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Document 52008AE1201

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten KOM(2008) 16 endg. — 2008/0013 (COD)

ABl. C 27 vom 3.2.2009, p. 66–70 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

3.2.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 27/66


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten“

KOM(2008) 16 endg. — 2008/0013 (COD)

(2009/C 27/15)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 13. Februar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. Juni 2008 an. Berichterstatter war Herr Adams.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 446. Plenartagung am 9./10. Juli 2008 (Sitzung vom 9. Juli) mit 124 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Wert des Systems EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (EHS) wird sich an seinen Auswirkungen auf die europäischen Treibhausgasemissionen und an seiner Bedeutsamkeit und Beispielwirkung dafür messen lassen müssen, globale Maßnahmen anzustoßen bzw. sich zu einem umfassenden, globalen System weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang vertritt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss Folgendes:

Versteigerungen eines größeren Anteils der Emissionsrechte werden begrüßt, da sie im Einklang mit dem Verursacherprinzip stehen, Mitnahmegewinne verhindern, Anreize setzen und zur Bildung von Kapital beitragen, das in CO2-arme Anlagen und Produkte investiert werden kann; sie sind somit innovationsfördernd.

Maßnahmen zum Schutz einzelner energieintensiver Sektoren und Teilsektoren, die stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, sollten in Erwägung gezogen werden, wenn es kein wirksames internationales Abkommen über den Klimawandel gibt, das weltweit allen einschlägigen Industrien die Verpflichtung zur Reduktion von klimaschädlichen Emissionen auferlegt, um Verlagerungseffekte zu vermeiden. Das EU-EHS darf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der EU nicht gefährden.

Um unnötige Unsicherheiten zu vermeiden, sollte die Verordnung über die Versteigerungen unverzüglich ausgearbeitet und angenommen werden.

Die Kommission sollte Vorschläge unterbreiten, auf welchem Weg die EU ihre Selbstverpflichtung, im Falle der Erzielung eines internationalen Abkommens die CO2-Reduzierung von 20 % auf 30 % zu steigern, erfüllen will.

Angesichts des im Entstehen begriffenen „Cap and Trade“-Ansatzes (Emissionsrechtehandel) in den USA und anderen OECD-Staaten sollte dringend auf die Bildung einer gemeinsamen Plattform hingewirkt werden.

Falls die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) nicht rasch wirkungsvolle Vorschläge unterbreitet, sollte der Seeverkehr in das EHS einbezogen werden.

1.2

Durch das EHS sollte eine kohlenstoffarme Wirtschaft, der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel wirksam gefördert werden.

Eine kostenfreie Ausgabe von Zertifikaten sollte vorbehaltlich der Erfüllung strenger Bewertungskriterien und leistungsbezogener Ziele erfolgen.

Wenigstens 50 % der Erlöse aus der Versteigerung von Zertifikaten sollte für Maßnahmen gemäß Artikel 10 Absatz 3 Buchstaben a-f aufgewendet werden.

Potenzielle Negativanreize, die den Beitrag und das Wachstum der Kraft-Wärme-Kopplung und effizienter Fernwärmesysteme beeinträchtigen könnten, sollten eliminiert werden.

Auf forstwirtschaftliche Aspekte, wie Wälder als Kohlenstoffsenken, Entwaldung und Landnutzung muss in der Kommissionsvorlage mehr Gewicht gelegt werden.

1.3

Im Rahmen des EHS sollte auf einen geringen Verwaltungsaufwand sowie auf Klarheit und Transparenz geachtet werden.

Diejenigen Maßnahmen des Vorschlags, die derzeit im Rahmen des Komitologieverfahrens bearbeitet werden, bedürfen dringend der Aufmerksamkeit und Klärung.

Die Kommission sollte erwägen, die Grenze für die Ausnahme kleiner Anlagen von 10 000 auf 25 000 Tonnen anzuheben, vorausgesetzt, entsprechende Ausgleichsmaßnahmen werden ergriffen.

