IKT, wesentliche Zutaten sind (10).

    4.5

    Immer stärkeres Gewicht wird auf die "Koproduktion" gelegt, bei der es darum geht, dass "Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen, die über die Fertigkeiten, das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, zusammenarbeiten, um Möglichkeiten zu schaffen und Probleme zu lösen" (11). Die Grundsätze sind dieselben wie bei allen partizipativen Maßnahmen und können auf individueller Ebene, um ein individuelles Pflege- und Betreuungspaket zu schnüren, bis hin zur staatlichen Ebene bei der Politikgestaltung angewandt werden.

    5.   Forschung

    5.1

    Der EWSA begrüßte die Unterstützung der Europäischen Kommission für gemeinsame Programmplanungsinitiativen und zur Entwicklung von Fahrplänen für zukünftige Forschungstätigkeiten im Bereich Altern und demografischer Wandel, was für das Thema "Horizont 2020: Fahrpläne für das Älterwerden" (12) von integraler Bedeutung ist.

    5.2

    Die fortwährende Erforschung aller Aspekte des Lebens älterer Menschen ist von Bedeutung, um sicherzustellen, dass geeignete politische Beschlüsse getroffen werden, die Gesundheit, Sozialfürsorge, Bildung, Einkommen und Teilhabe betreffen. Ältere Menschen sollten an der Festlegung der Themen und auch an der Forschung beteiligt werden. Besonders wichtig sind geeignete klinische Arzneimittelstudien mit älteren Menschen.

    6.   Betreuung und Pflege

    6.1

    Bei einer alternden Bevölkerung werden immer mehr ältere Frauen Pflege- und Betreuungsaufgaben übernehmen müssen, was aufgrund von Einkommensausfällen und verringerten Rentenansprüchen finanzielle Probleme bereiten könnte. Ältere Menschen leisten einen erheblichen Beitrag als informelle Betreuer und Pfleger älterer, schwächerer Angehöriger, was den staatlichen Sozialkassen große Einsparungen ermöglicht. Die Erfahrung und die Fertigkeiten informeller Pflegepersonen müssen ebenso wie die Notwendigkeit der Bereitstellung von Schulungsmöglichkeiten anerkannt werden.

    6.2

    Zudem betreuen viele Großeltern ihre Enkelkinder, weil dies in schwierigen familiären Situationen erforderlich ist oder weil sie ihren Kindern die Aufnahme einer Arbeit und somit die Erwerbstätigkeit ermöglichen möchten.

    6.3

    Bei der informellen Pflege herrscht ein Bedarf an sozialer Innovation, und die Mitgliedstaaten sollten sich stärker bemühen, die zunehmenden Herausforderungen und die wachsende Verantwortung informeller Pflegepersonen vor dem Hintergrund eingeschränkter oder inadäquater Pflegedienste zu berücksichtigen.

    7.   Freiwilligentätigkeiten

    7.1

    "Es gibt eine bemerkenswerte Vielfalt an Freiwilligentätigkeiten älterer Menschen, die weit über die herkömmlichen altersbezogenen Themen hinausgeht, wie etwa die Unterstützung gebrechlicher oder kranker älterer Menschen" (13). Ausgeübt wird ihre Freiwilligentätigkeit in Bereichen wie Wohlfahrt und Gesundheit, Freizeit, Umwelt, religiöse Organisationen, Kultur und Politik.

    7.2

    Ältere Menschen engagieren sich freiwillig, weil sie so ihre Fertigkeiten und sozialen Kontakte aufrechterhalten und ausbauen können, sozialer Isolation und Ausgrenzung vorbeugen und einen Dienst für ihre jeweilige Gemeinschaft leisten. Von der Freiwilligentätigkeit profitieren alle Seiten. Nach einer Studie aus dem Jahr 2009 waren 78 % der EU27-Bevölkerung der Ansicht, dass ältere Menschen als Freiwillige einen großen Beitrag in Wohltätigkeits- und Gemeinwesenorganisationen leisten (14).

    7.3

    Angesichts fehlender oder gekürzter gesetzlicher Leistungen sollte gewürdigt werden, dass ältere Menschen diese Lücken durch freiwillige Tätigkeiten schließen – aber es muss auch klar sein, dass sie Unterstützung benötigen.

    7.4

    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Anerkennung und die Bandbreite von Freiwilligentätigkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten stark unterscheiden und dass die Menschen, die sich im Alter freiwillig engagieren, dies meist ihr ganzes Leben lang getan haben. Jeder Einzelne sollte sein ganzes Leben lang zu Freiwilligentätigkeiten ermuntert und in die Lage versetzt werden, sie auszuüben, was im höheren Alter Vorteile mit sich bringt, wie etwa die Vorbeugung von Isolation und sozialer Ausgrenzung und die Förderung von Kontakten und Freundschaften.

