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Document 61990TJ0045

    Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 28. Januar 1992.
    Alicia Speybrouck gegen Europäisches Parlament.
    Bedienstete auf Zeit - Entlassung - Schutz der schwangeren Bediensteten - Begründung der Entlassungsverfügung - Kündigungsfrist - Einhaltung eines ordnungsgemäß eingeführten internen Verfahrens.
    Rechtssache T-45/90.

    Sammlung der Rechtsprechung 1992 II-00033

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:1992:7

    URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

    28. Januar 1992 ( *1 )

    In der Rechtssache T-45/90

    Alicia Speybrouck, ehemalige Bedienstete auf Zeit der Fraktion der Europäischen Rechten im Europäischen Parlament, wohnhaft in Brügge, vertreten durch Rechtsanwalt Vie Elvinger und in der mündlichen Verhandlung durch Rechtsanwältin Catherine Dessoy, Luxemburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Elvinger und Dessoy, 31, rue d'Eich, Luxemburg,

    Klägerin,

    gegen

    Europäisches Parlament, vertreten durch den Rechtsberater Jorge Campinos und Abteilungsleiter Manfred Peter als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwalt Hugo Vandenberghe, Brüssel, Zustellungsanschrift: Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, Luxemburg-Kirchberg,

    Beklagte,

    wegen Aufhebung der Kündigung des Dienstvertrags der Klägerin, Ersatzes des infolge dieser Kündigung angeblich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens sowie hilfsweise Benennung eines Sachverständigen zur genaueren Feststellung dieses Schadens

    erläßt

    DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Richter D. Barrington und H. Kirschner,

    Kanzler: H. Jung

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 1991,

    folgendes

    Urteil

    Sachverhalt

    1

    Die Klägerin, die von 1985 bis 1989 als parlamentarische Assistentin bei verschiedenen, der Fraktion der Europäischen Demokraten angehörenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments (im folgenden: Parlament) und danach mehrere Monate im Institut für Europäische Umweltpolitik in Brüssel gearbeitet hatte, wurde am 1. Januar 1990 als Bedienstete auf Zeit der Besoldungsgruppe A 3 eingestellt, um die Aufgaben des stellvertretenden Generalsekretärs der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten (im folgenden: Fraktion) auf unbestimmte Dauer wahrzunehmen. Der nicht datierte Dienstvertrag sah unbeschadet der Anwendung der Artikel 48, 49 und 50 der Beschäftigungsbedingungen (im folgenden: Beschäftigungsbedingungen) für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften i) eine Probezeit von sechs Monaten und ii) eine Kündigungsfrist von drei Monaten für jede der Parteien vor.

    2

    Ein „abschließender“ Probezeitbericht wurde am 3. Mai 1990 erstellt und von Herrn Brissaud, Generalsekretär der Fraktion, und von der Klägerin am 18. Mai 1990 unterzeichnet.

    3

    Der Vorsitzende der Fraktion, Herr Le Pen, soll mit Schreiben vom 28. Mai 1990 Herrn Brissaud aufgefordert haben, „das passende Verfahren einzuleiten, damit die Mitarbeit [der Klägerin] in der Fraktion nach den für das Europäische Parlament geltenden Vorschriften beendet wird ... Es handelt sich um einen schwerwiegenden Grund politischer Art, über den ich den Vorstand der Fraktion bei seiner nächsten Sitzung informieren werde, die ich Sie für Dienstag, den 5. Juni 1990, in Brüssel anzuberaumen bitte“.

    4

    Die Klägerin bestreitet die Echtheit dieses Schreibens und behauptet, daß ihr bei der Übermittlung der Schriftstücke im Rahmen des von ihr angestrengten Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung lediglich eine Kopie zur Kenntnis gebracht worden sei. Auf die Aufforderung des Gerichts vom 6. Juni 1991, das Original dieses Schreibens vorzulegen, hat das Parlament erklärt, daß es dieser Aufforderung nicht nachkommen könne, weil die Fraktion ihm die in ihrem Besitz befindlichen Originale üblicherweise nicht zur Verfügung stelle.

    5

    Der Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Fraktionsvorstandes, die am 5. Juni stattgefunden haben soll, lautet wie folgt:

    „Der Vorstand hat nach Anhörung seines Vorsitzenden und nach eingehender Erörterung mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder beschlossen, die Entscheidung seines Vorsitzenden, die Probezeit von Fräulein Alicia Speybrouck zu beenden, zu bestätigen, und zwar aus schwerwiegenden Gründen politischer Art, die er zu beurteilen hatte.“

    6

    Nach den Erläuterungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung soll diese Sitzung tatsächlich am 7. Juni und nicht am 5. Juni 1990 stattgefunden haben.

    7

    Der Generalsekretär der Fraktion, Herr Brissaud, teilte der Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 1990, das diese am 6. Juni erhalten haben will, mit, daß ihre Probezeit nicht verlängert und sie unter Wahrung einer Kündigungsfrist von einem Monat, die mit dem 1. Juni 1990 beginne, entlassen werde.

    8

    Die Klägerin legte mit Schreiben vom 6. Juni 1990 an den Generaldirektor Personal, Haushalt und Finanzen, Herrn Van den Berge, gegen die Verfügung eine Beschwerde im Sinne des gemäß Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen entsprechend geltenden Artikels 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) ein und teilte ihm zugleich mit, daß sie schwanger sei.

    9

    Mit einem Schreiben vom 18. Juni 1990 an Herrn Van den Berge bestätigte die Klägerin, daß sie seit dem 15. Mai 1990 schwanger sei, wie aus einer ärztlichen Bescheinigung ihres Frauenarztes hervorgehe, die dem Arzt des Parlaments am 18. Juni 1990 übermittelt worden sei.

    10

    Herr Brissaud teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 1990 mit, daß der Fraktionsvorstand unabhängig von der Mitteilung ihrer Schwangerschaft und ungeachtet des Umstands, daß deren Beginn etwa auf den 15. Mai 1990, also einen Zeitpunkt zu datieren sei, der vor dem Erlaß der Entlassungsverfügung vom 31. Mai 1990 liege, ihre Entlassung bestätigt habe.

    11

    Herr Calinoglou, Vorsitzender der Personalvertretung, erhob mit Schreiben vom 9. Juli 1990 Einspruch gegen die mit der Verfügung vom 31. Mai 1990 erfolgte Entlassung der Klägerin.

    12

    Das Parlament behauptet, daß Herr Brissaud mit Schreiben vom 10. Juli 1990 der Personalvertretung im Wege des hausinternen Postverkehrs des Organs eine Antwort habe zukommen lassen.

    13

    Die Klägerin bestreitet, daß es eine solche schriftliche Antwort gebe. In Beantwortung einer vom Gericht am 6. Juni 1991 gestellten Frage hat das Parlament erklärt, es sei nicht im Stande, das Original dieses Schreibens vorzulegen, das nach den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen im Anschluß an die Neuwahl des Personalrats verlorengegangen sein soll.

