This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52013DC0037
GREEN PAPER ON UNFAIR TRADING PRACTICES IN THE BUSINESS-TO-BUSINESS FOOD AND NON-FOOD SUPPLY CHAIN IN EUROPE
GRÜNBUCH ÜBER UNLAUTERE HANDELSPRAKTIKEN IN DER B2B-LIEFERKETTE FÜR LEBENSMITTEL UND NICHT-LEBENSMITTEL IN EUROPA
GRÜNBUCH ÜBER UNLAUTERE HANDELSPRAKTIKEN IN DER B2B-LIEFERKETTE FÜR LEBENSMITTEL UND NICHT-LEBENSMITTEL IN EUROPA
/* COM/2013/037 final */
GRÜNBUCH ÜBER UNLAUTERE HANDELSPRAKTIKEN IN DER B2B-LIEFERKETTE FÜR LEBENSMITTEL UND NICHT-LEBENSMITTEL IN EUROPA /* COM/2013/037 final */
Inhaltsverzeichnis 1........... EINLEITUNG.. 3 2........... DEFINITION DES
BEGRIFFS „UNLAUTERE HANDELSPRAKTIKEN“. 6 2.1........ Der Begriff
„unlautere Handelspraktiken“. 6 2.2........ Beispiele
unlauterer Handelspraktiken. 9 2.3........ Potenzielle
Auswirkungen unlauterer Handelspraktiken. 9 3........... RECHTSRAHMEN
ZUR BEKÄMPFUNG UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN.. 12 3.1........ Fragmentierung der
Rechtsrahmen auf nationaler Ebene. 12 3.2........ Schutz vor
unlauteren Handelspraktiken auf EU-Ebene. 14 4........... DURCHSETZUNG
DER VORSCHRIFTEN ZUR BEKÄMPFUNG UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN.. 18 4.1........ Durchsetzungsmechanismen
auf nationaler Ebene. 18 4.2........ Durchsetzungsmechanismen
auf EU-Ebene. 19 5........... ARTEN
UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN.. 20 5.1........ Mehrdeutige
Vertragsbestimmungen. 20 5.2........ Fehlen eines
schriftlichen Vertrags. 21 5.3........ Rückwirkende
Vertragsänderungen. 21 5.4........ Unbillige
Übertragung des kommerziellen Risikos. 21 5.5........ Missbräuchliche
Nutzung von Informationen. 22 5.6........ Unbillige Beendigung
einer Geschäftsbeziehung. 23 5.7........ Regionale
Angebotsbeschränkungen. 23 5.8........ Gemeinsame
Merkmale unlauterer Handelspraktiken. 24 6........... ALLGEMEINE
BEMERKUNGEN.. 26 7........... NÄCHSTE
SCHRITTE. 26 1. EINLEITUNG Die „Business-to-business“(B2B)-Lieferkette
ist eine wesentliche Komponente der europäischen Wirtschaft. Diese Kette, über
die Produkte und Dienstleistungen vom Lieferanten zum Verbraucher gelangen,
wirkt sich unmittelbar auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung aus.
Dienstleistungen in Handel und Vertrieb haben einen Anteil von 4,3 % am
EU-BIP, auf sie entfallen 18,7 Millionen (bzw. 8,3 %) der
Arbeitsplätze in der EU, und 17 % der KMU in der EU sind in diesem Sektor
tätig.[1]
Durch diese Dienstleistungen wird sichergestellt, dass Waren und
Dienstleistungen aus anderen Wirtschaftssektoren, wie Landwirtschaft,
verarbeitender Industrie, Logistik und IT-Diensten, den Verbraucher erreichen. Gegenstand des vorliegenden Grünbuchs ist die
B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel, also die Kette der
Transaktionen zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen
Stellen, an deren Ende die Auslieferung von Produkten steht, welche in erster
Linie für die Allgemeinbevölkerung, nämlich für den persönlichen Ver- oder Gebrauch
bzw. für Privathaushalte, bestimmt sind. Die Lieferkette setzt sich aus
verschiedenen Akteuren (Produzenten/Verarbeitern/Vertriebsunternehmen)
zusammen, die alle Einfluss auf den vom Verbraucher zu zahlenden Endpreis
haben. Dieser Einfluss ist unterschiedlich groß, je nachdem, um welchen Bereich
des Lebensmittelsektors oder des Nicht-Lebensmittel-Sektors es geht. Eine gut
funktionierende B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel ist von
essenzieller Bedeutung, wenn das wirtschaftliche Potenzial dieser Sektoren
maximal ausgeschöpft werden soll. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich
die B2B-Lieferkette bei Lebensmitteln wie auch bei Nicht-Lebensmitteln aus
wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Gründen erheblich verändert. Die
EU-weite verstärkte Konzentration und vertikale Integration hat zu
strukturellen Veränderungen in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und
Nicht-Lebensmittel geführt. Im Bestreben, durch Mobilisierung einer größeren
Kaufkraft im Einkauf Skaleneffekte zu erzielen, haben sich verschiedene
internationale Einzelhändler-Einkaufsallianzen gebildet. Im Zuge eines
wachsenden Angebots an Eigenmarken der Händler sind manche von ihnen zu
direkten Konkurrenten ihrer Lieferanten geworden. Einige wenige relativ starke
Akteure der Lieferkette scheinen über beträchtliche Verhandlungsmacht zu
verfügen. Diese Faktoren können mitunter zu unlauteren
Handelspraktiken in den Beziehungen entlang der B2B-Lieferkette für
Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel führen. Unlautere Handelspraktiken sind
Vorgehensweisen, die gröblich von der guten Handelspraxis abweichen und gegen
das Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verstoßen.
Unlautere Handelspraktiken werden typischerweise in einer Situation eines
Ungleichgewichts der schwächeren Partei durch die stärkere Partei aufgezwungen;
sie können auf jeder Seite der B2B-Beziehung und in jeder Stufe der Lieferkette
auftreten. Auf EU-Ebene hat man sich mit unlauteren
Handelspraktiken erstmals 2009 im Zusammenhang mit dem EU-Lebensmittelsektor
befasst, als die Verbraucherpreise vor dem Hintergrund der für Agrarerzeugnisse
zu zahlenden Rekordpreise anstiegen. Der Mangel an Markttransparenz, die
unausgewogene Verteilung der Verhandlungsmacht und wettbewerbswidrige Praktiken
hatten offenbar zu Marktverzerrungen geführt, die potenzielle negative
Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten
Lebensmittelversorgungskette haben konnten. Daraus erwuchs die Notwendigkeit,
die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette zu analysieren. Die
Kommission gelangte zu der Auffassung, dass den Verbrauchern – was
Produktpalette und Preise anbelangt – keine ausreichend fairen Angebote gemacht
werden und dass Zwischenhändler / lebensmittelverarbeitende Industrie /
Einzelhändler die Gewinnspanne der landwirtschaftlichen Erzeuger schmälern.[2]
In der Tat hat die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette nicht nur
Auswirkungen auf den Alltag der EU-Bürgerinnen und Bürger, die etwa 14 %
ihres Haushaltsbudgets für Lebensmittel aufwenden[3], sondern auch auf das
Funktionieren von Wirtschaftssektoren wie Landwirtschaft,
lebensmittelverarbeitender Industrie und Einzelhandel. Zudem waren die realen
Lebensmittelpreise allein im Jahr 2008 um über 3 % gestiegen[4],
was zu einem Verlust an Kaufkraft und an Verbrauchervertrauen geführt hatte und
zu einem der Haupttreiber der allgemeinen Preisinflation geworden war. Vor
diesem Hintergrund wurde im Jahr 2010 innerhalb des Hochrangigen Forums für die
Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette eine
Expertenplattform für B2B-Vertragspraktiken eingerichtet. Im Jahr 2011 hat die
Expertenplattform eine Reihe von Grundsätzen sowie Beispiele fairer und
unfairer Praktiken in den vertikalen Beziehungen entlang der
Lebensmittelversorgungskette formuliert, die von elf Organisationen
verschiedener Interessenträger innerhalb der Lebensmittelversorgungskette in
Europa unterzeichnet wurden[5].
Im Jahr 2012 hat die Plattform an der Konzipierung eines
Durchsetzungsmechanismus gearbeitet. Trotz der gemeinsamen Bemühungen fand der
vorgeschlagene Rahmen bis zum Zeitpunkt der dritten Sitzung des Hochrangigen
Forums, die am 5. Dezember 2012 stattfand, nicht die Unterstützung
der Vertreter der gesamten Lieferkette und es konnten keine wirksamen
Abhilfemaßnahmen bei Verstößen ermittelt werden. Acht[6] der elf Organisationen
kündigten jedoch ihre Absicht an, die Umsetzung der Grundsätze einer fairen
Praxis Anfang 2013 auf freiwilliger Basis in die Wege zu leiten. Gleichzeitig
arbeiten sämtliche Akteure weiter gemeinsam darauf hin, im Rahmen dieses
sektorspezifischen Ansatzes zu einem Kompromiss zu finden. Die Kommission hat
zudem das Mandat des Hochrangigen Forums bis zum 31. Dezember 2014
verlängert[7]
und wird die spezifischen Entwicklungen im Bereich der Lebensmittelversorgungskette
und die erzielten Fortschritte weiterhin überwachen. Parallel dazu werden die Dienststellen der
Kommission eine Folgenabschätzung in Angriff nehmen, um die verschiedenen
Optionen zur Behandlung der Problematik unlauterer Handelspraktiken zu
bewerten. Im Rahmen der Folgenabschätzung soll auch geprüft werden, ob das
Problem auf lokaler Ebene angegangen werden könnte oder ob es einer Lösung auf
EU-Ebene bedarf. Dieser Ansatz wird auf den Arbeitsergebnissen des Hochrangigen
Forums für den Lebensmittelsektor aufbauen und gleichzeitig allen denkbaren
Lösungen Rechnung tragen – von der Selbstregulierung bis hin zu
Legislativmaßnahmen. Auf dieser Grundlage wird die Kommission dann im zweiten
Halbjahr 2013 weitere geeignete Schritte vorschlagen. Unlautere Handelspraktiken waren bereits
Gegenstand verschiedener Umfragen und Untersuchungen in mehreren
Mitgliedstaaten[8].
