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Document 62015CJ0140

Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 21. September 2016.
Europäische Kommission gegen Königreich Spanien.
Rechtsmittel – Kohäsionsfonds – Kürzung der finanziellen Beteiligung – Verfahren zum Erlass des Beschlusses durch die Europäische Kommission – Bestehen einer Frist – Nichteinhaltung der Frist – Folgen.
Rechtssache C-140/15 P.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:708

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

21. September 2016 ( *1 )

„Rechtsmittel — Kohäsionsfonds — Kürzung der finanziellen Beteiligung — Verfahren zum Erlass des Beschlusses durch die Europäische Kommission — Bestehen einer Frist — Nichteinhaltung der Frist — Folgen“

In der Rechtssache C‑140/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. März 2015,

Europäische Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Königreich Spanien, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

Kläger im ersten Rechtszug,

unterstützt durch:

Königreich der Niederlande, vertreten durch B. Koopman und M. Bulterman als Bevollmächtigte,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter), des Richters A. Borg Barthet und der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:28), mit dem das Gericht den Beschluss C(2011) 9900 der Kommission vom 22. Dezember 2011 über die Kürzung des aus dem Kohäsionsfonds für die Vorhaben „Abfallwirtschaft Autonome Gemeinschaft Extremadura – 2001“ (CCI 2001.ES.16.C.PE.043), „Kanalisation und Wasserversorgung im Einzugsgebiet des Duero – 2001“ (CCI 2000.ES.16.C.PE.070), „Abfallwirtschaft Autonome Gemeinschaft Valencia – 2001 – Gruppe 2“ (CCI 2001.ES.16.C.PE.026) und „Kanalisation und Abwasserreinigung am Unterlauf des Bierzo“ (CCI 2000.ES.16.C.PE.036) bewilligten Zuschusses (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.

I – Rechtlicher Rahmen

2

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates vom 16. Mai 1994 zur Errichtung des Kohäsionsfonds (ABl. 1994, L 130, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1264/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 (ABl. 1999, L 161, S. 57) und die Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 (ABl. 1999, L 161, S. 62) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 1164/94) lautet:

„Der Fonds leistet einen finanziellen Beitrag zu Vorhaben, die zur Erreichung der im Vertrag über die Europäische Union festgesetzten Ziele beitragen, in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Verkehrsinfrastrukturnetze in den Mitgliedstaaten mit einem in Kaufkraft-Parität gemessenen Pro-Kopf-BSP von weniger als 90 v. H. des Gemeinschaftsdurchschnitts, die ein Programm zur Erfüllung der in Artikel [126 AEUV] genannten Bedingungen der wirtschaftlichen Konvergenz aufgestellt haben.“

3

Art. 8 Abs. 1 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 sieht vor:

„Die aus dem Fonds finanzierten Vorhaben müssen in Einklang stehen mit den Bestimmungen der Verträge, den aufgrund der Verträge erlassenen Rechtsakten und den Gemeinschaftspolitiken, einschließlich der Politiken in den Bereichen Umweltschutz, Verkehr, transeuropäische Netze, Wettbewerb und Vergabe öffentlicher Aufträge.“

4

In Art. 12 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 heißt es:

„(1)   Unbeschadet der Zuständigkeit der Kommission für die Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinschaft übernehmen in erster Linie die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Finanzkontrolle der Vorhaben. Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Maßnahmen:

c)

Sie stellen sicher, dass die Vorhaben in Übereinstimmung mit allen geltenden Gemeinschaftsvorschriften verwaltet und die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nach dem Grundsatz einer wirtschaftlichen Haushaltsführung verwendet werden.

…“

5

Art. H („Finanzkorrekturen“) in Anhang II („Durchführungsbestimmungen“) der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 bestimmt:

„(1)   Wenn die Kommission nach Abschluss der notwendigen Überprüfungen zu dem Schluss gelangt, dass

a)

die Durchführung eines Vorhabens die gewährte Beteiligung weder ganz noch teilweise rechtfertigt, wobei auch die Nichterfüllung einer der in der Entscheidung zur Gewährung der Beteiligung genannten Bedingungen und insbesondere jede erhebliche Änderung der Art des Vorhabens oder seiner Durchführungsbedingungen, für die nicht um die Zustimmung der Kommission nachgesucht wurde, als Grund in Frage kommt, oder

b)

Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit der Beteiligung des Fonds vorliegen und der betreffende Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen hat,

so setzt die Kommission die Beteiligung des Fonds an dem betreffenden Vorhaben aus und fordert den Mitgliedstaat unter Angabe von Gründen auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern.

Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die Bemerkungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten bemüht sind, zu einer Einigung über die Bemerkung und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.

(2)   Bei Ablauf des von der Kommission festgelegten Zeitraums fasst die Kommission, wenn innerhalb von drei Monaten kein Einvernehmen erzielt worden ist, unter Beachtung des vorgesehenen Verfahrens und unter Berücksichtigung etwaiger Bemerkungen des Mitgliedstaats den Beschluss,

b)

die erforderlichen Finanzkorrekturen vorzunehmen. Dies bedeutet, dass die Fondsbeteiligung für das betreffende Vorhaben ganz oder teilweise gestrichen wird.

Diese Beschlüsse werden unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gefasst. Die Kommission setzt den Betrag einer Korrektur unter Berücksichtigung der Art der Unregelmäßigkeit oder der Änderung sowie des Umfangs der möglichen finanziellen Auswirkungen etwaiger Mängel der Verwaltungs- oder Kontrollsysteme fest. Bei Kürzung oder Streichung der Beteiligung werden die gezahlten Beträge wiedereingezogen.

(4)   Die Kommission legt die ausführlichen Durchführungsbestimmungen für die Absätze 1 bis 3 fest und teilt sie den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament mit.“

6

Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1386/2002 der Kommission vom 29. Juli 2002 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1164/94 in Bezug auf die Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Kohäsionsfondsinterventionen und das Verfahren für die Vornahme von Finanzkorrekturen (ABl. 2002, L 201, S. 5) lautet:

„(1)   Die Frist, innerhalb der der betroffene Mitgliedstaat einer Aufforderung gemäß Anhang II Artikel H Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 nachkommen kann, seine Bemerkungen zu übermitteln, beträgt zwei Monate, es sei denn, die Kommission räumt in ausreichend begründeten Fällen eine längere Frist ein.

(2)   Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale Finanzkorrektur vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Dossiers nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war, als ihn die Kommission veranschlagt hat. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen geeigneten Anteil oder eine Stichprobe der betroffenen Dossiers begrenzen.

Außer in ausreichend begründeten Fällen beträgt die eingeräumte Frist für diese Prüfung nicht mehr als zwei weitere Monate ab dem Ende der in Absatz 1 genannten Frist. Die Ergebnisse einer solchen Prüfung werden nach dem Verfahren des Anhangs II Artikel H Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 überprüft. Die Kommission berücksichtigt jedes von dem Mitgliedstaat binnen der vorgegebenen Fristen vorgelegte Beweismaterial.