    14

    Herr Le Pen, Vorsitzender der Fraktion, übermittelte mit Schreiben vom 12. Juli 1990, das die Klägerin am 20. Juli erhalten haben will, eine neue Kündigung, diesmal unter Wahrung einer Frist von drei Monaten, die am 11. Oktober 1990 enden sollte. Das Parlament räumt ein, daß der Übersendung dieses Schreibens Fühlungnahmen zwischen der Fraktion und dem Juristischen Dienst des Parlaments vorausgegangen seien, der empfohlen habe, die erste auf Artikel 14 der Beschäftigungsbedingungen gestützte Kündigung vom 31. Mai 1990 durch eine zweite, ordnungsgemäß auf Artikel 47 der Beschäftigungsbedingungen gestützte Kündigungserklärung zu ersetzen.

    15

    Die Klägerin legte mit Schreiben vom 24. Juli 1990 an Herrn Van den Berge gegen diese Verfügung vom 12. Juli 1990 eine weitere Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts ein. Herr Van den Berge teilte der Klägerin mit Schreiben vom 6. September 1990 mit, daß ihr Vertrag zum 11. Oktober 1990 auslaufe und daß ihre beiden Beschwerden geprüft würden.

    Verfahren

    16

    Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 16. Oktober 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und dort in das Register eingetragen worden ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Verfügungen vom 31. Mai 1990 und 12. Juli 1990, mit denen ihr Dienstvertrag gekündigt worden war.

    17

    Mit Antrag vom selben Tage hat die Klägerin beantragt, den Vollzug dieser Verfügungen auszusetzen.

    18

    Der Präsident des Gerichts hat diesen Antrag mit Beschluß vom 23. November 1990 zurückgewiesen. Er hat jedoch im Wege der einstweiligen Anordnung beschlossen: „Vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission der Antragstellerin das in Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen vorgesehene Arbeitslosengeld tatsächlich auszahlt, zahlt das Parlament der Antragstellerin einen Betrag in Höhe dieses monatlichen Arbeitslosengeldes zuzüglich der Familienzulagen gemäß Artikel 28a Absatz 5 der Beschäftigungsbedingungen von der Geburt des Kindes an und gewährleistet der Antragstellerin die beitragsfreie Sicherung im Krankheitsfall unter den Voraussetzungen des Artikels 72 des Statuts.“

    19

    Mit Antragsschrift, die am 14. März 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und in das Register eingetragen worden ist, hat die Klägerin geltend gemacht, das Parlament führe die einstweilige Anordnung nicht durch, und hat neue einstweilige Anordnungen beantragt. Im Anschluß an die mündlichen Erklärungen der Partei in der Sitzung vom 20. März 1991 ist dieses zweite Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung für drei Wochen ausgesetzt worden. Im Hinblick auf die geänderte Haltung des Parlaments hat die Klägerin diesen zweiten Antrag mit Schreiben vom 11. April 1991 zurückgenommen.

    20

    Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen und am 18. März 1991 beendet worden.

    21

    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht das Parlament am 6. Juni 1991 ersucht, die genauen und vollständigen Gründe für die Entlassung der Klägerin darzulegen und die am 15. März 1989 vom Präsidium des Parlaments verabschiedete interne Regelung für die Einstellung von Beamten und sonstigen Bediensteten (im folgenden: Regelung des Präsidiums) sowie die Originale der Schreiben vom 28. Mai und 10. Juli 1990 vorzulegen. Es hat ferner das Parlament aufgefordert, genau darzulegen, zu welchem Zeitpunkt der Vorsitzende des Personalrats in den Besitz des letztgenannten Schreibens gelangt sei. Das Parlament hat die ihm gestellten Fragen nur teilweise beantwortet und die Originale der Schreiben vom 28. Mai und 10. Juli 1990 nicht vorgelegt.

    22

    Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

    Anträge der Parteien

    23

    Die Klägerin beantragt,

    a)

    die Verfügungen von Herrn Jean-Marc Brissaud vom 31. Mai 1990, mit der ihr ihre Entlassung mitgeteilt worden ist, dem mehr als vier Monate währenden Schweigen auf ihre Beschwerde vom 6. Juni 1990 zu entnehmende stillschweigende Ablehnungsentscheidung des Herrn Van den Berge sowie die Verfügung von Herrn Jean-Marie Le Pen, Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Rechten, vom 12. Juli 1990, mit der der Klägerin ihre Entlassung zum 11. Oktober 1990 mitgeteilt worden ist, aufzuheben und demgemäß die Wiedereinsetzung der Klägerin in ihre früheren Funktionen anzuordnen;

    b)

    hilfsweise festzustellen, daß die Entlassungen rechtsmißbräuchlich waren, und den Beklagten zur Zahlung von 5000000 LFR Schadensersatz an sie vorbehaltlich einer Erhöhung nach Maßgabe eines Sachverständigengutachtens zu verurteilen; soweit erforderlich einen Sachverständigen mit der Aufgabe zu bestimmen, den ihr als Ersatz des infolge der mißbräuchlichen Entlassung entstandenen materiellen und immateriellen Schaden zustehenden Betrag zu schätzen;

    c)

    dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    24

    Das Parlament beantragt,

    a)

    die Klage für unbegründet zu erklären;

    b)

    über die Kosten nach Maßgabe der anwendbaren Vorschriften der Verfahrensordnung zu entscheiden.

    Zur Zulässigkeit

    1. Zu detti Antrag aufAufliebung der Kündigungsverfilgung vom 31. Mai 1990

    25

    Die Klägerin hat zunächst zur Stützung ihrer Aufhebungsklage gegen die erste Kündigungsverfügung drei Klagegründe vorgebracht, mit denen erstens die Verletzung des Artikels 9d der Fraktionsordnung, zweitens die fehlerhafte Anwendung des Artikels 14 anstelle des Artikels 47 der Beschäftigungsbedingungen und drittens der Umstand geltend gemacht wurde, daß die ihr zunächst zugestandene Kündigungsfrist von einem Monat im Hinblick auf die einschlägigen Vorschriften des Artikels 47 der Beschäftigungsbedingungen unzureichend gewesen sei.

    26

    Das Parlament weist, ohne insoweit auf die geltend gemachten Klagegründe einzugehen, darauf hin, daß lediglich die Gültigkeit der späteren Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 Gegenstand des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits sein könne, weil auf jeden Fall der Dienstvertrag der Klägerin bis zum 11. Oktober 1990 ordnungsgemäß erfüllt worden sei.

    27

    Angesichts dieses Vorbringens stellt das Gericht fest, daß die Klägerin in ihrer Erwiderung dieser Auffassung des Parlaments nicht entgegentritt und die Entscheidung über diesen Punkt dem Ermessen des Gerichts überläßt.

    28

    Das Gericht weist ferner darauf hin, daß aus den Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, daß beide einvernehmlich davon ausgehen, daß die Klägerin ihre Vergütung ordnungsgemäß bis zum 20. Oktober 1990 erhalten hat.