Wie ein aktueller Bericht des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN)[9]
bestätigt, stellen unlautere Handelpraktiken im Lebensmittelsektor aus der
Sicht vieler nationaler Wettbewerbsbehörden ein Problem dar. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass
unlautere Handelspraktiken – aus einer umfassenderen Perspektive betrachtet –
nicht nur im Lebensmittelsektor, sondern auch in anderen Sektoren auftreten
können. Mit Hilfe dieses Grünbuchs sollen einschlägige Informationen eingeholt
werden. Verschiedene Faktoren könnten eine maßgebliche Rolle spielen: Zunächst
einmal die Entwicklung des Einzelhandels in den Bereichen Lebensmittel und
Nicht-Lebensmittel hin zu einer „gemischten“ Form, bei der die überwiegende
Mehrheit der Einzelhändler unter derselben Geschäftsführung und zu denselben
Bedingungen Lebensmittel, Haushaltswaren und andere Produkte anbietet. Zweitens
die Tatsache, dass einige der größten Hersteller sowohl Lebensmittel als auch
andere Waren wie Reinigungsmittel, Kosmetika oder Hygieneprodukte usw.
anbieten, was sich erst recht angesichts der großen Bedeutung einiger Marken
ebenfalls auf das Verhältnis zwischen Lieferanten und Einzelhändlern auswirken
kann. Einschlägige Praktiken wurden in verschiedenen Sektoren identifiziert,
unter anderem auch im Möbel- und Textilhandel[10].
Was den Bekleidungssektor anbelangt, wurden in einem Bericht aus dem Jahr 2007
über Geschäftsbeziehungen in der EU-Bekleidungslieferkette neun Praktiken im
Verhältnis zwischen Herstellern und Einzelhändlern genannt, die als „unlauter“
qualifiziert wurden. Dazu gehören unter anderem die automatische
Inrechnungstellung der Werbekosten des Einzelhändlers, Rückbelastungen,
Zahlungsverzögerungen, die Rücksendung nicht verkaufter Ware, die plötzliche
Beendigung der Lieferbeziehung und die Verwertung von in Warenmuster
eingeflossenen innovativen Konzepten.[11] Im Rahmen ihrer Arbeiten zur Überwachung des
Handels- und Vertriebsmarktes[12]
hat die Kommission auf die Existenz unlauterer Praktiken in verschiedenen
Bereichen des Einzelhandels hingewiesen. Auch das Europäische Parlament
erachtet es für notwendig, über den Bereich der Lebensmittelindustrie
hinauszugehen, und forderte die Kommission auf, entsprechend tätig zu werden.[13]
In der Binnenmarktakte I[14]
kündigte die Kommission ihre Absicht an, eine Initiative zur Bekämpfung
unlauterer Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen auf den Weg zu bringen. Im
Übrigen haben verschiedene in jüngster Zeit geführte Konsultationen mit
Unternehmen die Existenz des Problems bestätigt.[15] Unlautere Handelspraktiken können sich negativ
auf die EU-Wirtschaft und insbesondere auf die B2B-Lieferkette für Lebensmittel
und Nicht-Lebensmittel auswirken. Sie können die Investitions- und
Innovationskapazitäten von Unternehmen, insbesondere von KMU, beeinträchtigen.
Zudem kann die Existenz fragmentierter nationaler Vorschriften zu einem
zusätzlichen Hindernis für einen grenzüberschreitenden Einkauf und Vertrieb im Binnenmarkt
werden. Im vorliegenden Grünbuch werden die Probleme,
die aus unlauteren Handelspraktiken in den Beziehungen entlang der B2B-Lieferkette
für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel erwachsen können, und die Probleme in
Bezug auf die wirksame Durchsetzung nationaler Vorschriften zur Bekämpfung
unlauterer Praktiken einer vorläufigen Bewertung unterzogen, wobei auch die
entsprechenden Auswirkungen auf den Binnenmarkt berücksichtigt werden. Ferner
sollen mit Hilfe des Grünbuchs weitere Fakten zusammengetragen und weitere
Standpunkte eingeholt werden. Ziel des Grünbuchs ist es, mit den
Interessenträgern in Konsultationen über diese Analysen einzutreten,
Informationen zu beschaffen und gegebenenfalls etwaige nächste Schritte in
diesem Bereich festzulegen. Eine Verbesserung der Funktionsweise der
Lieferkette würde die wirtschaftliche Integration befördern und bei der
Behebung signifikanter Defizite des Binnenmarkts helfen, die ihren Grund in
unlauteren Handelspraktiken und in der Fragmentierung der nationalen
Rechtsvorschriften zu deren Bekämpfung haben. Dies wäre auch ein Beitrag zur
Verwirklichung des umfassenderen Ziels der EU, bis 2020 eine intelligentere,
nachhaltigere und integrativere Wirtschaft aufzubauen. 2. DEFINITION
DES BEGRIFFS „UNLAUTERE HANDELSPRAKTIKEN“ 2.1. Der Begriff „unlautere Handelspraktiken“ Die Vertragsfreiheit ist ein Eckstein
jeglicher B2B-Beziehungen in der Marktwirtschaft; Vertragsparteien sollten
Verträge so ausgestalten können, wie es ihren Bedürfnissen am besten
entspricht. Dies betrifft insbesondere unlautere Handelspraktiken in
vorvertraglichen Verhandlungen, die anschließend in die Vertragsbedingungen
Eingang finden. Damit die Vertragsfreiheit den Vertragsparteien zum
gegenseitigen Nutzen gereicht, müssen diese in der Lage sein, die
Vertragsbedingungen auch wirklich auszuhandeln. In bestimmten Fällen jedoch, in
denen sich eine der Vertragsparteien in einer stärkeren Verhandlungsposition
befindet, kann sie der schwächeren Partei einseitig Bedingungen diktieren und
die Geschäftsbeziehung in allzu starkem Maße zu ihrem eigenen Vorteil
ausgestalten und allein an ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen
ausrichten. Insbesondere kann die betreffende Vertragspartei Bedingungen
zugrunde legen, die in hohem Maße unausgewogen sind und die sie auch aufgrund
ihrer Verhandlungsmacht nicht einzeln aushandeln wird. In derartigen
Situationen ist die schwächere Partei unter Umständen nicht in der Lage, solche
einseitig auferlegten ungünstigen Bedingungen abzulehnen, weil sie befürchten
muss, dass der Vertrag dann nicht zustande kommt oder dass sie gar ganz aus dem
Geschäft herausgedrängt wird. Derart ungleiche Verhandlungspositionen können
auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sein, z. B. einen erheblichen
Unterschied in der relativen Größe / dem relativen Umsatz der Parteien, eine
wirtschaftliche Abhängigkeit oder erhebliche versunkene Kosten, die einer der
Parteien bereits entstanden sind (z. B. hohe Vorabinvestitionen). Unlautere Geschäftspraktiken werden
typischerweise in Situationen eines Ungleichgewichts von einer stärkeren Partei
einer schwächeren Partei aufgezwungen, der es häufig nicht möglich ist, auf die
durch mangelnde Fairness gekennzeichnete Beziehung zu verzichten und zu einem
anderen Geschäftspartner zu wechseln, weil ein solcher Wechsel mit hohen Kosten
verbunden wäre oder weil sich keine Alternativen bieten. Anzumerken ist, dass
die Situation der Unausgewogenheit zu Lasten jeder Seite der B2B-Beziehung
gehen kann: Sowohl Einzelhändler als auch Lieferanten können Opfer unlauterer
Praktiken werden, die auf jeder Stufe der B2B-Lieferkette auftreten können.
Derartige Situationen können sich beispielsweise für Agrarproduzenten ergeben,
die häufig mit Blick auf den Absatz ihrer Erzeugnisse und die Auswahl ihrer
Geschäftspartner lediglich über begrenzte Möglichkeiten verfügen und aufgrund
der intrinsischen Eigenschaften vieler Waren möglicherweise nicht in der Lage
sind, diese für einen längeren Zeitraum zu lagern, um bessere
Einkaufskonditionen abzuwarten. Derartige Praktiken sind etwa die
Nichtbereitstellung ausreichender Informationen über die Vertragsbedingungen,
das Verlangen von Zahlungen für Waren und Dienstleistungen, die für den
Vertragspartner von keinerlei Wert sind, einseitige oder rückwirkende
Änderungen der Vertragsbedingungen oder Zahlungen für fiktive Dienstleistungen,
die die Vertragspartner davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten einzukaufen,
was im Ergebnis zu einer regionalen Aufspaltung des Binnenmarkts führt. Unlautere Handelspraktiken können in jeder
Phase einer B2B-Beziehung zum Tragen kommen. Sie können bei der Aushandlung
eines Vertrags angewandt werden, sie können Teil des Vertrags selbst sein oder
sie können in der nachvertraglichen Phase auferlegt werden (z. B.
rückwirkende Vertragsänderungen). Unlautere Handelspraktiken nach
Vertragsabschluss können schlicht und einfach in der Anwendung der
missbräuchlichen Klauseln bestehen. Aber selbst wenn die Vertragsbedingungen
für beide Seiten akzeptabel erscheinen, können Probleme auftreten. In der Regel
decken Verträge nicht alle Aspekte des Verhaltens der Vertragsparteien in der
Phase der Vertragsausführung ab, oder die Verträge sind so komplex, dass die
Parteien nicht in vollem Umfang erfassen, was die Bestimmungen in der Praxis
bedeuten. Außerdem haben die Parteien unter Umständen nicht denselben
Informationsstand hinsichtlich der Implikationen des Geschäfts, was zu einem
unfairen Verhalten der stärkeren gegenüber der schwächeren Partei führen kann.
Hier befinden sich KMU generell in einer schwächeren Position als größere
Vertragspartner, da es ihnen an dem Fachwissen mangeln kann, das erforderlich
ist, um die gesamte Tragweite der vereinbarten Bedingungen zu erfassen. In einem optimal funktionierenden Markt würde
ein Verlust an Vertrauen zwischen den Parteien zu einem Wechsel des
Vertragspartners führen. Ist ein solcher Wechsel mit hohen Kosten verbunden
oder besteht diese Möglichkeit nicht einmal, ergibt sich eine günstige
Verhandlungsposition für die stärkere Partei, die sich dadurch zu einem
unfairen Verhalten verleiten lassen kann. Die Unmöglichkeit, zu einem anderen
Geschäftspartner zu wechseln und die bestehende Geschäftsbeziehung zu beenden,
spielt für die Herausbildung unlauterer Handelspraktiken eine zentrale Rolle.