    8.   Wirtschaftlicher Beitrag

    8.1

    Neben dem Konsum lässt sich der wirtschaftliche Beitrag älterer Menschen an mehrerlei messen: den Einkommens- und Mehrwertsteuerzahlungen, der informellen Betreuung und Pflege von Angehörigen, die Einsparungen für die Sozialkassen bedeuten, der Betreuung von Enkelkindern, die den Kindern die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt ermöglicht, und dem Wert der Freiwilligentätigkeit und des Verbleibs im Berufsleben. Hinzu kommen Vermögensübertragungen an jüngere Familienmitglieder, um sie bei größeren finanziellen Verpflichtungen zu unterstützen (15).

    8.2

    Die zunehmende Anerkennung einer alternden Bevölkerung dürfte das Potenzial für Unternehmen und andere vergrößern, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu vermarkten, die im Kontext einer alternden Bevölkerung für diese Bevölkerungsgruppe gedacht sind, und somit Wachstum in Produktion und Beschäftigung anregen (16).

    8.3

    Die Rolle älterer Menschen als Verbraucher wird nur unzureichend anerkannt, wodurch sich negative Altersbilder fortsetzen. Die stereotype Wahrnehmung älterer Menschen führt tendenziell zu der Annahme, dass ältere Menschen keine spezifischen Angebote oder Dienstleistungen benötigen und dass der "Jugendmarkt" sehr viel wichtiger ist (17).

    9.   Beschäftigung

    9.1

    "Beinahe 60 % der Arbeitnehmer glauben, dass sie ihre berufliche Tätigkeit auch im Alter von 60 Jahren noch werden ausüben können" (18).

    9.2

    Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung ist es wichtig, dass ältere Menschen die Möglichkeit haben und selbst darüber entscheiden können, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter und, wenn sie dies wollen, darüber hinaus im aktiven Berufsleben zu verbleiben. Dies erfordert die Anerkennung der Fähigkeiten älterer Menschen, die Anpassung des Arbeitsumfelds und der Arbeitszeit (was während des gesamten Arbeitslebens von Vorteil wäre), die Möglichkeit zur Teilnahme an Schulungen, um mit sich verändernden Verfahren Schritt zu halten, sowie Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz. Der EWSA hat vor kurzem eine Stellungnahme verabschiedet, in der ein Paket spezifischer Maßnahmen vorgeschlagen wurde, um diese Erfordernisse zu berücksichtigen; ferner wurde hierin die Bedeutung der Sozialpartner als Schlüsselakteure für die Gewährleistung geeigneter Politiken und Anpassungen hervorgehoben (19).

    9.3

    Es muss unterschieden werden zwischen Menschen, die über das Rentenalter hinaus arbeiten, weil sie dies möchten, und denjenigen, die dazu gezwungen sind, weil ihr Renteneinkommen nicht ausreicht.

    9.4

    Ältere Menschen bringen einen großen Erfahrungs- und Wissensschatz in den Arbeitsplatz ein, was in Zeiten des Fachkräftemangels äußerst wichtig ist und einen fortgesetzten wirtschaftlichen Beitrag sicherstellt. Die Unternehmen müssen zur Entwicklung bewährter Verfahren für Altersmanagementstrategien angeregt werden.

    9.5

    Für eine selbstständige oder unternehmerische Tätigkeit älterer Menschen ist Potenzial vorhanden, was ihnen größere Autonomie und Kontrolle über ihre Arbeitsbedingungen ermöglicht. Der Beitrag älterer Menschen in diesem Bereich wächst. Die Eurostat-Angaben für 2010 zeigen, dass 50 % der Arbeitskräfte über 65 selbstständig tätig waren (20). Die Impulse für neue Projekte und Dienstleistungen, die die veränderte Demografie widerspiegeln, können von unternehmerisch tätigen älteren Menschen gegeben werden, und der Einzelne muss ermuntert werden, diese Chancen zu nutzen (21).

    10.   Lebenslanges Lernen

    10.1

    Der EWSA hebt schon seit einigen Jahren die Bedeutung des lebenslangen Lernens als Grundvoraussetzung für die soziale Inklusion, den Verbleib im aktiven Berufsleben, die persönliche Entwicklung und die Fähigkeit zur wirksamen Teilhabe hervor (22).

    10.2

    Immer mehr ältere Menschen nutzen Bildungsangebote, jedoch nicht in allen Mitgliedstaaten in gleichem Maße (23). Die Mitwirkung älterer Menschen an Gruppen, Vereinen und NGO in ihrem jeweiligen Umfeld bietet vielfältige Möglichkeiten für das informelle Lernen.

    11.   Rolle der IKT

    11.1

    Die IKT gewinnen für das Leben aller Bürgerinnen und Bürger an Bedeutung. Internet und E-Mail können ältere Menschen in die Lage versetzen, den Kontakt mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten und regelmäßigen Kontakt zu weiter entfernt lebenden Familienmitgliedern zu halten. Verbessert werden kann dies durch die Nutzung von Skype oder ähnlichen Medien, die auch eine Bildübertragung ermöglichen. Die Nutzung überwachter Chatrooms kann älteren Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen können, dabei helfen, mit anderen Menschen mit ähnlichen Interessen in Kontakt zu treten, wodurch das Gefühl der Isolation abnimmt.