    29

    Da somit feststeht, daß die Verfügung vom 31. Mai 1990 die Klägerin bei der Erhebung ihrer Klage nicht mehr beschwerte, stellt das Gericht fest, daß die Klage insoweit unzulässig ist, als sie gegen diese Verfügung gerichtet ist.

    2. Zu dem Antrag auf Wiedereinweisung der Klägerin in ihre früheren Funktionen

    30

    Zu diesem Antrag ist darauf hinzuweisen, daß der Gemeinschaftsrichter ein Gemeinschaftsorgan nicht zum Erlaß von Maßnahmen verurteilen kann, ohne in die ausschließlichen Befugnisse der Verwaltung einzugreifen.

    31

    Dieser Grundsatz führt ganz allgemein zur Unzulässigkeit von Anträgen, die darauf gerichtet sind, ein Organ zum Erlaß der Maßnahme zu verurteilen, die sich aus der Durchführung eines Urteils ergeben könnten, mit dem eine Entscheidung aufgehoben worden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Verzyck/Kommission, Slg. 1983, 1991, 2005 f.).

    32

    Es ist daher festzustellen, daß dieser Klageantrag unzulässig ist.

    Zur Begründetheit

    1. Zum Klageantrag auf Aufhebung der Kündigungsverfügimg vom 12. Juli 1990

    33

    Zur Stützung ihres Antrags auf Aufhebung dieser zweiten Kündigungsverfügung legt die Klägerin in ihrer Klageschrift drei Klagegründe für die Aufhebung dar, mit denen erstens die Verletzung eines Grundrechts auf Schutz der schwangeren Frau gegen jede Art von Kündigung, zweitens die Nichtbeachtung der anzuwendenden Kündigungsfrist von drei Monaten und drittens die Nichtbeachtung von Artikel 11 der Regelung des Präsidiums sowie der Vorschriften der Fraktionsordnung, insbesondere deren Artikel 9, geltend gemacht wird.

    34

    In ihrer Erwiderung bringt die Klägerin einen vierten Klagegrund vor, mit dem das Fehlen einer Begründung der angefochtenen Verfügung gerügt wird.

    Zum ersten Klagegrund: Verletzung eines Grundrechts auf Schutz der Schwangeren

    35

    Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß die Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 ergangen sei, obwohl der Anstellungsbehörde ihre Schwangerschaft seit dem 6. Juni 1990 bekannt gewesen sei. Diese Information sei durch ein ärztliches Zeugnis bestätigt worden, das dem Arzt des Parlaments am 18. Juni 1990 übermittelt worden sei. Im übrigen habe Herr Brissaud in seinem Schreiben vom 26. Juni 1990 an die Klägerin eingeräumt, diese Information erhalten zu haben.

    36

    Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung weiterhin geltend gemacht, aus dem Umstand, daß die Sitzung des Fraktionsvorstands am 7. Juni 1990 und nicht — wie das Parlament behaupte — am 5. Juni 1990 stattgefunden habe, müsse geschlossen werden, daß auch der Fraktionsvorstand über ihren Zustand ordnungsgemäß unterrichtet gewesen sei, als er seine Kündigungsverfügung bestätigt habe.

    37

    Auf der Grundlage dieser Darlegungen zum Sachverhalt vertritt die Klägerin die Auffassung, daß das Parlament mit ihrer Kündigung in Kenntnis ihres Zustands die allgemeinen Rechtsgrundsätze verletzt habe, die zu wahren gemäß Artikel 164 EWG-Vertrag Aufgabe des Gerichtshofes und des Gerichts sei.

    38

    Nach einer gedrängten Untersuchung bestimmter Regeln des Völkerrechts — vorliegend der Übereinkommen Nr. 3 und Nr. 103, die von der Internationalen Arbeitsorganisation 1919 und 1952 abgeschlossen wurden —, der Europäischen Sozialcharta sowie der innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten gelangt die Klägerin zu dem Ergebnis, daß die Rechtsordnungen der von ihr genannten Mitgliedstaaten in mehr oder weniger strenger Form das Verbot enthielten, eine Schwangere während eines bestimmten Zeitraums zu entlassen, der je nach Rechtsordnung unterschiedlich lang sei.

    39

    Sie leitet hieraus die Geltung eines Grundrechts ab, das einen solchen Schutz gewähren soll.

    40

    Sie stellt allerdings trotz der nach ihrer Meinung allgemein anerkannten Geltung dieses Grundrechtes nicht in Abrede, daß die Vorschriften der Beschäftigungsbedingungen den Schutz der Schwangeren gegen Entlassung nicht ausdrücklich regeln.

    41

    In seiner Klagebeantwortung entgegnet das Parlament zunächst, der Dienstvertrag der Klägerin unterliege dem Gemeinschaftsrecht, und zwar den Beschäftigungsbedingungen, die es in Artikel 47 Nr. 2 nicht verböten, den Dienstvertrag einer Schwangeren zu kündigen, sondern lediglich in Nr. 2 Satz 3 die Aussetzung des Beginns der Kündigungsfrist während eines Mutterschaftsurlaubs vorsähen, dessen Dauer sich nach dem gemäß Artikel 16 der Beschäftigungsbedingungen entsprechend geltenden Artikel 58 des Statuts bestimme. Der Beginn der Kündigungsfrist habe eindeutig vor dem Beginn des Mutterschaftsurlaubs der Klägerin gelegen, der frühestens im Dezember 1990 hätte beginnen können. Nach Auffassung des Parlaments kann sich die Klägerin nicht auf diese Bestimmung berufen.

    42

    Das Parlament legt weiterhin dar, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Gerichtshof und Gericht zu wahren hätten, kein Grundrecht kennten, dem ein völliges Verbot der Entlassung einer Schwangeren zu entnehmen sei.

    43

    Das Parlament führt hierzu in seiner Gegenerwiderung aus, daß die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze aus den den Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungstraditionen oder internationalen Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten seien oder bei denen sie zusammenarbeiteten, abgeleitet seien. Es sei der Klägerin indessen nicht gelungen, im Lichte des vergleichenden Verfassungsrechts der Mitgliedstaaten schlüssig darzulegen, daß das genannte Verbot als Grundrecht verankert sei; die Klägerin habe sich vorliegend auf eine einfache vergleichende Untersuchung des Arbeitsrechts beschränkt. Es könne nicht ausreichen, im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu schaffen, der gegen Artikel 47 Nr. 2 der Beschäftigungsbedingungen verstoßen würde.

    44

    Das Parlament verweist schließlich auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Schutz von Schwangeren oder Wöchnerinnen am Arbeitsplatz [KOM (90) 406 endg. — SYN 303], den die Kommission am 18. September 1990 vorgelegt habe (ABl. C 281, S. 3) und dessen Artikel 6 Absatz 2 das Fehlen eines allgemeinen Verbots der Entlassung einer schwangeren Bediensteten bestätige.