Hinzu kommt, dass die schwächere Partei häufig befürchtet, die
Geschäftsbeziehung könne im Falle einer Beschwerde ihrerseits von der anderen
Partei beendet werden. Dieser „Angstfaktor“, aufgrund dessen sich die
Wahrscheinlichkeit solcher Beschwerden deutlich verringert, ist somit einer der
wichtigsten Aspekte, die es zu bedenken gilt, wenn es darum geht, die Eignung
eines Durchsetzungsmechanismus zu bewerten. So scheinen beispielsweise 87 %
der Lieferanten keine Maßnahmen zu ergreifen, die über Gespräche mit ihren
Kunden hinausgehen. Fast zwei Drittel davon (65 %) verzichten auf weitere
Schritte, weil sie „Vergeltungsmaßnahmen“ befürchten, und 50 % zweifeln an
der Wirksamkeit von Rechtsbehelfen.[16]
Unlängst haben so gut wie alle Lieferanten und Produzenten, die von dem für die
Beziehungen zwischen Lieferanten und Einzelhändlern im irischen
Lebensmittelmarkt zuständigen Parlamentarischen Ausschuss eingeladen worden
waren, um ihre Beziehungen zum Einzelhandel zu erörtern, abgelehnt, dies zu
tun.[17]
Zur Einholung der entsprechenden Informationen hat sich der Ausschuss
schließlich für eine direkte Kontaktaufnahme auf vertraulicher Basis
entschieden.
Fragen: 1)
Stimmen Sie der obigen Definition des
Begriffs „unlautere Handelspraktiken“ zu? 2)
Wird das Konzept der „unlauteren
Handelspraktiken“ in Ihrem Mitgliedstaat anerkannt? Wenn ja, erläutern Sie dies
bitte näher. 3)
Sollte das Konzept der unlauteren
Handelspraktiken Ihrer Meinung nach auf Vertragsverhandlungen beschränkt werden
oder sollten auch die vorvertragliche und/oder die nachvertragliche Phase
einbezogen werden? 4)
Auf welcher Stufe der B2B-Lieferkette kann
es im Einzelhandel zu unlauteren Praktiken kommen? 5)
Was halten Sie vom Konzept des „Angstfaktors“?
Teilen Sie diesbezüglich die oben dargelegte Einschätzung? Erläutern Sie dies
bitte näher.
2.2. Beispiele unlauterer Handelspraktiken Unlautere Handelspraktiken waren bereits
Gegenstand verschiedener Umfragen und Untersuchungen, die häufig auf den
Lebensmittelsektor abstellten. In der Untersuchung der Wettbewerbskommission
des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2008 zur Belieferung von
Lebensmittelgeschäften im Vereinigten Königreich[18] wurden 52 Praktiken
identifiziert, von denen 26 angeblich das Potenzial hatten, aufgrund der
Übertragung übermäßiger Risiken oder unerwarteter Kosten auf die Lieferanten
für diese mit Blick auf ihre Einnahmen oder Kosten zu einem Unsicherheitsfaktor
zu werden. Dabei ging es unter anderem um rückwirkende Preisanpassungen, um die
rückwirkende Finanzierung von Werbemaßnahmen sowie andere Praktiken, die
letztlich eine nachträgliche Anpassung von vorab getroffenen
Liefervereinbarungen bewirken. Im Bericht der spanischen Wettbewerbsbehörde
über die Beziehungen zwischen Lieferanten und Einzelhändlern im
Lebensmittelsektor[19]
wurden 18 Praktiken zwischen Herstellern und Einzelhändlern ermittelt, die in
drei Kategorien unterteilt wurden: i) kommerzielle Zahlungen (z. B. für
das Führen von Produkten und für deren Platzierung); ii) Beiträge zu
begleitende Tätigkeiten, die vom Einzelhändler durchgeführt werden (z. B.
Kosten für Werbung); iii) atypische Zahlungen (z. B. solche, die nach
Ansicht der Hersteller vom Einzelhändler zu übernehmen sind). Der Bericht des irischen parlamentarischen
Ausschusses verweist auf Behauptungen, denen zufolge bestimmte Einzelhändler
sich eines „gravierenden Fehlverhaltens“, der „Ausübung von Druck“ und der
„Einschüchterung“ und sogar „illegaler Praktiken“ gegenüber Lieferanten
schuldig gemacht hätten, und stellt des Weiteren fest, dass viele Lieferanten
unter missbräuchlichen Praktiken von Einzelhändlern zu leiden hätten, unter
anderem unter unangemessenen Forderungen finanzieller „Beiträge“, wenn sie sich
weigerten, den Wünschen der Einzelhändler nachzukommen.[20] 2.3. Potenzielle Auswirkungen unlauterer Handelspraktiken Die Anwendung unlauterer Handelspraktiken
entlang der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel kann
negative Folgen für die Unternehmen haben, wodurch wiederum die gesamte
Wirtschaft geschädigt werden kann. Die Auswirkungen unlauterer Handelspraktiken
auf die B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel lassen sich nur
schwer quantifizieren, insbesondere aufgrund des Wesens der Problematik, aber
auch aufgrund der Schwierigkeiten einer zahlenmäßigen Erfassung. Als
potenzielle negative Auswirkungen unlauterer Handelspraktiken werden
kurzfristig wie langfristig auch die Konsequenzen für Investitionen und
Innovation genannt.[21]
Die Kommission hat kürzlich eine Studie zur Entwicklung von Wahlmöglichkeiten
und Innovationen im Lebensmitteleinzelhandel in Auftrag gegeben. Ziel der
Studie ist es unter anderem, quantitative Daten dazu verfügbar zu machen, ob es
hier in den vergangenen Jahren im Zuge der Modernisierung und der Konzentration
des Einzelhandels in der Europäischen Union zu Veränderungen gekommen ist. In dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen,
das dem Bericht über die Überwachung des Einzelhandelsmarktes beigefügt war,
wurde als Beispiel der Fall von UHT-Milch in Frankreich angeführt; den Angaben
des von FranceAgrimer verwalteten Observatoire des prix et des marges
zufolge ist der Anteil des Erzeugerpreises (nicht der Marge) am Endkundenpreis
für UHT-Milch im Zeitraum 2005-2009 von 32,2 % auf 25,9 %
zurückgegangen, wodurch die Möglichkeiten der Erzeuger, Investitionen zu
tätigen, eindeutig geschmälert wurden. Darüber hinaus wurde in dem Papier
„Analysis on price transmission along the food chain in the EU“[22], dem Begleitdokument zur
Kommissionsmitteilung „Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in
Europa verbessern“, für den Zeitraum 2007-2009 eine relativ geringe und
asymmetrische Preistransmission von landwirtschaftlichen Erzeugern an die
Verbraucher in den analysierten Märkten (z. B. Schweinefleisch und
Molkereiprodukte) ermittelt, was zum Teil auf etwaige Ungleichgewichte
hinsichtlich der Verhandlungsmacht und/oder wettbewerbswidrige Praktiken in der
Lebensmittelversorgungskette zurückzuführen sein könnte. Viele unlautere Handelpraktiken können
Zahlungsfragen betreffen, die unmittelbar damit zusammenhängen, wie die Preise
zwischen Lieferanten, Zwischenhändlern und Einzelhändlern strukturiert sind. So
ergibt sich aus der neuen Studie der finnischen Wettbewerbsbehörde über den
Handel mit Gütern des täglichen Verbrauchs, dass 90 % der antwortenden
Unternehmen so genannte „Vermarktungsprämien“ zu zahlen hatten, wobei unklar
blieb, welchem Zweck diese dienten. Mitunter waren diese Zahlungen eine
Vorbedingung für die Handelsbeziehung, ohne dass eine „echte“ Gegenleistung
erbracht wurde.[23] Aufgrund von Einnahmenverlusten und
Unsicherheiten können sich unlautere Handelspraktiken negativ auf Investitionen
und Innovation auswirken. Insbesondere kann die rückwirkende Anwendung
missbräuchlicher Klauseln zu Unsicherheiten in der Geschäftsplanung und zur
Zurückhaltung bei Investitionen führen. Wirtschaftlichkeitsberechnungen beinhalten
die Bewertung potenzieller Risiken. Rückwirkende Änderungen oder die
„missbräuchliche“ Nutzung von Informationen können Unternehmen in ihren
Möglichkeiten beschränken, zu investieren, zu innovieren, zu expandieren oder
neue Produktlinien zu entwickeln. Dies wäre etwa der Fall, wenn unverkaufte und
an den Lieferanten zurückgesandte Ware (z. B. saisonale Haushaltswaren
oder Produkte mit begrenzter Lagerfähigkeit) trotz anderslautender
vertraglicher Vereinbarungen nicht bezahlt wird – was Lieferanten unnötige
Kosten aufbürden, Unsicherheiten schaffen und sich negativ auf die
Investitionstätigkeit auswirken kann. Wenngleich die möglichen negativen Folgen
unlauterer Handelspraktiken alle Akteure entlang der B2B-Lieferkette für
Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel treffen, gilt dies jedoch in
unverhältnismäßig hohem Maße für KMU: Häufig fehlt es ihnen an Fachkenntnissen
in Bezug auf komplexe Verträge, zudem schlagen die Kosten eines Wechsels bei
ihnen stärker zu Buche, sie verfügen über weniger Handelskontakte, ihre
Bereitschaft, förmliche Durchsetzungsmechanismen in Anspruch zu nehmen, ist
geringer und sie haben mächtigen Handelspartnern weniger entgegenzusetzen. Darüber hinaus wird angeführt, dass sich
unlautere Handelspraktiken negativ auf den grenzüberschreitenden Handel
auswirken und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen
können. So kann es Lieferanten beispielsweise widerstreben, mit ausländischen
Einzelhändlern Geschäftsbeziehungen einzugehen, weil sie befürchten, in einem
ihnen fremden nationalen rechtlichen Kontext Opfer unlauterer Handelspraktiken
zu werden. Dies ist
selbstverständlich nicht das einzige Hindernis: Der Umfang
grenzüberschreitender Vertragsabschlüsse innerhalb der Lieferkette in der EU
ist von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich – je nachdem, inwieweit
es große, vertikal integrierte Einzelhändler gibt, wie hoch der Anteil der
Online-Anbieter ist, um welches Segment des Einzelhandels es sich handelt und
welche Rolle der Großhandel spielt.[24] Unabhängig von
diesen Faktoren können unlautere Handelspraktiken den Aufbau
grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen behindern, was vor allem auf die
Schwierigkeit zurückzuführen ist, einschlägige grenzüberschreitende Regelungen
durchzusetzen.