(3)   Wenn der Mitgliedstaat Einwendungen gegen die Bemerkungen der Kommission erhebt und eine Anhörung gemäß Anhang II Artikel H Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 stattfindet, läuft die Frist von drei Monaten, binnen der die Kommission einen Beschluss gemäß Anhang II Artikel H Absatz 2 der genannten Verordnung fasst, ab dem Tag der Anhörung.“

7

Der Wortlaut von Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 ist in den verschiedenen Sprachfassungen dieser Vorschrift unterschiedlich. Aus seiner französischen Fassung, wonach die Kommission, falls die Parteien kein Einvernehmen erzielt haben, den Beschluss „innerhalb von drei Monaten“ fasst, ergibt sich nämlich, dass sich diese dreimonatige Frist auf den Erlass des Beschlusses über eine Finanzkorrektur bezieht. In den anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift bezieht sich die dreimonatige Frist jedoch auf das fehlende Einvernehmen der Parteien.

8

Nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002, der ausdrücklich auf Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 verweist, verfügt die Kommission gemäß der letztgenannten Vorschrift über eine Frist von drei Monaten ab dem Tag der Anhörung, um einen Beschluss über eine Finanzkorrektur zu fassen. Sämtliche Sprachfassungen von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002 stimmen in dieser Formulierung überein.

9

Die geänderte Verordnung Nr. 1164/94 war in den Jahren 2000 bis 2006 anwendbar. Die Verordnung Nr. 1386/2002 fand nach ihrem Art. 1 auf erstmalig nach dem 1. Januar 2000 bewilligte Interventionen Anwendung.

10

Gemäß Art. 16 Abs. 1 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 war diese spätestens am 31. Dezember 2006 zu überprüfen.

11

Infolgedessen wurde die geänderte Verordnung Nr. 1164/94 durch die Verordnung (EG) Nr. 1084/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 zur Errichtung des Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1164/94 (ABl. 2006, L 210, S. 79) aufgehoben.

12

Nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1084/2006 „[berührt] [d]iese Verordnung … weder die weitere Durchführung noch die Änderung – einschließlich der teilweisen oder vollständigen Aufhebung – der Projekte oder anderer Formen der Unterstützung, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 genehmigt wurden und auf die somit die eben genannte Verordnung bis zur Beendigung dieser Unterstützung oder der betroffenen Projekte weiterhin Anwendung findet“.

13

Gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 1084/2006 wird die geänderte Verordnung Nr. 1164/94 „unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 105 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 [des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25)] und des Artikels 5 der vorliegenden Verordnung aufgehoben“.

14

Art. 100 („Verfahren“) der Verordnung Nr. 1083/2006 lautet:

„(1)   Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.

Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Unterabsatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.

(2)   Die Kommission berücksichtigt jedes Beweismaterial, das der Mitgliedstaat innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist vorlegt.

(3)   Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit bemüht sind, zu einer Einigung über die Feststellungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.

(4)   Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat die betreffenden Gemeinschaftsmittel gemäß Artikel 98 Absatz 2 Unterabsatz 2 wieder einsetzen.

(5)   Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet die Kommission binnen sechs Monaten nach der Anhörung über die finanzielle Berichtigung, wobei sie alle Informationen und Bemerkungen berücksichtigt, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission versandten Einladungsschreibens.“

15

In Art. 105 („Übergangsvorschriften“) der Verordnung Nr. 1083/2006 heißt es:

„(1)   Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer durch die Strukturfonds kofinanzierten Intervention oder eines durch den Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekts, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 …, (EWG) Nr. 4253/88 …, … Nr. 1164/94 … und (EG) Nr. 1260/1999 sowie jeder sonstigen für diese Interventionen am 31. Dezember 2006 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden sind und für die dementsprechend bis zu dem Abschluss [der] betreffenden Förderung oder Projekte die genannten Rechtsvorschriften gelten.

(2)   Bei Entscheidungen über operationelle Programme berücksichtigt die Kommission alle durch die Strukturfonds kofinanzierten Interventionen oder alle durch den Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekte, die vom Rat oder von der Kommission vor Inkrafttreten dieser Verordnung genehmigt wurden und sich in dem von den operationellen Programmen erfassten Zeitraum finanziell auswirken.

(3)   Abweichend von Artikel 31 Absatz 2, Artikel 32 Absatz 4 und Artikel 37 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 werden die Teile der Mittelbindungen für die aus dem [Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)] oder dem [Europäischen Sozialfonds (ESF)] kofinanzierten Interventionen, die die Kommission zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2006 genehmigt hat und für die die bescheinigte Erklärung über die tatsächlich getätigten Ausgaben, der abschließende Durchführungsbericht und die Erklärung nach Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe f der genannten Verordnung nicht innerhalb von 15 Monaten nach Ablauf der in der Entscheidung über eine Beteiligung der Fonds festgelegten Frist für die Zuschussfähigkeit der Ausgaben bei der Kommission eingegangen sind, spätestens sechs Monate nach Ablauf dieser Frist automatisch aufgehoben, und die rechtsgrundlos gezahlten Beträge sind zurückzuzahlen.

Beträge, die Vorhaben oder Programme betreffen, die aufgrund von Gerichtsverfahren oder Verwaltungsbeschwerden mit aufschiebender Wirkung ausgesetzt wurden, werden bei der Berechnung des Betrags der automatisch aufzuhebenden Mittelbindungen nicht berücksichtigt.“

16

Art. 108 („Inkrafttreten“) der Verordnung Nr. 1083/2006 bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 1 bis 16, 25 bis 28, 32 bis 40, 47 bis 49, 52 bis 54, 56, 58 bis 62, 69 bis 74, 103 bis 105 und 108 gelten ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung nur für Programme für den Zeitraum 2007–2013. Die übrigen Vorschriften gelten ab dem 1. Januar 2007.“

17

Die Verordnung Nr. 1083/2006 wurde aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1083/2006 (ABl. 2013, L 347, S. 320 und Berichtigung ABl. 2016, L 200, S. 140).

18

Art. 145 der Verordnung Nr. 1303/2013 bestimmt:

„(1)   Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.

(2)   Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Absatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.

(3)   Die Kommission berücksichtigt sämtliches Beweismaterial, das der Mitgliedstaat ihr innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen vorlegt.

(4)   Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, damit gewährleistet ist, dass der Kommission alle Informationen und Anmerkungen vorliegen, auf deren Grundlage sie Schlussfolgerungen bezüglich der Vornahme der finanziellen Berichtigung treffen kann.

(5)   Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat unbeschadet des Absatzes 7 dieses Artikels die betreffenden Fonds oder dem [Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF)] gemäß Artikel 143 Absatz 3 wieder einsetzen.

(6)   Zur Vornahme der finanziellen Berichtigung erlässt die Kommission mittels Durchführungsrechtsakten einen Beschluss, und zwar binnen sechs Monaten nach dem Datum der Anhörung oder nach Eingang der zusätzlichen Informationen, falls der Mitgliedstaat sich während der Anhörung dazu bereit erklärt hatte, solche vorzulegen. Die Kommission berücksichtigt alle Informationen und Anmerkungen, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des hierzu von der Kommission versandten Einladungsschreibens.

(7)   Deckt die Kommission in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nach Artikel 75 oder der Europäische Rechnungshof Unregelmäßigkeiten auf, die gravierende Mängel in der effektiven Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme erkennen lassen, wird die sich daraus ergebende finanzielle Berichtigung durch eine entsprechende Kürzung der Unterstützung aus den Fonds oder dem EMFF für das operationelle Programm vorgenommen.