    45

    Die Klägerin wendet in ihrer Erwiderung gegen dieses letzte Argument ein, daß die einschlägigen Vorschriften des Richtlinienvorschlags eher die Geltung eines Grundrechts anzuerkennen schienen, mit dem der Schutz der Schwangeren gegen jede Entlassung sichergestellt werden solle.

    46

    Das Gericht stellt zunächst fest, daß sich aus den Schriftsätzen der Klägerin und ihren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung eindeutig ergibt, daß die Klägerin nicht vorbringt, ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, daß sie schwanger geworden sei; ihre Argumentation, die auf der Geltung eines Grundrechts aufbaut, geht im Gegenteil dahin, der Fraktion das Recht abzusprechen, einer Schwangeren aus irgendeinem — auch mit der Schwangerschaft nicht zusammenhängenden — Grund zu kündigen, sobald ihr die Schwangerschaft der Bediensteten bekannt sei.

    47

    Nach dieser Klarstellung der Bedeutung dieses Klagegrundes stellt das Gericht weiterhin fest, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Bereich der Berufstätigkeit und entsprechend das Verbot jeder unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts zu den Grundrechten gehört, deren Wahrung gemäß Artikel 164 EWG-Vertrag Aufgabe des Gerichtshofes und des Gerichts ist.

    48

    Der Gerichtshof hat mehrfach anerkannt (Urteile vom 7. Juni 1972 in der Rechtssache 20/71, Sabbatini-Bertoni/Parlament, Slg. 1972, 345; vom 20. Februar 1975 in der Rechtssache 21/74, Airola/Kommission, Slg. 1975, 221, und vom 20. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 75/82 und 117/82, Razzouk und Bey-doun/Kommission, Slg. 1984, 1509), daß die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern, die bei der Gemeinschaft beschäftigt sind, im Rahmen des Beamtenstatuts gewährleistet werden muß; im letztgenannten Urteil hat er hervorgehoben, daß in den Beziehungen zwischen den Gemeinschaftsorganen einerseits und ihren Bediensteten und deren anspruchsberechtigten Angehörigen andererseits die Anforderungen, die dieser Grundsatz stellt, keineswegs auf diejenigen beschränkt sind, die sich aus Artikel 119 EWG-Vertrag oder den in diesem Bereich erlassenen Gemeinschaftsrichtlinien ergeben.

    49

    Namentlich hat der Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-179/88 (Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund i Danmark, Slg. 1990, I-3979) die Vorschriften des Artikels 2 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) dahin ausgelegt, daß die Entlassung einer Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft ebenso wie die Weigerung, eine schwangere Frau einzustellen (Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-177/88, Dekker, Slg. 1990, I-3941), eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (Randnr. 13). Die gleiche Erkenntnis läßt sich den internationalen Übereinkommen, bei denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind, sowie dem einschlägigen Recht der Mitgliedstaaten entnehmen.

    50

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß nur eine wegen ihrer Schwangerschaft entlassene Bedienstete sich auf den mit einem solchen Grundrecht verbundenen Schutz berufen kann.

    51

    An dieser Stelle ist im übrigen klarzustellen, daß die vom Parlament angeführten Vorschriften des Artikels 47 Nr. 2 Buchstabe b der Beschäftigungsbedingungen, die festlegen, daß bei der Kündigung eines auf unbestimmte Zeit angestellten Bediensteten auf Zeit die Kündigungsfrist nicht während eines Mutterschaftsurlaubs beginnen darf, im Einklang mit diesem in der angeführten Rechtsprechung anerkannten Grundrecht ausgelegt werden müssen.

    52

    Zu dem hier zu beurteilenden Sachverhalt muß hingegen festgestellt werden, daß in keiner Weise feststeht und daß auch die Klägerin selbst nicht vorbringt, daß die Entlassung vorn 12. Juli 1990 aufgrund ihrer Schwangerschaft erfolgt ist. Die Klägerin kann sich mithin nicht auf eine Verletzung des von ihr angeführten Grundrechts berufen.

    53

    Dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

    Zum zweiten Klagegrund: Nichteinhaltung der Kündigungsfrist

    54

    Die Argumentation der Klägerin konzentriert sich darauf, daß ihr das Kündigungsschreiben vom 12. Juli 1990, in dem als Ende der Kündigungsfrist der 11. Oktober 1990 genannt gewesen sei, erst am 20. Juli 1990 ausgehändigt worden sei Sie ist daher der Meinung, daß die Kündigungsfrist erst mit dem auf den Tag der Mitteilung folgenden Tag begonnen habe und mithin frühestens am 21. Oktober 1990 habe enden können.

    55

    Das Parlament erwidert hierauf, daß nach keiner Vorschrift der Beschäftigungsbedingungen eine Kündigung hinfällig werde, wenn das im Kündigungsschreiben genannte Ende der Kündigungsfrist — infolge von Problemen des Postlaufs — nicht mehr dem Ende der Gesamtfrist von drei Monaten entspreche, die mit dem Zeitpunkt der Empfangnahme dieses Schreibens beginne. Es sei ausreichend, daß der Betroffene tatsächlich über eine Gesamtfrist von drei Monaten verfüge. Das von der Klägerin vorgebrachte Argument könne daher nicht zur Nichtigkeit der Kundigungsverfügung führen.

    56

    Das Gericht stellt im Hinblick auf diese tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zunächst fest, daß die in der Verfügung genannte Kündigungsfrist unabhängig von der Verspätung bei der Mitteilung der Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 zu kurz bemessen war, weil als Ende der Dreimonatsfrist der 11. Oktober 1990 genannt war, während sie in Wahrheit den Tag des 12. Oktober 1990 hätte einschließen müssen. Die Kündigungsfrist muß mithin von Anfang an als unzureichend betrachtet werden. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Kündigungsverfügung nichtig wäre, denn die Klägerin hat insbesondere in ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß das Parlament ihr tatsächlich ihre Bezüge bis zum 20. Oktober 1990 gezahlt hat, d. h. bis zum Ende der normalerweise geltenden Kündigungsfrist. Da somit feststeht, daß die Klägerin wegen dieses Fehlers keinen Schaden erlitten hat, muß dieser Klagegrund als gegenstandslos betrachtet und zurückgewiesen werden.