Fragen: 6)
In welchem Umfang und wie häufig kommt es Ihrer
Erfahrung nach zu unlauteren Handelspraktiken im Lebensmittelsektor? In welcher
Phase einer Geschäftsbeziehung treten am häufigsten solche Praktiken auf und
wie sehen diese Praktiken aus? 7)
Gibt es derartige Praktiken auch in
Einzelhandelsbereichen außerhalb des Lebensmittelsektors? Falls ja, nennen Sie
bitte konkrete Beispiele. 8)
Haben unlautere Handelspraktiken negative
Auswirkungen, insbesondere mit Blick auf die Investitions- und
Innovationskapazitäten Ihres Unternehmens? Nennen Sie bitte konkrete Beispiele
und machen Sie – soweit möglich – quantitative Angaben. 9)
Haben unlautere Handelspraktiken negative
Auswirkungen für die Verbraucher (indem sie beispielsweise Preise,
Produktauswahl und Innovation beeinflussen)? Nennen Sie bitte konkrete
Beispiele und machen Sie – soweit möglich – quantitative Angaben. 10)
Wirken sich unlautere Handelspraktiken auf den
grenzüberschreitenden Handel in der EU aus? Führen unlautere Handelspraktiken
zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts? Falls ja, erläutern Sie bitte,
inwieweit sich unlautere Praktiken auf die Möglichkeiten des
grenzüberschreitenden Handels für Ihr Unternehmen auswirken. 3. RECHTSRAHMEN
ZUR BEKÄMPFUNG UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN 3.1. Fragmentierung der Rechtsrahmen auf nationaler Ebene Im Laufe der Jahre hat die Problematik
unlauterer Praktiken in den Beziehungen zwischen Lieferanten und Einkäufern für
die Behörden zunehmend an politischer Bedeutung gewonnen. Entsprechend treffen
Mitgliedstaaten Maßnahmen, um das Problem unlauterer Handelspraktiken in den
Griff zu bekommen. Dabei schlagen sie allerdings unterschiedliche Wege ein.
Dies hat dazu geführt, dass Umfang, Art und rechtliche Ausgestaltung des
Schutzes vor unlauteren Handelspraktiken auf nationaler Ebene in erheblichem Maße
divergieren. Ausgangspunkt war häufig eine von nationalen
Wettbewerbsbehörden durchgeführte Analyse zur Bewertung des Wettbewerbs im
Einzelhandel und der Rolle unterschiedlicher Geschäftspraktiken in den
Beziehungen zwischen Einzelhändlern und Lieferanten.[25] Verhältnis
zwischen Wettbewerbsrecht und Rechtsvorschriften über unlautere
Handelspraktiken In diesem Kontext gilt es, zwischen
Wettbewerbsrecht einerseits und Rechtsvorschriften zur Verhinderung unlauterer
Praktiken andererseits zu unterscheiden. Vorschriften zur Bekämpfung unlauteren
Handels verfolgen insofern ein anderes Ziel als das Wettbewerbsrecht, als sie
vertragliche Beziehungen zwischen Unternehmen regeln, etwa durch Festlegung der
Bedingungen, die Lieferanten den Vertriebsunternehmen anbieten müssen, und zwar
unabhängig von den tatsächlichen oder vermuteten Auswirkungen auf den
Wettbewerb am Markt. Das trifft insbesondere auf Rechtsvorschriften zu, mit
denen Unternehmen untersagt wird, bei ihren Handelspartnern ungerechtfertigte,
unverhältnismäßige oder keine Gegenleistungen umfassende Bedingungen zu
erzwingen, zu erhalten oder den Versuch hierzu zu unternehmen.[26] Das Wettbewerbsrecht kann bestimmte unlautere
Handelspraktiken in den Beziehungen entlang der B2B-Lieferkette für
Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel erfassen. Es kann jedoch keinesfalls alle
derartigen Praktiken abdecken, da es das Ziel verfolgt, den Wettbewerb am Markt
zu schützen, und sich in der Regel mit Fragen der Marktmacht befasst.[27] Einige Mitgliedstaaten
verfügen über Wettbewerbsregeln über einseitige Handlungen, die beispielsweise
ein missbräuchliches Verhalten gegenüber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen
und/oder die missbräuchliche Ausnutzung einer stärkeren Verhandlungsposition
untersagen oder mit Sanktionen belegen. Der aktuelle Bericht des Europäischen
Wettbewerbsnetzes, dem die nationalen Wettbewerbsbehörden und die Europäische
Kommission angehören, gelangte zu dem Schluss, dass bestimmte Handelspraktiken,
die von vielen Beteiligten als unlauter angesehen werden, nicht in den
Anwendungsbereich der auf EU-Ebene oder in den meisten Mitgliedstaaten
geltenden Wettbewerbsvorschriften fallen.[28] Zivilrecht, Handelsrecht und unlautere
Handelspraktiken Soweit es um die Fairness in individuellen
Geschäftsbeziehungen geht, bieten die Grundprinzipien des Zivil- und/oder des
Handelsrechts unter Umständen einen gewissen Schutz vor unlauteren
Handelspraktiken. Ein allgemeines Fairnessgebot gibt es in den meisten
Mitgliedstaaten. In der Regel geht es dabei um Konzepte wie das des sittenwidrigen
Verhaltens oder das der Vertragsausführung/-aushandlung im Einklang mit den
Geboten von Treu und Glauben, der guten Sitten, der Billigkeit oder der
Redlichkeit. Werden diese Grundsätze nicht eingehalten, ist ein Vertrag in der
Regel null und nichtig oder gerichtlich nicht einklagbar. Spezifische
nationale Rechtsrahmen zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken Einige Mitgliedstaaten haben den
zivilrechtlich garantierten Schutz ausgeweitet, um die zunehmende Zahl von
Fällen unlauterer Handelspraktiken mit abzudecken.[29] Dabei gelangten
unterschiedliche nationale Instrumente zur Anwendung. Während in einigen
Mitgliedstaaten die bevorzugte Option darin bestand, spezifische
Rechtsvorschriften zu erlassen[30],
haben andere Mitgliedstaaten Verhaltenskodizes eingeführt bzw. gefördert oder
beabsichtigen, dies zu tun[31]. Ebenso bestehen erhebliche Unterschiede
zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich des Anwendungsbereichs der
einschlägigen gesetzlichen oder Selbstregulierungsinstrumente. Während diese in
einigen Mitgliedstaaten den Schutz vor unlauteren Handelspraktiken in der
Einzelhandelslieferkette oder in einem bestimmten Sektor des Einzelhandels
gewährleisten, haben die entsprechenden Vorschriften in anderen Mitgliedstaaten
allgemeine Geltung. So existieren beispielsweise in Portugal[32], Slowenien[33], Spanien[34], Belgien[35] und im Vereinigten Königreich[36] Verhaltenskodizes, die die
Lebensmittelversorgungskette betreffen[37],
und in den Niederlanden und in Irland ist die Einführung entsprechender Kodizes
geplant. Die Tschechische Republik, Ungarn und Italien haben Gesetze zur
Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken im Lebensmittelsektor erlassen. Auch im
Kraftfahrzeugeinzelhandel wird vor allem auf Selbstregulierung gesetzt, um
gegen unlautere Handelspraktiken vorzugehen. Die Vorschriften des französischen
Handelsrechts zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken hingegen gelten
generell für alle B2B-Beziehungen. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass
die aus der Unterschiedlichkeit der Rechtsvorschriften resultierenden Probleme
innerhalb des Binnenmarkts im Zuge der intensiveren Nutzung des elektronischen
Handels und generell der Globalisierung mit der Zeit noch zunehmen werden. Die damit einhergehenden Unterschiede in Bezug
auf den Schutz vor unlauteren Handelspraktiken können Unternehmen davon
abhalten, außerhalb ihres Herkunftsmitgliedstaates tätig zu werden. Erschwerend
hinzu kommt, dass die nationalen Rechtsrahmen häufigen Veränderungen
unterworfen sind, was als Indiz dafür zu werten ist, dass die Maßnahmen zur
Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken nicht immer erfolgreich sind und dass
sie der Herausbildung neuer unlauterer Praktiken Rechnung tragen müssen.
Entsprechend machen Unternehmen, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen
sind, geltend, dass es schwierig und kostspielig ist, sich über ihre Rechte in
den einzelnen Mitgliedstaaten kundig zu machen. Insbesondere gilt dies für KMU. In
Mitgliedstaaten, in denen kein spezifischer Rechtsrahmen für die Bekämpfung
unlauterer Handelspraktiken existiert, wird üblicherweise argumentiert, dass
das allgemeine Wettbewerbsrecht ausreichend wirksam ist, um die Problematik
anzugehen (Tschechische Republik), oder dass man nur ungern in die
Vertragsfreiheit der Parteien eingreifen wolle (Vereinigtes Königreich), vor
allem dann, wenn kein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt[38]. Ein allgemeineres Argument,
das ebenfalls häufig ins Feld geführt wird, betrifft die Wirksamkeit und die
Notwendigkeit von Rechtsvorschriften über unlautere Handelpraktiken und deren
potenzielle Auswirkungen, unter anderem auf die Preise. 3.2. Schutz vor unlauteren Handelspraktiken auf EU-Ebene Auch wenn die Problematik der unlauteren
Handelspraktiken im Kontext verschiedener jüngerer Initiativen[39] aufgegriffen wurde,
gibt es derzeit keinen spezifischen EU-Regulierungsrahmen für die Bekämpfung
unlauterer Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und
Nicht-Lebensmittel. Das EU-Wettbewerbsrecht soll einen Beitrag zum
Aufbau und zum Erhalt des Binnenmarkts und zum Wohlergehen der Verbraucher
leisten.[40]
Ziel ist es, Bedingungen zu schaffen, unter denen der Markt ordnungsgemäß
funktionieren kann, wobei es nicht um die Problematik der Fairness in
individuellen Geschäftsbeziehungen an sich geht, es sei denn, dass diese
aufgrund der Existenz einer Marktmacht das Funktionieren des Marktes
beeinträchtigen. Somit kann sich das EU-Wettbewerbsrecht nur mit einigen, aber
keineswegs mit allen unlauteren Handelspraktiken befassen. Auch andere sektorübergreifende EU-Instrumente
zielen auf die Bekämpfung unlauterer Praktiken in Handelbeziehungen ab. Die
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken[41]
deckt ausschließlich Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern ab,
wobei allerdings anerkannt wird, dass die Notwendigkeit einer einschlägigen
Maßnahme auf EU-Ebene für den B2B-Bereich sorgfältig geprüft werden muss.[42]
Diese Rechtsvorschrift dient der vollständigen Harmonisierung des Schutzes der
Verbraucher – vor, während und nach geschäftlichen Transaktionen – vor
Praktiken, die den Anforderungen der beruflichen Sorgfalt zuwiderlaufen und das
wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinflussen können. Es steht den
Mitgliedstaaten frei, den Geltungsbereich der Richtlinienbestimmungen auf die
Praktiken zwischen Unternehmen auszuweiten, was in einigen Fällen auch
geschehen ist. Die Richtlinie lässt das Vertragsrecht, insbesondere die
Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines
Vertrags, unberührt. Was den Bereich der Vermarktung betrifft, enthält die
Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung[43] bereits Vorschriften, die
europaweit einen Mindestschutz Gewerbetreibender, und zwar von Kunden wie
Wettbewerbern, vor irreführender Werbung gewährleisten. Die Kommission hat vor
kurzem künftige Maßnahmen im Bereich irreführender B2B-Vermarktungspraktiken
umrissen[44],
die unter anderem auch eine bessere Durchsetzung sowie materiellrechtliche
Vorschriften zum Schutz der Unternehmen in Europa vor irreführenden Praktiken
beinhalten. Insbesondere will die Kommission eine Überarbeitung der Richtlinie
über irreführende und vergleichende Werbung vorlegen. Die Richtlinie zur Bekämpfung von
Zahlungsverzug[45]
betrifft speziell die Problematik der Zahlungsbedingungen. Die Verordnungen 593/2008
und 864/2007 über das auf vertragliche respektive außervertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht hingegen enthalten umfassende
Vorschriften, die festlegen, welches Recht im Falle von Streitigkeiten
anzuwenden ist, bei denen es um unlautere Handelspraktiken geht, soweit diese
vertragliche oder außervertragliche Verpflichtungen zwischen den Parteien
betreffen. Was sektorale Regelungen anbelangt, wurden für
den Milch-/Molkereisektor Grundsätze für faire Vertragsbeziehungen eingeführt[46],
unter anderem die Verpflichtung zum Abschluss schriftlicher Verträge zwischen
Landwirten und verarbeitenden Betrieben und die Verpflichtung für Ankäufer,
Landwirten eine Mindestvertragslaufzeit anzubieten. Einige sektorale
Selbstregulierungslösungen wurden auch auf EU-Ebene geprüft. Es ist darauf
hinzuweisen, dass durch die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln[47] ausschließlich Verbraucher vor
missbräuchlichen Vertragsklauseln geschützt werden. Dieser Richtlinie zufolge
ist eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als
missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum
Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen
Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Im Rahmen der
Legislativvorschläge zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik hat die
Kommission ebenfalls eine Reihe sektoraler Initiativen auf den Weg gebracht, um
einen redlichen Geschäftsverkehr in den B2B-Beziehungen im Fischerei- und
Aquakultursektor zu fördern.[48] Einige Rechtsvorschriften auf EU-Ebene können
zum Teil auch unlautere Handelspraktiken in Geschäftsbeziehungen erfassen. Auf
diese Weise kann ein Flickenteppich von Vorschriften entstehen, die zum Tragen
kommen können – je nachdem, um welche spezifischen Praktiken es geht oder wo
das Unternehmen, das diese Praktiken anwendet, über Marktmacht verfügt.