1.4

Das EHS sollte gemeinschaftsintern für einen fairen Ausgleich sorgen und gleichzeitig dem dringenden Bedürfnis der Schwellenländer und der weniger entwickelten Länder Rechnung tragen, ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen und die Armut zu bekämpfen.

Es muss ein Lastenausgleich zwischen den Branchen erwogen werden, die in das EHS einbezogen sind, und denjenigen, die nicht von dem System erfasst werden.

Die Auswirkungen einer eingeschränkten Anwendung des Mechanismus der gemeinsamen Umsetzung (JI) oder der Gutschriften im Rahmen des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) in Ermangelung eines internationalen Abkommens sollten geprüft werden.

Es muss eine Lösung für die potenziellen Probleme einiger osteuropäischer Mitgliedstaaten gefunden werden, deren wichtigster Stromversorger Russland und nicht die EU ist.

2.   Einleitung

2.1

Das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) wurde durch die Richtlinie 2003/87/EG im Oktober 2003 geschaffen. Es zielt darauf ab, die Faktoren, die zum Klimawandel beitragen, unter Kontrolle zu bringen, vor allem die auf menschliche Aktivitäten zurückzuführenden Emissionen von Treibhausgasen (THG), die durch wirtschaftliche Anreize gesenkt werden sollen. Das System umfasst die Deckelung und den Handel („Cap and Trade“), wobei die Menge eines Schadstoffes (hauptsächlich CO2), die emittiert werden darf, begrenzt („gedeckelt“) werden soll. Das europäische Emissionshandelssystem ist das wichtigste Instrument der EU zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen, dem der Vorzug vor einer direkten Kohlendioxidbesteuerung oder einer unmittelbaren Regulierung gegeben wurde.

3.   Allgemeine Grundsätze

3.1

Gegenwärtig gilt das europäische Emissionshandelssystem für mehr als 10 000 Anlagen in der Energiewirtschaft und in der Industrie, die zusammen für 40 % des Treibhausgasaufkommens in der EU verantwortlich sind. Anlagen werden vorab Emissionsberechtigungen zugeteilt und sie müssen eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten (oder Gutschriften) vorlegen, die ihnen das Recht zur Emission einer bestimmten Menge THG entsprechend ihrer tatsächlichen Emissionen gibt. Die Gesamtmenge der Zertifikate und Gutschriften darf die erlaubte Höchstmenge (cap) nicht übersteigen, so dass die Gesamtemissionen auf dieses Niveau begrenzt werden. Unternehmen, deren THG-Emissionen ihre Emissionsrechte übersteigen, müssen Zertifikate von Unternehmen, die weniger emittieren, kaufen oder Zertifikate auf Versteigerungen erwerben.

3.2

Die Übertragung von Zertifikaten ist der Handel. Demnach zahlt jeder Emittent, der diesem System angeschlossen ist, für seine Emissionen, während diejenigen Anlagen, die die Emissionen stärker als erforderlich gesenkt haben, belohnt werden. Theoretischer Ausgangspunkt ist folglich, dass diejenigen, die ihre Emissionen leicht und kostengünstig senken können, dies auch tun werden, woraus sich eine Emissionsminderung zu dem gesellschaftlich niedrigstmöglichen Preis ergibt. Im EHS verbrieft ein „Zertifikat“ das Recht auf die Emission einer Tonne Kohlendioxid über einen bestimmten Zeitraum hinweg — andere Treibhausgase werden in Kohlendioxidäquivalente umgerechnet.

3.3

Die Mitgliedstaaten dürfen ferner die Nutzung von Gutschriften aus Emissionsminderungsprojekten in Drittländern in gleicher Weise wie Zertifikate erlauben. Solche Projekte müssen im Rahmen des im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Mechanismus der gemeinsamen Umsetzung (JI) oder des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) anerkannt sein.