Der erste Unterabsatz gilt nicht im Falle eines gravierenden Mangels bei der wirksamen Funktionsweise eines Verwaltungs- und Kontrollsystems, der vor dem Datum der Aufdeckung durch die Kommission oder den Europäischen Rechnungshof:

a)

in der Zulässigkeitserklärung, dem jährlichen Kontrollbericht oder dem Bestätigungsvermerk, die der Kommission in Übereinstimmung mit Artikel 59 Absatz 5 der Haushaltsordnung vorgelegt wurden, oder in anderen der Kommission vorgelegten Prüfberichten der Prüfbehörden festgestellt wurde und gegen den angemessene Maßnahmen ergriffen wurden oder

b)

gegen den der Mitgliedstaat [geeignete] Abhilfemaßnahmen ergriffen hat.

Grundlage für die Bewertung der gravierenden Mängel bei der Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme sind das geltende Recht zum Zeitpunkt der Vorlage der relevanten Verwaltungserklärungen, jährlichen Kontrollberichte und Bestätigungsvermerke.

Bei der Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung hat die Kommission auf Folgendes zu achten:

a)

Sie wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, indem sie Art und Schweregrad des gravierenden Mangels bei der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems und seine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Union berücksichtigt.

b)

Für die Vornahme einer pauschalen oder extrapolierten Korrektur berücksichtigt sie weder mit Unregelmäßigkeiten behaftete Ausgaben, die bereits von dem Mitgliedstaat entdeckt worden sind und für die Anpassungen am Rechnungsabschluss gemäß Artikel 139 Absatz 10 vorgenommen wurden, noch Ausgaben, die einer laufenden Bewertung ihrer Recht- und Ordnungsmäßigkeit nach Artikel 137 Absatz 2 unterliegen.

c)

Sie berücksichtigt die von dem Mitgliedstaat an den Ausgaben vorgenommenen pauschalen oder extrapolierten Korrekturen aufgrund anderer gravierender Mängel, die der Mitgliedstaat bei der Bestimmung des Restrisikos für den Haushalt der Union entdeckt hat.

(8)   In den fondsspezifischen Regelungen für den EMFF können weitere Verfahrensregelungen für finanzielle Berichtigungen gemäß Artikel 144 Absatz 7 festgehalten werden.“

19

Nach Art. 154 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1303/2013 gilt Art. 145 dieser Verordnung ab dem 1. Januar 2014.

II – Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

20

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 9 des angefochtenen Urteils geschildert und kann wie folgt zusammengefasst werden.

21

Mit den Beschlüssen C(2000) 4331 vom 29. Dezember 2000, C(2001) 3609 und C(2001) 4047 vom 18. Dezember 2001 und C(2002) 759 vom 19. April 2002 bewilligte die Kommission vier Vorhaben, die vom Königreich Spanien durchgeführt wurden, eine finanzielle Unterstützung aus dem Kohäsionsfonds.

22

Dabei handelt es sich um folgende Vorhaben:

„Abfallwirtschaft Autonome Gemeinschaft Extremadura – 2001“ (CCI 2001.ES.16.C.PE.043) (im Folgenden: erstes Vorhaben);

„Kanalisation und Wasserversorgung im Einzugsgebiet des Duero – 2001“ (CCI 2000.ES.16.C.PE.070) (im Folgenden: zweites Vorhaben);

„Abfallwirtschaft Autonome Gemeinschaft Valencia – 2001 – Gruppe 2“ (CCI 2001.ES.16.C.PE.026) (im Folgenden: drittes Vorhaben);

„Kanalisation und Abwasserreinigung am Unterlauf des Bierzo“ (CCI 2000.ES.16.C.PE.036) (im Folgenden: viertes Vorhaben).

23

Nachdem die Kommission von den spanischen Behörden eine Erklärung über den Abschluss jedes dieser Vorhaben erhalten hatte, richtete sie an diese Behörden mit Schreiben vom 9. März 2009 sowie vom 26. März, 12. Mai und 30. Juni 2010 Vorschläge über den Abschluss der Vorhaben, die wegen Unregelmäßigkeiten jeweils eine Finanzkorrektur vorsahen.

24

Nachdem die spanischen Behörden der Kommission mitgeteilt hatten, dass sie mit diesen Abschlussvorschlägen nicht einverstanden seien, und ihr zusätzliche Informationen hierzu übermittelt hatten, lud die Kommission sie zu einer Anhörung ein, die am 22. und 23. November 2010 stattfand.

25

Da es den Beteiligten in dieser Anhörung nicht gelang, in allen aufgeworfenen Fragen eine Einigung zu erzielen, übermittelten die spanischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 und 25. März 2011 neue Informationen.

26

Am 22. Dezember 2011 erließ die Kommission den streitigen Beschluss.

27

Darin weist die Kommission zunächst darauf hin, dass sie Unregelmäßigkeiten zum einen in Bezug auf die Unionsvorschriften und die nationalen Vorschriften über öffentliche Aufträge, zum anderen hinsichtlich der Vorschriften über die Zuschussfähigkeit von Ausgaben im Rahmen von aus dem Kohäsionsfonds kofinanzierten Maßnahmen entdeckt habe.

28

Anschließend legt die Kommission die festgestellten Unregelmäßigkeiten dar. Dabei handelt es sich um folgende Punkte:

Bei den Verträgen zum ersten Vorhaben seien Zuschlagskriterien herangezogen worden, die mit einer Bestimmung des spanischen innerstaatlichen Rechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge unvereinbar seien.

Bei den Verträgen zum zweiten Vorhaben sei eine Mehrwertsteuerausgabe bescheinigt worden, obwohl diese Ausgabe erstattungsfähig und damit nach Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 16/2003 der Kommission vom 6. Januar 2003 mit besonderen Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates in Bezug auf die Zuschussfähigkeit der Ausgaben im Rahmen von aus dem Kohäsionsfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. 2003, L 2, S. 7) nicht zuschussfähig gewesen sei.

Bei den Verträgen zum dritten Vorhaben sei das Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung angewandt und damit gegen Art. 7 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. 1993, L 199, S. 54) und Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. 1992, L 209, S. 1) verstoßen worden.

Bei den Verträgen zum vierten Vorhaben sei das Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung angewandt und damit gegen Art. 7 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 93/37 und Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 92/50 verstoßen worden.

29

In Anbetracht dieser Unregelmäßigkeiten wurden die aus dem Kohäsionsfonds gewährten finanziellen Unterstützungen durch den streitigen Beschluss wie folgt gekürzt:

um 209049,71 Euro für das erste Vorhaben;

um 218882,98 Euro für das zweite Vorhaben;

um 7757675,20 Euro für das dritte Vorhaben;

um 1005053,93 Euro für das vierte Vorhaben.

III – Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

30

Mit Klageschrift, die am 7. März 2012 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob das Königreich Spanien Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

31

Es stützte seine Klage auf drei Gründe, nämlich einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002, einen Verstoß gegen Anhang II Art. H der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

32

Das Gericht erklärte den streitigen Beschluss mit dem angefochtenen Urteil für nichtig.