Generell genießt ein Unternehmen, das sich mit unlauteren Handelspraktiken
seitens eines Geschäftspartners konfrontiert sieht, nach wie vor keinen EU-weit
geltenden einheitlichen Schutz. Diese rechtliche Fragmentierung des
Binnenmarkts kann Unternehmen entmutigen oder gar davon abhalten, außerhalb
ihres Herkunftsmitgliedstaates tätig zu werden. Im Jahr 2011 hat die Europäische Kommission
einen einheitlichen Katalog von Kaufrechtsvorschriften vorgeschlagen, die auf
grenzüberschreitende Käufe beweglicher Güter und digitaler Inhalte angewandt
werden können.[49]
Dieses Gemeinsame Europäische Kaufrecht („Common European Sales Law“ – CESL)
wird fakultativen Charakter haben. Die Vertragsparteien können beschließen,
dieses Recht anzuwenden, sind aber nicht dazu verpflichtet. Damit es in B2B-Beziehungen
zur Anwendung gelangen kann, muss es sich bei mindestens einer Partei um ein
KMU handeln. Zielgruppe sind nämlich insbesondere KMU, die vor einseitig
aufgezwungenen ungünstigen Bedingungen geschützt werden sollen. Bei einigen
Vorschriften wird es sich um Auffangbestimmungen handeln: So sieht das CESL
beispielsweise vor, dass, wenn der Preis nicht ausdrücklich vereinbart wurde,
der üblicherweise in vergleichbaren Situationen in Rechnung gestellte Preis zu
zahlen ist, oder dass ein Vertrag mit unbestimmter Laufzeit von jeder Partei
nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist beendet werden kann.
Einige Bestimmungen, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen
beider Parteien gewährleisten sollen, sind so wichtig, dass sie obligatorisch
sein werden: ·
Jede Partei hat die Pflicht, im Einklang mit dem
Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs zu handeln. ·
Nicht individuell ausgehandelte Bedingungen in B2B-Verträgen
werden als missbräuchlich betrachtet, wenn ihre Anwendung gröblich von der
guten Handelspraxis abweicht und gegen das Gebot von Treu und Glauben und des
redlichen Geschäftsverkehrs verstößt. Man kann sich gegenüber der anderen
Partei nur dann auf diese Bedingungen berufen, wenn ihr diese bekannt waren
oder wenn geeignete Schritte unternommen wurden, um die andere Partei auf diese
Bedingungen hinzuweisen. ·
Ist eine Partei berechtigt, den Preis einseitig
festzusetzen, und ist der von ihr festgesetzte Preis grob unangemessen, ist der
üblicherweise in Rechnung gestellte Preis zu zahlen. ·
Ein Vertrag kann für nichtig erklärt werden, wenn
eine Partei in unfairer Weise benachteiligt wurde, wenn sie beispielsweise
unerfahren ist und die andere Partei dies wusste oder von ihr erwartet werden
konnte, dass sie dies wusste, und die Lage der erstgenannten Partei ausgenutzt
und daraus einen übermäßigen Nutzen oder unfairen Vorteil gezogen hat. Die
Parteien können die Verjährungsfrist nicht aufgrund der tatsächlichen oder
vorausgesetzten Kenntnis der Sachlage auf weniger als ein Jahr verkürzen oder
auf mehr als zehn Jahre verlängern.
Fragen: 11)
Sind die in einigen Mitgliedstaaten bestehenden
Regulierungs-/Selbstregulierungsrahmen ausreichend, um gegen unlautere Handelspraktiken
vorzugehen? Falls nicht, warum nicht 12)
Stellt das Nichtvorhandensein spezifischer
nationaler Regulierungs-/Selbstregulierungsrahmen zur Bekämpfung unlauterer
Handelspraktiken in den betreffenden Rechtsordnungen ein Problem dar? 13)
Wirken sich Maßnahmen zur Bekämpfung unlauterer
Handelspraktiken nur auf die heimischen Märkte oder auch auf den
grenzüberschreitenden Handel / die grenzüberschreitende Erbringung von
Dienstleistungen aus? Sollte dies der Fall sein, erläutern Sie bitte die
Auswirkungen auf die Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Handels für Ihr
Unternehmen. Führen die Unterschiede zwischen den bestehenden nationalen
Regulierungs-/Selbstregulierungsrahmen zu einer Fragmentierung des
Binnenmarkts? 14)
Sollten Ihrer Meinung nach weitere Maßnahmen
auf EU-Ebene getroffen werden? 15)
Wirkt sich die gegebenenfalls bereits bestehende
Regulierung im Bereich der unlauteren Handelpraktiken positiv aus? Ergeben sich
aus der Einführung von Regulierungsmaßnahmen zur Bekämpfung unlauterer
Handelspraktiken etwaige Nachteile/Probleme, wie etwa ungerechtfertigte
Einschränkungen der Vertragsfreiheit? Bitte erläutern Sie dies näher. 4. DURCHSETZUNG
DER VORSCHRIFTEN ZUR BEKÄMPFUNG UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN 4.1. Durchsetzungsmechanismen auf nationaler Ebene Das Niveau des
Schutzes der schwächeren Vertragspartei in einer B2B-Beziehung variiert von
einem Mitgliedstaat zum anderen. Auf nationaler Ebene werden zur Bekämpfung
unlauterer Handelspraktiken unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen
angewandt. Unter anderem zählen dazu Rechtsbehelfe (in den meisten
Mitgliedstaaten), etwaige Maßnahmen der Wettbewerbsbehörden gemäß den
nationalen Vorschriften über einseitige Handlungen (z. B. in Spanien),
Verwaltungsbeschwerden (z. B. in Frankreich) oder Ombudsleute (z. B.