4.   Emissionshandelszeiträume

4.1   Erster EHS-Handelszeitraum 1. Januar 2005-31. Dezember 2007

4.1.1

In der ersten Phase, der „Lernphase“, wurde die Infrastruktur für den Emissionshandel aufgebaut, deren Effektivität jedoch aufgrund der großzügigen Zuteilung von Zertifikaten durch die Mitgliedstaaten sehr begrenzt blieb (für die erste und die zweite Phase haben die Mitgliedstaaten nationale Zuteilungspläne, sog. NAP, ausgearbeitet, in denen die Gesamthöhe der Emissionen und die Zahl der Zertifikate pro Anlage festgelegt wird). Im ersten Handelszeitraum kam es zu einer großen Fluktuation des Zertifikat-Handelspreises einschließlich eines Verfalls des CO2-Preises am Ende der ersten Handelsperiode.

4.1.2

Das EHS war Gegenstand vieler kritischer Kommentare. Bemängelt wurden die Erstzuteilungsmethoden und die Verwendung der Versteigerungserlöse, die zulässige Höchstmenge, Probleme hinsichtlich Gerechtigkeit, Komplexität, Überwachung und Durchsetzung, die Gefahr von Unternehmensverlagerungen durch Hauptverschmutzer in Ländern, in denen es keine Regulierung gibt, der Wert, die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit der JI-/CDM-Gutschriften und künftige Nachteile durch zwangsläufig höhere Produktionskosten. Es wurde klar, dass diese Fragen bei einer Überarbeitung des EHS behandelt werden müssen, damit das System in den Augen sowohl der Unternehmen als auch der NRO an Glaubwürdigkeit gewinnt.

4.2   Zweiter EHS-Handelszeitraum 1. Januar 2008-31. Dezember 2012

4.2.1

Diese Phase gilt für alle 27 Mitgliedstaaten und fällt mit dem ersten Verpflichtungszeitraum des Kyoto-Protokolls und dem Erfordernis der Senkung der Treibhausgasemissionen zusammen. Bislang befindet sich der Handelspreis der Zertifikate in einem stabilen Aufwärtstrend auf einem Niveau, das einen starken Anreiz für Reduktionsmaßnahmen bietet. Der aktuelle Handelspreis (Mai 2008) liegt bei ca. 25 EUR pro Tonne. Für diesen Zeitraum hat die Kommission eine systematische Bewertung der von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Obergrenzen auf Grundlage von verifizierten Emissionen vorgenommen und in der Folge konnten die Emissionen aus EHS-Sektoren im Schnitt um 6,5 % unter dem Niveau von 2005 gedeckelt werden. Im zweiten Handelszeitraum gab es wenig Spielraum für eine Umstellung des Systems oder Änderungen daran, wenngleich sich die Emittenten weiterhin aktiv darauf einstellen und sich anpassen. Die Verifizierung der Daten schreitet voran und es werden zunehmend Erfahrungen mit dem Handel gesammelt, was im Großen und Ganzen als eine Bestätigung für den Grundgedanken des Konzepts zu werten ist.

4.3   Dritter EHS-Handelszeitraum 2013-2020

4.3.1

Die Kommission schlägt nun bedeutende Änderungen am EHS vor, die während dieser Phase in Kraft treten sollen. Genau das ist der Zweck der Änderung der Richtlinie 2003/87/EG.

5.   Zusammenfassung der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie

5.1

Zwar entstand durch das EU-EHS der weltgrößte einheitliche Kohlenstoffmarkt (1), jedoch war die übermäßige Anfangszuteilung (kostenfreier) Zertifikate im Rahmen der NAP ein Manko des Systems, das im eindeutigen Widerspruch zu der EU-weiten effizienten Emissionsreduzierung in den EHS-Sektoren stand. Angesichts fester Verpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung gilt ein überarbeitetes EHS als ein wesentliches Instrument für die Setzung langfristiger CO2-Preissignale, die Anreize für Investitionen in die Kohlendioxidreduzierung und die Umwandlung Europas in eine treibhausgasarme Wirtschaftszone schaffen.