33

Erstens hat es hierzu in Rn. 22 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof bereits entschieden habe, dass sich aus einer systematischen Auslegung der einschlägigen Regelung ergibt, dass der Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur im Rahmen des Kohäsionsfonds durch die Kommission seit dem Jahr 2000 die Einhaltung einer bestimmten Frist voraussetzt, deren Dauer in Abhängigkeit von den geltenden Vorschriften variiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 76, 82, 83, 93 und 94, sowie vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 76, 82, 83, 93 und 94).

34

In den Rn. 23 bis 25 des angefochtenen Urteils hat das Gericht des Weiteren ausgeführt, dass sich die Frist, innerhalb der die Kommission einen Beschluss über eine Finanzkorrektur erlassen müsse, gemäß Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002 auf drei Monate ab dem Zeitpunkt der Anhörung belaufe (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 95, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 95). Nach Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 entscheide die Kommission binnen sechs Monaten nach der Anhörung über die Finanzkorrektur und, falls keine Anhörung stattfinde, beginne die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission an den betreffenden Mitgliedstaat versandten Schreibens mit der Einladung zu einer Anhörung (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 96, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 96). Zudem bestimme Art. 145 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1303/2013, dass die Kommission binnen sechs Monaten nach dem Datum der Anhörung oder nach Eingang der zusätzlichen Informationen einen Beschluss erlasse, falls der Mitgliedstaat sich während der Anhörung dazu bereit erklärt habe, solche Informationen vorzulegen. Finde keine Anhörung statt, so beginne die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission eine Einladung zu der Anhörung an den betreffenden Mitgliedstaat versandt habe (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 97, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 97).

35

In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 26 und 27 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Verordnung Nr. 1265/1999, durch die die Verordnung Nr. 1164/94 geändert worden sei, zwar am 1. Januar 2000 in Kraft getreten sei, sich jedoch aus Art. 108 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 ergebe, dass deren Art. 100 ab dem 1. Januar 2007 gelte – unter Einbeziehung der Programme vor dem Zeitraum 2007–2013. Dies stehe im Übrigen im Einklang mit dem Grundsatz, dass Verfahrensvorschriften unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten anzuwenden seien (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98). Ferner gelte Art. 145 der Verordnung Nr. 1303/2013 gemäß Art. 154 Abs. 2 dieser Verordnung ab dem 1. Januar 2014 (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 99, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 99).

36

Zweitens hat das Gericht in Rn. 28 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof entschieden habe, dass die Nichtbeachtung dieser Fristen durch die Kommission eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die vom Unionsrichter von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

In Rn. 29 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die Anhörung im vorliegenden Fall am 22. und 23. November 2010 stattgefunden und die Kommission den streitigen Beschluss am 22. Dezember 2011 erlassen habe. Somit habe die Kommission die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegte Sechsmonatsfrist nicht eingehalten.

38

In den Rn. 30 und 31 des angefochtenen Urteils hat das Gericht des Weiteren ausgeführt, dass die vorstehende Schlussfolgerung nicht durch die Stellungnahme der Kommission auf eine Frage des Gerichts zu den Konsequenzen in Frage gestellt werde, die sich aus den während des Verfahrens vor dem Gericht ergangenen Urteilen des Gerichtshofs vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157), für den vorliegenden Fall ergäben. In dieser Stellungnahme hatte die Kommission geltend gemacht, dass in den genannten Urteilen des Gerichtshofs „der allgemeine Grundsatz aufgestellt wird, dass eine Frist besteht, die ab dem Tag der Anhörung läuft, jedoch weder der Sinn und Zweck der Vorschrift, die den Zeitpunkt, zu dem die Anhörung abgehalten wird, als den maßgeblichen festlegt, noch die Hypothese einer möglichen Unterbrechung der Frist geprüft wird“. Nach Ansicht der Kommission finden die vom Gericht in den Rn. 22 bis 27 des angefochtenen Urteils angeführten Erwägungen des Gerichtshofs nur in dem „Normalfall“ Anwendung, in dem der Standpunkt des betreffenden Mitgliedstaats zum Zeitpunkt der von der Kommission abgehaltenen Anhörung endgültig festgelegt sei, die Kommission somit über sämtliche Argumente und tatsächlichen Elemente verfüge, die der betreffende Mitgliedstaat zur Stützung seines Standpunkts vortrage, und daher in der Lage sei, eine Entscheidung zu treffen. Es komme jedoch häufig vor, dass die Kommission sich bereit erkläre, den Dialog auf Verlangen und im Interesse des betreffenden Mitgliedstaats über die Anhörung hinaus fortzusetzen. In einem solchen Fall sei davon auszugehen, dass die Fortsetzung des Dialogs zwischen den Parteien die der Kommission für ihre Beschlussfassung gesetzte Frist unterbreche und dass diese Frist erst zu laufen beginne, wenn dieser Dialog abgeschlossen sei.

39

Das Gericht hat dieses Vorbringen aus den folgenden Gründen, die in den Rn. 32 bis 36 des angefochtenen Urteils ausgeführt sind, zurückgewiesen.

40

Erstens räume die Kommission selbst ein, dass Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 auf den vorliegenden Fall zeitlich anwendbar sei.

41

Zweitens gebiete es diese Bestimmung – wie sich auch aus den Urteilen vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157), ergebe – der Kommission allgemein, eine Finanzkorrektur innerhalb von sechs Monaten nach der mit dem betreffenden Mitgliedstaat abgehaltenen Anhörung zu beschließen. Sie sehe nur eine einzige Ausnahme von dieser Regel vor, nämlich wenn keine Anhörung stattgefunden habe. Sie sehe jedoch keine Abweichung für den Fall vor, dass die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat ihren Dialog über die Anhörung hinaus fortsetzen wollten. Sie unterscheide sich somit von Art. 145 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1303/2013, der den von der Kommission in Betracht gezogenen Fall ausdrücklich ausnehme, aber erst seit dem 1. Januar 2014 anwendbar sei.

42

Drittens gehe aus der vom Gerichtshof vorgenommenen systematischen Auslegung der fraglichen Vorschriften klar hervor, dass die der Kommission für ihre Beschlussfassung gesetzte Frist zwar durch die anwendbaren Vorschriften mehrfach geändert worden sei, der Unionsgesetzgeber ihr jedoch jeweils eine bestimmte Frist habe setzen wollen, da er der Auffassung gewesen sei, es liege sowohl im Interesse der Union als auch ihrer Mitgliedstaaten, dass der Abschluss des Finanzkorrekturverfahrens vorhersehbar sei. Das setze voraus, dass für den Erlass des endgültigen Beschlusses von vornherein eine Frist festgelegt werde, wobei der Kommission genügend Zeit für ihre Beschlussfassung einzuräumen sei (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 84 bis 86 und 88, sowie vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 84 bis 86 und 88).

43

Aus diesen Erwägungen sei zu folgern, dass ein endgültiger Beschluss über eine Finanzkorrektur in allen Fällen, in denen Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 in zeitlicher Hinsicht anwendbar sei, im Unterschied zu den von Art. 145 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1303/2013 erfassten Fällen auch dann innerhalb von sechs Monaten nach der Anhörung erfolgen müsse, wenn die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat vereinbarten, ihren Dialog über die Anhörung hinaus fortzusetzen.

