EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52012IP0354

Südafrika: Massaker an streikenden Bergarbeitern Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2012 zu Südafrika: Massaker an streikenden Bergarbeitern (2012/2783(RSP))

ABl. C 353E vom 3.12.2013, p. 141–144 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

3.12.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 353/141


Donnerstag, 13. September 2012
Südafrika: Massaker an streikenden Bergarbeitern

P7_TA(2012)0354

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2012 zu Südafrika: Massaker an streikenden Bergarbeitern (2012/2783(RSP))

2013/C 353 E/19

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Gemeinsamen Aktionsplan für eine Strategische Partnerschaft Südafrika-EU, bei der es sich um die bislang einzige Partnerschaft dieser Art zwischen der EU und einem afrikanischen Land handelt,

unter Hinweis auf das AKP-EG-Partnerschaftsabkommen („Abkommen von Cotonou“),

unter Hinweis auf die Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen,

unter Hinweis auf den Globalen Pakt der Vereinten Nationen und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen,

unter Hinweis auf den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung des Internationalen Rates für Bergbau und Metalle (International Council for Mining and Metals),

unter Hinweis auf das Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Südafrika von 1999, das im Jahr 2009 um Bestimmungen über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit ergänzt wurde,

unter Hinweis auf die Pressemitteilung von Präsident Jacob Zuma vom 17. August 2012,

unter Hinweis auf die Äußerungen der Hohen Vertreterin Catherine Ashton vom 23. und 24. August 2012 im Anschluss an den 11. Ministeriellen Politischen Dialogs zwischen der EU und Südafrika, an dem Außenminister Nkoana-Mashabane teilnahm,

unter Hinweis auf die Entschließung der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung vom 30. Mai 2012 zu den sozialen und ökologischen Folgen des Bergbaus in den AKP-Staaten,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass am 16. August 2012 bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und streikenden Bergarbeitern im Platinbergwerk Marikana Lonmin in der Nord-West-Provinz Südafrikas 34 Personen erschossen und mindestens 78 Personen verletzt wurden; in der Erwägung, dass diesem Vorfall mehrere Tage andauernde gewalttätige Streiks vorausgegangen waren, bei denen 10 Menschen, darunter zwei Sicherheitsleute und zwei Polizisten, getötet wurden;

B.

in der Erwägung, dass während der Streiks 270 Bergarbeiter verhaftet und auf der Grundlage des sogenannten „Common Purpose Law“, das noch aus der Zeit der Apartheid stammt, wegen der Tötung ihrer eigenen Kollegen angeklagt wurden;

C.

in der Erwägung, dass die Staatsanwaltschaft die Mordanklage gegen die am 16. August 2012 verhafteten Bergarbeiter infolge öffentlicher Proteste fallengelassen hat und dass die gegen sie erhobene Anklage wegen öffentlicher Gewalt bis zum Abschluss der Ermittlungen zurückgestellt worden ist;

D.

in der Erwägung, dass das Massaker einen der blutigsten Zwischenfälle zwischen der Polizei und Demonstranten seit dem Ende der Apartheid im Jahr 1994 darstellt;

E.

in der Erwägung, dass dieser Zwischenfall im größeren Kontext der enormen sozioökonomischen Ungleichgewichte des Landes gesehen werden muss; in der Erwägung, dass es Südafrika seit dem Ende des Apartheid-Regimes zwar gelungen ist, einen demokratischen Staat zu errichten, das Land aufgrund anhaltender großer Ungleichheiten und einer hohen Armuts- und Arbeitslosenrate jedoch immer noch vor erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen steht;

F.

in der Erwägung, dass Präsident Zuma nach den blutigen Zwischenfällen diesen tragischen Zustand öffentlich bedauerte;

G.

in der Erwägung, dass Präsident Zuma zur Untersuchung der blutigen Zusammenstöße eine gerichtliche Untersuchungskommission eingesetzt hat, und dass auch die die südafrikanische Unabhängige Polizeiermittlungsbehörde (Independent Police Investigative Directorate – IPID) Ermittlungen zu dem Massaker in die Wege geleitet hat; in der Erwägung, dass ein interministerieller Ausschuss eingerichtet worden ist, dessen Aufgabe darin besteht, nach einer nachhaltigen Lösung für die Probleme, die zu dem Massaker geführt haben, zu suchen;