    Zum dritten Klagegrund: Verletzung des Artikels 11 der Geschäftsordnung des Präsidiums und der Fraktionsordnung, insbesondere des Artikels 9

    57

    Die Klägerin legt dar, die Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 habe nicht das in Artikel 11 der Regelung des Präsidiums vorgesehene „interne Schlichtungsverfahren“ berücksichtigt. Diese Vorschrift laute: „Die Einstellung der Hilfskräfte erfolgt als Ausgleich für ein mindestens einmonatiges Fehlen von Beamten wegen Krankheit, Mutterschaftsurlaub, Halbtagsbeschäftigung, Beurlaubung zum Wehrdienst, Urlaub aus persönlichen Gründen oder Abordnung. In Ausnahmefällen können Hilfskräfte auch über die im Stellenplan vorgesehene Stellenzahl hinaus beschäftigt werden. In besonderen Fällen und unter Berücksichtigung spezieller dienstlicher Erfordernisse kann die normale Dauer von einem Monat entsprechend den jeweiligen Erfordernissen verringert werden.“

    58

    Sie macht ferner ohne nähere Angaben geltend, die Verfügung verstoße gegen die Fraktionsordnung, insbesondere gegen deren Artikel 9.

    59

    Zur Rüge der Nichtbeachtung des Artikels 11 der Regelung des Präsidiums hat das Parlament insbesondere in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten, dab Artikel 11 keineswegs ein Schlichtungsverfahren schaffe, sondern sich im Gegenteil darauf beschränke, eine vorherige Unterrichtung der Personalvertretung anzuordnen.

    60

    Aus dem Schreiben von Herrn Brissaud vom 10. Juli 1990, mit dem auf das Schreiben der Personalvertretung vom 9. Juli 1990 geantwortet worden sei, ergebe sich, daß die Fraktion die Personalvertretung sehr wohl über ihre Absicht, die Klägerin zu entlassen, informiert und damit die genannte Vorschrift beachtet habe.

    61

    Zum anderen stellt das Parlament bezüglich der Beachtung der Fraktionsordnung und namentlich des Artikels 9, der insbesondere bestimmt, daß das Kündigungsschreiben von der Anstellungsbehörde, d. h. dem Fraktionsvorsitzenden, unterzeichnet werden muß, fest, daß der Fraktionsvorsitzende Le Pen das Kündigungsschreiben vom 12. Juli 1990 unterzeichnet habe.

    62

    Das Parlament hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung betont, daß die Fraktionsordnung bisher nur als Entwurf vorgelegen habe.

    63

    In ihrer Erwiderung hat die Klägerin die Rüge des Verstoßes gegen die Fraktionsordnung nicht mehr erhoben.

    64

    Bezüglich der Nichtbeachtung des Artikels 11 der Präsidiumsregelung hat sie das Vorhandensein des Schreibens vom 10. Juli 1990 bestritten. Sie hat daher beantragt anzuordnen, daß das Original vorgelegt und der Vorsitzende der Personalvertretung zum Empfang dieses Schriftstücks gehört werde.

    65

    Selbst wenn ein solches Schreiben existieren sollte, sei das in der Regelung des Präsidiums vorgesehene Verfahren, das der Personalvertretung erlauben solle, vorstellig zu werden und den betreffenden Bediensteten anzuhören, auf jeden Fall vollkommen seiner Zweckbestimmung entfremdet worden. Das Schreiben vom 10. Juli 1990 ende nämlich wie folgt: „Es steht Ihnen vollkommen frei, diese beiden Personen anzuhören und bei unserem Präsidenten vorstellig zu werden.“ Herr Le Pen habe aber einen Tag später die Kündigung beschlossen und damit die Personalvertretung vor vollendete Tatsachen gestellt.

    66

    In seiner Gegenerwiderung verweist das Parlament darauf, daß die Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 die Personalvertretung in keiner Weise daran gehindert habe, gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Herrn Le Pen zu bewegen, die Kündigungsverfügung zu überdenken.

    67

    Das Schreiben vom 10. Juli 1990 sei die Antwort auf ein Schreiben des Vorsitzenden der Personalvertretung vom 9. Juli 1990 gewesen, in dem dieser verlangt habe, die Kündigungsverfügung vom 31. Mai 1990 zu überdenken. Das Parlament schließt hieraus, daß die Personalvertretung ganz offensichtlich über die Absicht von Herrn Le Pen, die Klägerin zu entlassen, informiert gewesen sei und daß auch Herr Le Pen über den Antrag der Personalvertretung, seine Entscheidung zu überdenken, informiert gewesen sei, was ihren Standpunkt bestätige, daß Artikel 11 der Regelung des Präsidiums in vollem Umfange beachtet worden sei.

    68

    Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung des Artikels 11 der Regelung des Präsidiums gerügt wird, weist das Gericht erstens auf folgendes hin. Trotz des Umstandes, daß es der Dienstvertrag dem Parlament erlaubte, der Klägerin ohne jeden Grund zu kündigen, sofern die vorgesehene Kündigungsfrist von drei Monaten beachtet wurde, gehört die betreffende Regelung, obwohl sie in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten nicht vorgeschrieben ist, zu den Förmlichkeiten, die das Parlament als Arbeitgeber beachten mußte, wenn es den Dienstvertrag der Klägerin beenden wollte.

    69

    Zum einen geht aus dem Wortlaut des Artikels 11 klar hervor, daß dieser auf jedes Verfahren zur Beendigung des Dienstvertrags eines gemäß Artikel 2 Buchstabe b der Beschäftigungsbedingungen eingestellten Bediensteten auf Zeit Anwendung findet. Zum anderen sind die Organe nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes verpflichtet, sich an die von ihnen selbst durch interne Maßnahmen geschaffenen internen Verfahren zu halten, da sie andernfalls den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzen würden (Urteile des Gerichtshofes vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73, Louwage/Kommission, Slg. 1974, 81, und vom 21. April 1983 in der Rechtssache 282/81, Ragusa/Kommission, Slg. 1983, 1245, Randnr. 18). Das Gericht kommt damit zu dem Ergebnis, daß das Parlament aufgrund der von der Klägerin angeführten Vorschrift in der Tat verpflichtet war, die Personalvertretung über die geplante Entlassung der Klägerin zu informieren, damit diese die Klägerin gegebenenfalls anhören und bei der Anstellungsbehörde vorstellig werden konnte.

    70

    Das Gericht stellt zweitens fest, daß das Parlament eindeutig davon Abstand genommen hat, sich auf die Kündigungsverfügung vom 31. Mai 1990 zu berufen. Hieraus ergibt sich, daß die Kündigungsverfügung vom 12. Juli 1990 als eine zweite Kündigungsverfügung zu betrachten ist, bei der ebenfalls das Verfahren der vorherigen Anhörung nach Artikel 11 der Regelung zu beachten war.

    71

    Zur Beantwortung der Frage, ob vorliegend dieses Verfahren tatsächlich durchgeführt worden ist, weist das Gericht zunächst darauf hin, daß das Parlament behauptet, die Personalvertretung sei vorher über die bevorstehende Kündigung der Klägerin informiert worden, wie dies zum einen das Schreiben vom 9. Juli 1990 der Personalvertretung an den Fraktionsvorsitzenden und zum anderen das Schreiben vom 10. Juli 1990, das der Generalsekretär der Fraktion an den Vorsitzenden dieser Vertretung gerichtet habe, belegten.