44

Viertens ergebe sich aus den Urteilen vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 10 bis 12), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 10 bis 12), dass der Dialog zwischen den Parteien in diesen beiden Rechtssachen über die Anhörung hinaus fortgesetzt worden sei und die Kommission den in diesen Rechtssachen angefochtenen Beschluss weniger als sechs Monate nach der Beendigung dieses Dialogs in einem der Fälle erlassen habe, was der Gerichtshof offenkundig berücksichtigt hätte, wenn er beabsichtigt hätte, die Tragweite der in diesen Urteilen vorgenommenen Auslegung einzuschränken.

45

In Rn. 37 des angefochtenen Urteils hat das Gericht entschieden, dass der streitige Beschluss nach alledem nicht ordnungsgemäß erlassen worden sei und daher für nichtig erklärt werden müsse.

IV – Anträge der Verfahrensbeteiligten und Verfahren vor dem Gerichtshof

46

Die Kommission beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen.

47

Das Königreich Spanien beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

48

Durch Beschluss des Präsidenten der Zehnten Kammer vom 27. Januar 2016 ist das Königreich der Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien zugelassen worden.

V – Zum Rechtsmittel

49

Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, mit denen sie einen Rechtsfehler des Gerichts geltend macht, und zwar in erster Linie hinsichtlich der Festlegung einer Frist für den Erlass des Beschlusses über eine Finanzkorrektur und, hilfsweise, hinsichtlich der Bestimmung des Wesens dieser Frist und der Auswirkungen ihrer Nichteinhaltung.

A – Zum ersten Rechtsmittelgrund

1. Vorbringen der Parteien

50

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe unzutreffend entschieden, dass sie verpflichtet sei, den Beschluss über eine Finanzkorrektur innerhalb einer bestimmten Frist zu erlassen, deren Dauer sich nach den Rechtsvorschriften bestimme, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anhörung zwischen ihr und dem betreffenden Mitgliedstaat stattgefunden habe, in Kraft gewesen seien.

51

Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Teile. Die Kommission macht geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 im vorliegenden Fall hinsichtlich des für den Beschluss über eine Finanzkorrektur zu befolgenden Verfahrens – insbesondere der einzuhaltenden Frist – anwendbar sei. Vielmehr wäre erstens Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 im vorliegenden Fall anzuwenden gewesen und sähen zweitens die maßgeblichen Unionsvorschriften keine Frist für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur durch die Kommission vor.

52

Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Kommission dem Gericht vor, die Übergangsvorschriften der betreffenden Regelungen falsch ausgelegt und angewandt zu haben. So habe das Gericht zum einen die Tragweite von Art. 105 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 verkannt, aus dem sich ergebe, dass Vorhaben, die im Rahmen einer vor dem Erlass der neuen Grundverordnung im Jahr 2006 geltenden Regelung kofinanziert worden seien, bis zu ihrem Abschluss – sowohl was ihre Fortsetzung als auch ihre Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung betreffe – weiterhin vollständig dieser Regelung unterlägen. Zum anderen habe das Gericht Art. 108 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 fehlerhaft ausgelegt.

53

Art. 105 („Übergangsvorschriften“) der Verordnung Nr. 1083/2006 sehe die zeitliche Folge der den Kohäsionsfonds betreffenden Gesetzgebungsakte vor. Aus Art. 108 dieser Verordnung, der ihr Inkrafttreten betreffe, ergebe sich, dass nur die kofinanzierten Vorhaben unter diese Verordnung fielen, die gemäß den neuen, von 2007 bis 2013 geltenden Vorschriften genehmigt worden seien. Zweck des Art. 108 sei es, die Anwendung bestimmter Vorschriften der neuen Grundverordnung für die Programme des Zeitraums 2007–2013 auf einen späteren Zeitpunkt als den ihres Inkrafttretens am 1. August 2006, nämlich den 1. Januar 2007, zu verschieben. Daher beträfen die ab dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbaren Vorschriften dieser Verordnung im Wesentlichen die Programmplanung, während die erst ab dem 1. Januar 2007 anwendbaren Vorschriften hauptsächlich die Finanz- und Mittelverwaltung beträfen.

54

Diese spezifischen Übergangsvorschriften erklärten sich dadurch, dass sich die den Kohäsionsfonds betreffenden Basisrechtsakte in differenzierter Weise auf die aufeinanderfolgenden Programmplanungszeiträume (2000–2006, 2007–2013, 2014–2020) bezögen, die an die Finanzrahmen der Union geknüpft seien. Zudem enthielten diese Basisrechtsakte materielle und Verfahrensregeln, die die Programmplanung, Durchführung und Kontrolle der von der Union im Rahmen der Kohäsionspolitik geleisteten finanziellen Beiträge beträfen, und diese Regeln bildeten für jeden Programmplanungszeitraum einen untrennbaren Regelungszusammenhang.

55

Daher habe das Gericht in Rn. 26 des angefochtenen Urteils unzutreffend entschieden, dass nach Art. 108 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 Art. 100 dieser Verordnung „ab dem 1. Januar 2007 anwendbar ist, und zwar auch auf Programme aus der Zeit vor dem Zeitraum 2007–2013“. Gemäß Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006 sei die zeitlich auf die Berichtigung eines – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen des Programmplanungszeitraums 2000–2006 genehmigten Vorhabens anwendbare Verfahrensvorschrift nämlich nicht Art. 100 Abs. 5 dieser Verordnung, sondern Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94.

56

Im zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes hebt die Kommission hervor, dass sich der Wortlaut von Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 von dem Wortlaut von Anhang II Art. H der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 unterscheide.

57

Komme zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat keine Einigung zustande, entscheide nach Art. 100 Abs. 5 „die Kommission binnen sechs Monaten nach der Anhörung über die finanzielle Berichtigung“.

58

Nach Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 in ihrer spanischen Sprachfassung dagegen fasst „[b]ei Ablauf des von der Kommission festgelegten Zeitraums … die Kommission, wenn innerhalb von drei Monaten kein Einvernehmen erzielt worden ist, … den Beschluss“.

59

Letztere Bestimmung sehe somit keine Frist vor, innerhalb der die Kommission ihren Beschluss fassen müsse, sondern lege nur eine Frist fest, innerhalb der sich die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat bemühen müssten, eine Einigung zu erzielen. Dass es keine Frist für den Erlass einer endgültigen Entscheidung über eine Finanzkorrektur gebe, werde durch mehrere Entscheidungen des Gerichtshofs zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) bestätigt.

60

Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 22 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Kommission den Beschluss über die Finanzkorrektur innerhalb einer bestimmten Frist fassen müsse.

61

Nach Ansicht des Königreichs Spanien ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig, da die Kommission keine rechtlichen Argumente vortrage, mit denen dargetan werden könne, dass die Rn. 22 bis 27 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler enthielten, sondern sich auf das Vorbringen beschränke, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, den streitigen Beschluss innerhalb einer bestimmten Frist zu erlassen.

62

Jedenfalls aber sei dieser Teil des Rechtsmittelgrundes unbegründet.