5.2

In folgender Hinsicht soll nachgebessert werden:

Einführung einer EU-weiten Höchstmenge an erlaubten Gesamtemissionen anstelle von 27 nationalen Obergrenzen, d.h. es wird keine NAP mehr geben;

starke Anhebung des Anteils zu versteigernder Zertifikate und Harmonisierung der Regeln für die freie Zuteilung, um kohlenstoffeffiziente Technologien zu fördern;

Festsetzung eines Teils der Versteigerungsrechte nach Pro-Kopf-Einkommen;

einheitlichere Fassung wichtiger Definitionen und verbesserte rechtliche und technische Klarheit;

Aufnahme neuer Wirtschaftszweige (Petrochemie, Ammoniak und Aluminium) und neuer Treibhausgase (Stickoxide und Perfluorkohlenstoffe) und Erweiterung der Erfassung um 6 %;

kleinere Anlagen sollen vom EHS ausgenommen werden dürfen, sofern Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden;

Festsetzung von Regeln für Gutschriften aus JI-/CDM-Projekten.

5.3

Ab 2013 werden jährlich weniger Zertifikate zugeteilt (2), womit im Vergleich zu 2005 eine 21 %ige Treibhausgasreduktion im Bereich des EU-EHS bis 2020 bewerkstelligt werden soll. Diese Senkungsdynamik wird im vierten Handelszeitraum (2021-2028) unvermindert fortgesetzt. Gleichzeitig wird der Anteil zu versteigernder Zertifikate erhöht, beginnend mit 60 % im Jahr 2013. Der Stromsektor soll keine kostenfreien Zuteilungen erhalten; vorschlagsgemäß soll er ab 2013 alle Zertifikate ersteigern oder auf dem Sekundärmarkt erwerben; in anderen Sektoren wird die kostenfreie Zuteilung bis 2020 schrittweise abgeschafft. Ausgenommen davon sind Wirtschaftszweige, bei denen starke Verlagerungseffekte („carbon leakage“) in Länder ohne vergleichbare Emissionsbeschränkungen zu befürchten sind, wodurch es zu einem weltweiten Ansteigen der Emissionen kommen könnte. Solche Sektoren können bis zu 100 % mit kostenfreien Zertifikaten bedacht werden. Die Entscheidung darüber soll 2011 fallen. Die Mitgliedstaaten werden die Auktionen durchführen, und sie sollen ermutigt (aber nicht verpflichtet) werden, Einnahmen in klimafreundliche Maßnahmen zu investieren.

5.4

Sichergestellt wird, dass JI-/CDM-Gutschriften (von Drittstaaten), die jetzt von Wirtschaftsbeteiligten in der EU gekauft werden können, bis 2020 verwendet werden können. Die Gesamtzahl, die in diesem Zeitraum genutzt werden kann, entspricht der Gesamtmenge für den zweiten Handelszeitraum, d.h. 1,4 Milliarden Zertifikaten, was einem Drittel der Gesamtreduktionsbemühungen gleichkommt. Intensiviert die EU ihre Reduktionsbemühungen im Rahmen eines internationalen Klimapakts, können 50 % der zusätzlichen Bemühungen über JI-/CDM-Zertifikate erreicht werden.

5.5

Obwohl Gutschriften aus der Flächennutzung („Kohlenstoffsenken“, wie z.B. Wälder) nicht zugelassen sein werden, könnten inländische Gutschriften aus Emissionsminderungsvorhaben, die nicht vom EHS abgedeckt werden, zugelassen werden, vorausgesetzt, dass hierfür unkomplizierte Bestimmungen gefunden werden können.

5.6

Es ist vorgesehen, das EU-EHS mit anderen Handelssystemen zu verbinden, um so den Aufbau eines weltweiten Systems zu fördern.

5.7

Abhängig vom Abschluss eines internationalen Abkommens wird die Zahl der EHS-Zertifikate im Einklang mit diesem Abkommen reduziert, die Einsatzmöglichkeiten der CDM hingegen erweitert.

5.8

Es wird eine 5 %-Regelung für die Zuteilung von Zertifikaten für neue Anlagen getroffen, die dem System nach 2013 beitreten. Wahrscheinlich werden die Flugzeugemissionen gegen Ende des zweiten Handelszeitraums in das EHS einbezogen, was jedoch Gegenstand eines gesonderten Vorschlags ist (3).