H.

in der Erwägung, dass die Mechanismen zur Beilegung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten noch nicht reformiert wurden, was zu erheblichen wirtschaftlichen Kosten für Südafrika geführt hat und ausländische Investoren abschreckt;

I.

in der Erwägung, dass sich die streikenden Bergarbeiter in einem Tarifstreit mit dem Eigentümer des Bergwerks befanden, dem weltweit drittgrößten Plantinabbauunternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist;

J.

in der Erwägung, dass die erbitterte politische und gewerkschaftliche Rivalität und insbesondere die Spannungen zwischen der nationalen Bergarbeitergewerkschaft (National Union of Mineworkers – NUM) und der Vereinigung der Bergarbeiter- und Bauarbeitergewerkschaft (Association of Mineworkers and Construction Union - AMCU) zu dem Konflikt beigetragen haben;

K.

in der Erwägung, dass der entlassene frühere Präsident des Jugendverbands des Afrikanischen Nationalkongresses (African National Congress Youth League – ANCYL), Julius Malemam Augenzeugenberichten zufolge die streikenden Bergarbeiter und die AMCU unterstützt hat;

L.

in der Erwägung, dass Mineralien und Bergbauerzeugnisse aus Südafrika unter anderem in Länder der Europäischen Union exportiert werden; in der Erwägung, dass der Bergbausektor unter geringer Nachfrage und gestiegenen Betriebskosten leidet;

M.

in der Erwägung, dass sich einige Bergarbeiter des Platinbergwerks Marikana Lonmin noch immer im Streik für bessere Löhne befinden;

N.

in der Erwägung, dass am 5. September 2012 ein großes Polizeiaufgebot vor Ort war, als 3 000 streikende Bergarbeiter in der Nähe des Bergwerks Marikana in der größten gewaltfreien Demonstration seit dem Massaker vom 16. August 2012 durch die Straßen marschierten;

O.

in der Erwägung, dass sich der Protest auch auf andere Bergwerke ausgeweitet hat, und dass es am 5. September 2012 bei einer Konfrontation im Bergwerk Gold One Modder East, bei der Sicherheitsleute mit Gummigeschossen auf streikende Bergarbeiter schossen, fünf Verletzte gab;

1.

verurteilt nachdrücklich die brutalen Morde an streikenden Bergarbeitern am 16. August 2012 und die vorangegangene Gewalt, die zehn Menschen das Leben kostete, darunter zwei Sicherheitsleute und zwei Polizisten;

2.

spricht den Familien aller Todesopfer, die seit dem Beginn der Krise im Bergwerk Marikana umgekommen sind, sein aufrichtiges Beileid aus;

3.

begrüßt die Entscheidung von Präsident Zuma, eine Untersuchungskommission einzusetzen, und die Initiative der IPID, Ermittlungen über die Tötungen aufzunehmen;

4.

fordert die Untersuchungskommission auf, in transparenter, sorgfältiger, unabhängiger und unparteiischer Weise zu arbeiten und sicherzustellen, dass ihre Ermittlungen die der IPID ergänzen;

5.

fordert alle betroffenen Parteien auf, zur Aufklärung des Sachverhalts in Bezug auf die Ereignisse im Bergwerk Marikana mit der Untersuchungskommission zusammenzuarbeiten;

6.

fordert die Untersuchungskommission auf, die Ursache der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung durch die Polizei zu ermitteln; und zeigt sich zutiefst besorgt über die Anwendung des „Common Purpose Law“ aus der Zeit der Apartheid durch die Behörden;

7.

ist besorgt darüber, dass die etablierten Sozialpartner Südafrikas aufgrund der fortdauernden Anzeichen für Korruption auf allen Ebenen ihre Legitimationsgrundlage in der Bevölkerung verlieren;

8.

fordert die südafrikanischen Regierungsstellen und Lonmin auf, zu gewährleisten, dass die Opfer und ihre Familien Rechtsbeistand erhalten und entschädigt werden und dass für sie gesorgt wird;