im Vereinigten Königreich). Die Befugnisse
der Durchsetzungsbehörden variieren je nach dem von dem betreffenden
Mitgliedstaat angewandten Durchsetzungsinstrument. Einige Stellen dürfen keine
anonymen Beschwerden entgegennehmen (z. B. Gerichte), andere können nicht
die Anonymität der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens
sicherstellen (z. B. die Wettbewerbsbehörden in einigen Mitgliedstaaten),
und einer dritten Kategorie von Stellen ist die Einleitung von Untersuchungen
nur bei Vorliegen glaubwürdiger Beweise gestattet (z. B. dem „Adjudicator“
nach dem „Groceries Supply Code of Practice“ im Vereinigten Königreich oder dem
Wirtschaftministerium in Frankreich). Die von den
Mitgliedstaaten gewählten unterschiedlichen Ansätze zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken
können zu einer erheblichen Fragmentierung des Binnenmarkts führen. Für
Unternehmen, insbesondere für KMU, erweist es sich als schwierig, in Erfahrung
zu bringen, welche Rechtsbehelfe in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Verfügung
stehen. Schließlich hat eine kürzlich durchgeführte
Befragung der Unternehmen gezeigt, dass ungeachtet der unterschiedlichen
Ansätze der Mitgliedstaaten auch die bestehenden Durchsetzungsmechanismen als
unzureichend erachtet werden (siehe Abb. 1). Abb. 1: Einschätzung der Hinlänglichkeit der bestehenden
Durchsetzungsmechanismen in den Mitgliedstaaten (EBTP, 2012) Dass es weithin an angemessenen
Durchsetzungsmechanismen fehlt, die die schwächeren Vertragsparteien vor
unlauteren Handelspraktiken schützen, behindert nach Ansicht der
EBTP-Umfrage-Teilnehmer die Entwicklung der Unternehmen und des Handels,
insbesondere in grenzüberschreitenden Kontexten. Erhebliche Auswirkungen hat
dies für KMU, bei denen die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, dass sie über
die erforderlichen Mittel verfügen, um – angesichts der Komplexität derartiger
Verfahren und der eigenen Unkenntnis darüber, wie sie ihre Rechte mit den zur
Verfügung stehenden Rechtsmitteln durchsetzen können – die potenziell hohen Kosten
einer juristischen Vertretung tragen zu können. 4.2. Durchsetzungsmechanismen auf EU-Ebene Wie bereits in
Abschnitt 3.2 erwähnt, bestehen derzeit auf EU-Ebene keine speziellen
Durchsetzungsmechanismen zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken. Es existieren
jedoch durchaus verschiedene sektorübergreifende Instrumente, die allgemein
Streitigkeiten und damit auch Streitigkeiten im Zusammenhang mit unlauteren
Handelspraktiken abdecken.[50] Was irreführende
Vermarktungspraktiken zwischen Unternehmen betrifft, hat die Kommission im
Rahmen ihrer Überprüfung der Richtlinie 2006/114/EG im Jahr 2012 die Schaffung
eines Verfahrens der Zusammenarbeit bei der Durchsetzung angekündigt[51], durch das die
grenzüberschreitende Kooperation gestärkt und ein besserer Schutz vor den
schädlichsten irreführenden Vermarktungspraktiken gewährleistet werden soll. Wie bereits erwähnt,
befassen sich die Vertreter der Akteure der Lebensmittelversorgungskette
innerhalb des Hochrangigen Forums für eine bessere Funktionsweise der
Lebensmittelversorgungskette auch mit verschiedenen Streitbeilegungsoptionen
zur Durchsetzung der formulierten Grundsätze einer guten Praxis. Dabei handelt
es sich um einen sektorspezifischen Ansatz, während im vorliegenden Grünbuch
die Frage der unlauteren Handelspraktiken in den Beziehungen entlang der B2B-Lieferkette
für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel unter Zugrundelegung eines
sektorübergreifenden Ansatzes betrachtet wird. Parallel zu der mit diesem
Grünbuch eingeleiteten Konsultation wird die Kommission die spezifischen
Entwicklungen innerhalb der Lebensmittelversorgungskette überwachen und die
Arbeiten zur Abschätzung der Folgen unterschiedlicher Optionen in Angriff
nehmen mit dem Ziel, eine faire und wirksame Lösung für die Bekämpfung
unlauterer Handelspraktiken zu finden. Trotz dieser sektorübergreifenden Instrumente,
die bereits zur Bekämpfung der in Abschnitt 5 aufgeführten verschiedenen
Arten unlauterer Handelspraktiken eingesetzt werden, ist es unter Umständen
erforderlich sicherzustellen, dass in allen Mitgliedstaaten gemeinsame
Durchsetzungsgrundsätze bestehen. Dabei könnte unter anderem ein geeignetes
Mittel vorgesehen werden, um den weiter oben beschriebenen „Angstfaktor“
auszuschließen, indem beispielsweise den zuständigen nationalen Behörden die Befugnisse
übertragen wird, von Amts wegen tätig zu werden und anonyme Beschwerden
entgegenzunehmen. Darüber hinaus sollten solche gemeinsamen
Durchsetzungsgrundsätze vorsehen, dass die zuständigen Behörden berechtigt
sind, geeignete Sanktionen zu verhängen. Denkbar wäre etwa unter anderem, dass
sie die Einhaltung fairer Praktiken anordnen, für die Wiedergutmachung
entstandener Schäden sorgen, Geldstrafen mit abschreckender Wirkung verhängen
und öffentlich über ihre Erkenntnisse Bericht erstatten. Bestehende nationale
Vorschriften könnten als Beispiele für besonders wirksame
Durchsetzungsmechanismen dienen, die in einen gemeinsamen Katalog von
Durchsetzungsgrundsätzen aufgenommen werden könnten.
Fragen: 16)
Bestehen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche
Diskrepanzen in Bezug auf die rechtliche Behandlung unlauterer
Handelspraktiken? Falls ja, stellen diese Diskrepanzen ein Hindernis für den
grenzüberschreitenden Handel dar? Nennen Sie bitte konkrete Beispiele und
quantifizieren Sie – soweit möglich – die Auswirkungen. 17)
Für den Fall, dass solche negativen
Auswirkungen festzustellen sind: Inwieweit sollte dieses Problem im Rahmen
eines gemeinsamen EU-Durchsetzungskonzepts angegangen werden? 18)
Sollten die zuständigen Durchsetzungsstellen
mit Untersuchungsbefugnissen ausgestattet werden, einschließlich des Rechts,
von Amts wegen tätig zu werden, Sanktionen zu verhängen und anonyme Beschwerden
entgegenzunehmen?
5. ARTEN
UNLAUTERER HANDELSPRAKTIKEN Die Ergebnisse der weiter oben erwähnten
Umfragen und Untersuchungen zeigen, dass unlautere Handelspraktiken in vielen
EU-Mitgliedstaaten als gängiges Phänomen in der B2B-Lieferkette für
Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel gesehen werden. Es wurden verschiedene
Arten unlauterer Geschäftspraktiken oder damit zusammenhängender Probleme
ermittelt, die im Folgenden beschrieben werden. Ausbauend auf den im Rahmen des
Hochrangigen Forums für eine Verbesserung der Funktionsweise der
Lebensmittelversorgungskette formulierten Grundsätzen und zusammengestellten
Beispielen fairer und unfairer Praktiken in den vertikalen Beziehungen entlang
der Lebensmittelversorgungskette sowie auf den Arbeiten der Kommission im
Bereich der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel wurden
sieben Arten unlauterer Praktiken identifiziert. Diese unlauteren Praktiken
werden im Folgenden beschrieben. Gleichzeitig werden entsprechende faire
Praktiken aufgezeigt, die Abhilfe schaffen könnten. 5.1. Mehrdeutige Vertragsbestimmungen Die gängigste Form unlauterer Handelspraktiken
besteht (nach den Ergebnissen der oben erwähnten Umfragen und Untersuchungen)
in der Festlegung mehrdeutiger Vertragsbestimmungen, die es ermöglichen, der
schwächeren Vertragspartei zusätzliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass die Vertragsparteien gewährleisten, dass Rechte und
Pflichten, einschließlich Sanktionen, in klarer, transparenter und eindeutiger
Weise vertraglich festgelegt werden. Die Vertragsparteien sollten präzise und
umfassende Angaben zu ihren Geschäftsbeziehungen machen. Festgelegt werden
könnte unter anderem, dass vertragliche Sanktionen dem erlittenen Schaden
angemessen sein sollten. Verträge sollten Klauseln enthalten, die bestimmen,
unter welchen Umständen und Bedingungen späteren Änderungen der Kosten bzw. Preise
von Produkten oder Dienstleistungen zulässig sind. 5.2. Fehlen eines schriftlichen Vertrags Es ist zu prüfen, unter welchen Umständen sich
unlautere Handelspraktiken herausbilden. Zur Anwendung unlauterer
Handelspraktiken kommt es eher, wenn Verträge nicht in schriftlicher Form
abgefasst, da die Parteien in diesem Fall über keinen dauerhaften Nachweis der
vereinbarten Bedingungen verfügen. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass die Vertragsparteien gewährleisten, dass Vereinbarungen in
schriftlicher Form erfolgen, es sei denn, dies ist für eine oder beide Parteien
nicht machbar. Der Inhalt mündlicher Verträge sollte nach deren Abschluss von
mindestens einer Partei schriftlich bestätigt werden. 5.3. Rückwirkende Vertragsänderungen Rückwirkende Änderungen wie etwa Abzüge vom
Rechnungsbetrag zur Abgeltung von Werbeaufwendungen, einseitige Rabatte auf die
verkauften Mengen, Regalgebühren usw. können auf den ersten Blick legitim
erscheinen, aber dennoch unbillig sein, wenn sie nicht zuvor in hinreichend
klarer Form vereinbart wurden. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass für beide Seiten akzeptable Bedingungen festgelegt werden.
Jegliche Vereinbarung sollte genau darlegen, unter welchen Umständen die
Parteien die Bedingungen gemeinsam, zeitnah und in Kenntnis der Sachlage ändern
können und wie dies zu geschehen hat. Unter anderem sollte das Verfahren zur
Festsetzung des erforderlichen Ausgleichs etwaiger Kosten erläutert werden, die
einer der Vertragsparteien aufgrund einer Vertragsänderung entstehen können. 5.4. Unbillige Übertragung des kommerziellen Risikos Gewisse Praktiken bedürfen unabhängig davon,
ob sie vorab vereinbart wurden oder nicht, einer Überprüfung. Eine wichtige Kategorie solcher Praktiken ist
die Übertragung des Risikos auf die andere Partei, indem beispielsweise die
Verantwortung für Warendiebstähle in vollem Umfang dem Lieferanten aufgebürdet
wird (Schwundkosten), obgleich der Einzelhändler in der Regel am besten in der
Lage wäre, Diebstähle bzw. das Verschwinden von Waren in seinen Räumlichkeiten
zu verhindern. Wird das Diebstahlrisiko auf den Lieferanten übertragen, zeigen
die Einzelhändler ein deutlich geringeres Interesse, geeignete
Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Andere in diese Kategorie fallende Praktiken
sind die Finanzierung eigengeschäftlicher Tätigkeiten der anderen Partei (wie
etwa hoher Investitionen in neue Verkaufsstellen), die Verpflichtung zum
Ausgleich von Verlusten des Handelspartners oder erhebliche
Zahlungsverzögerungen. Eine weitere unlautere Praxis, die
Aufmerksamkeit verdient, ist die missbräuchliche Anwendung so genannter
„Rückwärtsmargen“. Diese Praxis ist Bestandteil vieler moderner
Einzelhandelsgeschäftsmodelle und besteht darin, dass der Ankauf von Waren mit
zusätzlichen Dienstleistungen gekoppelt wird, die der Einzelhändler dem
Lieferanten gegen ein Entgelt anbietet (z. B. Werbe- und
Transportentgelte, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung von
Regalflächen usw.). Zumeist sind derartige Praktiken legitim. In bestimmten
Fällen können sie jedoch unverhältnismäßig und unbillig sein: In einigen
Rechtsordnungen in der EU (z. B. in Frankreich) haben die Gerichte
entschieden, dass die Erhebung von Listungsgeldern nur dann als gerechtfertigt
zu betrachten ist, wenn sie für tatsächliche Dienstleistungen berechnet werden,
verhältnismäßig sind und in transparenter Weise in Rechnung gestellt werden. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass die Vertragsparteien vereinbaren, dass jeder Beteiligte die
Verantwortung für seine eigenen Risiken übernimmt und nicht in ungebührlicher
Weise versucht, Risiken auf andere Parteien zu übertragen. Die Vertragsparteien
sollten sich über die Bedingungen verständigen, die für den Beitrag zu
eigengeschäftlichen Tätigkeiten und/oder Werbetätigkeiten der Parteien gelten.