5.9

Bestimmungen über die Einbeziehung des Seeverkehrs in das EHS sind nicht vorgesehen.

6.   Allgemeine Bemerkungen

6.1

Bei dem EU-EHS handelt es sich weder um einen Papiertiger noch um eine „grüne“ Steuer. Es vereint den marktwirtschaftlichen und den ordnungspolitischen Ansatz und eine Richtungsvorgabe, die im Wege des politischen Prozesses erarbeitet und justiert wird. Das einzelne Unternehmen kann selbst entscheiden, ob und wie es seine Emissionen senkt, und es dürfte den kosteneffizientesten Weg zur Erfüllung der Emissionsbestimmungen wählen. Die Hauptfunktion des EHS besteht somit darin, Anreize zu setzen, wodurch die Kosten für das Erreichen eines Emissionsminderungsziels gesenkt werden. Der EWSA begrüßt und unterstützt diesen Ansatz.

6.2

Für das Ziel der Emissionsreduzierung — die Stabilisierung des Treibhausgasanteils in der Atmosphäre auf einen Wert von 450-550 ppm bis zum Jahre 2050 — muss schätzungsweise 1 % des globalen BIP aufgewendet werden. Unterbleiben wirkungsvolle Maßnahmen, könnte das globale BIP um 20 % sinken (4). Allerdings stellt sich vor dem Hintergrund immer neuer Erkenntnisse und Forschungen (5) zu dem immer rasanteren Anstieg der THG-Emissionen und der sinkenden Absorptionskapazität unseres Planeten die Frage, ob diese Reduktionsziele wirklich ausreichen.

6.3

Mit dem EHS wird effektiv eine definitive Führungsposition bei einem Unterfangen angestrebt, das zu einem globalen Anliegen werden muss. Dieser Prozess ist globaler Natur, denn die Atmosphäre ist Teil des Gemeinguts der Weltgemeinschaft. Daher dürfen bei einer Beurteilung des Systems dessen Wechselwirkungen mit und Folgen für globale Emissionsverursacher nicht ausgeklammert werden.

6.4

Der Entwurf eines US-Regelwerks, das wahrscheinlich unter der nächsten Regierung in Kraft treten wird, basiert auf einem ähnlich strukturierten System mit Deckelung und Handel („Cap and Trade“). Ein mögliches gemeinsames Vorhaben der Vereinigten Staaten und der EU wäre ein ganz wesentlicher Schritt hin zu einem globalen System. Gleiches gilt für Verknüpfungen mit anderen vorgeschlagenen Systemen in den OECD-Ländern.

6.5

Der Ausschuss beobachtet daher mit besonderer Aufmerksamkeit, inwieweit mit dem EHS ein fair verteilter und nachhaltiger Einfluss auf die globale Treibhausgasemissionssenkung erzielt wird. Ist aus ihm erkennbar, dass die europäischen Initiativen sowohl glaubhaft als auch effizient sind? In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der EU — die 20 %ige Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 (das dem EHS und den Vorschlägen zur Lastenteilung zugrunde liegt) — unter der Reduktionsspanne von 25 bis 40 % für Industrieländer liegt, die die EU im Dezember 2007 auf der Weltklimakonferenz auf Bali befürwortet hatte. Die Kommission geht von den Zielen aus, die auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rats 2007 vereinbart wurden. Diskutiert wird aber nicht, ob dieses Reduktionsniveau auch ehrgeizig genug ist, um die globale Zielsetzung zu erreichen, oder ob dies lediglich die größtmögliche Reduktion ist, die angesichts der Balance kurzfristiger politischer und ökonomisch motivierter Interessen der Mitgliedstaaten als akzeptierbar gelten kann. Der EWSA gelangt zu dem Schluss, dass die sich mehrenden Erkenntnisse über den Klimawandel die Neuausrichtung der Ziele erforderlich machen, damit stärkere Senkungen der THG-Emissionen erzielt werden können.