    11.2

    Elektronische Gesundheitsdienste können erhebliche Vorteile bieten, wenn es darum geht, den Gesundheitszustand zu beobachten und auf Notfälle zu reagieren. Solche Verfahren sollten jedoch "echte" Kontakte nicht ersetzen, sondern als Ergänzung zum persönlichen Kontakt gesehen werden. Bei elektronischen Gesundheitsdiensten muss die Notwendigkeit von Beziehungen zu "echten" Menschen berücksichtigt werden.

    11.3

    Zu den umstritteneren IKT-Anwendungen zählen Beobachtungssysteme in "intelligenten" Häusern, für die persönliche Sicherheit oder Geräte für die Beobachtung von Demenzpatienten. Sie sollen die weitere, sichere Selbstständigkeit und Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Der Einsatz solcher Verfahren muss basierend auf ethischen Überlegungen und anhand der praktischen Gegebenheiten entschieden werden; er muss eindeutig zum Vorteil für den älteren Menschen sein und darf nicht als Kontrollmechanismus oder als Mittel für einen geringeren Personaleinsatz dienen.

    11.4

    Die Nutzung des Internets für den Online-Einkauf hat deutliche Vorteile für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, ist aber wiederum gegen die Notwendigkeit abzuwägen, andere Menschen zu treffen und sich außerhalb des Hauses zu bewegen. Der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre müssen gewährleistet sein.

    11.5

    Die Nutzung von IKT erfordert Schulung und Unterstützung sowie den Zugang zu der erforderlichen Ausrüstung. Diese Probleme wurden in der Stellungnahme des EWSA zum Thema "Verbesserung der digitalen Kompetenzen, Qualifikationen und Integration" (24) hervorgehoben.

    12.   Hindernisse, die der Teilhabe im Wege stehen

    12.1

    Zwar wurde die Beteiligung älterer Menschen an einer Reihe von Tätigkeiten mit Auswirkungen auf das soziale und wirtschaftliche Leben hervorgehoben, doch bestehen noch bedeutende Hindernisse für viele ältere Menschen, die sie von einer Teilhabe abhalten.

    12.2

    Das kalendarische Alter ist nur eines von vielen Charakteristika eines Menschen. Das Wissen, die Fertigkeiten und Erfahrung verschiedener Altersgruppen bilden eine wichtige Ressource für die Gesellschaft. Eine für alle Altersgruppen inklusive Gesellschaft setzt voraus, dass die Entscheidungsträger, die einschlägigen Akteure und die Bürger selbst gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen, dass bei der Gestaltung der Politik und der praktischen Maßnahmen altersunabhängig auf Gerechtigkeit und Inklusion geachtet wird.

    Brüssel, den 14. November 2012

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Staffan NILSSON


    (1)  "Strategischer Durchführungsplan für die Europäische Innovationspartnerschaft", Europäische Kommission, 7. November 2011.

    (2)  "Stakeholder Manifesto for an Age Friendly European Union by 2020", Age Platform Europe, 2011.

    (3)  ABl C 228 vom 22.9.2009, S. 24; ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 55; ABl C 181 vom 21.6.2012, S. 150.

    (4)  Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland.

    (5)  Kirkwood, T u.A.: "New Ways of Looking at Age", Blackstaff Press 2011.

    (6)  "Gold Age Pensioners", WRVS 2011.

    (7)  "Active Ageing and solidarity between the generations", Eurostat 2012.

    (8)  "Guide for Civil Dialogue on Promoting Older People's Social Inclusion", Age Platform Europe 2010.

    (9)  "Perspectives on ageing with dementia", Joseph Rowntree Foundation 2012.

    (10)  Siehe Fußnote 8.

    (11)  "A guide to co-production with older people", NDTi.

    (12)  Vgl. Stellungnahme des EWSA zum Thema "Horizont 2020: Fahrpläne für das Älterwerden", verabschiedet am 23. Mai 2012, ABL C 229, vom 31.07.2012, S. 13.

    (13)  "Volunteering by Older People in the EU", Eurofound 2011.

    (14)  Siehe Fußnote 6.

    (15)  "Gold Age Pensioners", WRVS 2011.

    (16)  ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 10.

    (17)  "The Golden Economy", AGE UK 2011.

    (18)  "Living Longer Working Better", Eurofound 2011.

    (19)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 1.

    (20)  "Active Ageing and solidarity between the generations", Eurostat 2011.

    (21)  "Golden opportunities", UnLtd Research findings 2012.

    (22)  ABl. C 161 vom 13.7.2007, S. 1; ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 89; ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 24; ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 115; ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 55.

    (23)  Siehe Fußnote 20.

    (24)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 9.


    Top