9.

fordert für alle festgenommenen Personen eine gerechte Behandlung, die im Einklang mit rechtlichen Normen steht, einschließlich unparteiischer und transparenter polizeilicher Ermittlungen;

10.

bedauert, dass es Lonmin verabsäumt hat, in dem Tarifkonflikt mit dem erforderlichen Einfühlungsvermögen zu agieren, und dass es keine Verantwortung übernommen hat; begrüßt jedoch die Ankündigung des Unternehmens, ungeachtet seiner früheren Drohung, streikende Bergarbeiter, die der Arbeit fernbleiben, nicht zu entlassen;

11.

ist zutiefst besorgt über die Androhung von Gewalt durch streikende Bergarbeiter, insbesondere im Hinblick auf den Bericht über die Einschüchterung von Minenarbeitern, denen mit dem Tod gedroht wurde, für den Fall, dass sie ihre Arbeit wiederaufnehmen; fordert alle beteiligten Parteien auf, dafür zu sorgen, dass Proteste friedlich verlaufen;

12.

ist besorgt darüber, dass die Zusammenstöße im Bergwerk Gold One Modder East ein Anzeichen dafür sind, dass die Arbeiterunruhen auf den Goldsektor übergreifen und möglicherweise eine Ausbreitung der Gewalt zur Folge haben;

13.

erinnert alle Parteien an ihre Verpflichtung, dass Völkerrecht, einschließlich der Grundsätze und Prioritäten der ILO, und die südafrikanische Verfassung, die die Rechte auf Vereinigung, Versammlung und freie Meinungsäußerung gewährleistet, zu achten;

14.

fordert die südafrikanischen Regierungsstellen, die Gewerkschaften und Lonmin auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine rasche, umfassende und gerechte Lösung für den Konflikt und den Tarifstreit zu finden und so für Frieden und Stabilität in diesem Sektor zu sorgen;

15.

fordert eine umgehende Lösung für die anhaltenden Streitigkeiten und Konflikte zwischen der NUM und der AMCU;

16.

fordert nachdrücklich, dass die Frage nach angemessenen Gehältern für die Arbeiter in südafrikanischen Bergwerken und das Problem der Lohnungleichgewichte in Angriff genommen werden;

17.

erkennt an, dass die südafrikanische Regierung eine Reihe von Schritten unternommen hat, um die Arbeitsbedingungen im Bergbau zu verbessern, und fordert die Behörden auf, ihre Bemühungen fortzusetzen;

18.

fordert die südafrikanische Regierung auf dem Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen für die südafrikanische Polizei Rechnung zu tragen, insbesondere was die Eindämmung gewalttätiger Demonstrationen und den Einsatz scharfer Munition angeht; fordert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der EU und Südafrika in Bezug auf die polizeiliche Ausbildung;

19.

fordert die Kommission auf, einen Kontrollmechanismus einzuführen, mit dem die Einfuhr von Bergbauerzeugnissen in die EU verhindert wird, die ohne soziale, arbeitsrechtliche, sicherheitsrelevante und ökologische Garantien gewonnen wurden; legt der Kommission nahe, ein Qualitätssiegel für Bergbauerzeugnisse einzuführen, die im Einklang mit sozialen, arbeitsrechtlichen, sicherheitsrelevanten und ökologischen Mindeststandards gewonnen wurden;

20.

fordert die südafrikanische Regierung auf, die Ursachen der gewalttätigen Vorfälle, darunter die besorgniserregende Kluft zwischen Arm und Reich, der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter, zu bekämpfen und auf diese Weise dem extremen wirtschaftlichen Ungleichgewicht ein Ende zu setzen.

21.

ist bereit, Südafrika weiterhin zu unterstützen und betont, dass es einer kontinuierlichen und zielgerichteteren Partnerschaft bedarf, um dem Land bei der Bewältigung seiner sozioökonomischen Herausforderung zu helfen;

22.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Parlament und der Regierung Südafrikas, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, dem Panafrikanischen Parlament und der Afrikanischen Union zu übermitteln.


Top