Entgelte für legitime Dienstleistungen sollten deren Wert entsprechen. Die
Weiteren könnte festgelegt werden, dass in dem Fall, in dem zwischen beiden
Parteien Listungsgelder vereinbart werden, diese dem Risiko angemessen sein
sollten. Die Vertragsparteien sollten in keinem Fall Zahlungen für nicht
erbrachte Dienstleistungen oder nicht gelieferte Waren oder Zahlungen, die
offenkundig nicht dem Wert / den Kosten der erbrachten Dienstleistung
entsprechen, verlangen dürfen. 5.5. Missbräuchliche Nutzung von Informationen Die „missbräuchliche“ Nutzung von
Informationen durch eine Vertragspartei ist ein Merkmal verschiedener
unlauterer Praktiken. Mag es legitim sein, dass eine Partei um bestimmte
Informationen über die angebotenen Produkte ersucht, sollten die erhaltenen
Detailinformationen dennoch nicht dafür genutzt werden, beispielsweise ein
eigenes, konkurrierendes Produkt zu entwickeln und damit die schwächere Partei
der Früchte ihrer Innovationstätigkeiten zu berauben. Die Kommission hat eine
Studie über die wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Nutzung und
widerrechtlichen Aneignung von vertraulichen Geschäftsinformationen und
Handelsgeheimnissen sowie über entsprechende Rechtsstreitigkeiten
veröffentlicht.[52]
In diese Kategorie fallen auch Praktiken wie die Weigerung, eine
Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterzeichnen, oder die Nichteinhaltung von
Vertraulichkeitsvorschriften. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass die einer Vertragspartei im Rahmen eine Geschäftsbeziehung
offengelegten Informationen nur auf faire Weise genutzt werden dürfen
(insbesondere in Situationen, in denen die Geschäftspartner zum Teil auch
Wettbewerber sind). Des Weiteren könnte festgelegt werden, dass jede
Vertragspartei in angemessener Weise dafür Sorge zu tragen hat, dass die den
anderen Parteien zur Verfügung gestellten Informationen korrekt und nicht
irreführend sind. 5.6. Unbillige Beendigung einer Geschäftsbeziehung Auch die plötzliche und ungerechtfertigte
Beendigung einer Geschäftsbeziehung bzw. die Beendigung einer
Geschäftsbeziehung ohne Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kann den
gängigsten unlauteren Handelspraktiken zugerechnet werden. Wenngleich die
Beendigung einer Geschäftsbeziehung normaler Bestandteil des Wirtschaftlebens
ist, sollte sie jedoch nicht als Mittel zur Schikanierung einer Vertragspartei
genutzt werden, indem abgelehnt wird, eine solche Entscheidung zu begründen,
oder indem keine angemessene Kündigungsfrist eingehalten wird. Eine faire Praxis könnte sich dadurch
auszeichnen, dass die Vertragsparteien eine faire Beendigung von Verträgen
sicherstellen. Die Kündigung eines Vertrags sollte im Einklang mit dem auf den
Vertrag anwendbaren Recht erfolgen, wobei eine ausreichende Kündigungsfrist vorgesehen
werden sollte, damit die Partei, der gekündigt wird, ihre Investitionen wieder
einbringen kann. 5.7. Regionale Angebotsbeschränkungen Die von einigen multinationalen Lieferanten
auferlegten regionalen Angebotsbeschränkungen können Einzelhändler davon
abhalten, identische Waren zentral grenzüberschreitend einzukaufen und in
anderen Mitgliedstaaten zu vertreiben.[53]
Große Markenhersteller, die eine effektive Kontrolle auf der Ebene der Logistik
und des Großhandels ausüben, haben möglicherweise kein unmittelbares Interesse
an einer Reduzierung der Preise und werden versuchen, auf nationaler Ebene
Verträge auszuhandeln, bei denen an bestehenden Preisunterschieden festgehalten
wird. Andererseits versuchen Einzelhändler, sich zu geringstmöglichen Kosten
bei Großhändlern oder Zweigniederlassungen des Lieferanten einzudecken, und
üben Druck auf die Hersteller aus, indem sie direkt Verträge mit
konkurrierenden Lieferanten schließen, um Markenprodukte anzubieten.
Einzelhändler in kleinen Mitgliedstaaten gehen davon aus, dass sie, wenn sie
bei nicht einheimischen Großhändlern oder gar direkt bei Lieferanten auf
wettbewerbsfähigeren benachbarten Märkten mit attraktiveren Preisen einzukaufen
versuchen, an die für ihren jeweiligen geografischen Markt zuständige Niederlassung
oder an ihre nationalen Großhändler verwiesen werden, die regionale Verträge
mit den Lieferanten geschlossen haben. Derartige Beschränkungen können zu einer
Segmentierung des Marktes und beträchtlichen Unterschieden zwischen
verschiedenen Ländern bei den Großhandelspreisen führen. In ihrer Mitteilung von 2009 mit dem Titel
„Die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern“ hat
die Kommission für ausgewählte Produkte die Preisspannen zwischen den
Mitgliedstaaten analysiert.[54] Den Informationen zufolge, die im Februar 2009
auf einer Sitzung eines irischen Parlamentarischen Ausschusses vorgelegt
wurden, können die Preise von in Irland und im Vereinigten Königreich
verkauften Produkten um bis zu 130 % variieren, wobei die irischen
Einzelhändler verpflichtet sind, ihre Einkäufe auf der Grundlage der für Irland
geltenden Preisliste zu tätigen. Während sich die zwischen einzelnen Märkten
bestehenden Unterschiede der Verbraucherpreise für ein und dasselbe
Markenprodukt zwar zum Teil durch Faktoren wie Löhne/Gehälter, Sozialabgaben,
Energiekosten, Steuern und Logistik erklären lassen, können regionale
Angebotsbeschränkungen schädliche Auswirkungen haben. Eine ähnliche Studie
wurde 2012 in Belgien durchgeführt.[55] Sofern sie nicht durch objektive Gründe der
Effizienz (z. B. Logistik) gerechtfertigt sind, können derartige
Beschränkungen des grenzüberschreitenden Einkaufs zu einer Preisdiskriminierung
im Niederlassungsland des Käufers führen. Somit werden die betroffenen
Verbraucher durch höhere Preise und eine engere Produktauswahl benachteiligt.
Der Zugang zu vorteilhafteren Preisen bleibt ihnen vorenthalten und sie kommen
nicht in den Genuss eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts. Die von
Lieferanten angeführten technischen Gründe – wie etwa die Produktkennzeichnung
– mögen in bestimmten Fällen zutreffend sein, können aber nicht generell für
identische Waren geltend gemacht werden. 5.8. Gemeinsame Merkmale unlauterer Handelspraktiken Die Weitergabe angefallener Kosten und die
Übertragung des unternehmerischen Risikos auf die schwächere Vertragspartei ist
ein gemeinsamer Nenner der meisten der im Vorangehenden beschriebenen
unlauteren Handelspraktiken. Ein übermäßiger Druck, die Unmöglichkeit einer
angemessenen Geschäftsplanung und die mangelnde Klarheit bezüglich der
tatsächlichen Vertragsinhalte erschweren eine optimale Entscheidungsfindung und
haben eine Schmälerung der Margen zur Folge, wodurch wiederum die Investitions-
und Innovationskapazitäten der Unternehmen beeinträchtigt werden. Fragen: 19)
Wurden in der vorstehenden Liste die wichtigsten
unlauteren Handelspraktiken aufgeführt? Gibt es noch andere Arten unlauterer
Handelspraktiken? 20)
Könnte die Festlegung einer Liste verbotener
unlauterer Handelspraktiken ein wirksames Mittel sein, um das Problem
anzugehen? Müsste eine solche Liste regelmäßig aktualisiert werden? Gibt es
etwaige alternative Lösungen? 21)
Machen Sie bitte zu jeder der oben genannten
unlauteren Handelspraktiken und den entsprechenden fairen Praktiken folgende
Angaben:
a) Stimmen Sie der Analyse der Kommission zu? Falls ja, machen Sie bitte
zusätzliche Angaben:
b) Erläutern Sie, ob die betreffende unlautere Handelspraxis für den
Sektor, in dem Sie tätig sind, von Bedeutung ist.
c) Erläutern Sie, ob die entsprechende faire Praxis sektorenübergreifend
Anwendung finden könnte.
d) Erläutern Sie, ob die betreffende unlautere Praxis an sich verboten
werden sollte oder ob eine Einzelfallbewertung vorgenommen werden sollte? 22)
Gehen Sie bitte insbesondere auf das Problem
regionaler Angebotsbeschränkungen ein:
a) Welche objektiven Effizienzgründe würden Ihrer Meinung nach
rechtfertigen, dass ein Lieferant einen bestimmten Kunden nicht beliefert?
Warum?
b) Worin bestünden die Vor- und Nachteile eines Verbots regionaler
Angebotsbeschränkungen (im Sinne der weiter oben gegebenen Definition)? Welche
praktischen Konsequenzen hätte ein solches Verbot für den Aufbau der
Vertriebssysteme der Unternehmen in Europa? 23)
Sollten die weiter oben umrissenen fairen
Praktiken in einem entsprechenden Rahmen auf EU-Ebene verankert werden? Hätte
eine solche Vorgehensweise irgendwelche Nachteile? 24)
Falls Sie weitere Maßnahmen auf EU-Ebene für
sinnvoll halten, sollten diese die Form eines verbindlichen
Legislativinstruments annehmen? Oder die Form eines nicht bindenden
Instruments? Oder die Form einer Selbstregulierungsinitiative? 6. ALLGEMEINE
BEMERKUNGEN
Frage: 25)
Gegenstand dieses Grünbuchs sind unlautere
Handelspraktiken und Fairness in den B2B-Beziehungen entlang der B2B-Lieferkette
für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel. Wurden Ihrer Ansicht nach wichtige
Aspekte übersehen oder nicht angemessen behandelt?
7. NÄCHSTE
SCHRITTE Die Kommission ist fest entschlossen,
weiterhin mit allen relevanten Akteuren zusammenzuarbeiten und alle Beiträge,
die diese der Kommission übermitteln, zu berücksichtigen, mit dem Ziel, die
Funktionsweise und Effizienz der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und
Nicht-Lebensmittel zu verbessern. Alle interessierten Parteien sind
aufgefordert, zu den im Vorangehenden formulierten Fragen Stellung zu nehmen.