63

Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes gehe ins Leere, weil der Tenor des angefochtenen Urteils rechtlich hinreichend begründet sei, unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall die Dreimonatsfrist nach Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 oder die Sechsmonatsfrist nach Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbar sei. Dieser Teil des Rechtsmittelgrundes sei auch mangelhaft begründet.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

64

Als Erstes ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zu prüfen, der den Rechtsfehler betrifft, den das Gericht dadurch begangen haben soll, dass es entschieden hat, dass die Kommission seit dem Jahr 2000 verpflichtet gewesen sei, beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur auf dem Gebiet von Strukturfonds eine bestimmte Frist einzuhalten. Der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der den Verstoß gegen Unionsrecht betrifft, den das Gericht in Bezug auf die Modalitäten der Anwendung dieser Frist begangen haben soll, wird gegebenenfalls als Zweites geprüft.

a) Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

i) Zur Zulässigkeit

65

Hinsichtlich der Zulässigkeit des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes ist die vom Königreich Spanien erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen.

66

Zwar muss nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 34, vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 15, und vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 49).

67

Die Kommission beschränkt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht darauf, die Gründe und Argumente, die sie vor dem Gericht vorgetragen hat, zu wiederholen oder wörtlich wiederzugeben, sondern beanstandet vor dem Gerichtshof die vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts.

68

Zur Stützung des zweiten Teils ihres ersten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission nämlich im Wesentlichen vor, dass das Gericht dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen habe, dass es angenommen habe, dass das Unionsrecht eine Frist vorsehe, die sie bei der Vornahme einer Finanzkorrektur einhalten müsse, und führt in ihrer Rechtsmittelschrift die rechtlichen Argumente aus, auf die sie sich insoweit stützt.

69

Daraus folgt, dass der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Kommission zulässig ist.

ii) Zur Begründetheit

70

Hinsichtlich der Begründetheit des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass die bis Ende 1999 geltende Unionsregelung zwar keine Frist für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur vorsah, eine solche gesetzliche Frist jedoch nach der geltenden Unionsregelung seit dem Jahr 2000 vorgesehen ist (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 75 bis 82, vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 75 bis 82, vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission, C‑429/13 P, EU:C:2014:2310, Rn. 29, vom 4. Dezember 2014, Spanien/Kommission, C‑513/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2412, Rn. 36, vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission, C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, Rn. 81, und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 50).

71

In seinen Urteilen vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission (C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, Rn. 96), und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission (C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 60), hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung im Übrigen als „gefestigt“ bezeichnet.

72

Somit hat das Gericht, als es in Rn. 22 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Kommission beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur im Rahmen des Kohäsionsfonds seit dem Jahr 2000 an eine bestimmte Frist gebunden sei, keineswegs einen Rechtsfehler begangen, sondern lediglich die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs zutreffend angewandt.

73

Den Argumenten, die die Kommission vorgebracht hat, um diese Rechtsprechung in Frage zu stellen, kann nicht gefolgt werden.

74

Erstens ist für die Beurteilung der formellen Rechtmäßigkeit eines Beschlusses wie des hier in Rede stehenden die These der Kommission, wonach mehrere Entscheidungen des Gerichtshofs der Feststellung widersprächen, dass die Kommission beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur im Rahmen von Strukturfonds seit dem Jahr 2000 an eine gesetzliche Frist gebunden sei, nicht relevant. Aus diesen Entscheidungen ergebe sich, dass der Gerichtshof das Argument zurückgewiesen habe, das verschiedene Mitgliedstaaten aus dem Umstand hergeleitet hätten, dass die Kommission beim Erlass des von ihnen angefochtenen Beschlusses die hierfür vorgesehene Frist überschritten habe.

75

Zum einen betreffen die von der Kommission in diesem Zusammenhang angeführten Urteile vom 27. Januar 1988, Dänemark/Kommission (349/85, EU:C:1988:34, Rn. 19) , vom 6. Oktober 1993, Italien/Kommission (C‑55/91, EU:C:1993:832, Rn. 69), vom 4. Juli 1996, Griechenland/Kommission (C‑50/94, EU:C:1996:266, Rn. 6), und vom 22. April 1999, Niederlande/Kommission (C‑28/94, EU:C:1999:191, Rn. 51), die Regelung der Union auf dem Gebiet des EAGFL, der damals keine Bestimmungen enthielt, die als mit den Unionsvorschriften vergleichbar angesehen werden könnten, die den Gerichtshof zu der in der vorstehenden Randnummer genannten Feststellung veranlasst haben.

76

Überdies galt die in den von der Kommission angeführten Rechtssachen maßgebliche Regelung auf dem Gebiet des EAGFL deutlich vor dem Jahr 2000, so dass die vom Gerichtshof in diesen Rechtssachen erlassenen Urteile keinerlei Auswirkungen auf die Rechtsprechung haben, die die Kommission mit dem vorliegenden Rechtsmittel in Frage zu stellen beabsichtigt.

77

Zum anderen genügt hinsichtlich des von der Kommission ebenfalls angeführten Beschlusses vom 22. Januar 2010, Griechenland/Kommission (C‑43/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:36), der Hinweis, dass in der Rechtssache, die Gegenstand dieses Beschlusses war, weder die Verordnung Nr. 1386/2002 noch die Verordnung Nr. 1083/2006 in zeitlicher Hinsicht Anwendung fanden.

78

Zweitens ist festzustellen, dass die These der Kommission auf den Wortlaut von Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 in seiner spanischen Sprachfassung gestützt ist, wonach die dort vorgesehene Dreimonatsfrist an die fehlende Einigung zwischen den Parteien anknüpft.

79

Wie indessen der Gerichtshof in den Rn. 52 und 53 der Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157), hervorgehoben hat, ist die Bedeutung dieser Bestimmung in ihren einzelnen Sprachfassungen unterschiedlich, da sich die darin vorgesehene Dreimonatsfrist nach der französischen Sprachfassung auf den Erlass des Beschlusses über die Finanzkorrektur bezieht.

80

Daher hat der Gerichtshof in Rn. 55 dieser Urteile festgestellt, dass eine Vorschrift, wenn ihre verschiedenen Sprachfassungen voneinander abweichen, im Sinne einer einheitlichen Auslegung und Anwendung nicht nach einer bestimmten Sprachfassung, sondern nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung, zu der sie gehört, ausgelegt werden muss.

81

So hat der Gerichtshof die maßgeblichen Unionsvorschriften nach einer systematischen Analyse dahin ausgelegt, dass die Kommission seit dem Jahr 2000 beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur eine gesetzliche Frist einzuhalten hat (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 56 bis 82, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 56 bis 82).

82

Drittens erweist sich die von der Kommission vertretene These als widersprüchlich.

83

Die Kommission selbst hat sich nämlich in der Vergangenheit mehrfach für einen Ansatz ausgesprochen, der dem von ihr im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels vertretenen genau entgegensteht.

84

Wie der Gerichtshof in den Urteilen vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 81), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 81), bereits ausgeführt hat, kann Art. 18 der Verordnung Nr. 1386/2002, gemäß der die Kommission Vorschriften zur Durchführung der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 festgelegt hat, nur dahin verstanden werden, dass er das Bestehen einer gesetzlichen Frist für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur bestätigt.