    72

    Hierzu ist festzustellen, daß das erste Schreiben lediglich die Mißbilligung der ersten Kündigungsverfügung vom 31. Mai 1990 durch die Personalvertretung zum Ausdruck bringt, auf die sich das Parlament nicht mehr beruft.

    73

    Zu dem zweiten Schreiben, dem vom 10. Juli 1990, stellt das Gericht fest, daß die Klägerin dessen Echtheit stets bestritten hat, ohne allerdings die Gründe für ihre Bedenken darzulegen. In Beantwortung einer Frage des Gerichts vom 6. Juni 1991 erläutert das Parlament hierzu, daß der Vorsitzende der Personalvertretung erklärt habe, das Original dieses Schreibens nicht mehr vorlegen zu können. Aus den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung geht weiter hervor, daß dieses Schreiben im Anschluß an die Neuwahl der Vertretung, insbesondere des Vorsitzenden und des Sekretärs, verlorengegangen sein soll. Das Parlament hat daher nur eine Kopie vorgelegt.

    74

    Das Gericht hält die vom Parlament vorgetragenen Umstände für plausibel und sieht keinen Anlaß für Zweifel an der Echtheit der vom Parlament vorgelegten Kopie. Es stellt fest, daß nach dem Wortlaut dieses Schreibens die frühere Verfügung, mit der der Klägerin gekündigt worden ist, sowie die Verfügung, mit der einem weiteren von der Fraktion eingestellten Bediensteten auf Zeit gekündigt worden ist, bestätigt worden sind. In diesem Schreiben heißt es weiter, daß die beiden betroffenen Personen demnächst ein Kündigungsschreiben des Fraktionsvorsitzenden erhalten würden und daß es der Personalvertretung freistehe, sie anzuhören und beim Präsidenten vorstellig zu werden.

    75

    Zu diesem Punkt stellt das Gericht fest, daß die zweite Kündigungsverfügung zwar am 12. Juli 1990 ergangen ist, der Klägerin indessen erst am 20. Juli 1990 übermittelt und daher erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden ist. Zur Begründung verweist das Gericht auf Artikel 25 Absätze 2 des Statuts, der gemäß Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen entsprechend gilt und bestimmt: „Jede Verfügung aufgrund des Statuts ist dem betroffenen Beamten unverzüglich schriftlich mitzuteilen.“

    76

    Zwischen dem Schreiben vom 10. Juli 1990, mit dem der Personalvertretung die Bestätigung der Kündigung der Klägerin mitgeteilt wurde, und der Mitteilung der Verfügung, mit der die Kündigung der Klägerin ausgesprochen wurde, liegt jedoch ein Zeitraum von zehn Tagen, während dessen die Personalvertretung tatsächlich Gelegenheit hatte, sich für die Klägerin einzusetzen, auch wenn dies tatsächlich nicht geschehen ist, wie es übrigens auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

    77

    Daher trifft mit anderen Worten die Behauptung der Klägerin nicht zu, nach Übersendung des Schreibens vom 10. Juli 1990 habe der Personalvertretung lediglich der unangemessen kurze Zeitraum von zwei Tagen zur Verfügung gestanden, um sich für die Klägerin einzusetzen.

    78

    Hieraus folgt, daß vorliegend das in Artikel 11 der Regelung des Präsidiums vorgesehene Verfahren nicht verletzt worden ist, weil nach dem festgestellten Sachverhalt die über die zweite Kündigung der Klägerin ordnungsgemäß informierte Personalvertretung tatsächlich über eine angemessene Frist für eine Vorsprache bei der Anstellungsbehörde verfügte, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht hat.

    79

    Das Gericht weist überdies darauf hin, daß selbst dann, wenn in dem Umstand, daß die Anstellungsbehörde die Kündigung der Klägerin am 12. Juli 1990, d. h. zwei Tage nach Übersendung des Schreibens an die Personalvertretung, ausgesprochen hat, eine Geringschätzung der internen Regelung des Präsidiums und eine Zweckentfremdung dieser Regelung gesehen werden müßte, die Tatsache, daß die Personalyertretung — und sei es auch noch im Verlauf der am 20. Oktober 1990 um Mitternacht abgelaufenen dreimonatigen Kündigungsfrist — nicht tätig geworden ist, auf jeden Fall beweist, daß das Verfahren, das zur Kündigung der Klägerin geführt hat, nicht anders verlaufen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26, und Urteil des Gerichtes vom 27. November 1990 in der Rechtssache T-7/90, Kobor/Kommission, Slg. 1990, II-721, Randnr. 30). Angesichts des Sachverhalts könnte sich die Klägerin daher nicht auf einen solchen Rechtsverstoß berufen.

    80

    Aus den gesamten vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß dieser Klagegrund in seinem ersten Teil zurückzuweisen ist.

    81

    Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem eine Verletzung der Fraktionsordnung und insbesondere ihres Artikels 9 geltend gemacht wird, stellt das Gericht fest, daß die Klägerin weder dessen Gegenstand noch dessen Tragweite näher dargelegt hat. Das Gericht ist daher der Auffassung, daß auch der zweite Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen ist.

    82

    Dieser Klagegrund ist somit insgesamt zurückzuweisen.

    Zum vierten Klagegrund: Fehlen einer Begründung

    83

    In ihrer Erwiderung bringt die Klägerin vor, die Kündigungsverfügung sei auf jeden Fall nichtig, weil sie entgegen Artikel 25 des Statuts und Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen nicht mit einer Begründung versehen sei.

    84

    Sie bezieht sich insoweit auf die Schlußanträge des Generalanwalts Mayras in der Rechtssache 25/68 (Urteil vom 18. Oktober 1977, Slg. 1977, 1745, 1748), in denen es heiße: „Die Folge davon wäre, daß, wenn das Vertrauen der Fraktion hinsichtlich der Treue der Bediensteten zu der politischen Richtung der Fraktion nicht mehr besteht, das Vertragsverhältnis von der Fraktion selbst oder von der von ihr bestimmten Stelle, im allgemeinen ihrem Vorsitzenden, gelöst werden kann. Ich halte aber diese vom beklagten Parlament angeführten Überlegungen nicht für so entscheidend, daß sie eine [überhaupt nicht begründete] Kündigung... erlauben würden. Ich bin daher der Ansicht, daß die Rüge der mangelnden Begründung durchgreifen muß.“

    85

    Der Gerichtshof habe in seinen Urteilen vom 15. Juli 1960 in den verbundenen Rechtssachen 43/59, 45/59 und 48/59 (Von Lachmüller u. a./Kommission, Slg. 1960, 967, 989) und vom 16. Dezember 1960 in der Rechtssache 44/59 (Fiddelaar/Kommission, Slg. 1960, 1117, 1139) unter Hinweis auf das öffentliche Interesse die Auffassung vertreten, daß die Verwaltung stets an den Grundsatz von Treu und Glauben gebunden sei und mithin ihre Kündigungsverfügungen ausdrücklich zu begründen habe.