6.6

Der EWSA befürwortet, dass die Zertifikate zunehmend versteigert werden sollen. Versteigerungen stehen im Einklang mit dem Verursacherprinzip, verhindern Mitnahmegewinne, setzen Anreize und tragen zur Bildung von Kapital bei, das in CO2-emissionsarme Anlagen und Produkte investiert werden kann; sie sind somit innovationsfördernd.

6.7

Derzeit gibt es für die europäischen Unternehmen im Allgemeinen viele offenen Fragen. Die Hauptsorge gilt dabei den Wettbewerbsnachteilen, die den Unternehmen durch ein überarbeitetes EHS entstehen könnten, und zwar insbesondere gegenüber den Schwellenländern außerhalb der EU. Diese Länder argumentieren nicht ganz ohne Berechtigung, dass zwei Jahrhunderte westlicher Industrialisierung mit den damit verbundenen THG-Emissionen zu berücksichtigen seien und man die Bestrebungen dieser Länder, ihre Bevölkerung aus der Armut zu befreien, würdigen müsse. Ein globales Abkommen zur Lösung dieser Fragen muss unbedingt auf einer breiten Unterstützung und einem Verständnis dieser Faktoren auf Seiten der Verbraucher und der Wirtschaft in den OECD-Ländern aufbauen.

7.   Besondere Bemerkungen

7.1

Wenn das EHS der EU ein globaler Standard für den Kohlenstoffhandel werden soll, kommt es sehr darauf an, dass dieses System so robust und effizient wie möglich ist. Der Ausschuss empfiehlt daher Folgendes:

7.1.1

Kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten für einzelne große, energieintensive Sektoren und Teilsektoren, die stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, sollten nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn es kein wirksames internationales Abkommen über den Klimawandel gibt, das weltweit allen einschlägigen Industrien die Verpflichtung zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen auferlegt. Das EU-EHS darf die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie nicht gefährden.

7.1.2

Soweit dies möglich ist, sollte früher entschieden werden, welche Branchen angesichts der Gefahr von Verlagerungseffekten kostenfreie Zuteilungen erhalten. Diese Branchen werden bis Juni 2010 feststehen, allerdings sollte ein Beschluss früher gefasst werden, und zwar schon im Zusammenhang mit der Richtlinie, damit die Unsicherheit für die Investoren vermieden wird, da sie langfristig planen müssen.

7.1.3

Obwohl Versteigerungen das Hauptzuteilungsverfahren für Zertifikate sein sollten, gibt es fast keine Anhaltspunkte dafür, wie diese Versteigerungen zu organisieren sind. Der Verweis auf eine Verordnung, die die Versteigerungen frühestens ab 31. Dezember 2010 regelt, birgt eine zusätzliche Unsicherheit für alle Teilnehmer am EU-EHS, müssen doch im Energiebereich massive Investitionen getätigt werden.

7.1.4

Es muss ein Lastenausgleich zwischen den Branchen erwogen werden, die in das EHS einbezogen sind, und denjenigen, die nicht von dem System erfasst werden. Der Ausschuss stellt in Frage, ob die Verteilung der Reduzierungsverpflichtungen zwischen den unter das EHS fallenden Branchen (-21 % im Vergleich zu 2005) und den übrigen Branchen (-10 % im Vergleich zu 2005) gerechtfertigt ist. Forschungen (6) belegen, dass in einigen, nicht vom EHS erfassten Branchen, und hier insbesondere in den beiden größten, Baugewerbe und Verkehr, ein Potenzial vorhanden ist, die Emissionen kostenneutral oder sogar mit Gewinn zu senken. Außerdem sind dies Branchen, in denen die Gefahr von Verlagerungseffekten klein oder nicht vorhanden ist. Das Baugewerbe hat zudem ein großes beschäftigungspolitisches Potenzial in der EU.

7.1.5

Bei der Einbeziehung des Flugverkehrs in das System sollten sämtliche Zertifikate versteigert werden (7).