85

Außerdem ergibt sich diese Auslegung, wie der Gerichtshof in Rn. 83 dieser Urteile festgestellt hat, aus dem Wortlaut, den die Kommission in ihrer Mitteilung 2011/C 332/01 an das Europäische Parlament, den Rat und den Rechnungshof – Jahresrechnung der Europäischen Union – Haushaltsjahr 2010 (ABl. 2011, C 332, S. 1) selbst verwendet hat. Auf S. 63 dieser Mitteilung heißt es zur Durchführung von Finanzkorrekturen im Rahmen der Kohäsionspolitik, dass, wenn der Mitgliedstaat der von der Kommission verlangten oder vorgeschriebenen Korrektur im Anschluss an ein förmliches, kontradiktorisches Verfahren mit dem Mitgliedstaat, das u. a. eine Aussetzung der Zahlungen in das Programm beinhaltet, widerspricht, „für die Kommission eine Frist von drei Monaten ab der förmlichen Anhörung des Mitgliedstaates (sechs Monate für Programme im Zeitraum 2007–2013) [gilt], innerhalb der sie einen förmlichen Beschluss über die Finanzkorrektur verabschieden und eine Einziehungsanordnung herausgeben kann, um bei dem Mitgliedstaat eine Rückzahlung zu erreichen“.

86

In Anbetracht dieser Erwägungen ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b) Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

87

Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes betrifft im Wesentlichen die Frage, ob Anhang II Art. H Abs. 2 der in den Jahren 2000 bis 2006 geltenden geänderten Verordnung Nr. 1164/94, wie von der Kommission geltend gemacht, das in zeitlicher Hinsicht auf den streitigen Beschluss anwendbare Verfahren regelt und das Gericht daher Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006, die an die Stelle der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 getreten ist, zu Unrecht angewandt hat.

88

Insoweit ist die von der Kommission zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgetragene Argumentation nicht stichhaltig.

89

Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass sich aus Art. 108 der Verordnung Nr. 1083/2006 ergibt, dass deren Art. 100 ab dem 1. Januar 2007 gilt – auch für vor diesem Zeitpunkt genehmigte, aber noch laufende Programme (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98, vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission, C‑429/13 P, EU:C:2014:2310, Rn. 31, vom 4. Dezember 2014, Spanien/Kommission, C‑513/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2412, Rn. 45, vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission, C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, Rn. 84, und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 53).

90

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 108 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 keinen Raum für Zweifel hinsichtlich seines Inhalts und seiner Tragweite lässt. Nach seinem Satz 1 gelten die dort aufgezählten Bestimmungen ab dem 1. August 2006„nur für Programme für den Zeitraum 2007–2013“. Nach Satz 2 gelten ohne weitere Präzisierung und somit allgemein „[d]ie übrigen Vorschriften … ab dem 1. Januar 2007“.

91

Zu den „übrigen Vorschriften“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 1083/2006 gehört Art. 100 dieser Verordnung, der somit als solcher ab dem 1. Januar 2007 Anwendung findet.

92

Eine solche Anwendung von Art. 100 („Verfahren“) rechtfertigt sich umso mehr, als sie im Einklang mit dem Grundsatz steht, dass Verfahrensvorschriften unmittelbar anwendbar sind (vgl. u. a. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98).

93

Im Übrigen ist im vorliegenden Fall aus dem Rechtsstreit nicht ersichtlich, dass eine neue Rechtsvorschrift auf eine unter der Geltung der alten Regelung entstandene und endgültig erworbene Rechtsposition angewandt worden wäre. Vielmehr leitete die Kommission das Verfahren zur Finanzkorrektur erst nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1083/2006 ein, und die Anhörung der Parteien fand sogar fast dreieinhalb Jahre nach dem Zeitpunkt statt, zu dem Art. 100 dieser Verordnung anwendbar geworden war.

94

Soweit sich die Kommission auf Art. 105 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung bezweckt, die Übergangsregelung für Strukturfonds festzulegen, die auf der Grundlage einer bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Unionsregelung genehmigt wurden, aber über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestehen und zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden.

95

Die vorgesehene Übergangsregelung betrifft die in diesem Zusammenhang anwendbaren materiellen Vorschriften, wie sich im Übrigen aus der Verwendung der Worte „Intervention“ und „Projekt“ in Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006 sowie aus dem Inhalt von Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift ergibt, und nicht Vorschriften prozessualer Natur, für die die in Rn. 92 des vorliegenden Urteils angeführte Grundregel gelten muss.

96

Folglich findet die in Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006 enthaltene Übergangsvorschrift keine Anwendung auf die Verfahrensfrist, die die Kommission einhalten muss, wenn sie einen Beschluss über eine Finanzkorrektur nach dieser Verordnung erlässt.

97

Hinzuzufügen ist, dass es sowohl aus logischer als auch aus praktischer Sicht keinen Sinn ergäbe, wenn Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006, wonach die Kommission ihren Beschluss über die Finanzkorrektur binnen sechs Monaten nach der Anhörung erlassen muss, ab dem 1. Januar 2007 Anwendung fände, aber – wie die Kommission vorträgt – nur für die Programme der Kampagne 2007 bis 2013. Für die Kampagne 2007 bis 2013 stellt sich die Frage der Finanzkorrektur nämlich nicht bereits ab dem Jahr 2007, sondern erst einige Jahre später bei Abschluss der Projekte. Die Anwendung dieser in Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 niedergelegten Fristbestimmung von Beginn des Jahres 2007 an entfaltet somit nur Wirksamkeit, wenn sich diese Vorschrift auf eine zu diesem Zeitpunkt bereits laufende Kampagne bezieht.

98

Daher hat das Gericht nicht gegen das Unionsrecht verstoßen, als es in Rn. 29 des angefochtenen Urteils Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 herangezogen hat.

99

Jedenfalls aber ist, selbst wenn im vorliegenden Fall – wie die Kommission geltend macht – nicht Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006, sondern Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002 anwendbar gewesen wäre, offenkundig, dass die Kommission beim Erlass des streitigen Beschlusses auch die in den beiden letztgenannten Bestimmungen vorgesehenen Fristerfordernisse nicht eingehalten hat.

100

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1386/2002 vorsieht, dass die Kommission beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Anhörung einhalten muss (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 95 und 102, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 95 und 102).

101

Somit ist auch der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen und folglich der erste Rechtsmittelgrund insgesamt unbegründet.

B – Zum zweiten Rechtsmittelgrund

1. Vorbringen der Parteien

102

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass die Frist, die sie beim Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur einhalten müsse, zwingend sei und ihre Nichteinhaltung eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstelle, die zur Ungültigkeit eines nach Ablauf dieser Frist erlassenen Beschlusses führe.

103

Die Kommission präzisiert, dass sie diesen Rechtsmittelgrund lediglich hilfsweise für den Fall geltend mache, dass der Gerichtshof entweder ihren in erster Linie geltend gemachten Rechtsmittelgrund mit der Begründung zurückweise, sie müsse den streitigen Beschluss innerhalb der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegten Frist erlassen, oder sich ihrer Auslegung anschließe, wonach diese Verordnung in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar sei, aber gleichwohl entscheide, dass Anhang II Art. H Abs. 2 der geänderten Verordnung Nr. 1164/94 eine Frist für die Beschlussfassung bestimme.