    86

    In seiner Gegenerwiderung bemerkt das Parlament vorab, daß dieser Klagegrund nicht in der Klageschrift enthalten und seine Zulässigkeit daher zweifelhaft sei.

    87

    Es äußert sich gleichwohl hierzu und betont, Kernpunkt der Verträge zwischen einer politischen Fraktion und ihren Bediensteten auf Zeit sei das gegenseitige Vertrauen, ohne daß diese Verträge insgesamt ihren Sinn verlieren würden. Sie bezieht sich insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1977 (a. a. O.), in dessen Randnummern 39 und 40 es heiße: „Die einseitige Beendigung des Beschäftigungsvertrags, die in der genannten Bestimmung (Artikel 47 der Beschäftigungsbedingungen) ausdrücklich vorgesehen ist..., findet ihre Rechtfertigung im Beschäftigungsvertrag und braucht daher nicht begründet zu werden. In dieser Beziehung unterscheidet sich die Lage des Klägers [eines Bediensteten auf Zeit] wesentlich von der eines ... Beamten, so daß die Analogie, die die Rechtfertigung und die Grenze für die Verweisung des Artikels 11 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten auf bestimmte Statutsvorschriften bildet, hier der Grundlage entbehrt.“ Nach Auffassung des Parlaments ist dieser Klagegrund daher nicht begründet.

    88

    Das Gericht stellt zu diesem Vorbringen der Parteien fest, daß dieser erstmals in der Erwiderung geltend gemachte Klagegrund unzulässig ist, und verweist darauf, daß neue Angriffsmittel gemäß Artikel 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können.

    89

    Angesichts der Bedeutung, die ganz allgemein der Begründungspflicht der Organe der Gemeinschaft bei der Ausübung ihrer Befugnisse zukommt, hält es das Gericht jedoch für geboten, von Amts wegen zu prüfen, ob die Klägerin sich auf die in Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen vorgesehene entsprechende Geltung des Artikels 25 Absatz 2 des Statuts berufen kann, der ganz allgemein bestimmt, daß jede beschwerende Verfügung mit Gründen versehen sein muß.

    90

    Das Gericht weist erstens darauf hin, daß die Bediensteten auf Zeit im Gegensatz zu den Beamten, denen durch das Statut eine dauerhafte Anstellung gewährleistet wird, einer besonderen Regelung unterliegen, deren Grundlage der mit dem betreffenden Organ geschlossene Dienstvertrag ist.

    91

    Vorliegend sah der auf unbestimmte Zeit geschlossene Dienstvertrag ausdrücklich vor, daß er von jeder Partei unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden konnte. Der Dienstvertrag schuf daher für den Dienstherrn keine Begründungspflicht, sofern die Kündigungsfrist eingehalten wurde.

    92

    Der Dienstvertrag der Klägerin verwies auch auf die Artikel 48, 49 und 50 der Beschäftigungsbedingungen und bestätigte damit deren Anwendbarkeit. Von diesen Bestimmungen sieht lediglich Artikel 49 eine Pflicht zur Begründung der Kündigungsverfügung bei Bediensteten auf Zeit vor, wenn die Kündigung aus disziplinarischen Gründen wegen gröblicher Verletzung der Pflichten des Bediensteten erfolgt. Für einen solchen Fall sieht Artikel 49 ausdrücklich vor, daß das Beschäftigungsverhältnis fristlos gekündigt werden kann, und läßt damit erkennen, daß im Rahmen der für den Bediensteten auf Zeit geltenden einzelvertraglichen Regelung eine Begründungspflicht nur besteht, wenn keine Kündigungsfrist einzuhalten ist. Vorliegend ist aber die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses keineswegs auf Artikel 49 der Beschäftigungsbedingungen gestützt worden.

    93

    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die im Dienstvertrag ausdrücklich vorgesehene Kündigung keiner Begründung bedarf, von welcher Partei auch immer sie ausgeht. Die Lage eines Bediensteten auf Zeit unterscheidet sich daher insoweit von der eines Beamten in der in Weise, daß die in Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen allgemein vorgesehene entsprechende Geltung des Artikels 25 des Statuts ausgeschlossen ist.

    94

    Zweitens weist das Gericht darauf hin, daß, wie das Parlament zu Recht ausgeführt hat, das gegenseitige Vertrauen ein Kernpunkt der Verträge ist, mit denen die in Artikel 2 Buchstabe c der Beschäftigungsbedingungen genannten Bediensteten auf Zeit eingestellt werden. Dies gilt um so mehr für die Bediensteten, die von parlamentarischen Fraktionen eingestellt werden, die im allgemeinen einer klar umrissenen politischen Richtung verpflichtet sind. Als die Klägerin eine hochrangige Tätigkeit mit ganz besonderen Merkmalen wie die des stellvertretenden Generalsekretärs einer parlamentarischen Fraktion übernahm, mußte sie sich eindeutig der Tatsache bewußt sein, daß sowohl für ihre Einstellung als auch für eine spätere Entlassung politische Faktoren und Unwägbarkeiten ausschlaggebend waren bzw. sein würden. Dies wird durch das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1977 in der Rechtssache,25/68 (Schertzer/Parlament, Slg. 1977, 1743) bestätigt.

    95

    Diese Erwägungen, die der besonderen Eigenart der Aufgabe gelten, für die die Klägerin eingestellt worden war, bestärken das Ergebnis, wonach bei Wegfall des gegenseitigen Vertrauens, das bei der Einstellung der Klägerin vorhanden war, die Fraktion die Kündigung des Dienstvertrags beschließen konnte, ohne hierfür eine Begründung liefern zu müssen.

    96

    Hieraus ergibt sich, daß dieser Klagegrund nicht durchgreift.

    2. Zu dem Hilfsantrag auf Feststellung der Mißbräuchlichkeit der Kündigungen und auf Ersatz des angeblich erlittenen materiellen und immateriellen Schadens sowie, falls erforderlich, auf Bestimmung eines Sachverständigen mit der Aufgabe der Schätzung dieses Schadens

    97

    Zu der Frage, ob das Gericht die Kündigungen für mißbräuchlich erklären kann, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß aus Artikel 47 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen klar hervorgeht, daß die Kündigung eines auf unbestimmte Dauer geschlossenen Vertrags, wenn sie unter Beachtung der im Vertrag vorgesehenen Frist erfolgt und im Einklang mit dieser Vorschrift steht, im Ermessen der zuständigen Stelle liegt.

    98

    Das Gericht ist daher nicht berechtigt, die Begründetheit einer solchen Ermessensentscheidung zu überprüfen, soweit nicht ein offensichtlicher Irrtum oder ein Ermessensmißbrauch festgestellt werden kann (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1981 in der Rechtssache 25/80, De Briey/Kommission, Slg. 1981, 637).

