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Document 92001E001207

SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-1207/01 von Gérard Caudron (PSE) an die Kommission. Schließungen gesunder Betriebe.

ABl. C 318E vom 13.11.2001, p. 224–225 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

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92001E1207

SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-1207/01 von Gérard Caudron (PSE) an die Kommission. Schließungen gesunder Betriebe.

Amtsblatt Nr. 318 E vom 13/11/2001 S. 0224 - 0225


SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-1207/01

von Gérard Caudron (PSE) an die Kommission

(4. April 2001)

Betrifft: Schließungen gesunder Betriebe

Die brutalen und zynischen Ankündigungen von Schließungen bei Danone und bei Marks und Spencer zeigen auch denjenigen, die noch daran zweifelten, daß die Zeit der gemischten Wirtschaft und des europäischen Sozialmodells nahezu abgelaufen ist.

Umstrukturierungen von Unternehmen im Gefolge echter wirtschaftlicher Schwierigkeiten konnte man noch verstehen; hingegen ist es nicht möglich, Umstrukturierungen in gesunden und posperierenden Unternehmen hinzunehmen, die nur ein einziges Ziel verfolgen: die Gewinne der Kapitaleigner zu steigern.

Wenn die Agrarkrisen in der Lage sind unsere Verantwortlichen zu mobilisieren, dann müssen mutwillige Aktionen der Zerschlagung von Betrieben, die im Namen des Geldes ganzen Familien die Existenzgrundlage entziehen, unsere europäischen Führungspersönlichkeiten mindestens ebenso mobilisieren, und dies um so mehr, als eine ausbleibende Reaktion dazu führen wird, daß sich diese Entwicklung künftig noch weiter beschleunigt.

Angesichts dieser Tatbestände wird die Kommission förmlich um Mitteilung ersucht, was sie zu unternehmen beabsichtigt?

Antwort von Frau Diamantopoulou im Namen der Kommission

(5. Juni 2001)

Die Kommission misst den sozialen Folgen von Unternehmensumstrukturierungen größte Bedeutung bei.

Was die geltenden europäischen Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer bei Unternehmensumstrukturierungen angeht, so ist eine ganze Reihe von nationalen Rechtsvorschriften anzuwenden, die arbeitsrechtliche und die Arbeitsbeziehungen regelnde Richtlinien umsetzen: insbesondere die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen(1) und die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen(2) in der durch die Richtlinie des Rates 98/50/EG vom 29. Juni 1998(3) geänderten Fassung.

Da diese Richtlinien in nationales Recht umgesetzt sind, obliegt es den nationalen Behörden oder Gerichten, zu entscheiden, ob es im Falle der Unternehmen Danone und Marks and Spencer zu Verstößen gekommen ist.

Die Kommission hat wiederholt darauf hingewiesen, daß Unternehmens-umstrukturierungen sozialverträglich zu gestalten sind und folglich die Notwendigkeit betont, das Recht der Arbeitnehmer auf Information und Anhörung zu stärken. Dies gilt um so mehr, als wir uns einer Welle von fast täglich stattfindenden Umstrukturierungen, Fusionen und Übernahmen gegenübersehen.

Vor allem diese Entwicklung hat die Kommission veranlasst, einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates auszuarbeiten zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Information und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft(4), der dem Ministerrat vorliegt. Zweck des Richtlinienvorschlags ist es, die Rechte der Arbeitnehmer in den Unternehmen auf Information und Anhörung zu stärken und Lücken zu schließen in Bestimmungen zur Information und Anhörung der Arbeitnehmer auf nationaler Ebene und Gemeinschaftsebene. Der Vorschlag ist zu verstehen als eine konkrete Antwort der Gemeinschaft auf Befürchtungen europäischer Bürger, die sich bedroht sehen durch eine gewöhnlich von Arbeitsplatzverlusten begleiteten Welle von Unternehmensumstrukturierungen, Fusionen, Übernahmen und so weiter.

Nach der Verabschiedung durch den Rat und der Umsetzung in den Mitgliedstaaten wird die Richtlinie den Arbeitnehmern in Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten (selbst wenn sie Tochtergesellschaften einer multinationalen Gruppe sind) eine Reihe grundlegender Rechte garantieren: das Recht auf Information über die jüngste und vorhersehbare weitere Entwicklung der Unternehmenstätigkeit und über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens; das Recht auf Information und Anhörung zu Beschäftigungsfragen und zu Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation mit sich bringen, sowie das Recht auf Information darüber, in welcher Form das Unternehmen diese Änderungen durchzuführen beabsichtigt.

In ihrer Sozialagenda(5) empfiehlt die Kommission die Schaffung einer Beobachtungsstelle für den Wandel im Rahmen der Stiftung in Dublin. Der Europäische Rat in Stockholm im März 2001 unterstützte diesen Vorschlag und erklärte, eine solche Beobachtungsstelle sollte so bald wie möglich eingerichtet werden.

Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission, im Juni 2001 ein Grünbuch über die soziale Verantwortung der Unternehmen vorzulegen, in dem in Bezug auf Umstrukturierungen festgestellt wird, daß sozial verantwortliches Handeln hierbei bedeutet, die Interessen und Belange aller von Veränderungen und einschlägigen Entscheidungen betroffenen Akteure in angemessener und ausgewogener Weise zu berücksichtigen.

Schlussfolgerung: Europa muß sich der industriellen Umstrukturierung sie kann zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Wirtschaftswachstum beitragen und deren sozialen Folgen stellen. Zu diesem Zweck muß ein Policy-mix gefunden werden, der Innovation vereint mit sozialem Zusammenhalt und der Fähigkeit zur Bewältigung des Wandels. Die Kommission geht diese Herausforderung mit dem vorstehend skizzierten umfassenden Ansatz an: durch Verbesserung der Fähigkeit zur Antizipation und Bewältigung des Wandels mit Hilfe der Beobachtungsstelle in Dublin, durch Schaffung von Rechtsinstrumenten, die einen angemessenen Schutz der Arbeitnehmer bei industriellen Umstrukturierungen gewährleisten, und durch Förderung der sozialen Verantwortung der Unternehmen.

(1) ABl. L 225 vom 12.8.1998.

(2) ABl. L 61 vom 5.3.1977.

(3) ABl. L 201 vom 17.7.1998.

(4) ABl. C 2 vom 5.1.1999.

(5) KOM(2000) 379 endg.

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