104

In jeder dieser beiden Fallkonstellationen wendet sich die Kommission gegen die Begründung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Natur der ihr für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur gesetzten Frist.

105

Die Rn. 28, 30, 31 sowie 33 bis 36 des angefochtenen Urteils wichen von der „herkömmlichen“ Rechtsprechung des Gerichtshofs ab, der das Gericht zuvor gefolgt sei. In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auf mehrere Urteile des Gerichtshofs zum EAGFL, aus denen sich ergebe, dass es keine zwingende Frist für den Erlass von Beschlüssen über Finanzkorrekturen gebe. Dieser Ansatz stehe im Einklang mit dem wesentlichen Zweck eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur, der Wahrung der finanziellen Interessen der Union, da die Kommission gewährleisten müsse, dass die in diesem Zusammenhang getätigten Ausgaben mit dem Unionsrecht im Einklang stünden.

106

Der Umstand, dass für die Nichteinhaltung dieser Frist keine Sanktionen vorgesehen seien, sei dahin auszulegen, dass die Frist nicht verpflichtend sei, sondern lediglich Hinweischarakter habe.

107

Daher berühre die Nichteinhaltung der Frist nicht die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission, es sei denn, der Mitgliedstaat weise nach, dass die Verspätung, mit der dieser Beschluss gefasst worden sei, seine Interessen beeinträchtigt habe. In der Regel jedoch beruhe die Verspätung auf der Notwendigkeit, den Dialog mit dem betreffenden Mitgliedstaat fortzusetzen, und auf der Übermittlung neuer Informationen durch diesen Mitgliedstaat nach der Anhörung, so dass den Interessen des Mitgliedstaats gebührend Rechnung getragen werde. Im vorliegenden Fall habe das Königreich Spanien nicht dargetan, inwiefern die Nichtbeachtung der Frist ihm einen Schaden verursacht habe. Jedenfalls könne die Überschreitung der Frist nicht als unangemessen angesehen werden.

108

Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es den streitigen Beschluss mit der Begründung für nichtig erklärt habe, die Kommission habe ihn nicht fristgerecht erlassen.

109

Das Königreich Spanien erwidert, dass der zweite von der Kommission geltend gemachte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen sei.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

110

Für die Entscheidung über die Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes, den die Kommission nach eigenen Angaben hilfsweise geltend macht, ist zu beachten, dass die Argumentation, die die Kommission aus den Urteilen vom 27. Januar 1988, Dänemark/Kommission (349/85, EU:C:1988:34, Rn. 19), vom 6. Oktober 1993, Italien/Kommission (C‑55/91, EU:C:1993:832, Rn. 69), vom 4. Juli 1996, Griechenland/Kommission (C‑50/94, EU:C:1996:266, Rn. 6), und vom 22. April 1999, Niederlande/Kommission (C‑28/94, EU:C:1999:191, Rn. 51), herleitet, aus den gleichen wie den in den Rn. 74 bis 76 des vorliegenden Urteils ausgeführten Gründen unerheblich ist.

111

Überdies ist festzustellen, dass das Gericht im angefochtenen Urteil die Grundsätze angewandt hat, die der sich aus den Urteilen vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157) ergebenden Rechtsprechung des Gerichtshofs zugrunde liegen.

112

Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht nicht nur auf einer Analyse des Systems und des Zwecks der gesamten Unionsregelung über Strukturfonds (Rn. 56 bis 84 dieser Urteile), sondern auch auf anderen Erwägungen wie der rationellen und sorgfältigen Verwaltung der Haushaltsmittel sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten sowie der Achtung der Grundsätze der guten Verwaltung und der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten (Rn. 86 bis 88 der genannten Urteile). Der Gerichtshof hat auch darauf hingewiesen, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Auslegung, die er in diesen Urteilen vorgenommen hat, irgendeinen praktischen Nachteil nach sich ziehen wird, da sie der Kommission genügend Zeit lässt, ihren Beschluss ordnungsgemäß zu erlassen (Rn. 85 dieser Urteile).

113

Bezüglich der Sanktion für die Nichteinhaltung der der Kommission für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur gesetzten Frist hat der Gerichtshof in Rn. 102 der Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑192/13 P, EU:C:2014:2156), und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission (C‑197/13 P, EU:C:2014:2157), insbesondere entschieden, dass es entgegen dem Vorbringen der Kommission unerheblich ist, dass die einschlägige Unionsregelung nicht ausdrücklich vorsieht, dass die Kommission im Fall der Nichteinhaltung der für den Erlass eines Beschlusses über eine Finanzkorrektur festgelegten Frist einen solchen Beschluss nicht mehr fassen kann, denn die Festlegung einer Frist, innerhalb der ein solcher Beschluss zu fassen ist, reicht als solche aus.

114

Weiter hat der Gerichtshof in Rn. 103 dieser Urteile ausgeführt, dass die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften über den Erlass einer beschwerenden Maßnahme eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die vom Unionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist, und dass die Tatsache, dass die Kommission den streitigen Beschluss nicht innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Frist gefasst hat, daher eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt.

115

Diese Rechtsprechung ist vom Gerichtshof seither mehrfach bestätigt worden, wie sich u. a. aus den Urteilen vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission (C‑429/13 P, EU:C:2014:2310), vom 4. Dezember 2014, Spanien/Kommission (C‑513/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2412), vom 24. Juni 2015, Deutschland/Kommission (C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412), und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission (C‑263/13 P, EU:C:2015:415), ergibt.

116

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier in Rede stehende Frist vom Unionsgesetzgeber klar und präzise festgelegt wurde und die Verordnung Nr. 1083/2006 hierbei – anders als die Verordnung Nr. 1303/2013 – die Fortsetzung des Dialogs zwischen den Parteien nach der Anhörung nicht berücksichtigt.

117

In einer rechtsstaatlichen Union obliegt es deren Gerichten, über die Einhaltung einer derartigen allgemeinen Regelung zu wachen und jeden Verstoß gegen diese Vorschrift gegebenenfalls auch von Amts wegen zu ahnden. Die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit verbieten es nämlich, einer durch eine Unionsverordnung für den Erlass eines beschwerenden Rechtsakts vorgesehenen Frist bloßen Hinweischarakter in der Weise zuzumessen, dass die Nichtbeachtung einer solchen Frist durch den Urheber des Rechtsakts die Gültigkeit dieses Aktes nicht berührt.

118

Unter diesen Umständen kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, einen Rechtsfehler begangen zu haben, als es sich auf die einschlägige ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs stützte, um den streitigen Beschluss wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften für nichtig zu erklären. Der zweite Rechtsmittelgrund kann somit nur zurückgewiesen werden.

119

Da keinem der Rechtsmittelgründe der Kommission stattgegeben werden kann, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

VI – Kosten

120

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

121

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

122

Da die Kommission mit ihren Anträgen unterlegen ist und das Königreich Spanien ihre Verurteilung beantragt hat, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

123

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

124

Folglich trägt das Königreich der Niederlande seine eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

3.

Das Königreich der Niederlande trägt seine eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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