    99

    Da aber vorliegend ein solcher Irrtum oder Ermessensmißbrauch weder festgestellt noch von der Klägerin behauptet worden ist, kann das Gericht die von der zuständigen Stelle vorgenommene Würdigung nicht durch seine eigene ersetzen und nicht feststellen, daß die Kündigungen gegenüber der Klägerin mißbräuchlich waren.

    100

    Dieser Antrag muß daher zurückgewiesen werden.

    101

    Zur Frage der Zulässigkeit des Antrags auf Ersatz des der Klägerin angeblich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens weist das Gericht darauf hin, daß die Klägerin einen solchen Antrag bereits hilfsweise in ihrer Beschwerde vom 24. Juli 1990 gegen die Entlassungsverfügung vom 12. Juli 1990 gestellt hatte und daß dieser Antrag jedenfalls in engem Zusammenhang mit dem Antrag auf Aufhebung der vorstehend behandelten Verfügungen steht.

    102

    Der Antrag der Klägerin auf Ersatz des ihr angeblich entstandenen Schadens ist daher zulässig.

    103

    Bezüglich der Begründetheit dieses Antrags ist zu prüfen, ob die Klägerin einen ihr gegenüber begangenen Amtsfehler des Parlaments dargetan hat, durch den ihr der Schaden entstanden ist, dessen Wiedergutmachung sie begehrt.

    104

    Keiner der von der Klägerin angeführten Klagegründe kann jedoch zur Aufhebung der angefochtenen Verfügungen führen. Mithin hat die Klägerin keinen Rechtsverstoß dargetan, der einen dem Parlament zuzurechnenden Amtsfehler darstellen und die Gewährung von Schadensersatz rechtfertigen könnte.

    105

    Der Antrag auf Ersatz des der Klägerin angeblich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens ist daher zurückzuweisen. Infolgedessen ist auch der Antrag auf Bestimmung eines Sachverständigen mit der Aufgabe der Schätzung dieses Schadens zurückzuweisen.

    106

    Aus den gesamten vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Klage insgesamt abzuweisen ist.

    Kosten

    107

    Bezüglich der Kosten des ersten Verfahrens der einstweiligen Anordnung weist das Gericht darauf hin, daß die Klägerin dieses Verfahren zusammen mit der Erhebung ihrer Klage am 16. Oktober 1990 eingeleitet hat, um der sich aus ihrer Entlassung ergebenden ungesicherten Lage zu begegnen, die dadurch gekennzeichnet war, daß die Klägerin — die schwanger war und daher mit einer Erhöhung ihrer Ausgaben im Zusammenhang mit der Geburt und der Versorgung ihres Kindes rechnen mußte — in Erwartung der Gewährung von Arbeitslosengeld nach Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen oder eines obsiegenden Urteils ohne finanzielle Mittel gewesen wäre.

    108

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß der Präsident des Gerichts in seinem Beschluß vom 23. November 1990 dem Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Vollzugs der Kündigungsverfügungen zwar nicht entsprochen, aber doch vorläufig angeordnet hat, daß das Parlament „vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission der Antragstellerin das in Artikel 28a der Beschäftigungsbedingungen vorgesehene Arbeitslosengeld tatsächlich auszahlt, ... der Antragstellerin einen Betrag in Höhe dieses monatlichen Arbeitslosengeldes zuzüglich der Familienzulagen gemäß Artikel 28a Absatz 5 der Beschäftigungsbedingungen von der Geburt des Kindes an [zahlt] und ... der Antragstellerin die beitragsfreie Sicherung im Krankheitsfall unter den Voraussetzungen des Artikels 72 des Statuts [gewährleistet]“.

    109

    Er hat damit anerkannt, daß der Zustand der Klägerin eine besondere Fürsorge seitens des Parlaments rechtfertigte, damit verhindert würde, daß die Klägerin vorübergehend ohne finanzielle Mittel dastünde und ihren eigenen sowie den Unterhalt des Kindes, dessen Geburt bevorstand, nicht sicherstellen könnte.

    110

    Das Gericht stellt somit fest, daß außergewöhnliche Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, die mit dem ersten Verfahren der einstweiligen Anordnung verbundenen Kosten gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts dem Parlament aufzuerlegen.

    111

    Bezüglich der Kosten des zweiten Verfahrens der einstweiligen Anordnung stellt das Gericht fest, daß die Klägerin angesichts der Tatsache, daß das Parlament die Durchführung des' Beschlusses vom 23. November 1990 anfänglich verweigert oder zumindest verzögert hat, gezwungen war, mit einer im Register der Kanzlei des Gerichtes am 14. März 1991 eingetragenen Antragsschrift weitere einstweilige Anordnungen zu beantragen, um eine wirksame Beachtung des Beschlusses sicherzustellen.

    112

    Hierzu weist das Gericht darauf hin, daß sich das Parlament erst im Verlauf der Verhandlung vom 20. März 1991 im Rahmen des zweiten Verfahrens der einstweiligen Anordnung tatsächlich verpflichtet hat, diesen Beschluß durchzuführen, und es damit der Klägerin ermöglicht hat, diesen zweiten Antrag auf einstweilige Anordnung mit Schreiben vom 11. April 1991 zurückzunehmen. In ihrer Antragsschrift vom 14. März 1991 hatte die Klägerin beantragt, die Verfahrenskosten dieses zweiten Verfahrens der einstweiligen Anordnung dem Parlament aufzuerlegen; in ihrem Schreiben vom 11. April 1991 hat sie angeregt, die Entscheidung über diese Kosten dem Endurteilin der seinerzeit noch anhängigen Hauptsache vorzubehalten.

    113

    Angesichts dieser Umstände ist das Gericht der Auffassung, daß der Klägerin ihre Kosten im Rahmen des zweiten Verfahrens der einstweiligen Anordnung bis zur Rücknahme des Antrags durch die Haltung des Parlament entstanden sind und es daher gerechtfertigt ist, dem Parlament diese Kosten gemäß Artikel 87 § 5 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts aufzuerlegen.

    114

    Dem Parlament werden daher die gesamten Kosten der beiden Verfahren der einstweiligen Anordnung auferlegt, die die Klägerin am 16. Oktober 1990 beziehungsweise am 14. März 1991 eingeleitet hat.

    115

    Bezüglich der Kosten des Verfahrens zur Hauptsache weist das Gericht darauf hin, daß gemäß Artikel 87 § 2 seiner Verfahrensordnung der unterliegenden Partei auf Antrag die Kosten aufzuerlegen sind. Gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Daher hat jede Partei die ihr insoweit entstandenen Kosten selbst zu tragen.

     

    Aus diesen Gründen

    hat

    DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1)

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2)

    Das Parlament hat die gesamten Kosten der beiden Verfahren der einstweiligen Anordnung zu tragen.

     

    3)

    Jede Partei trägt ihre Kosten im Verfahren zur Hauptsache selbst.

     

    Lenaerts

    Barrington

    Kirschner

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Januar 1992.

    Der Kanzler

    H. Jung

    Der Präsident

    K. Lenaerts


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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