Beiträge sollten bis spätestens 30. April 2013 unter folgender
E-Mail-Adresse bei der Kommission eingehen: markt-retail@ec.europa.eu. In den Beiträgen muss nicht auf alle in diesem
Grünbuch angesprochenen Punkte eingegangen werden. Geben Sie deshalb bitte
eindeutig an, auf welche Fragen sich ihr Beitrag bezieht. Soweit möglich,
nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen die in diesem Grünbuch
vorgestellten Optionen und Konzepte. Im Anschluss an dieses Grünbuch und auf der
Grundlage der erhaltenen Antworten wird die Kommission bis Mitte 2013
die nächsten Schritte ankündigen. Die eingegangenen Beiträge werden im Internet
veröffentlicht. Deshalb sollte die diesem Grünbuch beigefügte
Datenschutzerklärung gelesen werden, die Informationen zur Verarbeitung
personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge enthält. [1] Eurostat, 2010. [2] „Die Funktionsweise der
Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern” (KOM(2009) 591 vom 28. Oktober 2009). [3] Eurostat, 2012. [4] Ebd. [5] AIM, CEJA, CELCAA, CLITRAVI,
Copa Cogeca, ERRT, EuroCommerce, Euro Coop, FoodDrinkEurope, UEAPME
und UGAL. [6] AIM, CELCAA, ERRT, EuroCommerce,
Euro Coop, FoodDrinkEurope, UEAPME und UGAL. [7] Beschluss der Kommission vom 19. Dezember 2012
zur Änderung des Beschlusses vom 30. Juli 2010 hinsichtlich der
Einsetzbarkeit und der Zusammensetzung des Hochrangigen Forums für die
Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette (2012/C 396/06,
ABl. C 396 vom 21.12.2012). [8] Unter anderem in Bulgarien, in der
Tschechischen Republik, in Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien,
Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und im Vereinigten
Königreich. [9] „ECN Report on competition law
enforcement and market monitoring activities by European competition
authorities in the food sector“, Mai 2012, S. 116-120. [10] „Business relations in the EU
Clothing Chain: from industry to
retail and distribution“, Universität
Bocconi, ESSEC Business School, Baker & McKenzie, 2007, S. 124. [11] „Business relations in the EU
clothing chain: from industry to retail and distribution“, S. 126. [12] „Überwachung des Handels- und Vertriebsmarktes – Ein
effizienterer und fairerer Binnenmarkt in Handel und Vertrieb bis 2020“ (KOM(2010) 355
vom 5. Juli 2010). [13] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Juli 2011
zu dem Thema „Mehr Effizienz und Fairness auf dem Einzelhandelsmarkt“ (2010/2109(INI)). [14] „Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur
Förderung von Wachstum und Vertrauen − „Gemeinsam für neues
Wachstum“ “ (KOM(2011) 206 vom 13. April 2011). [15] Befragung der Mitgliedstaten zu
unlauteren Handelspraktiken; „ECN Report on competition-law enforcement and market-monitoring
activities by European competition authorities in the food sector“, Mai 2012,
S. 117; European Business Test Panel; Konsultation zur Richtlinie 2006/114/EG
über irreführende und vergleichende Werbung sowie zu unlauteren
Geschäftspraktiken gegenüber Unternehmen. [16] Dedicated Research, „AIM-CIAA
Survey on Unfair Commercial Practices in Europe“, März 2011, abrufbar
unter: http://www.dlf.no/filestore/CIAAAIMSurveyonUCP-Europe.pdf. [17] “Parliamentary report on the
Supplier-Retailer relationship in the Irish Grocery Market“, Committee on Enterprise, Trade and Employment, März 2010, S. 19. [18] Competition Commission, „Final
Report of the supply of groceries in the UK market investigation“, 30. April 2008. [19] Comisión Nacional de la Competencia,
„Report on the relations between manufacturers and retailers in the food
sector“, Oktober 2011. [20] Siehe oben Fußnote 15. [21] Dies entspricht auch den
Ergebnissen der von Dedicated Research durchgeführten Umfrage zu den
Einschätzungen der Lieferanten. Der Umfrage zufolge hatten unlautere
Handelspraktiken negative Auswirkungen auf Kosten, Verkauf und Innovation (aus
der Sicht von 83 %, 77 % bzw. 40 % der Befragungsteilnehmer). Siehe oben Fußnote 15. [22] SEC(2009) 1450. [23] Kilpailuviraston
Päivittäistavarakauppaa koskeva selvityksiä I/2012, S. 119. [24] Siehe „The functioning of the food
supply chain and its effect on food prices in the European Union“, European
Economy, Occasional Papers 47, Mai 2009. [25] Siehe unter anderem: für Portugal:
Autoridade da Concorrência, „Report on Commercial Relations between the Large
Retail Groups and their Suppliers“, Oktober 2010; für das Vereinigte Königreich: Competition Commission, „The supply of
groceries in the UK market investigation“, 30. April 2008; für
Schweden: Konkurrensverket, „Mat och marknad — från bonde till bord“, April 2011; für Spanien: Comisión Nacional de la Competencia,
„Informe sobre el código de buenas prácticas de distribución del automóvil“ und
„Informe sobre el anteproyecto de ley de contratos de distribución“, 5. Oktober 2011; für Finnland: „Kilpailuviraston
Päivittäistavarakauppaa koskeva selvityksiä“. Weitere Studien werden in dem in Fußnote 8 erwähnten ECN-Bericht
genannt. [26] In Erwägungsgrund 9 der
Verordnung Nr. 1/2003 werden Wettbewerbsrecht einerseits (das nationale
Vorschriften über einseitige Handlungen umfasst, die strenger als Artikel 102
sind) und Rechtsvorschriften über unlautere Handelspraktiken andererseits
ausdrücklich voneinander abgegrenzt. [27] Ebd. [28] Siehe ECN-Bericht, Absatz 26,
vgl. weiter oben Fußnote 8. [29] Entweder geschah dies im Rahmen
des Zivilrechts, beispielsweise durch Erlass spezifischer handelsrechtlicher
Vorschriften (etwa in Frankreich) oder im Rahmen des Verwaltungsrechts. [30] Z. B. Frankreich, Belgien,
Italien und Spanien. [31] Z. B. die Niederlande,
Portugal, Slowenien und Spanien. [32] Kodex für eine gute Geschäftspraxis
(1997), ausgearbeitet vom Verband des Einzelhandels und von der Konferenz der
Industrie. [33] Kodex für eine gute
Geschäftspraxis. [34] Kodex für gute Geschäftspraktiken
im Kraftfahrzeugvertriebssektor, unterzeichnet von ANFAC, ANIACAM, FACONAUTO und
GANVAM vom 10.6.2011, Vereinbarung vom 1.8.2007 zwischen FIAB und ASEDAS über
die Empfehlung für gute Handelspraktiken zur Verbesserung des Managements
entlang der Wertschöpfungskette und zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen
Unternehmen sowie Vereinbarung vom 29.7.2011 über einen Verhaltenskodex für den
Handel entlang der Lebensmittelversorgungskette in Katalonien. [35] Kodex für faire
Geschäftsbeziehungen zwischen Lieferanten und Einkäufern in der
Lebensmittelversorgungskette vom 20. Mai 2010. [36] “Groceries Supply Code of
Practices“ (GSCOP). [37] ECN Report on competition law
enforcement and market monitoring activities by European competition
authorities in the food sector, Mai 2012, S. 118. [38] Siehe „ICN Special Program for
Kyoto Annual Conference – Report on
Abuse of Superior Bargaining Position“, 2008. [39] „Die Funktionsweise der
Lebensmittelversorgungskette in Europa verbessern“ (KOM(2009) 591 vom 28. Oktober 2009); „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“
(KOM(2007) 725 vom 20. November 2007); Bericht zur Überwachung
des Handels- und Vertriebsmarktes (siehe oben Fußnote 11); Binnenmarktakte
(siehe oben Fußnote 13). [40] Siehe „Bericht über die
Wettbewerbspolitik 2010“ (KOM(2011) 328 endg., Absatz 9). [41] Richtlinie
2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber
Verbrauchern im Binnenmarkt. [42] Ebd., Erwägungsgrund 8:
„…schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor
unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und
Verbrauchern. […] Selbstverständlich gibt es andere Geschäftspraktiken, die
zwar nicht den Verbraucher schädigen, sich jedoch nachteilig für die
Mitbewerber und gewerblichen Kunden auswirken können. Die Kommission sollte
sorgfältig prüfen, ob auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs über den
Regelungsbereich dieser Richtlinie hinausgehende gemeinschaftliche Maßnahmen
erforderlich sind, und sollte gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag zur
Erfassung dieser anderen Aspekte des unlauteren Wettbewerbs vorlegen.“ [43] Richtlinie 2006/114/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über
irreführende und vergleichende Werbung. [44] „Schutz von Unternehmen vor
irreführenden Vermarktungspraktiken und Gewährleistung der wirksamen
Durchsetzung – Überarbeitung der
Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung“ (COM(2012) 702). [45] Richtlinie
2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. [46] Verordnung (EU) Nr. 261/2012
über Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse. [47] Richtlinie 93/13/EWG über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. [48] KOM(2011) 416
endg. vom 13. Juli 2011. [49] Vorschlag für eine Verordnung über
ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM(2011) 635 endg.). [50] Richtlinie 2002/8 über Prozesskostenhilfe
(Schaffung eines Rahmens für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in
Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug); Richtlinie 2008/52 über Mediation (Gewährleistung einer reibungslosen
Koordinierung von Mediation und Gerichtsverfahren); Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (Festlegung, welche Gerichte in der EU für eine bestimmte
Streitsache zuständig sind und wie die in einem Mitgliedstaat erlassenen
gerichtlichen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen und
durchzusetzen sind; diese Verordnung wurde neu gefasst durch die Verordnung 1215/2012,
mit der das gesamte Zwischenverfahren für die Anerkennung und Vollstreckung
abgeschafft wird); Verordnungen 1896/2006
und 861/2007 (Einführung einheitlicher europäischer Gerichtsverfahren bei
unbestrittenen Forderungen und Forderungen mit geringem Streitwert) sowie die
bereits erwähnten Verordnungen 593/2008 und 864/2008, mit denen
Rechtssicherheit bezüglich des Ausgangs von Streitigkeiten in Europa geschaffen
wird. [51] COM(2012) 702 final. [52] http://ec.europa.eu/internal_market/iprenforcement/trade_secrets/index_en.htm#maincontentSec1. [53] „Regionale Angebotsbeschränkungen“
sind in diesem Kontext zu definieren als das Verbot für Lieferanten,
Wiederverkäufer zu beliefern, die ihrerseits Ware vom betreffenden Lieferanten
beziehen. Nicht als regionale
Angebotsbeschränkung zu betrachten ist jedoch beispielsweise der Fall, dass ein
Vertriebsunternehmen, dem der Alleinverkauf in einem bestimmten geografischen
Gebiet übertragen wurde, vor dem aktiven Verkauf anderer Vertriebsunternehmen
in diesem Gebiet geschützt wird. [54] KOM(2009) 591 endg. [55] SPF Economie, Etude sur les
niveaux de prix dans les supermarchés, Februar 2012.