7.1.6

In Anbetracht der steigenden Treibhausgasemissionen durch den Schiffsverkehr (die mit weltweit 1,12 Milliarden Tonnen doppelt so hoch sind wie die Emissionen des Flugverkehrs (8)) sollte die Kommission Maßnahmen erwägen, um den Schiffsverkehr in das EHS einzubeziehen, falls die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) nicht rasch wirkungsvolle Vorschläge unterbreitet.

7.1.7

Die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate — nach gegenwärtigen Schätzungen 50 Mrd. EUR jährlich bis 2020 — sollten weitaus umfassender für die Finanzierung von Klimaschutz-, Emissionsminderungs- und Anpassungsmaßnahmen aufgewendet werden, wobei die besondere Aufmerksamkeit schutzbedürftigen und weniger entwickelten Ländern sowie Forschung und Entwicklung zu gelten hat. Die im Richtlinienvorschlag (Artikel 10 Absatz 3) vorgesehene Zweckbindung in Höhe von 20 % ist nicht ausreichend; damit wird eine Chance verpasst, einen starken Anreiz für die Schaffung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu schaffen. Der EWSA empfiehlt hier eine Anhebung auf mindestens 50 % der Einnahmen. Beachtet und unterstützt werden sollte auch der Beitrag der Forstwirtschaft, der Aufforstung und der Prävention der Entwaldung in und außerhalb der EU, wo der Kohlenstoffsenkeneffekt nachgewiesen werden konnte.

7.1.8

Bei denjenigen Maßnahmen des Vorschlags, für die derzeit das Komitologieverfahren gilt, wäre eine größere Klarheit und Transparenz wünschenswert.

7.1.9

Die Kommission sollte erwägen, die Grenze für die Ausnahme kleiner Anlagen von 10 000 auf 25 000 Tonnen anzuheben, vorausgesetzt, entsprechende Ausgleichsmaßnahmen werden ergriffen.

7.1.10

In dem Vorschlag sollte klarer herausgearbeitet werden, auf welchem Weg die EU ihrer Selbstverpflichtung im Falle des Zustandekommens eines internationalen Abkommens, die CO2-Reduzierung von 20 % auf 30 % zu steigern, erfüllen will.

7.1.11

Damit negative Auswirkungen auf das Wachstum und den Beitrag von Systemen der Kraft-Wärme-Kopplung vermieden werden, werden die Mitgliedstaaten dringend gebeten, ihre Einspeisetarife zu prüfen.

7.1.12

Was die Frage der Fernheizwerke betrifft, so sollte durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass Negativanreize nicht bewährte Verfahren untergraben.

7.1.13

Es muss eine Lösung für die potenziellen Probleme einiger osteuropäischer Mitgliedstaaten gefunden werden, deren wichtigster Stromversorger Russland und nicht die EU ist.

7.1.14

Der gegenwärtige Vorschlag, die Möglichkeit zur Verwendung von JI-/CDM-Gutschriften im Falle des Zustandekommens eines internationalen Abkommens einzuschränken, sollte geprüft werden, besonders im Lichte der negativen Auswirkungen auf den sich entwickelnden internationalen Kapitalmarkt für die Finanzierung solcher Programme.

Brüssel, den 9. Juli 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Weltbank, State and Trends of the Carbon Market, Mai 2007.

(2)  Von 1 974 Millionen Tonnen CO2 auf 1 720 Millionen Tonnen.

(3)  Siehe Stellungnahme des EWSA (veröffentlicht im ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 47).

(4)  Stern-Bericht 2006.

(5)  Die Mauna-Loa-Warte auf Hawaii gibt an, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bereits 387 ppm erreicht hat, die höchste Konzentration der vergangenen 650 000 Jahre.

(6)  Vattenfall/McKinsey, The Climate Map

http://www.vattenfall.com/www/ccc/ccc/Gemeinsame_Inhalte/DOCUMENT/567263vattenfall/P0271636.pdf.

(7)  In Übereinstimmung mit der früheren Empfehlung des Ausschusses (siehe ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 47).

(8)  IMO-Bericht, Februar 2008.


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